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Dieses Thema hat 5 Antworten
und wurde 338 mal aufgerufen
 Edgar-Wallace-Forum
Mea Offline



Beiträge: 2

13.10.2016 15:11
Inszenierung und Funktionalisierung von Gewalt in der Edgar Wallace-Serie Zitat · Antworten

Hallo liebe Wallace-Fans,

ich beschäftige mich derzeit intensiver mit der Rialto Reihe 1959-1972. Ich würde gerne mit euch darüber diskutieren, wie ihr die Entwicklung der Gewaltdarstellungen innerhalb der Serie beurteilt. Besonders ab 1965 verändert sich diese immens.

In Filmen wie "Die toten Augen von London" werden noch Grusel und Humor kombiniert, so dass die Detektion im Vordergrund steht.
Im Hexer dagegen geht die erotische Bedrohung von der Femme Fatale aus. Die Beruhigung erfolgt durch die wahre Liebe.
Im Buckligen von Soho werden Mordinstrumente erotisch aufgeladen, sie kennzeichnen sich durch einen phallischen Charakter. (Verklemmte sexuelle Anspielungen: Szene im Waschkeller: Heimmädchen "zeigt" der Oberin ihre Brüste)
Der Mönch mit der Peitsche thematisiert die Grenzüberschreitung der Lehrer, die eine sexuelle Beziehung mit den Schülerinnen eingehen. Der Mönch=die Heimleiterin, tötet die Männer, da sie von ihrem eigenen Ehemann betrogen worden ist. Der gesellschaftliche Umbruch spiegelt sich meiner Meinung nach hier deutlich wider.


Seht ihr in den frühen schwarz-weiss Filmen historische Anlehnungen an das Wirtschaftswunder? Sind die frühen Filme womöglich kein Gegenentwurf der realen Welt, sondern stellen die realen Verhältnisse auf unterhaltsame Weise dar. Die späteren Filme ab 1965, spiegeln diese eher die Emanzipation und gesellschaftlichen Umbruch wider?

Jan Offline




Beiträge: 1.753

13.10.2016 16:01
#2 RE: Inszenierung und Funktionalisierung von Gewalt in der Edgar Wallace-Serie Zitat · Antworten

Zunächst einmal würde ich gerne wissen, wofür denn diese Erhebung dienen soll. Das tönt nicht eben nach einem Fananliegen, sondern eher nach Masterarbeit Theaterwissenschaften (wogegen ich nichts einzuwenden hätte).

Selbstredend spiegelt die Edgar-Wallace-Reihe auch die gesellschaftliche Entwicklung. Es sind Unterhaltungsfilme, die den Zeitgeschmack aufgriffen. Die Macher hatten den finanziellen Erfolg im Fokus und griffen immer wieder zu Rezepturen, die marktgängig waren. Dass das Element Sex hier besonders auffällig ist, liegt im Wesentlichen daran, dass es sich erst zur Mitte der 1960er Jahre mehr und mehr in der Filmlandschaft etablierte. Die Anleihen der Serie auf diesem Gebiet in der ersten Hälfte der 1960er Jahre fallen spärlich aus, sind entweder auf anrüchige und zwielichtige Figuren begrenzt (z.B. Lolita in "Der Frosch mit der Maske") oder hinsichtlich honoriger Hauptfiguren subtil verpackt (Thalia Drummond in "Der rote Kreis").

Bezüglich des Einsatzes von Gewaltszenen bleibt die Entwicklung weniger drastisch veränderlich. Schon im "Frosch mit der Maske" zerfetzte der Täter sein Opfer genüsslich mit der Maschinenpistole, schon in "Die Bande des Schreckens" rauschte der Körper einer wehrlos an einen Stuhl gefesselten Frau in die Tiefe eines Fahrstuhlschachtes. Die eigentliche Veränderung brachte da die Kombination aus Gewalt und Sex in den Filmen ab 1965. Der "Bucklige von Soho" ist sicher ein gutes Beispiel, wobei ich denke, dass Du schlecht damit beraten bist, eine - völlig legitime und auch in ihrer Argumentation nachvollziehbare - Meinung abzutippen, indem Du von verklemmten sexuellen Anspielungen schreibst (im Übrigen zeigt Ilse Pagé nicht ihre Brüste). Die Macher probierten sich innerhalb der Serie immer wieder aus, in diesem Fall in die Richtung der eingesperrten Mädchen, ihrer sadistisch veranlagten Oberin und dem Nachtclub, der wohl nichts anderes als ein Edelbordell sein soll.

