"LAURA“ 1962
ARD- Fernsehspiel des BR
Hildegard Knef, Adolf Wohlbrück, Hellmut Lange
John van Dreelen, Nora Minor, Wolf Schmidtholstein, Hilli Wildenhain, K. G. Gensichen
Regie: Franz Josef Wild
nach einem Theaterstück von Vera Caspary
„Laura“ ist als DVD erschienen in der Edition Straßenfeger 39, Spieldauer 111 min.
Inspector Mc Pherson schreitet nach fünftägigen Ermittlungen noch einmal den Tatort eines brutalen Mordes ab. In der eleganten Wohnung des Mordopfers Laura Hunt, einer erfolgreichen und schönen Geschäftsfrau, von der der Ermittler auf unerklärliche Weise fasziniert ist, treffen nach und nach Menschen aus Lauras Umfeld ein, die, in der Annahme der Tatort sei freigegeben, Bestandsaufnahme über ihre Hinterlassenschaften machen und sich Teile davon sichern wollen.
Das sind Shelby Carpenter, der recht gefasst wirkende Verlobte Lauras, Danny, der junge Sohn der Hausverwalterin, der mit Laura die Vorliebe für Jazz teilte und sich sterblich in sie verliebt hat, seine Mutter, die Laura gehasst hat, da sie ihr die Schuld an Dannys Vorliebe für Jazz und die damit einhergehende Vernachlässigung seines Studiums der klassischen Musik zuschreibt, ihr väterlicher Freund und langjährige Vertraute Waldo Lydecker und ihre treue und einfach gestrickte Haushaltshilfe Bessie, die die Einzige zu sein scheint, die tief und ehrlich um Laura trauert.
Es stellt sich bald raus, dass die Beziehungen, die die vorgestellten Personen zu Laura unterhielten häufig sehr ambivalent waren.
Inspector Mc Pherson, der den Fall um jeden Fall lösen will, sieht sich eines Abends, als er wieder allein in der Wohnung des vermeidlichen Opfers ist, der tot geglaubten Laura gegenüber.
Es stellt sich heraus, dass das Mordopfer, durch eine Ladung Schrotkugeln ins Gesicht unkenntlich gemacht, Lauras Freundin war, die in ihrer Abwesenheit in Lauras Wohnung und zudem auch in ihrem Morgenmantel steckte, während Laura selber für ein paar Tage verreist war.
Mc Pherson findet heraus, dass Laura Grund hatte auf ihre Freundin eifersüchtig zu sein, da die eine Affäre mit ihrem Verlobten hatte.
Es stellt sich die Frage, ob Laura selber die Mörderin ihrer Freundin ist, oder eine der Personen aus ihrem Umfeld die Freundin mit Laura verwechselt hat und sie selber das Mordopfer sein sollte.
Aber wer hätte ein Motiv, dass stark genug wäre einen Mord zu begehen?
Die überschaubare Anzahl der agierenden Personen und die noch überschaubarere Anzahl von infragekommenden Tätern, macht das Ende (das ich hier dennoch nicht verraten möchte) nicht gerade überraschend. Das macht aber nichts, denn das spannende an diesem hoch interessanten Fernsehfilm ist, dass er sehr lebendige und dreidimensionale Menschen entwirft, die wir am Ende des Films ganz gut zu kennen meinen. Zum Zeichnen der Szenerie und eben auch der Handlungsträger wird sich erfreulich viel Zeit genommen. Die Kameraeinstellungen sind ruhig und dem „Kammerspiel“ angemessen. Der Zuschauer hat Muße sich auf die Atmosphäre und die handelnden Personen einzulassen. Etwas, was uns in heutigen Filmen leider selten vergönnt ist.
Hellmut Lange spielt den jungenhaften Polizisten Inspector Marc Mc Pherson, der seine Rolle zwischen der Hartnäckigkeit eines Terriers und der Naivität eines verliebten Teenagers angelegt hat und es ganz gut schafft die Balance zu halten.
Manchmal kommt er etwas zu trotzig rüber, manchmal glotzt er ein wenig zu verliebt, aber alles in allem spielt er die Rolle eines Mannes den man nicht unterschätzen sollte, sympathisch und glaubhaft.
Hildegard Knef ist Laura Hunt, die Frau, in die sich die Männer verlieben.
Natürlich tun sie das!!
