So, dann werde ich jetzt auch mal ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern, wie man so schön sagt.
Entstanden ist meine Geschichte "Die letzte Wette" ziemlich schnell. Der Schreibprozess dauerte nur vier Tage (11.07. bis 14.07. letzten Jahres) und auch die Vorplanungen gingen recht rasch. Man könnte fast sagen, die Idee ist mir zugeflogen und ich habe sie gleich umgesetzt. Manchmal küsst einen die Muse eben doch. Ich werde jetzt einmal ein paar Punkte nacheinander durchgehen.
Der Plot Hier habe ich im Grunde bei mir selbst geklaut. Den vorgetäuschten Selbstmord per Stahlfaden gibt es nämlich in ähnlicher Form auch in einer alten James-Bond-Fan-Fiction von mir. Dort stellte sich die Szene auch nicht als Selbstmord dar. Der Stahlfaden war in der alten Fassung nicht bis zum Türknauf, sondern bis zu einem Stuhl gespannt, auf dem der betäubte Agent saß. Als dieser wieder zu sich kam und aufsprang, um den strauchelnden Mann am Fenster zurückzuziehen, löste sich der Draht und das Opfer stürzte hinab. Passanten entdeckten dann den Mann am Fenster, so dass dieser für den Mörder gehalten wurde. Für den Wettbewerb habe ich mich dann aber für die meines Erachtens nach elegantere Türklinkenvariante entschieden. Das Setting war damit aber entschieden, da klar war, dass ich ein Büro in einem hohen Gebäude brauchen würde. Die Hintergründe für die Tat ergaben sich dann aber erst beim Entwickeln der Figuren und teilweise auch erst beim Schreiben. Auch wurden natürlich verschiedene Verstrickungen geistig durchgespielt (meistens abends im Bett), bis ich dann die für mich optimale herausgesucht habe. So war zum Beispiel ein frühes Motiv des Mordes, dass Hubbard auspacken und gestehen will. Es wurde etwas später umgeändert in das Motiv der krankhaften Liebe, die der Figur der Florence Bryant dann zusätzliche Tiefe egegeben hat. Zudem habe ich - anders als beim Judasbaum, wo der Überraschungseffekt des Endtwists im Vordergrund stand - dieses Mal auch darauf geachtet im ganzen Text Hinweise auf die Lösung einzubauen, ohne allerdings zuviel zu verraten (was mir übrigens viel Spaß gemacht hat). Ich hoffe, dass mir das gelungen ist. Das können ja nur die Leser beurteilen, als Autor, der ja ohnehin alle Hintergründe kennt, ist das ja in der Regel recht schwer abzuschätzen.
Das Setting Wie gesagt brauchte ich ein Büro, bzw. ich brauchte es nicht nur, ich wollte es auch, da mir in einigen Wallace Romanen speziell die Büroatmosphäre in positiver Erinnerung geblieben ist. Die Bank von Wetter Long bot sich da dann geradezu an und wie schon beim Judasbaum setzte ich die Geschichte zeitlich ein paar Jahre nach dem zweiten Weltkrieg an, der mir plottechnisch, dann auch gleich eine weitere Hintergrundverflechtung lieferte, womit ich dann erstmalig wirkliche Zeitgeschichte (der Bombenangriff auf London) in eine Geschichte von mir einbaute, nachdem der Judasbaum ja eher zeitlos gehalten war. Ich habe mir auch sonst für die Recherche viel Mühe gegeben, um die richtige zeitliche und auch örtliche Einordnung der Geschichte deutlich zu machen und ihre Authentizität zu erhöhen (z.B. die zeitgenössische Mode oder Stationen der U-Bahn). Warum ich gerade ausgerechnet auf Wetter Long bekommen bin, kann ich jetzt im Nachhinein nicht mehr genau sagen. Vielleicht habe ich kurz davor "Die Bande des Schreckens" gesehen. Oder es lag daran, dass ich diese Kriminalgeschichte sowohl als Roman als auch als Film sehr schätze. Jedenfalls ergab es alles zusammen ein sehr rundes Konzept.
