Auf einer Hamburger Mülldeponie wird die Leiche einer jungen Frau gefunden. Man zieht den erfahrenen Ermittler Perrak (Horst Tappert) hinzu, da er sich im lokalen Milieu bestens auskennt. Bereits am Fundort des toten Körpers genügt Perrak ein kurzer Blick, um die wahre Identität der Leiche aufzudecken. Die junge Frau ist ein junger Mann, ein einschlägig bekannter Transvestit. Bei seinen Nachforschungen stösst der Kripobeamte immer wieder in Wespennester. Fiese Erpresser, sexuelle Ausschweifungen, ein gut getarntes Bordell unter der Leitung einer alten Bekannten, selbst hohe Amt- und Würdenträger scheinen in den Fall verwickelt zu sein. Als Perrak den stadtbekannten Gauner Kaminski (Hubert Suschka) zu sehr in Bedrängnis bringt, wird sogar der Sohn des Polizisten entführt. Doch Perrak lässt sich von keinem noch so widerwärtigen Verbrecher stoppen...
Regisseur Alfred Vohrer wurde durch seine zahlreichen Arbeiten für Rialto Film zu einem gefragten Mann. Etliche Edgar Wallace und Karl May Verfilmungen gehen auf sein Konto. In den späten sechziger Jahren verliess Vohrer Rialto und wechselte zu Roxy Film, nach dieser Phase wurde er für das Fernsehen aktiv (Derrick, Der Alte). Aus seiner Zeit bei Roxy Film stammt auf "Perrak". Alle Beteiligten lassen hier ordentlich die wilde Wutz von der Kette, offensichtlich hatte man am Set des Films jede Menge Freude (es kommt zumindest so rüber). Horst Tappert zeichnet die Figur Perrak als eine Art "weniger trockenen Vorläufer" seiner späteren Paraderolle Derrick. Immer einen Spruch auf den Lippen, bei Bedarf auch harsch zupackend. Der Film kommt mit herrlichen, oft groben Dialogen daher, gewährt Einblicke in die Halbwelt der norddeutschen Metropole Hamburg. Vohrer suhlt sich mit Wonne im Sumpf der Gauner, Bordelle und vor allem der Transen. Da der gute Herr Vohrer dem eigenen Geschlecht zugeneigt war, konnte er sich hier so richtig austoben, warum auch nicht! Es macht einfach riesigen Spass das Deutschland der frühen siebziger Jahre auf diese Weise zu betrachten. Aus heutiger Sicht unfassbar inkorrekte Ansagen, hier gibt keine Schwarzen sondern Bimbos. So wird dann auch ein maximalpigmentierter Mitmensch von Gauner Kaminski -vortrefflich ekelhaft von Hubert Suschka gespielt- unter sklavenhaften Bedingungen gehalten und ständig gedemütigt. "Ich heisse nicht Bimbo!", beschwert sich der arme Bursche. "Du heisst Bimbo, Bimbo!", schallt es aus Kaminskis Schandmaul zurück (zumindest so in der Art, ich habe den genauen Wortlaut nicht im Kopf). Doch natürlich bepöbelt sich der Pöbel auch untereinander, beschimpft die Bullen, packt bei Bedarf Schlagring und Wumme aus. Doch nicht nur Tappert und Suschka rocken richtig ab! Werner Peters kommt gewohnt abstossend daher, Arthur Brauss (hier supercool als Art Brauss unterwegs) gibt einen Handlanger Suschkas.Walter Richter taumelt volltrunken und abgewrackt über die Müllkippe, Wolf Roth mimt einen tragischen Kleinkriminellen, Jochen Busse schleimt verschlagen durch die Kulissen. Nicht zu vergessen Judy Winter als Puffmutter... ...hach, sie sind einfach ALLE grandios!
Die Handlung überrascht mit diversen Wendungen, ergo sollte man trotz des hohen Spassfaktors aufmerksam am Ball bleiben! Nun könnte man bemängeln, dass sich der Film in der zweiten Hälfte wie ein glitschiger Aal windet. Doch ich bin der Ansicht, gerade deshalb werden auch weitere Sichtungen noch jede Menge Unterhlatungswert bieten, der Streifen sich nicht so schnell "abnutzen". Am Ende laufen alle Fäden zusammen, Perrak präsentiert und ausführlich seine Auflösung des Falls, nachvollziehbar und logisch! Deutscher Kriminalfilm trifft auf Sleaze. Das Ergebnis kann man von mir aus als Krautploitation bezeichnen, was der Sache wohl einigermaßen gerecht wird. Schändlich ist allerdings die Tatsache, dass es bisher keine DVD Auswertung dieses wunderbaren Vohrer Films gibt. Ich hoffe da tut sich in der Zukunft etwas!!!
