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Dieses Thema hat 29 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

30.08.2016 17:01
#16 RE: Meine Frau Susanne Zitat · Antworten

16. Der Strohwitwer
als Gäste: Lia Eibenschütz, Sibyl Werden, Joachim Mock



Susanne erhält eine Einladung von ihrer Tante Erna. Sie soll diese für eine Woche besuchen kommen, was natürlich bedeutet, dass Martin sich während ihrer Abwesenheit allein versorgen muss. Martin hat bald kein frisches Hemd mehr im Schrank und saubere Tassen gibt es nach ein paar Tagen ohne Küchendienst auch nicht mehr. Kurz bevor Susannes terminierter Rückkehr besucht ihn seine Mutter und bringt die Wohnung wieder auf Hochglanz. Zu dumm für Martin, dass Susanne nun meint, einen perfekten Hausmann an ihrer Seite zu haben und Haushaltsaufgaben ab sofort an ihn delegiert....

Das Klischee des ungeschickten, hilflosen Mannes, der keinen Teller anfassen kann, ohne ihn zu zerschlagen, bzw. seine Schuhe mit den Vorhängen zum Glänzen bringt, ist ein beliebtes Sujet des Films. Erklimmen die Herren der Schöpfung auch die höchsten Berge und kämpfen mit den gefährlichsten Gangstern, so kapitulieren sie anscheinend vor dem "bisschen Haushalt" - sei es aus Faulheit oder Berechnung. Bei den Koldeweys ist es nicht anders. Sobald Susanne aus dem Haus ist, lässt Martin den Dingen ihren Lauf und kümmert sich weder um die Reinigung der Wohnung, noch um einen geregelten Tagesablauf. Prompt verschläft er und wäre sicher bald als Tippelbruder unter den Berliner Brücken geendet, wenn, ja wenn es nicht eine Frau wieder richten würde: seine umsichtige Mutter.

"Der Siemens-Staubsauger Rapid saugt, bläst, reinigt, entmottet, sprüht, bohnert und poliert - mehr Zeit für Freizeit!" (8) Dieser Werbespruch ist nur einer von vielen, mit denen die Hausfrauen umworben wurden, um ihnen das Wirtschaftsgeld aus der Tasche zu ziehen. Wie von Geisterhand gleiten die technischen Hilfsmittel in den Trickfilmen allein über Böden, Möbel und Kleider und machen die Hausarbeit zum vergnüglichen Kinderspiel. Angepriesen wurden die Maschinen und Wundermittel dabei meistens von Männern, die den Damen gerne mit Rat zur Seite standen, die Tat jedoch den Frauen überließen. So ist auch Martin Koldewey froh, sich endlich wieder mit der Zeitung auf die Couch zurückziehen zu können....

(8) Hauptrolle: Hausfrau! Edition Werbe-Klassiker, DVD (Tacker Film)

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

11.09.2016 21:06
#17 RE: Meine Frau Susanne Zitat · Antworten

17. Unruhiger Nachmittag
als Gäste: Bettina Schön, Karin Evans, Franz Fiedler, Werner Stock



Susanne erklärt sich spontan bereit, auf den Nachbarsjungen Rainer aufzupassen, als dessen Mutter am Nachmittag einen Besuch machen muss. Der Dreikäsehoch ist ein aufgewecktes Bürschchen und hält Susanne und Martin - der eigentlich eine Geschäftsunterredung mit einem Kunden führen wollte - auf Trab. Als sich der Knabe im Badezimmer einschließt, versuchen es die Koldeweys abwechselnd mit Schmeicheln und Drohen, aber die Tür bleibt zu....

