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Dieses Thema hat 12 Antworten
und wurde 583 mal aufgerufen
 Romane
Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 644

18.09.2018 12:36
Die seltsame Gräfin (1925) Zitat · Antworten

Die seltsame Gräfin

Originaltitel: The Strange Countess
Erscheinungsjahr: 1925


Hauptpersonen:

Lois Margaritta Reddle: junge Sekretärin
Michael Dorn: Privatdetektiv
Leonora Moron: die "seltsame" Gräfin
Selwyn Moron: ihr unterdrückter Sohn
Elizabeth Smith: Freundin von Lois
Mary Pinder: Strafgefangene, angebliche Mörderin
Chesney Praye: unsympathischer Bekannter der Gräfin
Doktor Tappat: zweifelhafter Arzt
Mr. Shaddle: Rechtsanwalt
Braim: Hausmeister im Hause Moron
Mr. Mackenzie: geheimnisvoller Vermieter
Mrs. Rooks: Gehilfin von Dr. Tappat


Handlung:


Margaret Reddle, eine nette junge Frau, gibt ihren Arbeitsplatz im Büro des Rechtsanwaltes Mr. Shaddle auf, um eine neue gutbezahlte Stellung im Hause der Gräfin Leonora Moron anzutreten. Als letzte Amtshandlung für Shaddles Kanzlei soll sie eine Angelegenheit im Frauengefängnis Telsbury regeln. Dort erregt eine langjährige Gefangene, Mary Pinder, ihre Aufmerksamkeit. Recht bald schon kommt Lois der Verdacht, dass Mary Pinder ihre leibliche Mutter ist. Diese Begebenheit wird hier von Edgar Wallace ungewohnterweise ziemlich fix gleich am Anfang abgehandelt, natürlich spielt auch wieder die unvermeidliche Narbe irgendwo am Körper der schönen jungen Heldin ihre zugewiesene Rolle. Lois beschließt, genauer nachzuforschen und die Unschuld ihrer mutmaßlichen Mutter und verurteilten Mörderin zu beweisen, an die sie fest glaubt.
Lois hat aber noch ein anderes Problem. Auf Schritt und Tritt folgt ihr der junge Michael Dorn, offenbar ein hartnäckiger Verehrer. Ihre Kollegin, Mitbewohnerin und beste Freundin Lizzy Smith ist mit ihrem eher schlichteren Gemüt sofort Feuer und Flamme für den attraktiven Mann, doch Lois gibt sich zurückhaltend. Sie entkommt um Haaresbreite einem "Verkehrsunfall", wobei auch hier Mike Dorn in der Nähe ist, und später stiehlt er sogar mitten in der Nacht eine Schachtel erlesener Pralinen aus Lois' Schlafzimmer, von denen sie glaubte, dass er sie ihr geschickt hatte. Doch nun beginnt sie ihren Job im prächtigen Stadthaus der Morons. Die stattliche Gräfin entpuppt sich bald als zwar vordergründig höfliche, aber kalte und herrschsüchtige Frau. Besonders ihr