Dass dieser Trend jedoch nicht stringent beibehalten wurde, zeigen die unmittelbar darauf folgenden Filme. Weder Hand noch Mönch noch Hund oder Unheimlicher bieten diese Vermischung in vergleichbarem Maße. Erst "Der Gorilla von Soho" und "Der Mann mit dem Glasauge" können diesbezüglich Ähnliches vorweisen, wobei man hier sehr schön in einigen Szenen (z.B. der Tod des Bosses im "Man mit dem Glasauge") den zum Ende der 1960er Jahre gangbaren und gut zu vermarktenden Aufwuchs an drastischer Gewaltdarstellung sehen kann. Sexuelle Schlüpfrigkeiten - eigentlich eher amüsant gestaltete Insider aus der Filmbranche wie beispielsweise das Gespräch in der Bar zwischen Barkeeper Shorty und Sir Arthur (wieder Glasauge) - kamen gezielt hinzu. Ebenso wie eine nicht eben besonders hochpreisig erscheinende Prostituierte, die es sich in Sir Arthurs Nebenzimmer bequem gemacht hat. Solche Szenen wären in der Frühphase der Serie undenkbar gewesen, hätten den Zuschauer ggf. sogar verschreckt, wenn er denn die Szenen jemals zu Gesicht bekommen hätte - dank Filmkontrolle.

Die wesentliche Änderung leite ich also eher aus der Kombination Sex und Gewalt ab und nicht nur aus der Gewaltdarstellung alleine.

Gruß
Jan

Lord Low Offline




Beiträge: 746

13.10.2016 16:31
#3 RE: Inszenierung und Funktionalisierung von Gewalt in der Edgar Wallace-Serie Zitat · Antworten

Und wie Jan auch schon geschrieben hat, ist die Veränderung nicht zuletzt auf die lascheren Vorgaben durch die FSK zurückzuführen. Man braucht sich hier nur ansehen, welche Filme damals noch Freigaben ab 16 oder 18 bekamen.

Ray Offline



Beiträge: 1.931

13.10.2016 18:01
#4 RE: Inszenierung und Funktionalisierung von Gewalt in der Edgar Wallace-Serie Zitat · Antworten

Würde mich auch interessieren, ob da eine wissenschaftliche Arbeit hintersteckt. Ich denke es ist in unser aller Interesse, wenn die Wallace-Filme vermehrt in der Wissenschaft Beachtung finden. Die Arbeit Felix Brands fand ich sehr interessant, würde mich über eine vertiefte Auseinandersetzung zu einem derartigen Thema freuen.

Die Wallace-Filme waren sicherlich ein Spiegel ihrer Zeit. Der gesellschaftliche Umbruch war schon immens. Wenn man sich einmal den ersten und die letzten Filme der Reihe anschaut, wird dies überdeutlich. Die letzten beiden Filme dürften hinsichtlich "Sex und Gewalt" nochmal eine interessante Randnote darstellen.

schwarzseher Offline



Beiträge: 626

13.10.2016 19:01
#5 RE: Inszenierung und Funktionalisierung von Gewalt in der Edgar Wallace-Serie Zitat · Antworten

Es waren einfach Krimimärchen bei denen auch die Gewalt durch "Frosch,Hai usw .( und natürlich die ..naja..Humoreinlagen ) irgendwie nicht so drastisch wahrgenommen wurde.Als der Zeitgeist die Serie Richtung Stecknadel und Giallo,Sex brachte wurde auch die Sichtweise auf die Gewalt in den Filmen anders. Jetzt irgendwelche Phallus Phantasien in die "alten" Filme zu deuten.....ich glaube das sagt eher was über die heutige Zeit und den "Deuter"aus .

