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 Film- und Fernsehklassiker national
Prisma Offline




Beiträge: 7.591

26.08.2013 20:48
Das Mädchen und der Staatsanwalt (1962) Zitat · Antworten



DAS MÄDCHEN UND DER STAATSANWALT (1962)

mit Elke Sommer, Wolfgang Preiss, Götz George
Agnes Fink. Berta Drews, Gisela Uhlen, Ann Smyrner, Ann Savo, Paul Dahlke, Fritz Tillmann, Horst Janson, Matthias Fuchs und Joachim Hansen
eine Produktion der Winston Films Corporation GmbH im Nora Filmverleih
ein Film von Jürgen Goslar





»Fehlt nur noch, dass sie sich mir anbieten...«


Die minderjährige Renate Hecker (Elke Sommer) bekommt häufiger Besuch von ihrem festen Freund Jochen (Götz George), der auch in der Wohnung der Mutter (mit der Renate zusammen wohnt), übernachtet. Eines Tages wird Anzeige von aufgebrachten Nachbarn erstattet, und ihre Mutter (Berta Drews) wird der Kuppelei bezichtigt. Sie gerät an den unerbittlichen Staatsanwalt Soldan (Wolfgang Preiss) wird verurteilt und wandert ins Zuchthaus. Als ihre Tochter bei Staatsanwalt Soldan ein Gnadengesuch anstrengt, kommt es zu unerwarteten Avancen seinerseits, und die junge Frau ist hin und her gerissen zwischen ihm und ihrem Freund. Sie ist von Illusionen und Träumen getrieben, doch die Situation spitzt sich zu, als ihre Mutter wieder aus dem Gefängnis entlassen wird. Renate gerät in große Bedrängnis, und es ist nur eine Frage der Zeit, wie lange sie dem Druck von außen noch gewachsten sein wird...

Dieser von Regisseur Jürgen Goslar inszenierte Spielfilm, der immer wieder gerne als Kolportagewerk bezeichnet wird, versucht sich kritisch mehrerer Themen anzunehmen, die in der damaligen Zeit für Aufsehen und sogar Aufruhr sorgten. Aus heutiger Sicht verspürt man als Zuschauer eher Unverständnis, da sich die Zeiten glücklicherweise geändert haben. Im Endeffekt ist "Das Mädchen und der Staatsanwalt" tatsächlich mehr Unterhaltungsfilm als Gesellschaftskritik, was auch vollkommen in Ordnung geht, da die Inszenierung sehr gut gelungen ist. Goslar konzentriert sich hauptsächlich auf runde Charakter-Zeichnungen und es kommt eine teils sehr depressive Atmosphäre auf, was nicht zuletzt Hauptdarstellerin Elke Sommer zu verdanken ist. Nebenbei entstehen natürlich auch dezente Seitenhiebe auf die bestehende Doppelmoral und die Lücken im Justiz-System. Insgesamt gesehen, handelt es sich bei dem dargestellten Plot um eine recht einfache Geschichte, die sicherlich hundertfach vorgekommen ist, oder zumindest hätte vorkommen können, charakteristische Einblicke werden in die Welt der damaligen Jugend gewährt, und der Zuschauer wird mit deren Wünschen, Sehnsüchten und Ängsten konfrontiert. Am bemerkenswertesten ist jedoch, dass ein ausgezeichneter Schauspieler-Film auf die Beine gestellt worden ist, der bis in die kleinsten Rollen perfekt besetzt ist.





Renate Hecker betritt den Gerichtssaal und man sieht ihr deutlich an, wie unwohl und überflüssig sie sich dort, aber vor allem im Prozess fühlt. Ihre Leichtfertigkeit und ihre Naivität werden ihre Mutter, die vor ihrer Vernehmung auseinander genommen wurde, ins Zuchthaus bringen, es scheint, der Saal werde unendlich weit, was ihre suchenden Blicke bestätigen. Die Fragen des hohen Gerichts und der Staatsanwaltschaft sind demütigende Torpedos, die augenscheinlich der Aufklärung dienen sollen, aber in Wirklichkeit aus Neugierde und der perversen Lust bestehen, mehr über den Lebenswandel der überaus attraktiven Blondine zu erfahren. Elke Sommer stellt hier die perfekte Besetzung dar, ihre kurzen, patzigen und unüberlegten Antworten sind nur ein gefundenes Fressen für die Anklage, so dass sie indirekt als Flittchen abgestempelt werden kann, welches zu allem Überfluss auch noch minderjährig ist. Jugendliche Unbekümmertheit wird mit Leichtfertigkeit verwechselt, doch der Verlauf der Geschichte wird verdeutlichen, dass Renate ein sehr ernstes und gewissenhaftes Mädchen ist, welches zu viel von ihren Träumen und Illusionen diktiert wird. Das schnörkellose und einfach dargestellte Schauspiel von Elke Sommer wirkt hier nahezu perfekt, alleine ihr Blick wirkt wie ein einziger Vorwurf, sie vermittelt eine sehr melancholische und nachdenkliche Note und transportiert im Endeffekt eine gute Portion Tragik im Dunstkreis erhobener Zeigefinger und schraubzwingenartiger Rahmenbedingungen.