Sohn, Lord Selwyn Moron, leidet unter ihrer offenkundig zur Schau getragenen Verachtung für ihn. Selwyn, obschon lange der Kinderzeit entwachsen, hängt immer noch an ihrem Rockzipfel, wofür sie auch alles tut. Doch er hat neben seiner Schwächlichkeit auch eine andere Seite, er ist elektrotechnisch sehr begabt und spitzelt seiner dominanten Mutter und ihren ominösen Bekannten heimlich hinterher.
Bald stellt sich heraus, dass der geheimnisvolle Michal Dorn ein bekannter Privatdetektiv ist, welcher offensichtlich ein berufliches Interesse an der hübschen Miss Reddle hat. Denn er ist auch hier in ihrer Nähe. Lois kommt auch nicht zur Ruhe, denn sie überlebt nur mit Mühe und Not den Absturz ihres baufälligen Zimmerbalkons. Glücklicherweise wird sie von Braime, dem Hausmeister, gerettet, den sie bisher immer abstoßend fand. Allmählich beschleicht sie ein ungutes Gefühl, sie sehnt sich sogar nach ihrem bisher unwillkommenen "Schatten" Mike Dorn, welcher ihr schon lange geraten hat, überall gut aufzupassen.
Bald lernt Lois Reddle auch Chester Praye kennen, ein trotz seiner eleganten Kleidung recht ordinärer und unsympathischer Mann. Sein plumpes Auftreten scheint die Gräfin nicht zu düpieren, man spricht sogar von einer Heirat der beiden. Offenbar hat auch eine so kalte Frau wie Gräfin Moron ein Herz, oder steckt mehr dahinter ? Das vermutet auch Selwyn, der Praye verabscheut, genauso wie den Dr. Tappat, einen anderen zweifelhaften Bekannten der Gräfin, einen Trinker und Scharlatan. Michael Dorn kennt die kriminelle Vorgeschichte der beiden Herren, was ihn natürlich nicht beliebt macht. Drohungen werden ausgetauscht. Lois Reddle möchte ihre Stellung im Hause der Gräfin am liebsten wieder aufgeben, zumal plötzlich der Hausmeister Braime in lebensgefährlichem Zustand in der Bibliothek liegt...
Nach einigem Hin und Her beschleunigt sich die Handlung, Lois wird entführt und Michael Dorn gerät in große Gefahr, als er sie aufspüren will, derweil auch Lizzy Smith und der junge Lord Moron nicht untätig sind. So endet alles in einem dramatischen Finale wieder im Hause der "seltsamen Gräfin", das Geheimnis der Mary Pinder und ihrer Tochter wird aufgeklärt, denn letzten Endes geht es wieder einmal um ein Millionenvermögen, das nach Willen der Schurken nicht in die rechten Hände gelangen soll. Natürlich gibt es auch wieder ein Happyend, diesmal sogar in zweifacher Ausführung...


