RE: Wallacevision Song Contest 2011 - Die Ergebnisse

Ihr könnte die Geschwindigkeit jeweils herunterregeln oder das Voting zwischendurch komplett stoppen.

Nachdem das Ergebnis bei allen nun gesetzt ist, wird es Zeit für einige ausführlichere Worte. Ich möchte am unteren Ende der Rangliste beginnen und bedaure, dass das Finale eine Letztplatzierung für die Gesangsnummer von Ingrid van Bergen brachte. Ihr "Bei mir ist alles nur Natur" ist ein raffiniertes Zusammenspiel von Musik und Inszenierung im Film, passt perfekt zu Glorias verruchter Ausstrahlung und kann sich - da englischer Komponist - nicht einmal den Vorwurf der Schlagerseligkeit machen lassen. Ich hatte in der Vorrunde auch für die Titelmusik der "gelben Narzissen" 10 Punkte verteilt, doch sie kam trotzdem nur auf Platz 16 in ihrem Semifinale. Keith Papworths Score scheint insgesamt leider nicht sehr beliebt zu sein. Wird er, wie der zugehörige Film, einfach übersehen / überhört?
Die nächste Gesangsnummer macht sich bereits auf Platz 20 breit - Lolitas Chanson "Nachts im Nebel an der Themse", wuchtig geschmettert, bekam zwar relativ häufig Punkte, aber fast immer nur kleine Werte - ja, fast immer nur Einser. Dieses Ergebnis könnte an der ungeklärten, undurchsichtigen Sänger-Frage liegen. Hätte Eva Pflug selbst geträllert, so wäre "Nachts im Nebel an der Themse" wohl ein ganzes Stück weiter oben gelandet.

Die relativ schlechte Platzierung der beiden späten Böttcher-Musiken zu "Hand" und "Peitsche" verrät, dass Herr Böttcher mit diesen beiden Nummern zwar schmissige und an sich gängige Filmeinleitungen komponierte, die Welt damit aber nicht neu erfand. Zu durchschnittlich scheinen die Kompositionen gegen andere Knaller der Reihe zu sein. Insgesamt ist Böttcher ebenfalls relativ schwach vertreten: Gerade "Besonders in der Nacht" - erwartugsgemäß sein bestbewerteter Beitrag zur Serie - sicherte sich mit Platz 7 eine Punktzahl, die hinter meinen Erwartungen zurückblieb. Ich hatte das Lied vorab als Kandidaten mit klaren Siegchancen und sicherem Treppchenrang ausgemacht. "Abt" und die Titelmusik zum "Gasthaus" haben gute Positionen im vorderen Mittelfeld erreicht. Interessant als Seitennotiz ist, dass der "Fälscher von London" den Einzug ins Finale nur um fünf Punkte verpasst hat.
Knapper war es lediglich für zwei Thomas-Scores, nämlich "International Retreat" (um 1 Punkt ausgeschieden) und "Der Zinker" (um 2 Punkte). Ansonsten hat Thomas auf ganzer Linie überzeugen können. Vier der Top-5-Titel kommen von ihm, bei 10 von 18 Gelegenheiten haben seine Musikstücke die 12-Punkte-Wertung eingefahren. Mich freut das gute Abschneiden der bittersüßen Liebesmelodie "Nora" aus dem "Mann mit dem Glasauge" - offenbar das beste Lied der Reihe, das weder gesungen noch Titelmusik ist.
Das "indische Tuch" ist im Finale ein kleines Phänomen. Obwohl es am Ende "nur" für einen (fantastischen) fünften Platz reichte, war es derjenige Beitrag, der die meisten 12-Punkte-Stimmen (drei nämlich) auf sich vereinigen konnte. Ich gehöre zwar nicht zu dieser Dreiergruppe, habe aber im Semifinale ebenfalls die Krone an Thomas' Meisterwerk aus dem Jahr 1963 gegeben. Spannend ist es auch, sich das Voting bezüglich "Die Tote aus der Themse" anzuschauen. Sie erreichte am Ende Platz 4 und schrammte damit knapp am Siegertreppchen vorbei, obwohl sie von allen Semifinal-Titeln die mit Abstand höchste Punktzahl erhielt (133 Punkte bei 17 Wertern gegen den "Mönch" mit 127 bei 18 Wertern). Dies spricht einerseits dafür, dass Semifinal-Gewinner nicht immer auch Finalgewinner sein muss, andererseits enthüllt es aber auch, dass das erste Semifinale ganz offensichtlich das durchschnittlich schwächer besetzte war. Vor der "Toten" landeten im Finale nur noch zwei Lieder aus Semifinale 2 und ein vorqualifiziertes.

Das Abschneiden von "Das Gesicht im Dunkeln" ist durchwachsen. Wie bereits in einem Kommentar (wahrscheinlich vom allahnenden Marmstorfer) prophezeit, nahmen sich die Orlandi-Titel gegenseitig Stimmen weg. Resultat: Bester der drei Titel wurde "A doppia faccia" auf Platz 10, das rockige "Soho" hingegen kam nicht höher hinaus als bis Position 17. Ein anderer Giallo überzeugte da schon eher: "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" konnte erwarteterweise eine Topplatzierung einfahren. Ennio Morricones melancholische Titelmusik wurde mit Platz 3 geehrt - ein Ergebnis, das (wie auch das Abschneiden von "Der Teufel kam aus Akasava" und "Das Rätsel des silbernen Halbmonds") zeigt, dass hier tatsächlich von den meisten Wertern nicht nach Film-, sondern nach Musikgeschmack bewertet wurde.
"Der unheimliche Mönch" galt als Topfavorit, konnte er sich doch schon im Edgar-Wallace-Filmgrandprix von 2009 die Spitzenplatzierung in der Kategorie "Musik" sichern. Peter Thomas hatte mit seinem "Twisting Monk" also ein ganz heißes Eisen im Feuer, das das zweite Semifinale gewann, aber am Ende die Spitze aufgrund einer großen Überraschung verfehlte. Die Überraschung war: Lil Lindfors mit "The Space of Today". Wohl niemand hätte dieses Lied zu Beginn des Wettbewerbs als wahrscheinlichen Sieger auf seiner Liste gehabt. Trotzdem liest man hier immer wieder, dass der Sieg des Stücks verdient ist: Ich kann dem nur zustimmen und freue mich, dass es ein Vokalstück geschafft hat, die Spitze zu erklimmen. Zwei kleine Details sind besonders beachtenswert: Einerseits ist Lil Lindfors die einzige Wallace-Sängerin mit echter ESC-Erfahrung (1966 als Interpretin und 1985 als Moderatorin, beide Male für Schweden), andererseits trat sie für mein diesjähriges ESC-Lieblingsland Italien an, das ebenfalls einen riesigen Überraschungserfolg mit Raphael Gualazzis "Madness of Love" beschert bekam. Italien ist also unser (zufällig ausgewählter) Gewinner - ein schönes "Willkommen zurück" in Richtung Eurovision und eine schnippische Anspielung auf den lange verwehrten Erfolg der Wallace-Gialli in diesem Forumswettbewerb.

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