Die Charaktere Auch bei den Charakteren war ich um Authentizität bemüht, besonders was die Namensgebung anging, die mich auch einige Stunden Zeit gekostet hat (einen Namen habe ich auch beim Schreiben noch umgeändert, auch Florence hieß in der frühen Planung noch Susan). Sie sollten authentisch englisch und etwas altmodisch klingen. Daneben war meine zweite Prämisse, klassische Wallace-Typen zu erschaffen oder nachzuempfinden. Und so gibt es in der Wette eben den zwielichtigen, gelbgesichtigen Arzt, die mondäne Schauspielerin, den nur auf den ersten Blick korrekten Bankangestellten, den kleinen Gauner und falschen Geistlichen, die dienstbeflissene Sekretärin, den zupackenden Mann aus der Unterschicht, den etwas schwerfälligen Beamten von Scotland Yard und natürlich den angesehenen Bankdirektor. Charaktere aus den unterschiedlichsten Milieus, wie es eben auch oftmals bei Wallace der Fall ist. Den Lord und die Hausangestellten hatte ich ja in der letzten Geschichte schon thematisiert, Rechtsanwalt und Reporter werden immerhin erwähnt (auch wenn ich sie auch gerne eingebaut hätte, aber das hätte zum einen vielelicht den Rahmen gesprengt und zum anderen das Tempo der Geschichte verlangsamt) und für eine unschuldige Erbin war leider kein Platz in der Geschichte. Jedenfalls sollte diese Geschichte vor allen Dingen zum einen von der raffinierten Mordmethode getragen werden und zum anderen durch möglichst plastische und vielschichtige Charaktere. Ob mir das gelungen ist, mag jeder für sich entscheiden, aber einigen Bewertungen konnte ich entnehmen, dass ich da durchaus auf dem richtigen Weg war. Auch wollte ich nicht sofort mit der Tat starten wie noch beim Judasbaum, sondern zuerst eine Situation schaffen. Genauso wie beim Judasbaum sollte es aber auch bei der Wette keine Füllcharaktere geben, sondern jede Figur ihre eigene Rolle und Aufgabe in der Geschichte haben.
Wallace Die Geschichte ist dieses Mal bewusst noch enger an Wallace gehalten als der Judasbaum, der den Bogen hauptsächlich durch den Hexer geschlagen hat und ansonsten ein recht generischer Landsitz- und Rachekrimi war. Auf mich persönlich wirkt die ganze Atmosphäre der Wette jedenfalls viel dichter. Und so ist Wallace-Bezug auch reichlich vorhanden. Wir haben natürlich die Fortführung der "Bande des Schreckens", die sich wie ganz natürlich und automatisch während der Planung ergeben hat, und damit ein Wiedersehen mit Wetter Long und Rouch. Letzterer verhinderte deshalb ein Wiedersehen mit Inspektor Frisbee. Sir Godley, Nora und Henry (der im Roman überlebt hat und auch etwas anders charakterisiert wurde, sowie jünger war als im Film) finden immerhin Erwähnung. Als zwei kleine Seitenhiebe auf die Filme dienten mir die Erwähnung eines Geistlichen als Führer eines Mädchenpensionats ("Der Hexer", "Der Bucklige von Soho"), sowie der von Wetter Long genannte Fehler der jungen Kollegen, ein Getränk von einem verbrecherischen Arzt anzunehmen ("Die seltsame Gräfin", "Die blaue Hand"). Das Hauptaugenmerk lag aber auf - geringfügig modernisierter - Romanatmosphäre.