Peter Offline




Beiträge: 2.886

13.10.2016 20:27
#6 RE: Inszenierung und Funktionalisierung von Gewalt in der Edgar Wallace-Serie Zitat · Antworten

Zitat von Mea im Beitrag #1
Seht ihr in den frühen schwarz-weiss Filmen historische Anlehnungen an das Wirtschaftswunder? Sind die frühen Filme womöglich kein Gegenentwurf der realen Welt, sondern stellen die realen Verhältnisse auf unterhaltsame Weise dar. Die späteren Filme ab 1965, spiegeln diese eher die Emanzipation und gesellschaftlichen Umbruch wider?


Diese frühen sw-Filme der Wallace-Reihe gelten - genauso wie zahlreiche "typische" Vertreter der angeblich nur grauen, in Wahrheit höchst abwechslungsreichen filmischen 50er in Deutschland, als typische Dokumente der Wirtschaftswunderzeit, weil sie eben in dieser Zeit entstanden sind. In der häufig auftretenden Ursache-Wirkung-Verwechslung steckt letztlich nicht mehr und nicht weniger dahinter.

Im Gegensatz zu zahlreichen interessanten Film-Werken, die sich tatsächlich mit den entsprechenden gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Phänomenen auseinandergesetzt haben (thematisch ein zu weites Feld, um es hier und jetzt kurz mit abzuhandeln), enthalten die Wallace-Filme allerdings keinerlei wirklich historische Anlehnungen an das Wirtschaftswunder.
Auch wenn von den Filmhistorikern seit jeher gern vieles in solcher Richtung hineingedeutet wird, zum Beispiel Wohlstands- bzw. Reichtumsgier und Rachsucht - nach (vielleicht nur persönlich) verlorenen Kriegen - als dauernde Triebfeder der Wallace-Schurken etc...

In Wahrheit waren die Wallace-Filme, wie bereits von Mitforisten beschrieben, Krimi-Märchen nach damals neuartigem Erfolgs-Muster (Spannung, Literaturbasis, Schauspiel-Elite, Gruselatmosphäre, teilw. Selbstironie), die nach diesem Muster möglichst lange funktionieren sollten und - da die entsprechende Qualität eine ganze Weile aufrecht erhalten wurde, auch gut funktionierten, bis notwendige modische Neuerungen zum "Cash-Cowing" einsetzen sollten/mussten (z.B. Farbe, Sex-Anspielungen, Story-/, Stab-/, Themen-/ Schauspielervariationen) bis die Wallace-Reihe mit dem Übergang zum Giallo ihr eigenes Ende bzw. die Ablösung durch andere Produktionen selbst einläutete (vielen Wallace-Freunden gefällt auch der Giallo, es hätte also gern auch auf diesem Weg weitergehen dürfen; anderes Thema).

In Zeiten der vielzitierten Kinokrise und nach dem "Oberhausener Manifest" waren Veränderungen in der Filmlandschaft - ob in Filmserien oder in den Anforderungen durch ein stetig neu abgelenktes und umprogrammiertes Publikum - selbstverständlich; - und diese ständigen Veränderungen zeigen sich natürlich ganz markant in der damaligen Entstehung und Entwicklung des 'Neuen Deutschen Films'.

"Emanzipation und gesellschaftlichen Umbruch" soll und kann man im neu ausgerichteten Filmschaffen dieser Zeit zur Genüge finden (was nicht abwertend klingen soll, im Gegenteil, da es mich selbst immer interessierte und faszinierte). Die Wallace-Filme auch als Beispiele in solchem Zusammenhang heranzuziehen, ist zwar sicher nicht ganz falsch, weil sich die Reihe wie beschrieben auch sehr interessant entwickelte, doch man sollte sie m.E. wirklich nicht als ZU relevantes Beispiel ansehen, weil die Wallace-Filme immer eine Reihe von waschechten Genre-Filmen war - und dies auch ausdrücklich immer sein wollte....

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