Hildegard Knef, braucht dafür nicht viel mehr zu tun, als sie selbst zu sein.
Sie ist emotional und geheimnisvoll, großzügig und modern. Laura ist die starke Frau, die sich danach sehnt schwach sein zu dürfen, und dabei unweigerlich an die Falschen gerät, weil sie Männer anzieht, die selber schwach sind und nicht viel zu bieten haben. So weit zumindest die, wahrscheinlich zutreffende, Einschätzung ihres Freundes des Autors Waldo Lydecker.
Inspector Mc Pherson ist fasziniert von dieser widersprüchlichen Frau. Er war es schon, als er sie für tot glaubte. Nun ist er entbrannt und durch ihre Verletzlichkeit wird sein Beschützerinstinkt geweckt.
Der unbestreitbare Glanzpunkt des Films aber ist die Wiedergabe des Autors Lydecker, guter Freund und Intimus von Laura.
Adolf Wohlbrück hat die Darstellung des aufreizend arroganten, bösartigen und süffisanten Zynikers perfektioniert.
Ich hab bei seiner elegant snobistischen Darbietung des saturierten Autors und Lebemanns den Eindruck gehabt, er hätte sich Noël Coward, in dessen Theaterstück „Duett im Zwielicht“ er 1967 das letzte Mal auf der Bühne stand, zum Vorbild genommen.
Mit seinem unverkennbaren Bärtchen, als ältlicher Dandy mit Stöckchen strahlt er eine gelangweilte Lässigkeit aus.
Lydecker erkennt mit traumwandlerischer Sicherheit die Fehler und Schwachpunkte seiner bemitleidenswerten Mitmenschen und zerrt sie mit diabolischer Freude an die Öffentlichkeit, um sie dort höchst genüsslich mit einem Hauch Sadismus zu sezieren.
Was für eine dankbare Rolle, und wie wunderbar er sie spielt!
Der homosexuelle „Halbjude“ Adolf Wohlbrück, ein glühender Gegner des Nationalsozialismus, der in den 30er Jahren ein beliebter Filmschauspieler war und z.B. mit „Victor und Victoria“, „Der Student von Prag“ oder „Die englische Heirat“ Erfolge feierte, emigrierte 1936 nach England wo er unter dem Namen Anton Walbrook (Adolf kam da nicht so gut an) eine beachtliche Karriere hinlegte und 1947 die englische Staatsbürgerschaft annahm. Dort spielte er unter anderem den Prinzen Albert in „Queen Victoria“ und die Hauptrolle in „Gaslicht“.
Nach dem Weltkrieg spielte und drehte Wohlbrück auch wieder in Deutschland aber auch in Frankreich wie in Max Ophüls „Der Reigen“ neben Simone Signoret.
„Laura“ war eine seiner letzten Arbeiten vor der Kamera.
Mit Leichtigkeit spielt er Hellmut Lange und selbst, die großartige und von mir so geschätzte, Hildegard Knef an die Wand.
Seine Darstellung ist so außergewöhnlich, so genial, so unglaublich gut, dass ich mich nicht scheue zu Superlativen zu greifen. Was für ein Schauspieler! FA-BEL-HAFT!!!
In weiteren Rollen haben wir John van Dreelen, der die Rolle von Lauras zweifelhaftem Verlobtem spielt, einem austauschbaren, enttäuschend belanglosen Mann, dem van Dreelen zu keinem nachhaltigen Eindruck verhelfen kann.
In der Rolle des Nachbarburschen Danny, der obgleich noch reichlich grün hinter den Ohren, mit seiner erwachenden Männlichkeit und seiner temporären Verliebtheit in Laura zu kämpfen hat, gefällt mir Wolf Schmidtholstein recht gut.
Seine Mutter wird von Nora Minor gespielt, die für die Rolle der penetranten Unsympathin prädestiniert ist und in diesem Rollenfach unter anderem auch in „und dann gab´s keines mehr“ (Zehn kleine Negerlein), als Emily Brent brilliert hat.
Mein Fazit: Dieses Kammerstück ist eine echte TV- Gemme. Schön, dass sie vor der Vergessenheit bewahrt wurde. Wir haben eine interessante Geschichte, sehr lässig untermalt von der Musik Miles Davis`, dargestellt von guten und einem brillanten Darsteller.
Von mir gibt es deshalb 5 von 5 Punkten.