Wolfgang Preiss als Oberstaatsanwalt Soldan erhebt den Zeigefinger am höchsten. Zuerst brandmarkt er Frau Hecker öffentlich als alte Kupplerin mit niederträchtigen Absichten, dann ist die moralisch verworfene Tochter an der Reihe, die seiner Ansicht so geworden ist wie sie ist, weil die inkompetente Mutter versagt hat. Als Renate den Saal betritt, herrscht Stille und man sieht Wolfgang Preiss in Großaufnahme, mit überaus fasziniertem und interessiertem Blick in Richtung Elke Sommer. Um das unerwünschte Gefühl zu unterbinden, hat man den Eindruck, dass er noch härter und zynischer vorgeht, als üblich. Sein Leben besteht nur aus dem Beruf, die Szenen zu Hause zeichnen ein überaus eindeutiges Bild seines Daseins. Seine Frau (exzellent dargestellt von Agnes Fink) gleicht einer Klatschtante die sich, um etwas zu tun zu haben, der Wohltätigkeit und dem öffentlichen Auge verschrieben hat. Sie plappert wie aus einem Guss an ihrem Mann vorbei, der seit geraumer Zeit auf der Couch zu nächtigen scheint. Götz George wirkt in der Geschichte wie die Wurzel allen Übels, denn er stellt nicht nur die unterstellte Ziellosigkeit einer Generation dar, sondern er ist hauptsächlich für die Misere verantwortlich. Nur an Vergnügen interessiert, nagelt er Renate mit angeblichen Heiratsabsichten fest und missbraucht die Gutherzigkeit ihrer einfältigen Mutter. Die Situation wird immer wieder durch seine jugendliche Impulsivität und sein Halbstarken-Gehabe verschärft. Hervorragende Leistungen der Akteure, und in kleineren Auftritten wird man noch viele beliebte Stars sehen, wie beispielsweise Gisela Uhlen, Joachim Hansen, Stanislav Ledinek oder Paul Dahlke.

"Das Mädchen und der Staatsanwalt" vermittelt eine immer unangenehmer werdende Atmosphäre, die dem Empfinden nach viele Realitätskomponenten besitzt, und hinterlässt einen ernüchternden Eindruck. Immer wiederkehrende, kleine Hoffnungsschimmer werden von den Personen zielstrebig, wenn auch unbewusst zertreten. Jürgen Goslar gelingt es sehr gut, allen Fraktionen in der Geschichte gerecht zu werden ohne offensive Wertungen vorzunehmen, die beim Zuschauer allerdings unweigerlich entstehen werden. Immer wenn Welten aufeinander treffen, ist es die Schilderung, auf die es ankommt, wenn unterm Strich auch üblicherweise das gleiche Ergebnis stehen bleibt. Auffallend ist wie gesagt die gute handwerkliche Umsetzung. Hervorzuheben ist die gelungene Kamera-Arbeit, die mit Distanz und Nähe spielt, wo sie nur kann, viele Großaufnahmen lassen die Emotionen in den Gesichtern der Schauspieler greifbar werden, rasante, harte Schnitte legen hin und wieder ein Tempo vor, das der Film eigentlich gar nicht nötig gehabt hätte. Die Musik von Heinz Kiessling ist bemerkenswert, wenn mit ihren harmonischen Klängen auch überaus trügerisch, und generell ist der damalige Zeitgeist sehr aussagekräftig eingefangen worden, beispielsweise als Kontrast in der spartanischen Hecker-Wohnung oder in der Soldan-Residenz, im Gerichtssal, im Krankenhaus in dem Renate ihre Ausbildung beginnt, oder in den Bars, in denen sich die Jugend gerne trifft. Insgesamt gesehen ist Goslars Beitrag sehr geglückt, und er transportiert bei aller Doppelmoral sehr ehrliche Momente die nachdenklich stimmen. Sehenswert!

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