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Dieses Thema hat 1 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
patrick Offline




Beiträge: 3.245

26.12.2016 03:01
Winnetou - Eine neue Welt Zitat · Antworten

Winnetou - Eine neue Welt (2016)



Regie: Philipp Stölzl

Produktion: Christian Becker, 2016

Mit: Nik Xhelilaj, Wotan Wilke Möhring, Iazua Larios, Gojko Mitić, Milan Peschel, Rainer Bock, Jürgen Vogel, Oliver Masucci, Pedja Bjelac, Marie Versini, Henny Reents, Leslie Malton, Adrian Maaß, Yu Fang


Handlung:



Der deutsche Ingenieur Karl May kommt in den Westen um an einem Eisenbahnprojekt zu arbeiten. Rasch wird er von der wenig freundlichen Realität in der heruntergekommenen Stadt Roswell mit ihren nicht minder heruntergekommenen Bewohnern desillusioniert. Als Vorarbeiter fungiert der skrupellose Mr.Rattler, zu dem May von Beginn an ein sehr angespanntes Verhältnis hat. Da der Eisenbahnbau mitten durch das Gebiet der Apachen führen soll, setzen sich diese zur Wehr und nehmen den durch einen Pfeil schwerverletzten Karl May gefangen. Im Lager wird er von der jungen Häuptlingstochter und Schamanin Nscho-Tschi gesundgepflegt und lernt langsam Kultur und Lebensweise der Indianer kennen. Diese wollen ihn zwar töten, lassen sich dann aber dazu überreden, mit den weißen Eindringlingen zu verhandeln. Karl May, der wegen seiner starken Faust von den Apachen den Spitznamen „Old Shatterhand“ erhält, wird vom Häuptlingssohn Winnetou zurück nach Roswell begleitet, um zu vermitteln. Nachdem die nachfolgenden Verhandlungen mit Häuptling Intschu-Tschuna tatsächlich einen konstruktiven Abschluss finden, ermordet Rattler diesen und schlachtet mit Hilfe eines Maschinengewehrs Winnetous Krieger brutal ab, die ihren Häuptling rächen wollen. Winnetou selbst kann jedoch von Karl May gerettet und schwerverletzt in sein Lager zurückgebracht werden. Nach einer Phase des ziellosen Herumirrens, in der er den alten Sam Hawkens trifft, verbündet sich May mit den Indianern, um die skrupellosen weißen Eisenbahnbauer zu bekämpfen…

Umsetzung:



"Winnetou-Eine neue Welt" ist zwar keineswegs literaturgetreu, erinnert in seinen Grundzügen aber dennoch an „Winnetou 1.Teil“ von 1963. Der Eisenbahnbau durch das Indianergebiet, Old Shatterhands Verwundung und Gefangennahme, seine Genesung durch Nscho-Tschis pflegende Hände, der Tod Intschu-Tschunas und die sich langsam entwickelnde Freundschaft zwischen den zukünftigen Blutsbrüdern kommen dem Karl-May-Fan natürlich sehr vertraut vor. Auf Klekih Petra wird verzichtet und stattdessen Intschu-Tschuna etwas früher ermordet.

Inszenatorisch und stilistisch geht Chrisian Beckers Verfilmung jedoch völlig andere Wege. Man wird hier sehr viel mehr an den Film „Der mit dem Wolf tanzt“ erinnert, als an die alten Klassiker. Die märchenhafte Karl-May-Romantik der 60er-Jahre weicht einer unsentimentalen und harten, geradezu schmutzigen Realität. Die Stadt Roswell wimmelt vor heruntergekommenen, unkultivierten und hässlichen Gestalten. Die Prostituierten sind schmutzig und verwahrlost, die vorherrschenden Manieren barbarisch. Die Indianer sehen sehr authentisch aus und sprechen auch eine wirklich existierende Sprache. Rattlers Maschinengewehr dürfte Anleihe bei „Django“ genommen haben.

Sehr überzeugend agieren sämtliche Darsteller. Wie schon an anderer Stelle erwähnt wurde, ist es ratsam, keine Vergleiche zu den Klassikern der 60er-Jahre zu ziehen, um dieser Neuinterpretation eine Chance zu geben. Natürlich ist dies leichter gesagt als getan und es liegt in unserem Naturell, dass wir selbstverständlich automatisch geneigt sind, zu vergleichen. Wären wir nicht Fans der alten Filme, würde diese Trilogie auch kaum unser Interesse erwecken. Trotzdem ist es möglich, zumindest parallel dazu, bewusst eine alternative und neutrale Sichtweise einzunehmen und diese Verfilmung als Neuland anzunehmen.

Charaktere:



Ich selbst muss gestehen, dass mir die Neuinterpretation der Figuren trotzdem etwas fremd vorkommt und ich mit diesen nur langsam warm werde. Eine zweite Sichtung hat mir dabei geholfen. Dass mir immer wieder der unvergleichliche Lex Barker in den Sinn kommt, welcher mich meine Kindheit und Jugend hindurch als Tarzan, Lederstrumpf, Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi und als unantastbare und ideale Heldenfigur begleitet hat, auf die ich immer bewundernd hinaufgeschaut habe, lässt sich in meinem Bewusstsein einfach nicht ausblenden. Eines muss man Wotan Wilke Möhring (geb.1968) allerdings lassen, nämlich dass er durch seine völlig andere Interpretation des Old Shatterhand diesen bedeutend vielschichtiger und realistischer erscheinen lässt. War Barker ein immer cooler, stolzer und ständig Haltung bewahrender Übermensch, ist Wilkes Old Shatterhand zu Beginn ein unsicheres, verlegenes und etwas tölpelhaftes Greenhorn im wahrsten Sinne des Wortes. Man darf ihn im Indianerlager auch einmal in langen Unterhosen und der Lächerlichkeit preisgegeben sehen. Nachdem er barbusige Indianermädchen erblickt, sagt Nscho-Tschi zu ihm: "Old Shatterhands Gesicht hat Farbe von Ochsenblut." Auch zeigt er heftige Gefühlsausbrüche, als Rattler die Apachen massakriert. Dennoch bleibt er in jeder Situation couragiert und wehrfähig. Schauspielerisch agiert er sehr glaubhaft und professionell und zeigt auch sehr viel Feingefühl bei der Verkörperung der Figur und der Darstellung ihrer Entwicklung und ihres Wachstums. Nik Xhelilaj (geb.1983) sieht, trotz oder gerade wegen seiner albanischen Herkunft, tatsächlich aus wie ein echter Indianer und bringt eine eindrucksvolle und durchtrainierte Statur mit. Sein Winnetou besticht mehr durch das optische Erscheinungsbild als durch besondere darstellerische Vielfalt und ist damit künstlerisch weitaus weniger gefordert, was aber der Rolle entspricht. Trotzdem rückt sein Charme nicht in die Nähe der Präsenz von Pierre Brice. Jürgen Vogel (geb.1968) gibt einen richtig fiesen, schäbigen und heruntergekommenen Rattler ab, wie man ihn sich aus dem Roman vorstellt. Oliver Masucci (geb.1968) macht als hässlicher Joe seinem Spitznamen alle Ehre. Milan Peschel (geb.1968) ist ein sehr kauziger, aber härterer und etwas weniger komisch dargestellter Sam Hawkens mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Sehr erfreulich ist die Mitwirkung von Gojko Mitic (geb.1940), der bereits in den 60er-Jahre-Verfilmungen teilweise schon deutlicher in Erscheinung trat und später zum Star des DEFA-Indianerfilms wurde. Er spielt den Intschu-Tschuna.

Iazua Larius (geb. 1985) als Nscho-Tschi ist hier sogar Schamanin, was auch dieser Figur sehr viel mehr Raum und Tiefgang gibt als dem einfachen Indianermädchen, welches dazumal Marie Versini verkörperte. Sie stirbt allerdings überraschenderweise gar nicht und darf auch die beiden folgenden Teile mit ihrer Anwesenheit bereichern. Gerade ihr Tod war sowohl im Roman als auch in der Erstverfilmung ein wichtiges Schlüsselereignis. Marie Versini (geb.1940) hat zu Beginn im Zug einen kurzen Cameo-Auftritt.

Musik:



Den von einigen Vorrednern geäußerten Kritiken zur Filmmusik kann ich mich zu 100 Prozent anschließen. War diese es, welche in den 60er-Jahren neben den wunderschönen Landschaftsaufnahmen den Filmen eine herausragende Stimmung und Atmosphäre einhauchte, wurde Böttchers Musik zwar recycled und etwas abgeändert, hört sich aber im Endeffekt mit dem ewig sich wiederholenden gleichen Thema viel zu einseitig und emotionslos und dadurch völlig austauschbar an. Die große Vielfalt der Böttcher'schen Szenenmusik muss man leider schmerzlich vermissen, was aber wohl dem gegenwärtigen Trend zu verdanken ist.

Schauplätze:



Die Landschaftsaufnahmen können dafür umso mehr bestechen und man erkennt als Liebhaber der alten Winnetou-Filme auch die Schauplätze von früher. Die Roski-Fälle (Krka-Fälle) sind unverkennbar. Auch vom Zrmanja-Canjon wird man, wie damals schon, von unten her in gewohnter Weise angelächelt. Ein sehr interessanter neuer Drehort ist eine relativ schwer zugängliche Hochebene bei Starigrad-Paklenica, die ich selbst die Ehre hatte zu besuchen und wo viele Szenen, u.a jene mit Winnetou und Old Shatterhand am Lagerfeuer, gedreht wurden. Die Westernstadt Roswell steht nahe des Ortes Fuzine. Die Kameraführung ist exzellent und besticht auch mit sehr vielen atmosphärischen Nachtaufnahmen.

Fazit:

Sehr unterhaltsame Neuinszenierung des Winnetou-Themas, welche ein völlig neues Karl-May-Universum schafft, ohne inhaltlich den Geist der Erstverfilmung ganz aus dem Auge zu verlieren. 4 von 5.

Peter Ross Offline



Beiträge: 2.000

27.12.2016 17:58
#2 RE: Winnetou - Eine neue Welt Zitat · Antworten

Neuverfilmungen haben den entscheidenen Nachteil, dass sie vom Zuschauer mit dem Original (und die 60er Verfilmungen von Winnetou sind sogar Kult) verglichen werden.
Glücklicherweise empfinde ich die Neuverfilmung insgesamt als gelungen. Das betrifft insbesondere Schauplätze, Darsteller und Musik. Die Kritik an der Verwendung des Winnetou-Themas kann ich nicht unterstreichen. Ich hätte es sogar schade gefunden, wenn hier eine neue Musik komponiert worden wäre.
RTL hat die Verfilmung zudem mit "Wertschätzung" dem Film gegenüber veröffentlicht. Ich finde es gut, dass für den Film im Vorfeld schon Aufmerksamkeit geschaffen wurde und dieser dann sogar bei RTL in der Primetime komplett ohne Werbung (gesponsort von Amazon Prime) ausgestrahlt wurde.
Fazit: Kommt vom Kult-Faktor natürlich nicht an das Original heran, aber insgesamt dennoch ordentliche Verfilmung!

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