Susanne nutzt die Gelegenheit, ein fremdes Kind für ein paar Stunden zu beaufsichtigen, um sich auf ihre eventuelle spätere Mutterrolle vorzubereiten. Martin fällt der laute und eigensinnige Knabe bald auf die Nerven; er will wie die meisten Männer zuhause seine Ruhe haben. Das alte Sprichwort "Kinder sollen gesehen, aber nicht gehört werden" gilt auch hier. Die junge Frau ist bald von den wechselhaften Wünschen des Bürschchens überfordert und zeigt zu viel Nachgiebigkeit, was auch der Vorsicht im Umgang mit der Verantwortung für ein fremdes Kind geschuldet ist. Der pragmatische Martin schwankt zwischen der Absicht, selbst mit den Spielsachen des Jungen zu spielen und der Überzeugung, Strenge werde Einsicht bringen und Rainer alle Flausen vertreiben. Die Diskussion über die richtige Erziehungsmethode artet in Streit aus und zeigt, dass das Paar wohl doch lieber vorerst auf konfliktfördernden Nachwuchs verzichtet.

Der pausbäckige Junge wirft zunächst mit Apfelsinen und weigert sich dann, seinen Grießbrei zu essen. Er will lieber Schokolade und so muss Martin das ungeliebte Gesundheitsessen selbst verzehren. Wieder einmal hört man im Hintergrund die reglementierende Stimme von Erna Horn: "Man sieht sehr viele überernährte, also zu dicke Kinder. Die Mütter sind meist noch stolz auf ihr kleines Dickerchen und glauben, es völlig richtig gemacht zu haben. Tatsächlich besteht aber häufig die Gefahr einer Überfütterung; dick aufgeschwemmte Kleinkinder sind auch meist anfälliger als normal ernährte. Sie überstehen daher auch Krankheiten aller Art weitaus schlechter. Um jegliche Überfütterung zu vermeiden, soll man daher immer das Gewicht genau kontrollieren." (1)

Die Mutter des Knaben wird übrigens von Bettina Schön ("Das Rätsel der grünen Spinne") gespielt, die sich am Ende köstlich amüsiert, als sie erfährt, dass Susanne wegen nasser Hosen den Arzt für Rainer gerufen hat.

(1) Erna Horn: Der neuzeitliche Haushalt, Verlag Albert Pröpster Kempten/Allgäu, 1967

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

18.09.2016 15:23
#18 RE: Meine Frau Susanne Zitat · Antworten

18. Die große Wäsche
als Gäste: Ursula Heyer, Lou Seitz, Ethel Reschke, Kurt Weitkamp, Ilse Trautschold



Susanne Koldewey trifft im Treppenhaus den Hausmeister, der einen Käufer für sein Akkordeon sucht. Begeistert geht Susanne auf das Angebot ein und übt bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Martin ist davon bald genervt und bittet sie, im Keller zu spielen. Dort erregt sie die Aufmerksamkeit der Hausbewohnerinnen, die im Nebenraum die Waschmaschinen benutzen. Ab sofort gestaltet sich der gefürchtete Waschtag zum musikalischen Vergnügen und Martin fragt sich, wo seine Frau in den Stunden ihrer Abwesenheit steckt....

Susanne ist das Gegenteil einer unauffälligen, ruhigen Hausfrau, die sich in sanfter Demut um die Erledigung der anfallenden Arbeiten kümmert. Ihr Temperament und ihre Fähigkeit, sich rasch für Neues zu begeistern, lassen sie oft zur Geduldsprobe für ihren Mann werden, der nach Feierabend Entspannung und Ruhe sucht. Ein Musikinstrument ist immer eine Herausforderung für jene, die sich in Hörweite aufhalten (müssen), gerade, wenn jemand in der Ausübung desselben kein Meister ist. Eine Berliner Mietwohnung in einem Reihenhaus ist nun mal eben kein Seefahrerheim in Hamburg, in dem sich niemand an Schunkelliedern stört. Zur Auflockerung des anstrengenden Waschtags eignet sich Susannes Fröhlichkeit hervorragend, was sie ermutigt, ihrem Hobby gegen alle Widerstände von Martin weiter nachzugehen.