Bewertung:

Auch "Die seltsame Gräfin" ist einer von Edgar Wallace' bekannteren, wenngleich wohl auch unbeliebteren Romanen. Das Tempo ist zugegebenermaßen gemächlicher als sonst. Es gibt, zumindest in der Haupthandlung, nicht mal eine respektable Leiche, wenngleich jede Menge Mordanschläge auf die Helden, aber auch Nebenfiguren. Andererseits nimmt sich der Autor mehr Zeit, die handelnden Personen und ihre Beziehungen zu beschreiben. Gerade die vertraulichen Gespräche zwischen den beiden Freundinnen Lois Reddle und Lizzy Smith bringen eine besondere und auch oft heitere Note in die Handlung ein. Sie erscheinen recht lebensnah. Der Gegensatz zwischen der ernsten, etwas schwermütigen und zurückhaltenden Lois sowie der einfacheren, gutmütigen und vor allem praktischen Lizzy gibt dem Ganzen zumindest zwischenmenschlich eine gewisse Würze.
Besonders gefallen hat mir der Konflikt zwischen der herrischen Gräfin Moron und ihrem kleingehaltenen Sohn. Edgar Wallace war ein guter Beobachter von Menschen, alleine schon die Tatsache, wie das Personal dem armen Selwyn die gleiche Verachtung entgegenbringt wie seine Mutter, hat bestimmt irgendwo eine reale Vorlage. Grausamerweise verletzt sie ihn mit einem Obstmesser, körperliche Strafe wechselt sich ab mit psychischer Demütigung. Aber praktischerweise findet der gar nicht mal so dumme und ungeschickte Lord in der netten Lizzy Smith eine Helferin, sich aus den Fängen der übermächtigen Gräfin zu lösen und ein selbstbestimmteres Leben zu führen. Im Prinzip ist diese "Nebenhandlung" interessanter als die eigentliche konventionelle Liebesgeschichte zwischen Lois Reddle und Mike Dorn. Aber andererseits spielt Wallace auch wieder sehr mit dem klischeehaften Wunschbild vieler junger Frauen der damaligen (und wohl auch heutigen) Zeit, einen reichen Adligen zu heiraten. Rosamunde Pilcher lässt grüßen... Nebenher kommen einem Selwyn und Lizzy auch vor wie ein paar große Kinder auf Abenteuerpirsch, irgendwie schon komödienhaft. Aber die Liebesgeschichte zwischen Mike Dorn und Lois Reddle ist daneben sehr steril.
Die Schurken der Geschichte sehen schon äußerlich wie ebensolche aus - der pöbelhafte aber geschniegelte Chesney Praye ebenso wie der alkoholkranke und schmuddelige Doktor Tappat, eher ein unglaubwürdiger Umgang für so eine feine Dame wie die Gräfin Moron.
In diesem Buch herrscht eher längere Zeit "Mystery"-Stimmung, eine dunkle Bedrohung liegt über der jungen Heldin, die nach und nach und gerade zum Ende hin handfeste Formen annimmt. Hier ist es auch wieder ein typischer Wallace, mit action, Verfolgungen, einer bösen geldgierigen Gehilfin und brennenden Häusern, bis hin zur Auflösung all der Geschehnisse. Allerdings gibt es eben auch viel zu viele Längen, ein ewiges Verstecken der beiden Frauen von Dr. Tappatt vor Mike Dorn, unverständlich auch, dass der keine Helfer dabei hat und alles alleine erledigt. Die Figur der peitschenschwingenden Handlangerin Mrs. Rooks soll wohl noch ein wenig Schaueratmosphäre verbreiten, genau wie die beiden aggressiven indischen Wachhunde auf einem versteckt liegenden Anwesen. Diese Gruselelemente kommen aber ein bisschen spät.
Auffällig ist die Einführung des alten geigenspielenden Mr. Mackenzie, einem Vermieter und Nachbarn der beiden Mädchen in ihrer gemeinsamen Wohnung. Seine Funktion im Buch ist nicht so ganz klar. Da er in seiner Jugend, wie er häufig erwähnt, mal von einer jungen Schauspielerin fürchterlich betrogen wurde, erwartet man als geübter Wallace-Leser eigentlich, dass sich Gräfin Moron zu guter Letzt als ebenjene Dame herausstellt. Doch das ist irgendwie untergegangen, ich nehme mal an, dass es der Autor schlicht vergessen hat.
Ohne Zweifel hat E.W. Aufregenderes geschrieben, aber beim nochmaligen Lesen nach längerer Zeit war ich eher überrascht über dieses Buch, das sich recht gefällig liest, das aber auch beruhigt längere Zeit mal aus der Hand gelegt werden kann. Der Wallace-Freund sollte es auf jeden Fall einmal damit versuchen, aber auch jeder andere Krimileser, der nicht unbedingt eine bluttriefende Schauerstory konsumieren will.


Buch:

Gelesen habe ich die Weltbild-Ausgabe (zusammen mit Das Geheimnis der Stecknadel). Der Roman hat da knapp über 200 Seiten und ist von Wallace' Stammübersetzer Ravi Ravendro ins Deutsche übertragen.


Verfilmung:

"Die seltsame Gräfin" ist in gewisser Weise ein Unikat in der Wallace-Reihe. Der Film von 1961 versammelt neben den "üblichen Verdächtigen" einmalig auch einige bekannte UFA-Stars. So ergibt sich ein merkwürdiges Spiel von Jung und Alt nebeneinander her. Den forschen Scotland-Yard (!)-Detektiv spielt Joachim Fuchsberger, eigentlich wie immer so, wie man es gewohnt ist. Briggite Grothum als (hier:) Margaret Reedle gibt ihren Wallace-Einstand, des weiteren spielt einmalig Edith Hancke als Lizzy Smith mit und kommt ihrer literarischen Vorlage schon recht nahe, genauso wie Eddi Arent als Lord Selwyn Moron, der für den etwas komischen, unter der Fuchtel seiner übermächtigen Mutter stehenden Sohn der "seltsamen" Gräfin im Rahmen der Wallace-Schauspieler wohl die Idealbesetzung ist. Fritz Rasp als Vertreter der alten Schauspiel-Generation hat es, hier als Rechtsanwalt Shaddles, auf immerhin fünf Wallace-Auftritte gebracht. Dagegen wird die titelgebende Figur, Gräfin Eleonora Moron, von Lil Dagover dargestellt, die mal ein Superstar der Dreißiger Jahre gewesen sein muss. Auch Marianne Hoppe als Mary Pinder und Rudolf Fernau als gewissenloser Doktor Tappatt sind einmalig mit von der Partie, während Richard Häusler in der Figur des verbecherischen Chester Praye hier nur zum ersten Mal bei Wallace erscheint. Reinhard Koldehoff stellt den Butler John Addams (als Ersatz für Braime) dar, wie immer mit finsterem Schurkengesicht, aber doch auf der guten Seite. Last but not least gibt es hier noch eine hinzugedichtete Figur, die allerdings einen Großteil des Unterhaltungswertes des Filmes ausmacht - den Irrenhauspatienten Stuart Bresset, der, wie könnte es anders sein, von Klaus Kinski in Szene gesetzt wird. Es ist vielleicht tatsächlich sein "irrster" Auftritt in der Filmreihe. Im Prinzip wurde sich großteils an der Buchvorlage orientiert. Die Gräfin wohnt hier nicht in einem Stadthaus, sondern außerhalb auf "Schloss Cornaflet" (oder so ähnlich). Natürlich musste die gemächliche Romanhandlung etwas dramatisiert werden, so ist denn der der arme Butler nicht nur fast, sondern richtig tot, und zum Schluss purzeln die Leichen dann, aber auch bei weitem nicht so viel wie in anderen Wallace-Filmen. Das Tempo des Filmes ist im Vergleich zu dem seiner Vorgänger doch oft stark ausgebremst. Doch es gibt auch viele schaurige Aspekte, die Szenen im Irrenhaus des bösen Dr. Tappat, wo Margaret in den geheimen Keller zu den Verrückten gesperrt wird, habe ich immer sehr gruselig gefunden. Auch die beständige Bedrohung von Margaret Reedle durch den wahnsinnigen Klaus Kinski (wie er im Film heißt, habe ich erst durch das Internet erfahren) ist meistens gelungen, manchmal schon unfreiwillig komisch. Psychoterror per Telefon wechselt hier ab mit tatsächlichen Mordanschlägen, die das junge Ding Gottlob alle ohne einen Kratzer überlebt. Das theatralische Schauspiel der "alten Garde", allen voran natürlich die seltsame Lil Dagover, nötigt dem Zuschauer schon ein wenig Toleranz ab, aber auch Marianne Hoppe und Rudolf Fernau agieren wie die Figuren einer Theaterbühne in ihrer aufgesetzten Gutheit oder Schlechtheit. Da lobt man sich doch Blacky Fuchsberger, wie immer etwas ruppig, draufgängerisch und männlich.
So bleibt denn ein Film mit einigen Längen, doch auch einigen spannenden Wallace-typischen Szenen übrig. Ist, genauso wie der Roman, eben Geschmackssache. Er zählt aber auf jeden Fall zu den Werken, die noch den Geist der Buchvorlage atmen, was man ja von späteren Titeln nicht immer behaupten kann.

schwarzseher Offline



Beiträge: 626

22.03.2020 10:50
#2 RE: Die seltsame Gräfin (1925) Zitat · Antworten

Ich finde den Roman recht gefällig,man liest einfach immer weiter und das ist eigentlich das Beste was man über ein Buch sagen kann.Auch der Film ist oft recht unterbewertet.
Einige Kinski Szenen sind schon recht "gruselig" gut gemacht.Auch Frau Dragover gibt das Buch ganz gut wieder ( zB. auch Frau Flickenschildt hätte Mühe gehabt so "aus einer anderen Welt " rüberzukommen )

Buchvorlage und Film passen noch ganz gut zusammen.