Sehr gut! Mehr davon! Danke Frau Vohrer! 8/10
Lieblingszitat:
"Ich hab das Gefühl, Perrak, dass Sie mit Leichen doch ganz gut können." "Danke! ...und was für ein Gefühl haben Sie noch?"
(Man könnte wohl eine ganze Seite mit prächtigen Zitaten dieser Sause füllen! Besorgt euch den Stoff und schaut selbst, es lohnt sich!)
Die Kritik ist vortrefflich geschrieben. Hinzufügen sollte man noch die zweite weibliche Darstellerin, Erika Pluhar, sowie die vortrefflich passende Musik von Rolf Kühn (Ehemann von Judy Winter).
Insgesamt war "Perrak" der vierte Film des Teams Luggi Waldleitner, Manfred Purzer und Alfred Vohrer sowie des Herstellungsleiters Erwin Gitt - die beiden kommenden Filme waren hiernach die Simmelverfilmungen "Und Jimmy ging zum Regenbogen" und "Liebe ist nur ein Wort".
Dass der Film bisher noch nicht auf DVD veröffentlicht wurde liegt vermutlich an der Tatsache, dass er eine FSK-18-Freigabe hat - und diese vermutlich auch nicht abgeändert werden kann. Der Film enthält für mich einen der grässlichten Selbstmorde der deutschen Filmgeschichte (Selbstmord des Bimbos). Und sollte er kommen, wäre die Qualität vermutlich auch nicht besser als die der TV-Ausstrahlungen.
Zitat von Joachim Kramp im Beitrag #2Die Kritik ist vortrefflich geschrieben. Hinzufügen sollte man noch die zweite weibliche Darstellerin, Erika Pluhar, sowie die vortrefflich passende Musik von Rolf Kühn (Ehemann von Judy Winter).
Da stimme ich völlig zu. Manchmal vergesse ich beim Tippen der Kurzkommentare diverse Details.
Zitat von Joachim Kramp im Beitrag #2Insgesamt war "Perrak" der vierte Film des Teams Luggi Waldleitner, Manfred Purzer und Alfred Vohrer sowie des Herstellungsleiters Erwin Gitt - die beiden kommenden Filme waren hiernach die Simmelverfilmungen "Und Jimmy ging zum Regenbogen" und "Liebe ist nur ein Wort".
Ich stelle gerade fest, dass es von "Und Jimmy ging zum Regenbogen" sogar eine DVD von Kinowelt gibt! Als junger Bursche habe ich die Romane von Simmel regelrecht verschlungen. Das "Fülletong" prügelte beständig auf den guten Mann ein, böse "Trivialliteratur", Teufelswerk und Volksverdummung. Die Verfilmungen - so meine ich mich zu erinnern - bezogen noch mehr verbale Prügel. Solche Vorgänge machen mich erst richtig neugierig, oft mit erfreulichen Ergebnissen. So ist Simmels "Alle Menschen werden Brüder" bis zum heutigen Tage eines meiner absoluten Lieblingsbücher, ich sollte es mal wieder aus dem Regal ziehen! Das alte Taschenbuch (eine Auflage von 1975) ist schon stark vergilbt, Nostalgie pur!
Zitat von Joachim Kramp im Beitrag #2Dass der Film bisher noch nicht auf DVD veröffentlicht wurde liegt vermutlich an der Tatsache, dass er eine FSK-18-Freigabe hat - und diese vermutlich auch nicht abgeändert werden kann.
Naja, ist "keine Jugendfreigabe" in der heutigen Zeit noch eine nennenswerte "Verkaufsbremse"? Da der Film nicht indiziert ist, kann er trotz der hohen Alterfreigabe quasi in jedem "Supermarkt" verkauft werden. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass "Perrak" bei einer erneuten Prüfung durch die FSK locker mit einer Freigabe ab 16 durchkäme. Leider ist die Frage der Rechte ja oft ein Problem bei älteren Filmen, nicht zu vergessen die vermutlich sehr begrenzte Nachfrage. Ich bin sehr froh darüber, dass inzwischen jede Menge "Nischenfilme" in angemessener Form auf DVD veröffentlicht wurden, doch es gibt noch immer unfassbar viele Schätze, die in irgendwelchen Hinterzimmern und Archiven vergammeln.