Die Frauenrunde wäscht mit "Dixan" und bedient die großen Waschmaschinen, die eine Erleichterung für die Mietparteien darstellen - schließlich konnte sich Anfang der Sechziger Jahre noch nicht jeder Haushalt eine eigene Waschmaschine leisten. Die ersten Geräte dieser Art stellte die Firma Miele aus Butterfässern aus westfälischer Eiche her. Herr Miele hatte bei seinen Besuchen auf dem Land festgestellt, wie anstrengend das Waschen ohne technische Hilfsmittel war. Im Jahr 1951 kam mit der "Konstrukta" die erste vollautomatische Waschmaschine auf den Markt. Natürlich benötigte man damit auch Waschmittel von guter Qualität: "Das beste Persil, das es je gab" oder "Die weiße Dalli-Kanone macht ihre Wäsche sooo weiß" - "Vor lauter Weiß müssten die waschverantwortlichen Frauen eigentlich schon geblendet sein," schlussfolgert deshalb auch der Kommentator der Werbe-DVD. (9)

(9) "Blitzblank & sauber! Die Reinlichkeit im Werbefilm" (DVD) (TACKER FILM)

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

26.09.2016 12:36
#19 RE: Meine Frau Susanne Zitat · Antworten

19. Die Sprechstundenhilfe
als Gäste: Sibyl Werden, Wolfgang Gruner, Waldemar Frahm, Lutz Moik



Martin wünscht sich einen Fotoapparat, doch sein Gehalt ist bereits für die Tilgung der Raten für Kühlschrank und Möbel eingeplant. Susanne würde ihm den Wunsch gern erfüllen, als ihr Freundin Ursel von Dr. Reis erzählt. Der Zahnarzt sucht kurzfristig eine Aushilfe, da seine Sprechstundenhilfe erkrankt ist. Heimlich tritt Susanne ihre Arbeit in der Zahnarztpraxis an. Als einem Patient nach der Behandlung übel wird, bittet der Arzt Susanne, ihn nach Hause zu begleiten. Gerade in diesem Moment kommt Martin mit seinem Wagen vorbei und sieht Susanne und den bei ihr untergehakten jungen Mann....

Heimlichkeiten führen oft zu Missverständnissen und Verdächtigungen, so auch bei Martin und Susanne Koldewey. Die Geldfrage ist wieder einmal aktuell, was auch nicht wundert, wollen sich die beiden doch mit nur einem Verdienst gar einiges leisten. Susannes Kommen und Gehen wird von Martin bald argwöhnisch notiert und ihre gute Laune erweckt in ihm den Verdacht eines doppelten Spiels. Im Straßenverkehr trifft er auf Susanne und den Patienten und vermutet prompt ein Fremdgehen seiner Frau. Als sie das nächste Mal das Haus verlässt, schleicht er ihr nach. Zweifellos denkt er dabei an den bekannten deutschen Meisterschnüffler Nick Knatterton, der seit seiner Eheschließung mit der Millionenerbin Linda Knips nach neuen Fällen dürstet...."Kombiniere: Was mir fehlt, sind echte Aufregungen! (Nick hat keine Steuerschulden....) Auch die glücklichste Ehe kann einen spannenden Kriminalfall nicht ersetzen. Ach, Linda, bitte lass' mich wieder als Detektiv arbeiten! (Welche Frau könnte einen Mann weinen sehen? Linda gibt nach...)" (10)

Der Zeichner Manfred Schmidt brachte den Detektiv mit dem spitzen Kinn im Dezember 1950 erstmals zu Papier und die Zeitschrift "Quick" druckte die "Comic-Strips" wöchentlich ab. Die Popularität der Figur führte sogar zu einer Realverfilmung (mit Karl Lieffen, Gert Fröbe und Wolfgang Wahl) und einer Zeichentrickserie. Im Vorwort zur Gesamtausgabe schreibt Schmidt u.a.: "Rückblickend darf wohl gesagt werden: Im Vergleich zu dem, was die heutige "Crime and Sex"-Welle uns bietet, war der olle, ehrliche und an das Gute im Menschen glaubende Nick Knatterton das reinste Biedermeier. Bei ihm gab es keinen Toten, höchstens ein paar Leichtverletzte, und zum Schluss wurden selbst die bösesten Verbrecher stets geläutert, wenn auch nur für kurze Zeit."