Savini Offline



Beiträge: 756

10.03.2021 11:47
#3 RE: Die seltsame Gräfin (1925) Zitat · Antworten

Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #1
Auffällig ist die Einführung des alten geigenspielenden Mr. Mackenzie, einem Vermieter und Nachbarn der beiden Mädchen in ihrer gemeinsamen Wohnung. Seine Funktion im Buch ist nicht so ganz klar. Da er in seiner Jugend, wie er häufig erwähnt, mal von einer jungen Schauspielerin fürchterlich betrogen wurde, erwartet man als geübter Wallace-Leser eigentlich, dass sich Gräfin Moron zu guter Letzt als ebenjene Dame herausstellt. Doch das ist irgendwie untergegangen, ich nehme mal an, dass es der Autor schlicht vergessen hat.

Nicht ganz! Gerade in diesem Punkt unterscheidet sich die Ravendro-Übersetzung (Weltbild & Goldmann) sehr von denen, die bei Scherz und Heyne erschienene sind.
Bei Goldmann wird beschrieben, dass die Gräfin (nach der Rettung Mary Pinders) auf ihrem Zimmer ist; die Szene endet damit, dass sie die entlastenden Beweisstücke (Brief und Schlüssel) sowie eine Pistole hervorholt. Später beendet Mr. Shaddle seine Ausführungen damit, dass sichdie Gräfin in ihrem Zimmer schossen habe und dass man bei ihr die Beweise vorfand.
Bei den alternativen Übersetzungen dagegen steckt sie die hervorgeholten Sachen ein und fährt zu der Unterredung, bei der der Anwalt den Fall aufklärt. Zu beginn erkennt sie, dass Shaddle der Auftraggeber von Mike Dorn (und daher ihr "eigentlicher" Gegenspieler) war, bleibt danach jedoch still. Als der Anwalt alles erklärt hat, legt sie erst Brief und Schlüssel vor, um anschließend eine Waffe zu ziehen, da sie nun mit ihren Feinden abrechnen will. Plötzlich kommt Mackenzie ins Zimmer und erkennt in ihr seine frühere Frau; sie erschrickt (da sie ihn für tot hielt) und lässt die Pistole fallen, womit die Szene endet. Danach sagt Selwyn bei seinem Spaziergang mit Lizzy, dass seine Mutter nun in Südfrankreich sei und er sie wohl nie mehr wiedersehen werde, was ihm ganz recht wäre.
Früher dachte ich, hier hätte Goldmann bei späteren Auflagen massiv eingegriffen, um die Hauptschurkin nicht ungestraft davonkommen zu lassen; aber die Weltbild-Version enthält dieses Ende ebenfalls. Falls es also nicht zwei verschiedene englische Textversionen geben sollte, hätte bereits Ravi Ravendro eine gravierende inhaltliche Änderung zu verantworten.

Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 644

10.03.2021 17:55
#4 RE: Die seltsame Gräfin (1925) Zitat · Antworten

Vielleicht gibt es aber aus irgendwelchen Gründen wirklich zwei Versionen. Beim "Hexer" gibt es ja zwei verschiedene Romanvarianten.
Oder es ist eben ein Beispiel von schon sehr früher Umdichtung. Vielleicht wollte es ja der Verleger auch so.
Muss mal meine Heyne-Ausgabe hervorkramen und nochmal nachlesen.

Count Villain Offline




Beiträge: 4.616

10.03.2021 20:20
#5 RE: Die seltsame Gräfin (1925) Zitat · Antworten

Das ist ja sehr spannend! Jetzt bräuchte man Zugriff auf ein paar englische Originale.

