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 Film- und Fernsehklassiker national
Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

08.11.2015 20:50
Angeklagt nach § 218 / Der Arzt stellt fest ... (1965/66) Zitat · Antworten



Angeklagt nach § 218 (Der Arzt stellt fest ...)

Arztdrama, CH / BRD 1965/66. Regie: Aleksander Ford. Drehbuch: Lazar Wechsler. Mit: Tadeusz Łomnicki (Dr. Maurer), Sabine Bethmann (Frau Dr. Maurer), Franz Matter (Dr. Huber), Charles Regnier (Professor), René Deltgen (Dr. Diener), Fred Tanner (Herr Kleiner), Margret Neuhaus (Margrit Kleiner), Dieter Borsche (Herr Sidler), Margot Trooger (Frau Sidler), Vera Jesse (Ursula) u.a. Uraufführung (CH): 22. April 1966. Eine Produktion der Praesens-Film AG, der Fono-Film und der CCC-Film.

Zitat von Angeklagt nach § 218 / Der Arzt stellt fest ...
Dr. Maurer praktiziert an der Zürcher Frauenklinik. Immer wieder erlebt er, wie Schwangerschaften für Mutter und Kind zu lebensbedrohlichen Problemen werden. Gesellschaftliche Konventionen, Druck aus Ehe oder Elternhaus, Krankheiten oder sogar illegaler Schwangerschaftsabbruch sind nur einige Probleme, denen die Ärzte gegenüberstehen. Als eine Patientin an den Folgen einer Abtreibung stirbt, kommt es zu einem Prozess, der Dr. Maurers Dienstmotivation nachhaltig schädigt ...


Aus den kurzen Anmerkungen, die Deltgen-Biograf Michael Wenk zu „Angeklagt nach § 218“ macht, – der Film sei „kein großer Wurf“ und Deltgen befinde sich mit seiner Rolle und deren „liberaler Haltung zu Schwangerschaftsabbrüchen“ alles andere als „auf der sicheren Seite“ – schwingen eben jene Denkmuster mit, die der Film kritisch anzusprechen versucht. Interessanterweise gerät die Produktion dennoch nicht – wie andere Filme der damaligen Zeit, man denke z.B. an „Ich kann nicht länger schweigen“ – zum Plädoyer für Schwangerschaftsabbruch. Man merkt insofern, dass es sich um einen Schweizer Film handelt, als die Neutralität auch auf diesem schwierigen Parkett gewahrt bleibt: Es kommen Gründe für und gegen den Einfluss des Menschen auf das werdende Leben zur Sprache und es werden neben allen Schwierigkeiten auch die Momente unmittelbar nach der Geburt eines Kindes gezeigt, die das Leid und die Angst einer Schwangerschaft lohnen.

Entgegen den Erwartungen, die der deutsche Titel nährt, beschränkt sich der Gerichtsanteil auf ein absolutes Minimum. Der Schweizer Verleihtitel „Der Arzt stellt fest ...“ erscheint treffender, weil weder der Prozess gegen den Abtreiber noch überhaupt der Paragraf 218 dauerhaft im Mittelpunkt stehen. Im Gegenteil: Vor allem die Verpflichtung der Ärzte, es dem Gesetz und ihrem hippokratischen Eid recht zu machen, wird betont. Während die werdenden Mütter kommen und gehen, sind es vor allem die reichlich an ihrer Berufswahl zweifelnden „Götter in Weiß“, die immer wieder auf die Probe gestellt werden.



René Deltgen darf den verständnisvollen Hausarzt spielen, der sich als Anwalt der Schwangeren begreift, sie ausführlich berät und, wenn nötig, vor den Fäusten ihrer Väter verteidigt. Ihm gegenüber steht mit Tadeusz Łomnicki, der einen in Routine und Vorurteilen erstickenden Klinikarzt spielt, der Anwalt des ungeborenen Kindes. Diese ungewöhnliche Hauptdarstellerverpflichtung dürfte dem polnischen Regisseur zuzuschreiben sein. Łomnicki ähnelt äußerlich Harry Meyen, ist aber im Gegensatz zu diesem nicht durch andere Rollen oder Presseklatsch auf einen (negativen) Rollentyp abonniert.

Ebenso wenig, wie „Angeklagt“ ein reiner Krimi sein will, pocht der Film darauf, aus seinen großen Starnamen Profit zu schlagen. Vielmehr müssen sich auch bekannte Personalien mit kleinen Rollen begnügen. Wer den Film also vor allem wegen Charles Regnier, Dieter Borsche und Margot Trooger sieht, wird eventuell enttäuscht sein, weil diese Darsteller nur als Stichwortgeber bzw. Einszenenrollen auftreten. Diese Nonchalance verleiht dem Film allerdings eine größere Authentizität, weil er durch ein Weniger an Schauspieldrama im Umkehrschluss an Sachorientierung gewinnt. Dazu passen dokumentarische Szenen von Operationen und Niederkünften sowie Grafiken zum anatomischen Bau, Verhütungsmethoden und Bevölkerungsentwicklungen. Diese Elemente verhindern weitgehend, dass der Film in eine naheliegende Kolportagerichtung abgleitet, was ihn zwar nicht vor einem gehässigen Urteil des Katholischen Filmdienstes bewahrte ...

Zitat von Katholische Filmkommission: Filmdienst
Aufklärung über Probleme der Empfängnisverhütung und Abtreibung an Hand von Dokumentarszenen aus dem Kreißsaal und erfundenen Beispielen von heimlicher Schwangerschaft und Kurpfuscherei. Der in seiner Absicht unverkennbar ernsthafte Film scheitert an gestalterischer Unbeholfenheit und unklarem Aufbau: Er greift nach vielerlei Themen, reißt sie kurz an und schiebt sie sogleich zur Seite.


..., aber immerhin zu einem erstaunlich verständnisvollen Resümee des evangelischen Gegenspielers führte:

Zitat von Evangelischer Film-Beobachter
Ein ernsthaft gemachter Aufklärungsfilm, dessen farbige Dokumentarszenen von seiner positiven Haltung zu Mutterschaft und Geburt sprechen. Sehenswert vor allem für Eltern und Pädagogen, die mit Schwierigkeiten bei der Aufklärung von Heranwachsenden zu kämpfen haben.


Als um Aufklärung statt um Schauwerte bemühtes Gesellschaftsdrama ist „Angeklagt nach § 218“ ein ungewöhnliches Zeitdokument, an dessen sachlich lehrenden Stil man sich als Zuschauer, der vom reißerischen Titel einen spekulativen Gerichtskrimi erwartet, nicht stören darf. Eine 1965 nicht unbedeutende Thematik mit Sachverstand und dennoch mit unverhohlener Deutlichkeit angesprochen – das ist mir 3,5 von 5 Punkten wert.

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