Bereits im April dieses Jahres veröffentlichte Studio Hamburg in Kooperation mit ZDF Enterprises das Fernsehkriminalspiel „Der Hammermörder“ von 1990 auf DVD. Der mit mehreren Preisen ausgezeichnete Krimi wurde von Artur Brauner produziert und basiert auf einem realen Fall. Die DVD kommt, wie von Studio Hamburg gewohnt, leider absolut barebones daher und wartet auch lediglich mit „zufriedenstellender“ Bildqualität auf. Der ungewöhnlich dramatische Fall lohnt aber dennoch einen Kauf, wenn man ihn noch nicht als Privataufnahme besitzt.
TV-Kriminaldrama, BRD 1990. Regie: Bernd Schadewald. Drehbuch: Fred Breinersdorfer (Romanvorlage: Fred Breinersdorfer). Mit: Christian Redl (Erich Rohloff), Ulrike Kriener (Christa Rohloff), Silvan Oesterle (Steffen), Timmy Vetter (Andy), Ulrich Pleitgen (Soko-Beamter), Oliver Stritzel (Kreditsachbearbeiter), Verena Plangger (Monika), Walter Kreye (Kurt), Christoph Hofrichter (Kostmann), Peter Rühring (Allgöver) u.a. Erstsendung: 3. September 1990, ZDF. Eine Produktion der CCC-Television GmbH Berlin für das Zweite Deutsche Fernsehen.
Zitat von Der HammermörderIn Stuttgart und Umgebung werden kleine Bankfilialen von einem Maskierten überfallen, der mit einem Vorschlaghammer das Sicherheitsglas der Bankschalter zerschlägt und die Angestellten dann mit einer Pistole bedroht. Von den Tatorten flieht der Verbrecher mit gestohlenen Wagen, deren Besitzer er zuvor umbrachte. Die Spuren deuten darauf hin, dass der „Hammermörder“, wie er genannt wird, in Polizeikreisen zu suchen ist. Seine Kollegen würden aber nie darauf kommen, dass sich der von dauerhaften Geldsorgen geplagte Polizist Erich Rohloff unter der Maske verbirgt. Wann wird seine Frau ihm auf die Schliche kommen?
Weniger ein atemberaubender Krimireißer oder gar ein Polizei-Ermittlungs-Film, sondern ein ausgewachsenes Familiendrama ist die TV-Produktion „Der Hammermörder“, die ihre Hauptaufgabe darin sieht, die Taten des realen Vorbilds Norbert Poehlke, der sechs Menschen tötete, durch die Augen des Mörders zu rekapitulieren. Der TV-Film zeichnet dabei das Milieubild eines wutzerfressenen Kleinbürgers, der sich finanziell völlig übernommen hat und dessen verzweifelte Versuche, trotz chronischer Geldknappheit eine nach außen hin intakte Fassade zu wahren, in ihm brutale Skrupellosigkeit sowie die verzweifelte Bereitschaft, auch das Undenkbare zu tun, auslösen.
Auch wenn es nie explizit „verraten“ wird, so weiß der Zuschauer doch fast von Anfang an, dass sich unter der Sturmhaube des Hammermörders der Polizist und Familienvater Erich Rohloff verbirgt. Diesen haben nicht nur ein unüberlegter Hausbau sowie eine schöne, aber verantwortungslose Ehefrau in den Ruin getrieben; er ist auch vom Krebstod seiner jüngsten Tochter psychisch und finanziell belastet, sodass er seine beiden verbleibenden Söhne gluckenhaft umhegt und dem Rest der Welt soziopathische Kälte entgegenbringt. Diese spiegelt sich auch in seinen Taten wider, deren inherente Widersprüche (warum die übertriebene Gewalt, warum die vorsätzlich zurückgelassenen Spuren?) nur bruchstückhaft beleuchtet werden, sich teilweise aber auch aus dem psychologisch anspruchsvollen Zusammenspiel der Familienmitglieder und Arbeitskollegen ergeben.