Zitat von Joachim Kramp im Beitrag #2Der Film enthält für mich einen der grässlichten Selbstmorde der deutschen Filmgeschichte (Selbstmord des Bimbos). Und sollte er kommen, wäre die Qualität vermutlich auch nicht besser als die der TV-Ausstrahlungen.
"Bimbo" wird in "Perrak" übel mitgespielt. Immerhin erhält er seinen persönlichen Moment der Rache. Man merkt in jeder Szene mit ihm, wie es mehr und mehr brodelt. Zu Beginn ist die Szene mit den beschossenen Farbbehältern vordergründig lustig (man beachte die Wahl der drei Farben), doch denkt man ein wenig darüber nach, packt einen schließlich das nackte Grausen. Rassismus als völlig selbstverständlicher Bestandteil des Alltags. Klasse umgesetzt von Vohrer und Co.
danke für die Antwort. Ich finde es toll, dass es noch viele gibt, die sich auch mit den anderen Vohrer- bzw. Simmel-Filmen auseinandersetzen.
Anders als die beiden Filme "Sieben Tage Frist" und "Herzblatt oder wie sag' ich's meiner Tochter" sind die Simmel-Filme sowie "Das gelbe Haus am Pinnasberg" und "Perrak" in den 80ern auf Video erschienen. Die Rechte der Roxy-Filme liegen bei Kirch Media, d.h. derzeit bei Kinowelt.
Natürlich ist eine FSK-Freigabe ab 18 heute zwar keine Seltenheit, aber dennoch verkaufshemmend. Wenn der "Otto Normalverbraucher" Horst Tappert etc. liest, lässt er vermutlich die Finger von der DVD. Die Video-Fassung war uncut - ich muss mal prüfen, wie es mit der Premiere-Fassung aussieht. Übrigens war weder "Sieben Tage Frist" noch "Perrak" im Kino damals ein Geschäft. Sie dürften eine Größenordnung wie "Das Gesicht im Dunkeln" oder "Das Rätsel des silbernen Halbmonds" gehabt haben. Dagegen hatten "Herzblatt oder wie sag' ich's meiner Tochter" und "Das gelbe Haus am Pinnasberg" über zwei Millionen Zuschauer.
Was die Simmel-Verfilmungen betrifft, kannst Du ja mal im Simmel-Thread die Kritiken nachlesen.
Zitat von Blap im Beitrag #1Perrak (Deutschland 1970, Originaltitel: Perrak)
Sehr gut! Mehr davon! Danke Frau Vohrer! 8/10
Für meinen Geschmack ist "Perrak" allgemein völlig unterbewertet. Er gehört für mich zu den besten (harten) Krimis der 70er Jahre und bestärkt mich auch darin, dass Vohrer weltweit einer der vielseitigsten und besten Regisseure ist.
Zitat von Joachim Kramp im Beitrag #4Kennst Du eigentlich "Sieben Tage Frist"?
Leider, leider nicht! Aber ich werde versuchen, diesen Missstand bald aufzuheben!
Ein freundlicher Mensch hat mir "Perrak" zukommen lassen, die Bildqualität ist nicht sensationell, aber durchaus brauchbar (letztlich zählt sowieso der Film, die technischen Aspekte sind zweitrangig). IMHO müsste es sich um eine Version von "Premiere" handeln, ich frage nach. Für mich sah die Fassung ungekürzt aus, zumindest in den Bereichen Sex und Gewalt kam mir nichts geschnitten vor.
IMHO sollte der Name Horst Tappert für den Verkauf einer offiziellen Veröffentlichung förderlich sein. "Derrick" ist noch immer sehr bekannt, gewissermaßen ein wichtiges Stück deutscher Fernsehunterhaltung. Auch wenn ich nicht viel von solchen Aktionen halte, könnte man auf dem Cover einen Aufkleber anbringen, der auf den "legendären Derrick" hinweist.
Ich habe erst letztens wieder "Sieben Tage Frist" geschaut und fand ihn gut (Note 2). Klar, etwas mehr Haut als bei den Wallace-Filmen - doch Georg Konrad, Joachim Fuchsberger und Hans Clarin waren nicht schlecht. Ich mag ja Georg Konrad auch als "Kommissar Freytag". Die Story hätte auch eine Wallace-Story sein können. Plötzlich verschwinden zwei Menschen und Fuchsberger macht sich auf die Jagd. Und es gibt einen unbekannten Täter, dessen Identität erst am Ende aufgedeckt wird.