(10) Nick Knatterton - Alle aufregenden Abenteuer des berühmten Meisterdetektivs, Gesamtausgabe, Lappan Verlag, 12. Auflage 1997

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

20.11.2016 13:41
#20 RE: Meine Frau Susanne Zitat · Antworten

20. Das Horoskop
als Gäste: Tilo von Berlepsch, Linda Geiser, Agi Prandhoff



Susanne liest Martins Horoskop, das Erfolg und neue Chancen verheißt. Da sie ihrem Mann schon lange eine besser honorierte Stellung wünscht, vermutet sie, dass etwas Entscheidendes bevorsteht. Nachdem Martin in die Firma gegangen ist, klingelt es an der Tür. Ein älteres, elegant gekleidetes Paar steht draußen und stellt sich als Kosmetikfabrikanten vor. Sie verkaufen der jungen Frau ein angeblich exklusives französisches Parfüm für 35 DM. Susanne wittert eine Möglichkeit, Martin in der - wie sie glaubt - renommierten Firma unterzubringen und lädt die beiden zum Essen ein....

Gutgläubig wie Susanne Koldewey nun einmal ist, denkt sie sich nichts dabei, wildfremde Leute ins Wohnzimmer zu bitten. Wie ein kleines Kind ist sie für jede Abwechslung dankbar und glaubt unbesehen alles, was ihr die Leute erzählen. So erwirbt sie den überteuerten Parfüm-Flakon und lädt das beredte Ehepaar ein, wiederzukommen, um ihren Mann Martin kennenzulernen. Dieser hat von Anfang an Vorbehalte, da er weder den Namen der Kosmetik-Firma kennt, noch von der Güte des Duftwässerchens überzeugt ist.

"In den Sechziger Jahren waren florale Düfte wie Fidji (Laroche) und Aldehyd-Noten wie Calèche (Hermès) und Madame Rochas (Rochas) angesagt." (11)

Susannes Begeisterungsfähigkeit bremst Martins Bedenken wieder einmal aus und so wartet das Ehepaar Koldewey gespannt auf den karrieretechnisch vielleicht wegweisenden Besuch. Um einen guten Eindruck zu machen, "engagiert" Susanne ihre Freundin Nadia als Hausmädchen. Leider stellt diese sich recht ungeschickt an; ganz offensichtlich kennt sie Erna Horns Buch und das Kapitel über "Die Pflichten des Angestellten" nicht....

"Insbesondere hat er die ihm übertragenen Arbeiten, soweit sie zu dem Aufgabenkreis gehören, sorgfältig und gewissenhaft auszuführen und die ihm zugänglichen Gegenstände des Arbeitgebers schonend zu behandeln. Hausangestellte haben sich außerdem nach der häuslichen Ordnung zu richten und sind zu Gehorsam und Treue gegenüber der Hausfrau verpflichtet. Zur Treueverpflichtung gehört auch Verschwiegenheit über solche Vorfälle, deren Bekanntwerden dem Arbeitgeber oder seiner Familie von Nachteil sein könnte." (1)

Gaststar der letzten Folge ist Tilo von Berlepsch (1913-1991) noch vor seiner breitenwirksamen Phase der Edgar-Wallace-Auftritte. Seine distinguierte Erscheinung macht es ihm leicht, Susannes Vertrauen zu gewinnen. Das listige Blitzen hinter den Gläsern seiner Brille übersieht sie allerdings....

(11) Die Lady - Handbuch der klassischen Damenmode, Claudia Piras & Bernhard Roetzel, DuMont Verlag 2002
(1) Erna Horn: Der neuzeitliche Haushalt, Verlag Albert Pröpster Kempten/Allgäu, 1967

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

27.03.2017 23:30
#21 Meine Frau Susanne (1963, TV) Zitat · Antworten

Der arme Martin oder
Nachbetrachtung zu „Meine Frau Susanne“


Die Eheabenteuer der Berliner Frischvermählten Koldewey bieten nicht nur kurzweilige Unterhaltung mit Alltagsgeschichten, sondern öffnen dem heutigen Betrachter zudem ein interessantes Zeitfenster in das Deutschland der späten 1950er bzw. frühen 1960er Jahre. Einerseits thematisiert jede Folge ein entweder zeittypisches oder generationenübergreifendes Ehe- oder Miethausproblem, andererseits spiegelt sich der Geist der Adenauer-Jahre auch in der Grundanlage der Hauptfiguren unverhohlen wider.