Zitat von Rainer Tittelbach: Fernsehfilm „Der Hammermörder“, Tittelbach.TV, QuelleErklärungen für das Verhalten des Mörders, beispielsweise seine krankhafte Geltungssucht, werden nur angedeutet. In der Gewalt finden die unterdrückten Gefühle ein Ventil. Und so tötet der Hammermörder für ein Auto, mit dem er einen Überfall durchzieht, bei dem er gerade mal 5000 Mark erbeutet. Dieser Mann steckt voller Wut und verdrängter Emotionen – auch gegenüber seiner Frau. Erst kurz vor dem tragischen Ende zeigt dieser Erich Rohloff ganz viel von seinem wahren Gesicht [...]. Mit psychologischem Realismus ist diesem kranken Charakter nicht beizukommen. Und so lässt Breinersdorfers Stilisierung der Sprache Rohloffs diesen rigiden Psychopathen wie einen vom Über-Ich fremd gesteuerten Menschen erscheinen.
Das „Lexikon des Internationalen Films“ lobt den „Hammermörder“ für seine intensive, verstörende Atmosphäre:
Zitat von „Der Hammermörder“, Lexikon des Internationalen Films, QuelleEin kammerspielartiger Kriminalfilm nach einem authentischen Fall, der sich ohne aufregende Effekte auf die Entwicklung einer kleinbürgerlichen Katastrophe konzentriert und durch seine guten Hauptdarsteller Intensität und Dichte erzielt.
In diese lobenden Töne kann auch ich nur einstimmen, gelingt es doch vor allem Christian Redl, die Tragik seiner Rolle eines gescheiterten Mannes voll zum Ausdruck zu bringen. Engstirnigkeit, unterdrückte Gefühle und dauerhaft schwelende Konflikte machen ihn zu einer tickenden Zeitbombe, was Redl ohne übertriebene Melodramatik, aber mit zunehmener Entfesselung auf dem Bildschirm ersichtlich macht. Auch Ulrike Kriener als seine Filmehefrau muss positiv hervorgehoben werden, denn sie meistert einen schwierigen Part zwischen unterdrückter Opferfrau und lasterhaft-fauler Zimtzicke. Alles in allem ist Regisseur Bernd Schadewald ein dickes Lob für die hervorragende Schauspielerführung auszusprechen, das um eines für Fred Breinersdorfers natürliche Dialoge und eines für Ingo Hamers rastlose, aber nicht unruhige Kameraarbeit ergänzt werden sollte.
Auch wenn die Szenen im Hause der Rohloffs den größten Raum einnehmen, so kommt es immer wieder zu Ausblicken darüber hinaus, die z.B. das Berufsleben des Polizisten, die schwierigen Kontakte der Eheleute mit der Bank sowie kleine Momente idyllischen Glücks (im Zoo oder im Reisebüro) umfassen. Letztere werden jedoch immer gleich wieder von Ernüchterungen einkassiert; nicht selten folgt auf neu geäußerte Wünsche die Notwendigkeit eines weiteren Bankraubs. Diese werden kurz und sachlich, aber spannungsfördernd eingebunden; wirklich zum Nägelkauen wird der Zuschauer aber eher durch das in seiner Offenheit absolut schockierende Ende gebracht werden. „Der Hammermörder“ schließt mit Szenen, die ein Schlag in die Magengrube und aus dem sonst von Superermittlern vom Schlage eines Tappert oder Lowitz dominierten deutschen Fernsehkrimi umso krasser herausragen.