Der Einstieg Im Grunde die einzige Stelle, an der und mit der ich wirklich gekämpft hatte. Die Szene war zwar schon klar, aber besonders sprachlich war es eine Herausforderung, da ich viele Informationen unterzubringen hatte und dies möglichst unangestrengt geschehen sollte. So hatte ich zuerst am Anfang noch einen längeren Fließtext stehen, nun setzt aber viel früher der Dialog ein. Ein paar Informationen wurden schließlich auch auf die zweite Szene verschoben, was dann aber rückwirkend editiert wurde, da ich nicht nach detaillierten Plan schreibe, sondern nur den Plot vor Augen habe und mich dann quasi von Szene zu Szene hangle.
Eigenleben Da ich - wie weiter oben schon gesagt - nicht nach einem festen Plan schreibe, sondern mir eine gewisse Dynamik beim eigentlich lästigen Prozess des Niederschreibens erhalten möchte, kommt es auch immer wieder dazu, dass die Geschichte und Charaktere anfangen ein Eigenleben zu führen. So schrieb ich zum Beispiel die Szene, in der Rouch und Long nach dem Todesfall eben diesen besprechen, zunächst ohne Vanessa St. Claire. Erst ein paar Szenen später meldete sie sich bei mir zu Wort und sagt mir, sie müsse noch in die Szene herein, weil sie sonst in der Geschichte unterrepräsentiert wäre. So wurde sie dann nachträglich noch dort eingebaut. Doch auch den umgekehrten Fall gibt es. Dobbs stürzte anfangs noch persönlich in Hubbards Vorzimmer, um von Hubbard am Fenster zu berichten, störte dann aber im Nachhinein nur in der Szene, so dass auch diese nachträglich umgearbeitet wurde und er stattdessen nur anruft.
Das alternative Ende Ja, ich muss gestehen, beinahe wäre es für Arnold Long wirklich die letzte Wette gewesen und er wäre - wie von Dr. Bryant beabsichtigt - in der Pfütze auf der Baustelle ertrunken, so dass die Auflösung dann in anderer Form und durch einen anderen Charakter geschehen wäre. Ich habe es dann allerdings doch nicht über das Herz gebracht den Wetter umzubringen - noch dazu auf eine so unstandesgemäße, wenn auch raffinierte - Weise und mich dann für das positive Ende entschieden mit einem augenzwinkernden Schluss. Auch die Figur des Dobbs bekam auf diese Weise am Ende dann noch einen netten Twist als Lebensretter, so dass ich mit meiner Entscheidung vollauf zufrieden bin.
Zum Schluss möchte ich dann noch sagen, dass mir persönlich von meinen Wettbewerbsgeschichten die Wette noch besser gefällt als der Judasbaum, vor allem, da ich aufgrund meiner Erfahrungen mit dem Judasbaum mit einem klareren und auch größeren professionellen Anspruch an die Sache heran gegangen bin, was man vielleicht auch merkt. Umso ärgerlicher deshalb natürlich die fehlende sprachliche Nachbearbeitung. Aber wie das halt so ist, Mitte des Jahres denkt man, dass man ja noch viel Zeit dafür hat, und Ende des Jahres findet man diese dann nicht und vertraut darauf, kurz nach der Entstehung schon oft genug darüber gelesen zu haben. Das wird mir nicht noch einmal passieren!
Auf jeden Fall hat es wieder viel Spaß gemacht als Autor und Bewerter am Wettbewerb teilzunehmen und ich hoffe, mit meinem obigen Ausführungen niemanden gelangweilt zu haben. Ich freue mich über weitere Kommentare und natürlich auf ein Wiederlesen beim nächsten Jahreswechsel.
P.S.:
Da ich ja auch immer für so kleine Besetzungsspielchen zu haben bin, nachfolgend dann auch noch mein Besetzungsvorschlag für die Wette. Ich habe nur leider ein einziges großes Problem. Nämlich gerade für den Protagonisten ist mir keine definitive Besetzung eingefallen. Es gibt also dieses Mal leider keine Collage mit meiner Wunschbesetzung, sondern nur eine erste Auflistung.