Martin Koldewey ist der Alleinverdiener, der als Vertreter für den Parfümhersteller Strom und Weber die Drogerien der Stadt abklappert und nach der Rückkehr von der Arbeit erwartet, das Essen frisch und warm von Susanne, die sich als Hausfrau um die gemeinsame Mietwohnung kümmert, serviert zu bekommen. Nach Feierabend pflegt Martin seine faule Seite und genießt krimilesend ein Bier auf der Couch oder trifft sich mit seinen Freunden zum Skatspiel. Zu seiner Mutter pflegt Martin eine enge Beziehung – sie hilft ihm wo nötig aus der Patsche und stellt als ebenso elegante wie praktische Dame gleichsam ein Vorbild für Susanne dar. Das ist auch nötig, denn so manches Mal geriert sich die junge, geschicklich noch unvollkommene Gattin als sturer Kindskopf, wodurch es zu einem interessanten Kräftemessen der Ehepartner kommt, das die üblichen patriarchalischen Strukturen der Adenauerzeit aufbricht.

So ist es bei den Koldeweys wie in manch anderer Ehe – während der Ehemann das Geld verdient, ist er nicht unbedingt derjenige, der entscheidet, wie es ausgegeben wird. „Meine Frau Susanne“ fungiert in dieser Beziehung als eine Kombination aus Unterhaltungs- und Instruktionsprogramm, das offenkundig an junge Familien in ähnlicher Lage gerichtet ist und sie zu Sparsamkeit und gegenseitiger Rücksicht erziehen soll. Die nüchternen Kommentare der sittenstrengen Erna Horn, die @Percy Lister hier in den vorangegangenen Besprechungen bereits zitiert hat, zeigen das Idealbild des Haushaltens und Wirtschaftens in den Sechzigern, während Susanne oftmals das genaue Gegenteil demonstriert – manchmal zur Erheiterung, manchmal zum Ärgernis der Zuschauer, die dem durch die verrückten, bockigen oder kostspieligen Einfälle seiner Frau leidgeprüften Martin so manches Mal guten Mut zusprechen wollen.

Claus Biederstaedt und Heidelinde Weis erweisen sich als unglaublich treffsichere Besetzung für die Koldeweys. Man mag einfach nicht glauben, dass die Stimmung am Set – sicher nicht zuletzt durch die aufdringlich-überbehütende Art Erik Odes gegenüber H.W. – zwischen den beiden eher angespannt war. Die Chemie auf dem Bildschirm ist einfach reizend, sodass man keine Zweifel daran hat, dass das junge Glück auch Kochunfähigkeit, nervige Nachbarn, Eifersuchtsanfälle, weibliches Freiheitsstreben nach Führerschein und Arbeitsstelle, die unumgänglichen Nachwuchs- und Haustierfragen, Lug, Trug, Klatsch und Lärm überstehen wird.

Bei einer Serie, die den herkömmlichen 13-Folgen-Umfang sprengt, gibt es naturgemäß besonders gelungene und weniger erfreuliche Folgen. Als Anspieltipps möchte ich nennen: „Zwischen zwei Feuern“ (#2), „Der Fernsehapparat“ (#3), „Ein Bein in Gips“ (#5), „Die Dauerwelle“ (#6), „Das Fotomodell“ (#7), „Der Führerschein“ (#9), „Susannes Finanzen“ (#13), „Der erste Hochzeitstag“ (#15), „Der Strohwitwer“ (#16) und „Die Sprechstundenhilfe“ (#19). In Acht nehmen, da sie eher lauter und alberner Natur sind, sollte man sich vor „Das Ehe-ABC“ (#1), „Das Hauskonzert“ (#8), „Fräulein Lotte“ (#10), „Unruhiger Nachmittag“ (#17) und vor allem „Die große Wäsche“ (#18). Insgesamt sieht man, dass die ansprechenden Folgen deutlich in der Überzahl sind. Insofern kann auch ich, der ich sonst mit seichten Familienprogrammen eher wenig anzufangen weiß, für diese charmante Wohlfühlserie eine eindeutige Empfehlung aussprechen und mich nur für die überaus gelungenen Berichte hier im Thread bedanken.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