Savini Offline



Beiträge: 756

10.03.2021 20:47
#6 RE: Die seltsame Gräfin (1925) Zitat · Antworten

Zitat von Count Villain im Beitrag #5
Jetzt bräuchte man Zugriff auf ein paar englische Originale.

Hier wäre die Version, die online verfügbar ist:http://gutenberg.net.au/ebooks13/1304591h.html

Count Villain Offline




Beiträge: 4.616

10.03.2021 21:58
#7 RE: Die seltsame Gräfin (1925) Zitat · Antworten

Danke für den Link. Da ist es tatsächlich das überlebende Ende. Faszinierend wie man hier doch immer wieder neue Dinge erfährt.

Savini Offline



Beiträge: 756

10.03.2021 22:29
#8 RE: Die seltsame Gräfin (1925) Zitat · Antworten

Interessanterweise werden die Gedanken der Gräfin, als sie nach der Befreiung Mary Pinders in ihrem Zimmer umhergeht, bei Ravendro so ausführlich wie im Original beschrieben werden; bei Heyne wurde hier gekürzt.
Da empfiehlt sich wohl die Scherz-Fassung: Mit dem Original-Ende (falls es nicht doch eine alternative englische Fassung geben sollte), aber anscheinend an anderen Stellen nicht gekürzt. Zumindest ist mir dort keine fehlende Stelle aufgefallen.

Savini Offline



Beiträge: 756

01.06.2021 16:12
#9 RE: Die seltsame Gräfin (1925) Zitat · Antworten

Zitat von schwarzseher im Beitrag #2
Auch Frau Dragover gibt das Buch ganz gut wieder ( zB. auch Frau Flickenschildt hätte Mühe gehabt so "aus einer anderen Welt " rüberzukommen )

Wobei die Gräfin im Buch sehr viel bodenständiger beschrieben wird, als eine stattliche, sehr konzentrierte und gefasste Dame mit einer tiefen, gebieterischen Stimme. Hier wäre Ilse Steppat viel originalgetreuer gewesen.
Brigitte Grothum und Edith Hancke sind dagegen genau so, wie man sich die beiden Figuren angesichts der Buchvorlage vorstellt; selbst Eddi Arent entspricht dem jungen Lord vielleicht nicht optisch (dieser ist in der Vorlage blond und hat einen Schnurrbart), aber charakterlich durchaus; abgesehen von dem Running Gag über seinen Großvater wurde die Figur fast 1:1 übernommen.
Chesney Praye müsste man sich laut Buch eher wie Ulrich Beiger vorstellen, Dr. Tappat wie Werner Peters. Wobei Rudolf Fernau die abstoßende Seite des Doktors vom Charakter her ganz gut wiedergibt.

Count Villain Offline




Beiträge: 4.616

01.06.2021 16:52
#10 RE: Die seltsame Gräfin (1925) Zitat · Antworten

Zitat von Savini im Beitrag #9
Hier wäre Ilse Steppat viel originalgetreuer gewesen.


Jetzt muss ich an "Die blaue Hand" denken. Ist dort die Konstellation nicht ähnlich? Die ehemals halbseidene Dame, die von einem Lord in zweiter Ehe geheiratet wurde und dessen erster Ehemann sich am Ende offenbart? Hat Herr Reinecker damals etwa doch einen Teil seiner Wallace-Hausaufgaben gemacht? Wobei die ganze Irrenhausgeschichte ohnehin schon frappant an die Gräfin erinnert.

Zitat von Savini im Beitrag #9
selbst Eddi Arent entspricht dem jungen Lord vielleicht nicht optisch (dieser ist in der Vorlage blond und hat einen Schnurrbart), aber charakterlich durchaus; abgesehen von dem Running Gag über seinen Großvater wurde die Figur fast 1:1 übernommen.


