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Dieses Thema hat 2 Antworten
und wurde 318 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

13.11.2016 13:52
Der schwarze Freitag (1966, TV) Zitat · Antworten



BEWERTET: "Der schwarze Freitag" (Deutschland 1966)
mit: Curd Jürgens, Hans Christian Blech, Dieter Borsche, Erik Ode, Wolfgang Reichmann, Ullrich Haupt, Hermann Lenschau, Heinz Engelmann, Paul Hoffmann, Franz Rudnick, Manfred Steffen, Wolfgang Neuss, Hans Schellbach, Horst Beck, Peter Capell u.a. - Sprecher: Horst Tappert | Drehbuch: Answald Krüger und Maria Matray | Regie: August Everding

Richard Whitney, Präsident der New Yorker Börse, wird vor den Untersuchungsausschuss des amerikanischen Senats zitiert. Er soll die Umstände erläutern, die im Oktober 1929 zum Zusammenbruch des Aktienmarkts führten. Man sucht einen Sündenbock, der für den Börsenkollaps verantwortlich gemacht werden kann, obwohl sich der Crash schon lange vorher abzeichnete. Die darauf folgende Depression und Wirtschaftskrise lässt die Arbeitslosenrate rasant ansteigen, Millionen von Anlegern verlieren ihr Kapital. Kann aus den Fehlschlägen der Vergangenheit eine Patentlösung für künftige Krisen gezogen werden?

"Eine Bank ist doch kein Wohltätigkeitsinstitut!"

Das Dokumentarspiel bedient sich einer informativen und überzeugend montierten Mischung aus historischen Aufnahmen und mit der Schauspielergarde der Sechziger Jahre gedrehten Spielszenen. Curd Jürgens als ruchloser Nutznießer kühner Finanzgeschäfte steht nicht nur im Mittelpunkt des Geschehens, sondern stellvertretend für die Arroganz, Skrupellosigkeit und Selbstüberschätzung der Börsenelite, die von der Gier der Massen profitiert und ihren Kopf rechtzeitig aus der Schlinge zieht. Der Grandseigneur des Kinos beweist auch in dieser Rolle, dass ihm nur schwer beizukommen ist. Zunächst verschlossen, gelangweilt und blasiert, mausert er sich in den Verhören durch die Senatoren zum berechnenden, eiskalten Egomanen, der herablassend auf seine Ankläger blickt. Er verachtet ihr Halbwissen ebenso wie die Naivität des kleinen Mannes, durch Aktienspekulationen schnell und gefahrlos reich zu werden. Sachliche Argumente geben sich die Hand mit ausweichenden, abstrakten Erläuterungen, wobei Whitneys Ungerührtheit einige Senatoren in Wallung bringt. Hans Christian Blech und Wolfgang Reichmann zählen zu jenen, die dem Broker seine Verantwortung vor Augen führen, dabei jedoch auf Granit beißen. Mehr Glück hat hier ein glänzend gelaunter Erik Ode, der erfrischend interrogativ auftritt und die Rolle des einfachen Bürgers, der vom Finanzmarkt kaum touchiert wird, übernimmt. Er lässt sich durch die Ausflüchte von Whitney nicht aus der Ruhe bringen und treibt ihn damit in die Defensive. Dieter Borsche, steif und korrekt, bemüht die Macht der Quellen und präsidiert über seinen Unterlagen. Seine Autorität ergänzt die Heißsporne Blech und Reichmann, während sich Engelmann mehr zurückhält und Rudnick so gut wie unsichtbar bleibt.


Zitat von John Kenneth Galbraith: Der große Crash 1929 - Ursachen, Verlauf, Folgen (FinanzBuch Verlag 2005, S. 21)
Die Amerikaner entwickelten geradezu eine Sucht, sehr schnell reich zu werden und das mit einem Mindestmaß an echter Leistung. Dieser Charakterzug wurde zum ersten Mal in Florida deutlich. Dort griff Mitte der Zwanziger Jahre (...) ein regelrechter Grundstücksboom um sich.


