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Dieses Thema hat 1 Antworten
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Billyboy03 Offline




Beiträge: 714

15.04.2010 22:59
Der Flüsterer -KGW 2010 Zitat · Antworten

Ich möchte natürlich nicht nachstehen und melde mich hiermit zu Wort, um auch eine Diskussion zum Flüsterer zu ermöglichen.

Der Schreibprozeß selber hat mir sehr viel Spaß gemacht, und ich war auch zeitlich etwas besser dran und somit emtspannter als noch im letzten Jahr.
Da ja das Rezept des "Todesboten" insgesamt gut ankam, beschloß ich an der generellen Ausrichtung nur wenig zu ändern. D.h., möglichst die Atmosphäre der frühen Filme zu treffen und trotzdem auch das Typische der Romane und Geschichten zu berücksichtigen. Da ich mich historisch in den 60er Jahren am besten auskenne (amateurhaft natürlich nur), beließ ich es bei 1966. "Der Flüsterer" spielt also kurz vor dem "Todesboten", der ja im Herbst 1966 angesiedelt ist.
Durch die Hinweise zur ersten Story, der Täter wäre zu leicht zu erkennen gewesen, fühlte ich mich aufgerufen, die Identität des Täters diesmal besser zu verschleiern. Obwohl dies gerade in den Romanen und Geschichten des EW oft nicht so ist (im Nachhinein meine ich sogar, daß es EW sich gerade um diesen Aspekt häufig wenig gekümmert hat). Und so kam mir die Idee mit zwei unterschiedlichen Tätern, was den Leser verwirren und auf eine falsche Spur lenken sollte.

Der Name "Flüsterer" fiel mir zu. Ich suchte nach einer Figur, die wallace-typisch heißen sollte und irgendwie geheimnisvoll dazu. Und als ich den Namen hatte, kam auch der Erpresserplot von selbst. Dieser Strang der Geschichte entstand im Grunde sehr schnell (im Kopf). Dann begann ich nach einer dazu passenden zweiten Idee zu suchen, die die eigentliche Rätselgeschichte werden sollte. Da unbedingt eine weibliche Hauptfigur Verwendung finden sollte, dachte ich mir Belinda Menning aus und ersponn eine familie um sie herum. Vorbild für Belinda war zunächst (etwas) Emma Peel aus den "Avangers". Eine moderne, schöne, selnstbewußte junge Frau, die es abenteuerlich zugehen läßt. Nach einigen Seiten forderte die Geschichte jedoch eine Änderung und die "Heldin" mutierte zur gerissenen Verbrecherin.
Die reslichen Figuren sollten natürlich in die für EW typischen Rollen passen, etwa der schmierige Reverend, der geheimnisvolle Butler, der undurchsichtige Gutsverwalter, der skrupellose amerikanische Geschäftsmann, die betrügerische adlige Gattin aus kleinen Verhältnissen und das Mordopfer, ein Adliger, der Schuld auf sich geladen und zwei kleine Kinder um ihre Eltern und das Erbe gebracht hat.
Roger Burdett schließlich sollte eigentlich den jugendlichen Helden geben, den Sunnyboy und Hobbydetektiv (wie Richard Gordon im "Frosch" z.B.). Dies sollte ihn nach Möglichkeit unverdächtig wirken lassen.
Man muß dazu aber vielleicht bedenken, daß die Krimierfahrungen des heutigen Publikums sicher ganz andere sind als die zu Zeiten von EW. Um also eine hundertprozent nicht erratbare Lösung zu konstruieren, müßte man mit Mitteln arbeiten, die im Grunde nicht wallace-typisch sind, denn (fast) alle Wallace-Auflösungen würden heute eine Krimi-Kenner nicht wirklich überraschen. Heute haben wir im Grunde alles schon gesehen oder gelesen, selbst der US-Präsident war schon der Mörder, ob es einen Papst als Mörder (direkt meine ich) gab, ist mir nicht bekannt, aber wundern würde es mich nicht wirklich, wenn ein Autor so etwas erfinden würde. Also wurde mir schnell klar, daß ich Burdett vermutlich nicht zu hundert Prozent würde vor einer möglichen Entlarvung durch den Leser verstecken können. Blieb nur noch der Trick mit dem Anruf, der ja bei dem einen oder Anderen gewirkt hat . Und mein Vertauen darauf, den eigentlichen Mord so geschickt konstruiert zu haben, daß die beiden Täter nicht vorzeitig vom Leser entlarvt werden.
Um die Geschichte nicht zu umfangreich werden zu lassen, ließ ich eine Art Arbeitsteilung einziehen: Elk und der Yard verfolgten intensiv den fall des "Flüsterers", und Burdett versuchte, den Mörder zu entlarven. Das erschien mir auch logisch, weil ja Burdett als Flüsterer persönlich in seiner "Ehre" angegriffen war. Und so konnte ich ja auch zwei voneinander getrennte Auflösungen hinarbeiten. Natürlich mußte Elk auch den Mordfall lösen, dies aber eher en passent, als Zugabe sozusagen.
Daß der Flüsterer dann tasächlich entkommen konnte, schob ich ganz bewußt Sir John in die Schuhe, damit Elk nicht wieder als Verlierer und Trottel dastand. Daß der Yard-Chef persönlich eingreift, ist aber auch eine Reminiszenz an die Filme wie "Zimmer 13" oder den "Mönch".
Die Auflösung geraät dann etwas blutiger als gewohnt. Da fast alle Beteiligten irgendwie auch Schuld auf sich geladen hatten, machtees mir wenig Schwierigkeiten, sie sterben oder verwunden zu lassen. Und es sollte ja auch noch zusätzliche Verwirrung entstehen, um die Leser, die vielleicht schon nahe an der Lösung waren, nochmals auf eine falsche Spur zu lenken. Deshalb mußte der Butler sterben, da er ja sonst hätte aussagen können, daß nicht Cynthia Belinda bedroht hatte sondern umgekehrt. Auch die Szene in der Gruft diente ja noch einer letzten Verwirrung, indem ich Cynthia mit der Pistole an der Grabkammer stehen ließ. Dies mag den einen oder anderen verwirrt haben, der vielleicht etwas schnell drüber gelesen hat. Aber es war bewußt so gewollt.
Einzig der Tod Clays erschien mir im Nachhinein überflüssig, ihn werde ich in der Überarbeitung vermutlich nur verwunden lassen, wie es auch hier im Forum bereits vorgeschlagen wurde.

