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Dieses Thema hat 2 Antworten
und wurde 909 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker international
Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

03.02.2013 14:08
BEWERTET: "Der Schlitzer von London" (The Lodger) USA 1944 Zitat · Antworten



BEWERTET: "Der Schlitzer von London - Der Mädchenmörder" (Original: "The Lodger") USA 1944, Twentieth Century-Fox - mit: Merle Oberon, George Sanders, Laird Cregar, Sir Cedric Hardwicke, Sara Allgood, Aubrey Mather, Queenie Leonard, Doris Lloyd, David Clyde, Helena Pickard u.a. - Drehbuch: Barré Lyndon nach dem Roman von Marie Belloc Lowndes, Regie: John Brahm

Das Londoner East End wird seit geraumer Zeit von grauenvollen Frauenmorden erschüttert. In den Nebelnächten geht ein Mann in Whitechapel um, der seinen Opfern zuerst die Kehle durchschneidet und sie dann verstümmelt. Die Bevölkerung beobachtet die Mordserie mit einer Mischung aus Schrecken und Faszination, auch das Ehepaar Bunting, besonders Mr. Bunting, zeigt großes Interesse an dem Fall. Eine misslungene Börsenspekulation sorgt dafür, dass die Familie Zimmer vermieten muss und so zieht eines Abends ein Mann namens Slade bei ihnen ein. Er stellt sich ihnen als Pathologe vor, der ein zurückgezogenes Quartier für seine Experimente suche und vor allem des Nachts unterwegs sein werde. Kitty Langley, die Nichte von Mrs. Bunting, ist Schauspielerin und hat mit ihren Mädchen bei Varieté-Vorstellungen großen Erfolg. John Warwick von Scotland Yard arbeitet an der Aufklärung der Morde und trifft bei seinen Ermittlungen auch auf Kitty, die eines der Opfer kannte und durch ihren Beruf selbst in größter Gefahr schwebt.....



Der Hamburger Regisseur John (Hans Julius) Brahm (1893-1982) setzte den Roman von Marie Belloc Lowndes im Gothic-Stil um, der auch in der Sherlock-Holmes-Reihe mit Basil Rathbone Anwendung fand. Deutlich sind auch die Einflüsse des deutschen Expressionismus wahrnehmbar, bei der "die dämonische, triebhafte Komponente der Seele, die sich schicksalhaft durchsetzt, in den Vordergrund tritt. Die soziale und politische Wirklichkeit wird nicht direkt dargestellt; das Individuum leidet nicht an ihr, sondern an einem unerklärlichen Bösen in der eigenen Psyche." (Chronik des Films, Seite 39)
Unwillkürlich zieht der Zuseher Parallelen zur Verfilmung des gleichen Stoffes aus dem Jahr 1926, unter der Regie von Alfred Hitchcock, der damit seinen Durchbruch schaffte. Außer der inhaltlichen Verbindung gibt es noch menschliche Verknüpfungen: So wirkten Sara Allgood ("Blackmail", "Juno and the Paycock"), George Sanders ("Rebecca") und Sir Cedric Hardwicke ("Suspicion", "Rope") als Darsteller in Hitchcocks Filmen mit; zudem besetzte dieser Brahms Ehefrau Dolly Haas für sein Werk "I Confess". Später inszenierte Brahm, der 1937 nach Hollywood ausgewandert war, mehrere Folgen der Reihen "Alfred Hitchcock Presents" und "The Alfred Hitchcock Hour".
In der Titelrolle des Untermieters sehen wir mit Laird Cregar einen relativ unbekannten Mimen, dessen Größe und Physiognomie Eindruck machen. Sein Auftreten entspricht dem eines Gentleman, doch eine innere Unruhe trübt die Gelassenheit seiner finanziell sichergestellten Klasse. Die heitere Atmosphäre im Hause Bunting, die vom Charme und der Zuversicht Merle Oberons (1911-1979) profitiert, wird von einem Mann argwöhnisch beobachtet, der seine festen Prinzipien im Alten Testament bestätigt sieht und durch den Selbstmord des von ihm vergötterten Bruder einen unbändigen Hass gegen Bühnendarstellerinnen pflegt.

"But before getting ready their own supper, Mr. Sleuth's landlady went upstairs to clear away, and when on the staircase she heard the sound of - was it talking, in the drawing-room? Startled, she waited a moment on the landing outside the drawing-room door, then she realised that it was only the lodger reading aloud to himself. [...] She remained where she was, her hand on the handle of the door, and again there broke on her shrinking ears that curious, high, sing-song voice, "Her house is the way to hell, going down to the chambers of death". (Marie Adelaide Belloc Lowndes, The Lodger, Academy Chicago Publishers, 1988, Seite 30)

Das Weibliche bzw. die Schönheit als Quelle des Bösen, das man vernichten muss, ist ein Motiv, das den emotional restriktiven Mediziner umtreibt, seine "Kunst" nicht zum Wohle der Menschen, sondern für die Befreiung der Menschheit vom Laster und den Verführungen leichtfertiger Frauen, einzusetzen. Die abgöttische Liebe, die ihn mit dem verstorbenen Bruder verband, dessen Miniatur er wie einen Schatz hütet, deutet auf eine homosexuelle Neigung hin, die den latent vorhandenen Maskulinismus noch verstärkt. Religiöser Wahn und Frauenhass gingen damals wie heute in vielen Kulturen Hand in Hand. Die stimmige Ausleuchtung der Sets, die Kameraeinstellungen und die Kulissen vertiefen die unheimliche Aura von Mr. Slade. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Namens: Im Roman nennt sich der Fremde Mr. Sleuth (engl.: Spürhund, "Schnüffler"), während der Name Slade im Film rein zufällig gewählt wird, als der Untermieter an einer Straße namens Slade Walk vorbeigeht. Ist Ivor Novello bei Hitchcock tatsächlich auf der Spur des "Rächers", so ist Laird Cregar selbst der Täter.