Zitat von Blap im Beitrag #1Horst Tappert zeichnet die Figur Perrak als eine Art "weniger trockenen Vorläufer" seiner späteren Paraderolle Derrick.
Wobei die ersten "Derrick"-Folgen, zumal die unter der Regie von Alfred Vohrer, einen Stephan Derrick zeigen, der weitaus dichter an Perrak dran ist als am späteren Stephan Derrick! In "Kamillas junger Freund" und noch viel extremer bei "Tote Vögel singen nicht" wird die Figur Perrak, die ja nicht zuletzt auch den Inspektor Perkins beinhaltet, ohne Bruch fortgesetzt. Leider gab man das spätestens ab Ende der 1970er Jahre auf und versiechte in mutloser Schwafelei!
Zitat von Jan im Beitrag #10Wobei die ersten "Derrick"-Folgen, zumal die unter der Regie von Alfred Vohrer, einen Stephan Derrick zeigen, der weitaus dichter an Perrak dran ist als am späteren Stephan Derrick! In "Kamillas junger Freund" und noch viel extremer bei "Tote Vögel singen nicht" wird die Figur Perrak, die ja nicht zuletzt auch den Inspektor Perkins beinhaltet, ohne Bruch fortgesetzt. Leider gab man das spätestens ab Ende der 1970er Jahre auf und versiechte in mutloser Schwafelei!
Ich habe schon ewig keine Derrick-Folgen mehr gesehen. Aus der Erinnerung heraus meine ich allerdings auch, dass die frühen Folgen unterhaltsamer waren. Da die Anfänge seit einiger Zeit auf DVD zu haben sind, werde ich die frühen Staffeln auf meine Einkaufsliste setzen.
Die ersten drei Boxen sind nahezu uneingeschränkt empfehlenswert. Es geht halt anfangs nicht nach dem Whodunit-Muster; das hat man erst ab Staffel 2 oder 3 umgestellt. Top-Folgen sind vor allem die von Alfred Vohrer, der teilweise herrlich unsinnig und unterhaltsam inszenierte. Mal aus dem Gedächtnis die Highlights:
"Kamillas junger Freund" (Vohrer)
"Tote Vögel singen nicht" (Vohrer)
"Das Kuckucksei" (Vohrer)
"Hals in der Schlinge" (Vohrer)
"Lissas Vater" (Vohrer)
"Der Mann aus Portofino" (Haugk)
"Waldweg" (Haugk)
"Pfandhaus" (Haugk)
"Alarm auf Revier 12" (Brynych)
"Stiftungsfest" (Käutner)
"Madeira" (Grädler) ist eventuell wegen des grandiosen Soundtracks von Erich Ferstl interessant. "Tote Vögel singen nicht" hingegen ist für mich einer der besten Ringelmann-Krimis überhaupt und prinzipiell der beste "Derrick". Man sollte allerdings etwas Sinn fürs Groteske haben. Dann aber jagt ein Knaller den anderen und ein prominenter Darsteller löst den nächsten ab! Die Szene gleich zu Beginn erinnert dabei stark an PERRAK (Mülldeponie), währenddessen die Szenen im Club 1:1 aus dem GORILLA VON SOHO kopiert sind. Harald Leipnitz trägt zudem eine so selten dämliche Fliege; allein das ist schon das Einschalten wert!
Die Boxen aus den späten 70ern und frühen 80ern kann man sich m.E. getrost sparen. Erst ab 1983 in etwa scheint jemand den völlig entrückten Reinecker wieder auf den Boden geholt zu haben. Famose Filme, wie sie unter den oben genannten zu finden sind, gab es aber irgendwie nie wieder ...
Danke für deine Anmerkungen zum Thema "Derrick". Das macht richtig Lust auf die ersten Box-Sets. Den Großteil der Folgen habe ich mit Sicherheit schon mehrfach gesehen, aber gerade diese Tatsache verstärkt das wohlige Nostalgieerlebnis. Spontan kann ich mich kaum an irgendwelche Einzelheiten erinnern, doch die "Erleuchtung" wird sicher bei der erneuten Sichtung ans Tageslicht gefördert.