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Dieses Thema hat 1 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker international
Prisma Offline




Beiträge: 7.596

09.02.2013 15:04
Bewertet: "Deep End" (BRD/GB 1970) Zitat · Antworten



DEEP END (1970)

mit Jane Asher, John Moulder-Brown, Karl Michael Vogler, Christopher Sandford, Louise Martini, Erica Beer, Dieter Eppler, Anita Lochner und Diana Dors





»Weißt du, wie viele schon was mit der gehabt haben?«


Mike (John Moulder-Brown) ist gerade frühzeitig von der Schule abgegangen, und beginnt, in einem Schwimmbad zu arbeiten. Dort wird er von der attraktiven Susan (Jane Asher) mit den Arbeitsabläufen vertraut gemacht, und beide verbindet zunächst nur Freundschaft. Mike entdeckt schnell die Liebe zu ihr, doch sie ist mit einem jungen Mann aus besseren Kreisen verlobt, pflegt außerdem ein Verhältnis mit dem ehemaligen Sportlehrer (Karl Michael Vogler) von ihm. Eifersucht, Besessenheit und ein gewisser Kontrollzwang nehmen für den jungen Mann unerträgliche Züge an, so dass er sich allerlei Tricks ausdenkt, um die Liebschaften von Susan zu stören. Mit seiner jugendlichen Fantasie schafft er es schließlich, Susan, die sich einerseits abweisend verhält, aber sich andererseits auch imponiert zeigt, für eine erste erotische Liaison zu gewinnen. Doch die umständlich entstandene Zweisamkeit nimmt ein unberechenbares Ende...

Die deutsch-britische Co-Produktion 'Deep End' wurde von Regisseur Jerzy Skolimowski inszeniert. Damals leider ohne erhofften wirtschaftlichen Erfolg, gilt er heute als Kultfilm. Die Einschätzung des Anthology Film Archives ("Einer der besten Filme der Siebzigerjahre") hat bestimmt etwas für sich, denn diese Produktion vermittelt so viel Exotik, Leichtfüßigkeit, Leidenschaft und einen ungeheuren Charme. Die Geschichte um das pubertäre Gefühlschaos eines Fünfzehnjährigen wurde sehr geistreich und überzeugend, aber vor allem relativ authentisch dargestellt, und es bereitet wirklich Freude, diesem Hin und Her zu folgen. Der Film ist voll Fantasie und Gespür, aber auch Verrücktheit, die teils verzerrten Charaktere bringen viel Witz in die Angelegenheit, außerdem bahnt sie unter Umständen eine direkte Vergleichsmöglichkeit, sozusagen einen Transfer, an die eigene Erfahrung. Auffällig ist die, handwerklich gesehen, hochwertige Umsetzung, die in den Bereichen Kamera, Bildgestaltung, Schauplätzen und progressiven Einfällen der Regie, große Akzente setzen kann. Hinzu kommen die atemberaubenden Musikstücke von Cat Stevens und der Kölner Band The Can, die das hervorragende Gesamtbild unterstreichen. Die Besetzung ist ein Gütesiegel, und besonders auf deutscher Seite interpretierten einige Schauspieler Charaktere, die rein gar nichts mit ihrem herkömmlichen Bild zu tun hatten.





In der großen weiten Welt des Films gab und gibt es unzählige schöne Frauen. Immer und immer wieder. Doch spätestens wenn man hier zum ersten Mal mit Hauptdarstellerin Jane Asher, ja, konfrontiert wird, kann man nicht anders und ist grenzenlos fasziniert und ebenso vereinnahmt von ihr, wie es bei dem jungen Protagonisten der Fall ist. Susan besitzt eine Aura, wie man sie selten ein zweites Mal empfindet, und dabei muss sie gar nicht erst viel tun, geschweige denn, einen Kraftakt hinlegen. Sie gibt der Wendung "Liebe auf den ersten Blick" einen phänomenalen, greifbaren, aber vor allem glaubhaften Sinn, ihr Erscheinungsbild hat etwas aufforderndes, und es steht außer Frage, dass es wohl kaum einen (jungen) Mann geben dürfte, der möglicherweise wegen ihr nicht den Kopf verlieren, und sich Hals über Kopf in sie verknallen dürfte. Wenn ich einmal Lord Blackmoor zitieren darf: "Liebe auf den ersten Blick verkürzt die Zeit!", was sehr charakteristisch für sie und diese Geschichte steht, denn alles spielt sich dem Empfinden nach, lediglich innerhalb einer Woche ab. Und was Jane Asher angeht, so hat sie in mir einen neuen, großen Bewunderer gefunden! John Moulder-Brown gehört zu den wenigen Schauspielern, die mich persönlich uneingeschränkt beeindrucken. Bei dieser Darbietung geht der damals Achtzehnjährige über die Grenzen von konventionellen Interpretationen hinaus, und man bekommt eine Mischung aus Talent, Intuition und bemerkenswerter Spontaneität geboten. Es ist herrlich Mike dabei zu verfolgen, wie er Pläne schmiedet und Tricks ausheckt, um die amourösen Tätigkeiten seiner Herzdame zu unterbinden. Heute würde man sagen, dass er stalkt, allerdings nicht im klassischen Sinne. Er zeigt Facetten einer schier unendlichen Fantasie, wie sie nur junge Leute haben können, er präsentiert etliche Flausen, die ihm im Kopf herumschwirren, die obendrein auch noch eine Umsetzung erfahren, die Mischung aus Unbeholfenheit, Gefühl und Impulsivität wirkt erfrischend wie nur selten.