Chefinspektor Rouch - Karl Georg Saebisch Sir Arnold Long - ??? Paul Hubbard - Heinz Rühmann Russell Mortimer - Jan Hendriks Dr. Willoughby Bryant - Hans Moser Florence Bryant - Inge Langen Vanessa St. Claire - Karin Dor Lester Dobbs - Joachim Fuchsberger
Natürlich wären, wie immer, auch einige Alternativen denkbar, z.B. Ludwig Linkmann statt Moser, Claude Farrell oder Barabara Rütting statt Langen, Edgar Wenzel statt Rühmann, Fred Haltiner statt Hendriks usw. Doch obige Besetzung gefällt mir selbst bislang am Besten.
Nachdem ich nun eine Besetzung für Sir Arnold Long gefunden habe, gibt es nun endlich - nein keine Collage - einen Videotrailer zur Wette unter folgendem Link.
ich habe mir den Trailer angesehen: er ist gut gelungen, finde ich. Aber... ich kann mir vorstellen, daß du damit gegen Urheberrecht verstößt! Zum einen haben die realen Schauspieler eben nie in diesen Rollen gewirkt (wie auch?), aber entscheidender sind die Fotos und auch die Musik. Ich befürchte, es kann Ärger geben!
Aber Karin Dor sieht recht ungewöhnlich aus ;-) eher wie Margot Trooger
BillyBoy03
"Wer die Bundesrepublik Deutschland mit einer Bananenrepublik vergleicht, tut den lateinamerikanischen Staaten arg unrecht!" TW
Die Befürchtung habe ich natürlich auch. Aber ich denke, im schlimmsten Fall wird eben das Video wieder gelöscht oder im allerschlimmsten Fall mein Account. Auf Youtube geistert so viel herum, wo man unweigerlich an Urheberrechtsverletzungen denken muss.
Gerade was Bilder angeht werden einem ja ohnehin im gesamten Internet die Hände ziemlich extrem gebunden. Wahrscheinlich habe ich deshalb schon mit meiner Collage zum Judasbaum irgendwelche Rechte verletzt. Das Visualisieren wird einem halt extrem erschwert.
Aber da das Video sowieso nur als Gimmick gedacht ist und ich keine Werbung für meine Geschichte damit machen will, werde ich es in wenigen Wochen ohnehin wieder löschen. Trotzdem danke für deinen Hinweis!
Ich glaube das Bild von Karin Dor stammt aus aus dem Promomaterial zum Film "Man lebt nur zweimal".
Sehr gut gemacht Thorsten und eine breite Auswahl der Charaktere Wenn man unbedarft sich diesen Trailer anschaut wird man sehr neugierig ..
Gruss
Havi17
[small][blau]"We cannot solve the problems we have created with the same thinking that created them" Albert Einstein
"You will be assured in your thinking through people you know and search" B.H.
"Den Reifegrad einer Gesellschaft erkennt man daran, wie man mit dessen schwächsten Glied umgeht- den Alten und den Kindern" Hopi-Indianer
"Gefällt mir gut, daß Sie loyal sind - Eigentlich bin ich nur ehrlich" Rififi am Karfreitag [/blau][/small]
Ja, ich fand es auch sehr spannend, den Stoff ein bißchen zu modernisieren. Meine Theorie ist ja nach wie vor, dass gute Krimiplots zeitlos sind. Außerdem konnte ich dabei auch meiner sadistischen Ader freien Lauf lassen und das alternativ angedachte Ende umsetzen, bei dem es den "Wetter" erwischt.
Auch die Charaktere noch einmal zum Leben zu erwecken, sie weiter auszubauen oder noch ein paar andere Facetten zu geben, war sehr reizvoll. War ein bißchen so wie mit alten Bekannten zu arbeiten und sie dabei dann noch ein bißchen besser kennenzulernen.
Hat eigentlich jemand von euch die komplette Folge gehört und nicht nur die Hörprobe? Falls ja, sind Kommentare und Anmerkungen zu der Adaption gerne gesehen. Vor allem wenn ihr die Originalgeschichte kennt, wäre es interessant zu erfahren, wie euch die Umsetzung in die Gegenwart gefällt.