16.04.2017 14:46
#22 RE: Meine Frau Susanne (1963, TV) Zitat · Antworten

Licht- und Schattenseiten sozialen Wohnungsbaus
Die Drehorte von „Meine Frau Susanne“


Obwohl „nur“ ein Vorabendprodukt, gab sich das ZDF mit seiner ersten Serienproduktion doch erstaunliche Mühe, auch was die Außenaufnahmen anging. Während einige Folgen als reine Kammerspiele angelegt sind und nicht einmal den Gang vor die Haustür erforderten, geht von den Folgen mit Vor-Ort-Drehs ein ganz spezielles Flair aus, das den Zeitgeist von „Meine Frau Susanne“ perfekt unterstreicht. Erik Ode achtete darauf, Martin und Susanne vor damals modern und urban wirkenden Schauplätzen zu zeigen, um sie als „Ehepaar Mustermann“ ihrer Generation in Szene zu setzen. Zum Einsatz kamen dabei vor allem Drehorte im Westen und Nordwesten der Stadt – in den Stadtteilen Westend, Wilmersdorf und Haselhorst. @Percy Lister und ich wollen euch in ein paar kurzen Beiträgen auf die Spuren der Koldeweys mitnehmen ...

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

16.04.2017 14:56
#23 RE: Meine Frau Susanne (1963, TV) Zitat · Antworten

Susanne und Martin Koldewey wohnen in der Gothaallee 26 in Berlin Neu-Westend. Hierbei, sowie bei den meisten anderen Anschriften, die in der zwanzigteiligen Serie genannt werden, handelt es sich tatsächlich um eine authentische Adresse, die man sehr gut selbst aufsuchen kann. So begaben Gubanov und ich uns an einem frischen März-Tag in das Wohnviertel, das immer noch so aussieht wie zur Drehzeit Anfang der Sechziger Jahre. Anhand unserer Screenshots machten wir einige Außenaufnahmen, hegten aber natürlich den Wunsch, das Gebäude selbst betreten zu können. Staunend sahen wir, dass der Eingangsbereich haargenau so belassen war wie damals, als Susanne und Martin dort ein- und ausgingen. Der Abschottung dient der neue Hinweis "Videoüberwachung", der an der Scheibe der Tür angebracht ist und es jedem praktisch unmöglich macht, ohne Schlüssel oder Bekannte im Haus in selbiges zu gelangen.

Als plötzlich ein Mann aus dem Gebäude kam und die schwere Tür langsam hinter ihm zufiel, überlegte der kühne Percy Lister nicht lange und zwängte sich in die Lücke, bevor der Zugang zum Haus wieder versperrt war. Empört drehte sich der Mann noch einmal um und Gubanov hatte schon Angst, dass er gleich das Überfallkommando rufen würde. Hausmeister Schreivogel war ja mittlerweile pensioniert worden. Schnell fotografierten wir das Stiegenhaus und den Aufzug, in dem Martin so oft nach oben in den vierten Stock gefahren war. Dann verließen wir das Haus wieder, weil man ja nicht wissen konnte, ob gleich ein Terror-Sonderkommando anrücken würde, um die beiden verdächtig aussehenden Unbefugten abzuführen.


Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

16.04.2017 22:00
#24 RE: Meine Frau Susanne (1963, TV) Zitat · Antworten

Kommen wir nun zu zwei Drehorten, die nur in jeweils einer Folge zu sehen waren:

Am Ende der Episode „Der Führerschein“ legt Susanne ihre praktische Fahrprüfung ab. Obwohl sie mit Prüfer auf dem Rücksitz einen Stapel Spankörbe in Grund und Boden fährt, besteht sie dank guten Zuredens den Test. Diese Schlussszene bietet gleichermaßen eine Gelegenheit zur Versöhung zwischen Martin und Susanne, die zuvor aus Vorurteilen und Starrsinn heraus in der Causa Fahrerlaubnis getrennte Wege gegangen waren. Sie wurde auf dem Haselhorster Damm in Höhe der Weihnachtskirche gedreht. Das Ensemble aus den 1930er Jahren wirkte auch in den 1960ern noch aktuell. Umso mehr wird den Serienfreund überraschen, dass die Kirche sich in der ursprünglichen Form der Drehzeit nicht erhalten hat: 1963 umgebaut, findet man den offenen Bogengang, der im Hintergrund zu sehen ist, heute nicht mehr. Die Straßenstruktur mit dem begrünten Mittelstreifen mit Promenade (das botanisch inkorrekte „Unter den Linden“ des kleinen Mannes) blieb hingegen bestehen. Wer den Drehort finden will, fährt bis zur Bushaltestelle Lüdenscheider Weg, sollte aber nicht erwarten, heute noch in einem wie damals dort wartenden Doppeldecker befördert zu werden.



Gleich zu Beginn von „Das Ehe-ABC“ kehren Martin und Susanne aus den Flitterwochen in Italien zurück. Ihr Weg nach Hause führt sie über die Stadtautobahn mit ihrer Unterführung am Rathenauplatz. Aufgrund seiner Nähe zum Dreieck Funkturm heute bis zur Unkenntlichkeit mit Hinweistafeln verhangen, war der Blick auf den Tunnelmund der Autobahn 1960 noch frei. Warum das so war, zeigt der Blick in die Geschichtsbücher: Der Abschnitt war zum Drehzeitpunkt dem öffentlichen Verkehr noch gar nicht übergeben worden – das geschah erst ein Jahr später. Dementsprechend bleibt für Ortskundige die Frage, was Martin und Susanne überhaupt auf der Stadtautobahn zu suchen hatten, wenn sie von Italien kommend doch am wahrscheinlichsten über München, die A9 und die Avus gen Heimat zurückfuhren ...

Jan Offline




Beiträge: 1.753

17.04.2017 18:37
#25 RE: Meine Frau Susanne (1963, TV) Zitat · Antworten

Da habt ihr ja sehr interessante Motive herausgefischt. Besonders beeindruckend ist wohl der Erhalt des Wohnhauses. Man beachte den bogenförmigen Türgriff, der noch der Originale aus den Wirtschaftswunderjahren sein dürfte. Gerade für eine Stadt wie Berlin, die im Ruf stand und steht, dauerhaft umgebaut zu werden, ein kleiner Beleg dafür, dass doch einiges die Jahre unverändert überdauert.

Gruß
Jan

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

17.04.2017 20:20
#26 RE: Meine Frau Susanne (1963, TV) Zitat · Antworten

Wir waren selbst erstaunt, wie wenig sich verändert hat und dass offenbar alle Treppenhausszenen nicht etwa im Studio, sondern wirklich vor Ort gedreht wurden. Selbst bei den Wohnungsinnenaufnahmen haben wir Zweifel bekommen, weil der Blick durch die Fenster nach draußen erstaunlich real aussieht. Dabei prangt im Abspann stets der Hinweis auf Drehs in den CCC-Studios ...

Zum Abschluss unserer „Susanne“-Tour hier noch zwei Schauplätze aus der Folge „Die Sprechstundenhilfe“: In dieser Episode vermutet Martin, dass Susanne eine Affäre hat, obwohl sie doch nur heimlich mit einem Aushilfsjob etwas Geld verdienen will, um ihm einen Wunsch zu erfüllen. In Begleitung ihres angeblichen Liebhabers erwischt Martin seine Frau auf dem Fehrbelliner Platz vor dem ehemaligen Stadtteilrathaus Wilmersdorf, das seit Ende 2014 zugunsten des Rathauses Charlottenburg aufgegeben wurde. Deutschlands meistbeworbene Singlebörse weiß offenbar um die amouröse Geschichte des Ortes und ist dort mit entsprechend augenfälliger Werbung vertreten ...