Ist auch eine meiner liebsten Rollen von ihm bei Wallace.

Savini Offline



Beiträge: 756

01.06.2021 20:43
#11 RE: Die seltsame Gräfin (1925) Zitat · Antworten

Zitat von Count Villain im Beitrag #10
Zitat von Savini im Beitrag #9
Hier wäre Ilse Steppat viel originalgetreuer gewesen.


Jetzt muss ich an "Die blaue Hand" denken. Ist dort die Konstellation nicht ähnlich? Die ehemals halbseidene Dame, die von einem Lord in zweiter Ehe geheiratet wurde und dessen erster Ehemann sich am Ende offenbart? Hat Herr Reinecker damals etwa doch einen Teil seiner Wallace-Hausaufgaben gemacht? Wobei die ganze Irrenhausgeschichte ohnehin schon frappant an die Gräfin erinnert.

Ich würde eher vermuten, dass ihm nicht viel Neues einfiel (nicht umsonst versteckte er sich hinter dem Pseudonym "Alex Berg") und er einfach etwas aufgriff.
Wobei es ironischerweise zwischen den Romanen "seltsame Gräfin" und "blaue Hand" einige Überschneidungen gibt, worauf Dr. Oberzohn in der Vergangenheit schon hingewiesen hat.
Ironisch insofern, als gerade das Irrenhaus bei Wallace nicht vorkommt (Mutter und Tochter werden auf eine entlegene Farm verschleppt) und der Film "Die blaue Hand" inhaltlich nicht das Geringste mit der "Vorlage" gemein hat.

Was Arents Rolle angeht, so wundert es mich, dass Joachim Kramp diese zu den "Grenzfällen" zählte, über die "man streiten" könne.
So vergleichsweise bodenständig wie hier war er selten (z. B. noch im "roten Kreis").

Savini Offline



Beiträge: 756

02.06.2021 16:19
#12 RE: Die seltsame Gräfin (1925) Zitat · Antworten

Noch etwas zu dem veränderten Ende: Dass die Gräfin unbehelligt in Südfrankreich lebt, wirkt sehr merkwürdig; ebenso bleibt in den originalgetreuen Übersetzungen (Heyne/Scherz) offen, was aus Chesney Praye und Dr. Tappat wurde. Ravendro fügte ein paar Sätze von Mr. Shaddle hinzu, dass die beiden verhaftet wurden. Sicher kann man sich das auch so denken. Aber hätten sie nicht die Gräfin belastet, so dass diese mit juritischen Konsequenzen zu rechnen hätte? Und selbst wenn nicht: Müssten ihre Verbrechen nicht spätestens dann ans Licht kommen, wenn Lois in der Öffentlichkeit den Titel der "Gräfin Moron" annimmt?
Ravendros Eingriff mag objektiv eine Verfälschung sein, rundet die Geschichte aber deutlich besser ab. Allerdings hätte er dann konsequenterweise auch den Hauswirt (oder zumindest dessen Klagen über seine frühere Frau) streichen müssen.

Savini Offline



Beiträge: 756

12.07.2021 08:13
#13 RE: Die seltsame Gräfin (1925) Zitat · Antworten

Analog zum "Banknotenfälscher" gibt es auch hier einen auffälligen Perspektivwechsel: Der Anfangsteil wird komplett aus der Sicht von Lois Reddle erzählt, was die Identifikation mit ihr verstärkt. Aus ihrer Perspektive erscheint der Verfolger Mike Dorn (hätte es damals schon den Begriff "Stalken" gegeben, wäre er angebracht) verdächtig; erst als sie (und damit auch der Leser) aus dem Mund des Unsympathen Chesney Praye erfährt, dass Dorn ein Privatdetektiv ist, steht fest, dass er wohl auf der "richtigen Seite" steht; kurz danach werden dann auch Kapitel aus seiner Sicht geschildert, später kommt dann auch noch die Perspektive anderer Figuren hinzu.

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