Im zweiten Moment schwenkt das Geschehen zu der Zeit nach dem Untersuchungsausschuss über und zeigt uns den privaten Whitney, der auf großem Fuß lebt und seinen ehrenhaften Bruder (vornehm: Paul Hoffmann) in die Bredouille bringt. Er benutzt seine Freunde als Pfand gegen Gläubiger und tilgt alte Schulden mit neuen Krediten. Der unverbesserliche Hasardeur verliert seine Nerven selbst dann nicht, als ihm die Verhaftung droht. Ullrich Haupt als moralische Instanz gegen Decken und Vertuschen bildet die zweite Front gegen Whitney und sorgt dafür, dass dem Treiben ein Ende bereitet wird. Horst Tappert begleitet die Handlung als Erzähler und ist immer dann zu hören, wenn es um die Zusammenhänge und Folgen des Börsenkrachs geht. Die Resignation und Hoffnungslosigkeit als Konsequenzen und das daraus folgende Misstrauen gegenüber Wertpapieranlagen richteten einen großen Schaden an. Die Politik konnte dem nichts entgegensetzen und der Vertrauensverlust war immens. Persönlichkeiten wie Richard Whitney bestätigten alle Vorurteile, die der kalten Macht des Kapitalismus entgegengebracht wurden. Curd Jürgens ist der ideale Mann für die Rolle des Lebemanns, dessen Zusagen keinen Pfifferling wert sind. Sentimental wird er nur, wenn es um seine eigene Person geht. Er trickst und täuscht wie es ihm beliebt - und wundert sich über das kleinkarierte Verhalten seiner Umwelt.

Spannendes Lehrstück in Sachen Börse mit einem überzeugenden Ensemble, das die Materie leidenschaftlich unter die Lupe nimmt und über die Auswüchse der Spekulation zu Gericht sitzt. Die Drehbuchautoren Matray und Krüger sorgen für lebendige Dialoge und machen das "trockene" Thema auch für Laien interessant, während sich der Börsianer von heute über die anschauliche Darstellung freut. 4,5 von 5 Punkten.

Peter Offline




Beiträge: 2.886

25.11.2016 08:55
#2 RE: Der schwarze Freitag (1966, TV) Zitat · Antworten

Habe den Film auch neulich gesehen. Volle Zustimmung für Percy Listers Analyse, dazu noch ein paar Anmerkungen:
Curd Jürgens hat mir ganz ausgezeichnet gefallen. Ideale, perfekte Rolle. Seine Figur ist höchst charismatisch, sogar anfangs richtig nett und kompetent in der Ausstrahlung, im Grunde aber vollkommen egoistisch und gewissenlos. Ein „Teufels General“ der Börsenbranche, vielleicht nicht ganz so tödlich in der Außenwirkung, dafür aber mit noch viel weniger Hemmungen, sein zerstörerisches Spiel durchzuziehen. Die stückweise Demaskierung, die Wandlung vom wohlmeinenden Beinahe-Helden hin zum miesen Betrüger ist herrlich. Jürgens wird ja häufig auch ein wenig kritisch als 'typischer Persönlichkeitsdarsteller' gesehen, ich liebe ihn einfach für solche Rollen….
Glanzpunkte gab es auch in den anderen Rollen, die Jürgens sichtbar gut unterstützten und für meinen Geschmack noch stärker zur Geltung brachten.
Für drei, vier kurze Momente Wolfgang Neuss herrlich frech. Erik Ode schelmisch-kritisch, nur scheinbar naiv, aber erfolgreich enttarnend. Und superstark als Gegenspieler auf Augenhöhe, empört und wütend, Hans Christian Blech. Besser als sonst gefiel mir in seiner kleinen Rolle Hermann Lenschau, mit dem ich in der Vergangeneit wegen fehlender Ausstrahlung Probleme hatte, dazu in souveränen, unspektakulären Rollen Borsche, Reichmann und Haupt, das ist ein rundes Gesamtbild. Auch von mir 4,5 von 5 Punkten.

Fräulein Janine Offline




Beiträge: 130

29.11.2016 12:28
#3 RE: Der schwarze Freitag (1966, TV) Zitat · Antworten

Ich habe den Film auch vor zwei Wochen gesehen und stimme euch ebenfalls zu.
Abgesehen, dass es sich hierbei um einen wirklich hervorragend gemachten Fernsehfilm mit einem bemerkenswerten Ensemble handelt, hab ich nun endlich verstanden, was Börsenspekulation wirklich bedeutet ;0)
Ach von mir 4,5 von 5 Punkten.

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