Von deutscher Seite gibt es wie gesagt eigenartige, aber vollkommen überraschende Leistungen. Karl Michael Vogler, ehemaliger Lehrer von Mike, und nun Liebhaber von Sue, begegnet man zuerst in der Badeanstalt. Er zieht seine blutjungen Schülerinnen mit seinen lüsternen Blicken aus, er fühlt sich dabei wie ein Gott, er gafft sie an und betatscht sie bei jeder Gelegenheit, Außerdem wird er noch einige tolle Szenen mit Jane Asher haben, die nachhaltig im Gedächtnis bleiben. Die Brisanz der Darstellungen wird durch die hochwertigen, teils saftigen Dialoge forciert. Wer hat bislang Dieter Eppler beispielsweise schon einmal Derartiges sagen hören?: »Irgendwann ist es soweit. Dann kriegt die von mir einen rein geschoben!«. Oder Louise Martini, als laszive Prostituierte, die nur mit halber Kraft anschaffen kann, ihre Dienste also dementsprechend auch zu Schleuderpreisen anbietet, da sie ein Gipsbein hat. Erica Beer, als Jünglinge verschlingende, alternde, und mit konstitutionellen Problemen kämpfende, frustrierte Frau, mit der die Zeit offensichtlich nicht gerade freundlich umgegangen ist, und die immer wider dezente, zickige Kämpfe mit der schönen Hauptdarstellerin veranstaltet... Sagenhafte, wenn auch sehr kurze Leistungen dieser Interpreten aus der Schublade! Für einen spektakulären Gast-Auftritt sorgt Diana Dors als Kundin des Schwimmbades. Sie gibt mit John Moulder-Brown eine Vorstellung, die ich wirklich fast beispiellos nennen möchte. Absolute Spitzenklasse!

Es ist immer schön, wenn man tatsächlich ohne jegliche Abstriche sagen kann, dass ein Film dermaßen packen und überzeugen konnte, wobei in meinem Fall verzaubern sicherlich die trefflichere Vokabel darstellt. Das einzig verwirrende an diesem traumwandlerischen Spektakel ist, dass man dem Zuschauer eine seltsame Tragik und einen harten Schock nicht ersparte. Ansonsten inszenierte Jerzy Skolimowski vollkommen unkonventionell und wirklich mutig, ohne allerdings an Niveau einzubüßen. Der nachhaltige Gesamteindruck ist und bleibt einfach nur großartig. Alle Komponenten dieses Films wirken symbiotisch, und völlig frei von irgendwelchen Zwängen, die man vielerorts und leider viel zu häufig irrtümlich in Filme hinein zwängte. 'Deep End' transportiert nicht nur Temperament und knisternde Erotik als Kunstform, sondern besticht in vielerlei Hinsicht als Kind seiner Zeit. Selten durfte man beispielsweise eine so anspruchsvolle, aufregende Erotik-Szene miterleben wie im Finale, das zeitgenössische London-Flair wirkt berauschend, und die schauspielerischen Leistungen sind turmhoch über dem Durchschnitt anzusiedeln, so dass es einfach nur riesigen Spaß macht, in diesem Film mitzulachen, mitzuträumen, mitzurätseln, den Kopf zu schütteln und Déjà-vu-Gefühle zu ordnen. Nicht zu Unrecht gilt dieser Beitrag also "als Meilenstein des erotischen Arthouse-Films", und ohne jeden Zweifel auch ab sofort als Meilenstein in der eigenen DVD-Sammlung. In der Tat ausgezeichnet; das sollte man schon gesehen haben!

Prisma Offline




Beiträge: 7.596

10.02.2013 12:39
#2 RE: Bewertet: "Deep End" (BRD/GB 1970) Zitat · Antworten

Hie kann man sich noch den Trailer zu 'Deep End' anschauen, und sich einmal ein Bild von dem Gesamtpaket des Films machen. Wie bei Trailern üblich, wurden auch hier viele der schönsten Szenen aufgegriffen, die aber, wie es eher seltener der Fall ist, tatsächlich ein aussagekräftiges Profil bilden können. Wen es interessiert:

http://www.youtube.com/watch?v=oLQwAI1o3dc

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