Als „Psychogramm eines [...] Gefühlskrüppel[s]“ bezeichnet Fernsehkritiker Rainer Tittelbach den „Hammermörder“. Dieser Krimi bietet mehr als Durchschnittskost und ist damit auch ein Stückweit schwerer zu verdauen. Das mitreißende Spiel von Redl und Kriener sichert der Produktion einen dramatischen Höhepunkt nach dem anderen. Daher eine mit 4,5 von 5 Punkten verbundene ausdrückliche Empfehlung, auch wenn polizeiliche Aspekte des Originalfalls in Ermangelung eines Einblicks in die Sonderkommission der Kripo praktisch nicht vorkommen.
Ich habe den Film vor Jahren das letzte Mal gesehen und habe auch sehr gute Erinnerungen daran. Dass der Film tatsächlich von der CCC produziert wurde, war mir interessanterweise nie bewusst. Ich werde da bald auch einmal wieder einen Blick riskieren!
PS: Die Stuttgarter Zeitung veröffentlichte einen umfangreichen Bericht über die Taten des echten Hammermörders, als diese sich im Oktober 2015 zum 30. Mal jährten.
BEWERTET: "Der Hammermörder" (Deutschland 1990) mit: Christian Redl, Ulrike Kriener, Silvan Oesterle, Timmy Vetter, Ulrich Pleitgen, Oliver Stritzel, Walter Kreye, Verena Plangger, Christoph Hofrichter, Peter Rühring u.a. | Drehbuch: Fred Breinersdorfer | Regie: Bernd Schadewald
Mit einem großen Vorschlaghammer zertrümmert ein maskierter Räuber das Sicherheitsglas des Kassenschalters einer schwäbischen Volksbankfiliale. Der Unbekannte erbeutet mehrere Tausend DM, weitaus schlimmer ist jedoch die Entdeckung, die die Polizei wenig später auf einem Waldparkplatz macht: ein Autofahrer ist durch einen Schuss ins Gesicht getötet worden, sein Wagen wurde für den Überfall verwendet. Ein halbes Jahr später das gleiche Szenario: Mord an einem Autobesitzer, Banküberfall mit einer diesmal recht stattlichen Beute von fast 80.000 DM. Die Polizei bildet die "Sonderkommission Hammer" und vermutet bald aufgrund der verwendeten Munition, dass der Täter aus ihren Reihen kommen muss. Der Frau von Polizeiobermeister Erich Rohloff überkommt ein schrecklicher Verdacht....
"....wo wir uns finden, wohl unter Linden, zur Abendzeit."
Vogelgezwitscher eröffnet den Fernsehfilm, der die harten Fakten noch vor dem Vorspann präsentiert und gar keinen Zweifel daran lässt, dass man es hier mit einer semidokumentarischen Umsetzung und nicht mit einem Whodoneit zu tun hat. Anleihen bei "Immer Ärger mit Harry" unterstreichen nur die Tragik der Umstände; ein spielendes Kind begegnet dem Tod, ebenso wird am Ende ein anderes Kind dem Tod ins Auge sehen, diesmal untermalt von den Stimmen kreischender Möwen. Die Kaltblütigkeit, mit der die Taten verübt werden und die vielen unnötigen Spuren, die der Täter hinterlässt, schließen auf einen Mann, der zwar einerseits nach einem vorgefertigten Muster arbeitet, es andererseits aber an durchdachten Konsequenzen fehlen lässt. Die Angst und das Misstrauen sind seine ständigen Begleiter. Der Schutz, den ihm die Zugehörigkeit zur Polizei gewährt, wird zum Fallstrick; seine Schulden und die damit verbundenen Forderungen seiner Gläubiger schwächen seine Glaubwürdigkeit zusätzlich. Emotional engagiert ist er nur, wenn es um seine Kinder und die Wahrung der bürgerlichen Fassade geht. Ansonsten bleibt er einsilbig und teilnahmslos und versteckt sich hinter einer autoritären Haushaltsführung. Christian Redl beeindruckt durch seinen stechenden wasserblauen Blick, der seine Umgebung feindselig mustert und aus einer Mischung von Selbsthass und Todessehnsucht handelt. Seit dem Tod der dreijährigen Tochter hat sich seine negative Perspektive auf das Leben verdichtet. Die Tilgung des für seine Einkommensverhältnisse ungewöhnlich hohen Kredits liegt in weiter Ferne, das Glück konnte der Hausbau nicht festhalten. Die gefühlte Beklemmung wird durch neue Möbel nicht kompensiert, Selbstvorwürfe und Beschuldigungen bleiben nicht aus. Die Äußerungen Rohloffs zur Todesstrafe sagen viel über ihn selbst aus; wenn er gerichtet werden soll, dann schonungslos radikal und endgültig. Immer wieder bäumt er sich gegen seine Überführung auf, träumt von einem Neubeginn und einem sicheren Hafen in der heilen Welt seiner Erinnerung.
