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Dieses Thema hat 2 Antworten
und wurde 1.208 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

25.12.2017 21:00
Fröhliche Weihnachten (1970, TV) Zitat · Antworten



BEWERTET: "Fröhliche Weihnachten" (Deutschland 1970)
mit: Karl Michael Vogler, Sonja Ziemann, Dina Nowka, Leander Hollweg, Katharina Brauren, Hans Timerding, Gerda Gmelin, Horst Fleck, Karl-Friedrich Gerster, Lothar Grützner, Peter Petran, Karl-Dieter Rinn | Drehbuch: Robert Stromberger | Regie: Wolf Dietrich

Werbekaufmann Peter Eckert wartet auf seine Weihnachtsgratifikation, um seiner Frau Sonja und den Kindern Helga und Claus Geschenke kaufen zu können. Als sein Wagen den Geist aufgibt und er sich dazu überreden lässt, einen neuen zu kaufen, teilt ihm sein Vorgesetzter mit, dass das zusätzliche Gehalt aufgrund finanzieller Engpässe der Firma erst im nächsten Jahr ausbezahlt wird. Die Bank gibt Peter keinen Kredit mehr und seiner Frau gegenüber will er nicht zugeben, sich übernommen zu haben. Nun ist guter Rat teuer....

Der Lichterglanz der Einkaufsstraßen läutet die Fernsehproduktion des NDR ein, wobei das Thema Weihnachten innerhalb der Familie Eckert zu einer reinen Geldfrage verkommen ist. Geschenke werden noch rasch besorgt, obwohl parallel darüber geschimpft wird, dass "Weihnachten mit dem Portemonnaie erledigt wird" und "mit unserer Christbaumsentimentalität" Geschäftemacherei betrieben wird. Karl Michael Vogler gibt den gereizten Familienvater, der sich verpflichtet fühlt, seinen Kindern einen finanziellen Zuschuss für ihre Geschenke zu geben, seiner Frau ein teures Präsent zu bieten und gleichzeitig ein neues Auto für seine Arbeit zu erwerben. In der Rolle des genervten Mannes überzeugt er durch die ihm eigene leicht arrogante und aufbrausende Art; nur als Verfechter der wahren Weihnacht kann er Sonja Ziemann, die seine Frau spielt, nicht ausstechen. Das Dilemma, in dem Peter Eckert steckt, ließe sich lösen, wenn er nicht längst im Hamsterrad des Gebens und Angebens gefangen wäre. Seine beiden Kinder haben die Philosophie ihrer Eltern längst verinnerlicht und streben nach mühelosem Profit, indem sie betrügen und schwindeln und wenig Eigeninitiative zeigen. Die Sehnsucht der Sonja Eckert nach einem Weihnachten der alten Schule äußert sich immer stärker und die Ehe droht in eine ernsthafte Krise zu schlittern. Die Heimlichkeiten von Peter, der in den letzten Tagen vor dem Fest immer erst spät nach Hause kommt, geben dem gemeinsamen Feiern am Heiligen Abend fast den Todesstoß. Lustlos, sich in ihr Schicksal ergebend, schreitet Sonja die Treppe herab, um vor den Kindern den Schein zu wahren und wird dann doch noch positiv überrascht.



Wer klassische Weihnachtsatmosphäre in einer heilen Familie erwartet, muss sich sehr gedulden. Nach dem stimmigen Einstieg mit überfüllten Kaufhäusern und Menschen, die sich an den prächtig geschmückten Schaufenstern die Nasen platt drücken, folgt die Ernüchterung, weil Familie Eckert eben ganz und gar nicht in feierlicher Vorfreude verharrt. Die Kinder sind weder niedlich, noch artig und der Faktor Geld dominiert jedes Gespräch. Anfangs wirken die Belehrungen von Karl Michael Vogler noch gestelzt und die Handlung kommt holprig in Gange. Als die Situation jedoch kippt, weil die Bank wegen der Hypotheken weitere Zahlungen verweigert und die Fassade einzustürzen droht, erhält der Film endlich ein wenig Tiefe. Ideen und kreative Lösungen sind gefragt und locken selbst die sonst nur mit sich selbst beschäftigten Kinder aus der Reserve. Die Enge der mit geschmacklosen Tapeten zugekleisterten Wohnung wird gegen den Werkraum im Dachgeschoss eingetauscht, die netten Großeltern leihen ihren Angehörigen das Ohr und geben Rückhalt. Das Gefühl, selbst etwas tun zu können, um aus der Abhängigkeit von der Geldbörse auszubrechen, bricht die bisher teilweise konstruiert wirkende Atmosphäre auf und versorgt sie mit einer Prise Frischluft. Vogler und Ziemann überzeugen als Ehepaar, das diesmal nicht aus dem Bilderbuch stammt, sondern durchaus Probleme und Meinungsverschiedenheiten bewältigen muss. Man bestaunt einige typische Siebzigerjahre-Accessoires wie Schmuck aus Pfeifenreinigern, Milch in dreieckigen Papiertüten und gemusterte Tapeten. In Schwarzweiß hätte die Produktion nur halb so viel Spaß gemacht und wäre durch ihren Realismus auch nicht klassischer geworden.

Spanholzbretter statt Mahagoniplatten, Gewürzschränkchen statt Wildledermantel und Selbermachen statt Kaufen lauten die Schlagworte für diesen Fernsehfilm, der mit spärlichen Mitteln den Weihnachtsalltag einer Durchschnittsfamilie erzählt und seinem Publikum viele Anreize zum Nachdenken liefert. 3,5 von 5 Punkten

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

26.12.2017 09:13
#2 RE: Fröhliche Weihnachten (1970, TV) Zitat · Antworten

Das liest sich fast wie eine moderne Interpretation der alten Dickens-Botschaft, dass Weihnachten ein Fest der Gemeinsamkeit und nicht des Konsums sein soll. Schade, dass die Schauspieler dem Stoff nicht immer gerecht werden, denn die Atmosphäre wirkt von den Bildern und Beschreibungen (nostalgische Werbebranche und Einkaufsstraßen anno 1970) her doch eigentlich recht angenehm.

Auf jeden Fall eine kuriose Entdeckung abseits des Forenmainstream.

Mark Paxton Offline




Beiträge: 347

26.12.2017 12:39
#3 RE: Fröhliche Weihnachten (1970, TV) Zitat · Antworten

Robert Strombergers "Die Unverbesserlichen" habe ich immer sehr gerne gesehen, "Fröhliche Weihnachten" ist bisher spurlos an mir vorüber gegangen. Klingt interessant, auch wegen der Besetzung! Stromberger war ja ein vorzüglicher Autor. Da kann man eigentlich nichts falsch machen.

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