Ansonsten war es für mich ein tolles Gefühl, diese recht sauber konstruierte Geschichte zu Papier zu bringen, die manchmal in der Tat etwas an die Landhauskrimis von AC erinnert, aber mit all den o.g. Aspekten und Personen doch recht gut zu Wallace paßt.
Die Geschichten von EW sind meiner Meinung anch häufig nicht bis in Detail durchkonstruiert, sondern werden thrillerartig vorwärts getrieben zu immer neien Spannungshöhepunkten. Dies ist in meinen Augen ein kleines Manko, was ich mit meiner "Konstrukion" und den detaillierten Hinweisen im Verlauf der Geschichte ausgleichen und verändern wollte. Meiner Auffassung nach macht es wenig Sinn, im Jahr 2010 genau so wie EW vor 100 Jahren zu schreiben, sondern die heutigen Krimierfahrungen und Erwartungen sollten schon so weit in die Geschichten einfließen, wie es möglich ist, ohne ihren grundsätzlichen Charakter zu zerstören. Wenn mir dies gelungen ist, habe ich wohl nicht alles falsch gemacht.

BillyBoy03

"Wer die Bundesrepublik Deutschland mit einer Bananenrepublik vergleicht, tut den lateinamerikanischen Staaten arg unrecht!" TW

Count Villain Offline




Beiträge: 4.616

16.04.2010 14:31
#2 RE: Der Flüsterer -KGW 2010 Zitat · Antworten

Hey, du hast gewonnen, da kannst du gar nicht alles falsch gemacht haben.

Ich gestehe, dass ich ja auch auf den Telefontrick hereingefallen bin, obwohl mir eigentlich ziemlich früh klar, dass nur Burdett der Flüsterer sein kann (wahrscheinlich hauptsächlich weil die Grundstruktur der Geschichte dem Film "Neues vom Hexer" ähnelt). Und auch wenn mir Belinda verdächtig vorkam wegen des Einschließens von Burdett in der Speisekammer, wäre ich nie darauf gekommen, dass die Schwestern beide die Täterinnen sind. Die hast du also ziemlich gut vor dem Leser versteckt. Einzig die übrigen Verdächtigen gehen ja gegen Ende fast schon wieder ein wenig aus, weil sich deren Leichen türmen. Aber das sah man ja auch schon im Todesboten, dass du zur Verdächtigenreduzierung neigst, bis nur noch der Täter übrig ist. Die Falle für Lady Manning ist aber klug aufgebaut, auch wenn beim Lesen so ein bißchen das Gefühl bleibt, dass an der Szenerie etwas faul sein muss. Aber das ist wohl beabsichtigt.

Ich finde die stilistische Nähe zum Todesboten tut der Geschichte gut. Da hast du sicherlich die richtige Entscheidung getroffen. Man hat beim Lesen gleich ein vertrautes Gefühl und betritt gewissermaßen ein schon bekanntes Universum. Zusammen mit deinem Talent kriminalistische Erzählungen zu schreiben, konnte das ja fast nur ein gutes Ergebnis bringen. Und mit dem Erpresserstrang ging es dir dann anscheinend so, wie mir mit der Grundidee zur letzten Wette. Es fügte sich alles beinahe wie von selbst. Wenn einem - metaphorisch gesprochen - die Worte dann nur so aus der Feder fließen, dann amcht das Schreiben natürlich gleich besonders viel Spaß. Wobei es natürlich auch mal reizvoll sein kann mit einem Stoff auch mal zu kämpfen, wie es ja kaeuflin ergangen ist.

Ist der Wunsch nach einer weiblichen Hauptfigur eigentlich entstanden, weil noch beim Todesboten eine gefehlt hat? Oder hatte das andere Gründe? Die Auswahl der Charaktere verdient jedenfalls Lob. Sie sind in der Tat sehr wallace-typisch gehalten (bei Lady Manning musste ich zum Beispiel das ein oder andere Mal an Alice Treff in "Das 7. Opfer" denken).

In meiner Bewertung aller Geschichten haben dann letztendlich nur Nuancen den Ausschlag gegeben, dass Mr. Woolers Geschichte mein Favorit wurde und der Flüsterer bei mir persönlich nur auf dem zweiten Platz gelandet ist. Der Flüsterer kam mir nämlich letzten Endes nicht so "kurzgeschichtig" vor wie andere Geschichten, die im Rennen waren, sondern eher wie ein wirklicher Wallace Roman, den man etwas zusammengestaucht hatte. Daher kam auch mein Ratschlag, entweder konsequenter zusammenstauchen (und ggf. eine Figur und einen Nebenplot streichen) oder eben das Potential wirklich auszunutzen und einen richtigen (Kurz-)Roman daraus machen. Ich denke, der Stoff gibt das in jedem Fall her.

Und ansonsten noch einmal Glückwunsch zum verdienten Sieg!

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