Ulrike Kriener fällt als Ehefrau des Mörders und Räubers die Rolle der Beobachterin zu. Anfangs zeigt sie reges Interesse an der Überfallserie, grenzt das Geschehen draußen zu dem ruhigen Leben drinnen ab und lenkt sich damit von den eigenen Sorgen ab. Doch nach und nach bemerkt sie, dass die abstrakte Figur des "Hammermörders" kein gesichtsloses Monster ist, sondern in jenen Kreisen zu finden ist, denen ihr Mann angehört. Als sich Phasen der finanziellen Not mit Zeiten des Überflusses abwechseln und ihr Mann keine Erklärung dafür abgeben kann, schleicht sich der Verdacht ein, Erich könnte mit den Überfällen zu tun haben. Die volle Wahrheit kann und will sie sich nicht eingestehen, wenn sie nicht den Verstand verlieren will, doch die Unruhe zermürbt sie. Mit tiefen Schatten unter den Augen, fahrig, nervös und in ihren Befürchtungen allein gelassen, zeigt Kriener eine Frau am Abgrund, deren Heim wie ein Gefängnis wirkt und deren Hoffnung auf einen Ausweg jeden Tag kleiner wird. Die tristen Farben der Wohnungseinrichtung, das kalte Licht, in dem die Personen die meiste Zeit verharren und der ungeschminkte Realismus des Zusammenlebens zweier sich entfremdeter Menschen betont die Ratlosigkeit, mit der sie dem Alltag begegnen. Statt die Polizeiarbeit zu zeigen, konzentriert sich der Film (zu) sehr auf die Perspektive des Täters. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf der persönlichen Tragödie des straffällig gewordenen Polizisten. Seine Opfer bleiben gesichtslos und verschwinden ebenso wie die Ermittler im Hintergrund. Das Sensationelle soll nicht im Splittern des Glases oder im Knallen der Schüsse gefunden werden, sondern in der Teilhabe am Leben des Mannes, der diesen Schrecken erzeugt. Hier liegt das Verstörende des Films, an das ich mich Jahre nach der Erstsichtung noch erinnern konnte, nun aber eine Ausgewogenheit im Ringen um die Aufklärung der Taten vermisse. Gerade der Beruf des Täters hätte es angeboten, die Schlinge um den Mann früher enger ziehen zu lassen und hier ein spannendes Gegengewicht zu schaffen. Fred Breinersdorfer legt sein Augenmerk jedoch auf die menschliche Tragödie der Familie, der er nachhaltig Raum gibt.
"Der Hammermörder" weckt Assoziationen an die eigene Kindheit mit den schaurigen Warnungen der Erwachsenen vor der Welt des Bösen, die sich in Form von "Aktenzeichen Xy.... ungelöst"- Folgen ausdrückte. Lag der Fokus dort allerdings auf der Ergreifung des Täters mithilfe von gesammelten Indizien, öffnet diese Produktion die Tür zur Privatsphäre des Täters und schöpft ihren Schrecken aus der Psychologie eines seelisch gebrochenen Mannes, der sich schon lange auf einem Weg befindet, von dem es kein Zurück mehr gibt. 4 von 5 Punkten