Ab und an bringt meine filmische Vorliebe etwas seltsame Stilblüten hervor. Hierzu zählt auch die ARD-Vorabendserie "Drei Damen vom Grill", die ich hiermit noch einmal kurz in Erinnerung rufen möchte. Stilecht mit einer Plastik-Pommesschale kommt die Komplettbox mit 20 DVDs daher und nennt sich Deluxe-Edition - derzeit allenthalben um 50 Euro im Internet zu bestellen.
Im Wesentlichen drehen sich die einzelnen Episoden mit ihren jeweils 25 Minuten Laufzeit um die drei Damen der Familie Färber, wobei alle drei großen Wert darauf legen, dass sie als Fräulein angesprochen werden, denn unter die Haube hat es noch keine von ihnen geschafft. Als Oma Färber (die unvergessene Brigitte Mira) ihren Rentenbescheid in Händen hält, bleiben die drei Alternativen, fortan bei Brot und Wasser ein eher karges Leben zu verbringen, eine Putzstelle anzutreten oder einen heruntergekommenen Imbisswagen aufzumöbeln und mit der Wurstbraterei die Rente zu verbessern. Oma macht Nägel mit Köppen, begeistert Tochter Magda (Brigitte Grothum) und in Folge auch ihre Enkelin Margot (Gabriele Schramm). Fortan stehen die drei Damen mit ihrem Grill am Nollendorfplatz, Ecke Motzstraße und erleben nicht zuletzt durch den schrulligen Wurstlieferanten Otto Krüger (unnachahmlich: Günter Pfitzmann) die wildesten Geschichten, die in insgesamt 140 Episoden von 1977 bis 1992 durch zunächst Heinz Oskar Wuttig und später auch durch Ulrich del Mestre und einige andere Autoren erzählt werden.
Den besonderen Reiz bezieht diese langlebige und recht bekannte Vorabendserie vor allem aus dem typischen Berliner Lokalcholorit, welches Geschichten und Figuren hervorbringt, die man als besondere Würze auf der Wurst bezeichnen kann. Geheimer Hauptdarsteller der Serie ist bis zu seinem Ausstieg 1986 Günter Pfitzmann. Zunächst bleibt sein Part in der ersten Staffel auf die Liason mit Brigitte Grothum beschränkt, wobei schon früh feststeht, dass Otto Krüger alias Pfitzmann ein ganz ausgemachter Schwerenöter ist. Ab Staffel 2 übertrug man gottlob dem Berliner Urgestein Hans Heinrich die Regie bis ca. 1983 (Regisseur der ersten Staffel war der dröge Thomas Engel). Heinrich verlegte den Fokus eher auf den stets in unglaublicher Spiellaune befindlichen Pfitzmann, für den die Rolle des Otto Krüger geradezu auf den Leib geschneidert daherkommt. Neben Magda Färber hat Otto nämlich noch Inge-Maus, Uschi, seine dralle Nachbarin und ein halbes Dutzend weitere Frauen in Warteschleife, die ihm nicht selten das Leben besonders schwer machen - zumal Otto Probleme mit der Logistik hat und hier und da schon einmal durcheinander kommt. Die drei Damen - Mira, Grothum und Schramm - blieben von der ersten bis zur letzten Episode an Bord bzw. im Wagen der Serie, was angesichts einer Laufzeit von rund 15 Jahren schon recht beachtlich ist. Pfitzmann stieg aus, als er die Rolle des Peter Brockmann in der ARD-Serie "Praxis Bülowbogen" antrat. Viel Umstellung bedeutete das für ihn nicht, stand doch die erste Imbissbude der Färbers in Schöneberg nur ein paar Meter entfernt von der Arztpraxis am Bülowbogen und selbst der weiße Kittel blieb vom Wurstlieferanten zum Onkel Doktor gleich.
Ein Tipp ist diese nicht immer sehr sorgsam aber dafür sehr herzlich geschriebene und ab Staffel 2 auch sehr flott inszenierte Serie für all jene, die sich für das alte Westberlin begeistern können. Viele Schauplätze der Serie werden dann bekannt vorkommen. So sieht der erste Stellplatz der Wurstbude am Nollendorfplatz heute noch nahezu so aus wie anno 1977 - später zog die Bude dann an den Steubenplatz in Westend bzw. in die Arminiushalle in Moabit um. Des weiteren gibt es hier die Chance, viele bekannte Stimmen einmal mit Gesicht bestaunen zu können. Viele der Nebenrollen sind mit überaus bekannten Synchronstimmen besetzt. Unter ihnen beispielsweise Peter Schiff, die legendären Sprecher Hugo Schrader und Arnold Marquis, Evelyn Gressmann oder Manfred Lehmann. Ebenso geben sich nahezu alle Berliner Originale aus Film und Fernsehen ein Stelldichein: Günter Glaser, Walter Gross, Ilse Pagé, Ralf Wolter, Günther Meisner, Harry Wüstenhagen, Tilly Lauenstein, Kurt Schmidtchen, Friedrich Schönfelder, Wolfgang Völz, Paul Esser, Wolfgang Spier, Christian Wolff, Hellmut Lange, Rainer Hunold, Jörg Pleva, Ilja Richter und - last not least - übernahm Harald Juhnke die Rolle von Günter Pfitzmann nach dessen Ausstieg zwar mit neuer Vita, ansonsten aber ziemlich unverändert als Trödelhändler.
@Jan: vielen Dank für Deinen Beitrag. Besonders Harald Juhnke als Ottmar Kinkel, Evelyn Gressmann als Saunabesitzerin und der letzte Standplatz in der Arminiushalle sind mir in Erinnerung geblieben. LG
Zitat von Humphrey Connery im Beitrag #2@Jan: vielen Dank für Deinen Beitrag. Besonders Harald Juhnke als Ottmar Kinkel, Evelyn Gressmann als Saunabesitzerin und der letzte Standplatz in der Arminiushalle sind mir in Erinnerung geblieben. LG
Ja, ich kenne das auch noch aus der Phase aus dem Fernsehen. Dass "Pfitze" da mitgemacht hatte zuvor, war mir gar nicht recht bewusst.
Übrigens gibt's auch abseits der Darsteller durchaus Wallace-Bezug: Die Episode "Schwarzwurst" ist z.T. auf der Pfaueninsel gedreht und Margots englischer Freund sagt beim Anblick des Schlosses, dass er sich dort ganz wie in England fühle. Wallace-Kameramann Heinz Pehlke ("Der rote Kreis") stand dabei an der Kamera, später (1987) übernahm Wallace-Regisseur Harald Philipp die Regie, Ingrid Zoré entwarf z.T. die Kostüme und Günther Kortwich ("Die Tote aus der Themse") hielt hier in einigen Episoden den Tongalgen.