Auch hier stimmen die Wegzusammenhänge wieder nicht, da Susanne „ihren“ Patienten nur ein kurzes Stück nach Hause begleitet, sich die Zahnarztpraxis laut Folgenangaben aber in der Lindenthaler Allee in Zehlendorf befindet. Wer jedoch dieser Behauptung aufsitzt, wird lange nach dem in der Folge gezeigten Praxiseingang suchen, der in Wahrheit nur wenige Meter von der Gothaallee entfernt in einem frisch sanierten Hofkomplex in der Meiningenallee zu finden ist. Die Drehortschummelei mutet seltsam an, da alle anderen namentlich erwähnten Locations real sind. Zudem würde eine Beschäftigung in Zehlendorf Susanne einen 14 Kilometer langen Arbeitsweg bescheren (schwer zu schaffen, wenn das Essen für Martin rechtzeitig auf dem Tisch stehen soll), wohingegen es von den Koldeweys zur richtigen Adresse nur ein zweiminütiger Fußweg ist.

Mark Paxton Offline




Beiträge: 347

23.04.2017 09:24
#27 RE: Meine Frau Susanne (1963, TV) Zitat · Antworten

Diese Serie habe ich mir nun auch angesehen, nachdem ich ein paar Folgen vor einigen Jahren mit Retro-Rahmen auf ZDF KULTUR gesehen habe.
Sehr schöne Unterhaltung, die den Zeitgeist wohl recht gut einfängt, super besetzt!
@Percy Lister: Deine Analysen habe ich mir nach jeder Folge mit Freude durchgelesen! Vielen Dank dafür. Und großes Lob an dich und Gubanov! Beeindruckende Drehorttour! Unglaublich, dass sich teils so wenig verändert hat.
@Gubanov: Du schreibst, dass ZDF hätte die Serie produziert. Im Bonusinterview auf der DVD erwähnt Heidelinde Weis, dass das ursprünglich für das "Adenauer Fernsehen" produziert wurde, also schon ein paar Jahre zuvor, ich schätze 1960.
Du schreibst auch sinngemäß, dass das Klima am Set nicht optimal war. Woher hast du diese Info? Stand das irgendwo?
Nochmals Kompliment an euch beide!

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

23.04.2017 13:32
#28 RE: Meine Frau Susanne (1963, TV) Zitat · Antworten

@Mark Paxton: Gubanov drückte sich ein wenig geschraubt aus, als er erwähnte, das Klima sei nicht besonders gewesen. Fakt ist, dass mir Georg erzählt hatte, Heidelinde Weis habe ihren Partner Claus Biederstaedt nicht unbedingt gut leiden können. Das lag vielleicht am Alters- und Karriereunterschied, eventuell auch daran, dass Regisseur Ode sie besonders gern mochte und viel Geduld mit Heidelinde Weis zeigte. Da gibt es dann oft bewusste oder unbewusste Rivalitäten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

23.04.2017 13:38
#29 RE: Meine Frau Susanne (1963, TV) Zitat · Antworten

Zitat von Mark Paxton im Beitrag #27
Du schreibst, dass ZDF hätte die Serie produziert. Im Bonusinterview auf der DVD erwähnt Heidelinde Weis, dass das ursprünglich für das "Adenauer Fernsehen" produziert wurde, also schon ein paar Jahre zuvor, ich schätze 1960.

Damit hast du natürlich Recht. Wenn die Serie 1960 / Anfang 1961 gedreht und die Gründung des ZDF erst im Juni 1961 beschlossen wurde, ist es formal falsch, zu schreiben, das ZDF habe "Meine Frau Susanne" produzieren lassen. Aber letztlich ist das ZDF ja nur der gerichtlich erzwungene, politisch korrekter installierte Nachfolger des Adenauer-Fernsehens und der Status von "Meine Frau Susanne" als "erste Serie des ZDF" verlockt zu solchen Vereinfachungen. Ausführende Produktionsfirma war ohnehin die TV-Union der Brauner-Brüder, dazu hier ein vielleicht nicht uninteressanter Spiegel-Artikel, der gleich mit einer anfänglichen Spitze gegen Biederstaedt und Weiss aufwartet.

Mark Paxton Offline




Beiträge: 347

23.04.2017 20:56
#30 RE: Meine Frau Susanne (1963, TV) Zitat · Antworten

Danke für eure Antworten!
Der Artikel über die TV-Union ist sehr interessant.
Hans H. Kaden hat damitbja später solche Klasiker wie John Kling's Abenteuer produziert. Ob da Brauner auch noch an Bord war?

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