George Sanders gibt einen kultivierten, freundlichen und sehr korrekten Inspektor von Scotland Yard. Er begegnet Hauptdarstellerin Merle Oberon höflich, aber nicht überschwenglich und deutet seine Zuneigung zu ihr erst während des Besuchs im Kriminalmuseum an, als er sie zum Tee bittet. So verzichtet dieser Kriminalfilm weitgehend auf das Klischee der bedrohten Schönheit, die sich hilflos in die Arme des breitschultrigen Ermittlers flüchtet. Kitty Langley hat sich durch Fleiß und Engagement im Berufsleben etabliert und kann dem Inspektor deshalb auf gleicher Augenhöhe begegnen. Sanders kombiniert deshalb weniger in Gesellschaft von Oberon, als im Beisein von Hardwicke, mit dem er Fingerabdrücke untersucht und das verlassene Haus observiert. Der Kontrast zwischen den dunklen, nebelverhangenen Gassen Londons und der lichtdurchfluteten Atmosphäre der im Pariser Cancan-Stil gehaltenen Bühne, zeigt sich deutlich und wird durch die Heimlichkeiten des Mieters immer wieder durchbrochen. So finden sich in den nächtlichen Experimenten von Mr. Slade endlich jene Momente wieder, die in der Romanvorlage bereits für wohlige Schauder sorgten:

"Three o'clock struck before Mrs. Bunting heard slow, heavy steps creaking up the kitchen stairs. But Mr. Sleuth did not go straight up to his own quarters, as she had expected him to do. Instead, he went to the front door, and, opening it, put on the chain. [...] He wanted to get the strong, acid smell of burning - was it of burning wool? - out of the house." (Seite 121)

Die stärksten Szenen des Films leben von den Geheimnissen des Mieters und den Andeutungen der Morde, die nicht gezeigt werden, aber deren Einleitung mit den Erwartungen des Publikums spielt. So wird z.B. das erste Opfer am Boden liegend gezeigt, das Blut fließt ab und vermengt sich mit dem Wasser im Rinnstein. Bedrohliche Schatten, das Flackern des Gaslichts und verwinkelte Straßen sorgen für den passenden Rahmen.

Ein bemerkenswerter Kriminalfilm mit einem überzeugenden Cast, wobei besonders die spritzige Merle Oberon, der besonnene George Sanders und der imposante Laird Cregar hervorstechen. Empfehlenswert!

Ausstattung der DVD von SAVOY Film / Intergroove (Cinema Classics Collection):

Der Film liegt im Bildformat 1.33 - 4:3 vor und verfügt über die folgende Sprachauswahl:
Deutsch (Original), Deutsch (Digital restauriert), Englisch (Original), Englisch (Digital restauriert)
Weiters gibt es optionale deutsche Untertitel und einen englischen Audiokommentar.

Als Bonus gibt es das Featurette "Man in the Attic: The Making of THE LODGER" (englisch mit dt. Untertiteln), eine Bildergalerie und den Originaltrailer.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

03.02.2013 15:04
#2 RE: BEWERTET: "Der Schlitzer von London" (The Lodger) USA 1944 Zitat · Antworten

Danke für deine engagierte Besprechung. Bei mir hat sich allerdings einige Verwirrung über den Titel des Films eingestellt, weil ich ihn zunächst mit einer anderen Produktion verwechselte. John Brahm hat in den Jahren 1944 und 1945 mit Laird Cregar und George Sanders gleich zwei Filme gedreht, die offenbar auch Savoy-Film nicht ganz auseinander halten konnte.
Der erste ist der von dir rezensierte „The Lodger“. Er trägt allerdings den deutschen Titel „Scotland Yard greift ein“ und wurde als solcher bereits 1948 in deutschen Kinos gezeigt. Die IMDb führt ihn mit der Kurzbeschreibung „A landlady suspects her new lodger is Jack the Ripper“ an.
Nun gibt es allerdings einen weiteren Film namens „Hangover Square“. Und der trägt in seiner deutschen Übertragung den Titel „Der Schlitzer von London“. In Österreich lief er als „Scotland Yards seltsamster Fall“ und die IMDb gibt sogar fälschlicherweise an, diese Produktion sei auf der 2012 in Deutschland erschienen DVD enthalten. Inhalt im Kurzen: „A promising classical musician finds his life poisoned by a music hall dancer – and by the strange gaps in his memory.“ – „Hangover Square“ wurde, wie schon geschrieben, ebenfalls von John Brahm inszeniert, es spielen aber neben Cregar und Sanders Linda Darnell, Glenn Langan und Alan Napier.

Merkwürdig, dass die DVD einen Film enthält und ihn unter dem deutschen Titel eines anderen vermarktet.

Count Villain Offline




Beiträge: 4.616

03.02.2013 19:30
#3 RE: BEWERTET: "Der Schlitzer von London" (The Lodger) USA 1944 Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #2
Bei mir hat sich allerdings einige Verwirrung über den Titel des Films eingestellt, (...)


Bei mir auch. Ich dachte schon fast, meine Geschichte "Der Schlitzer von Limehouse" wäre heimlich verfilmt worden.

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