Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden Impressum 
Forum Edgar Wallace ,...



Sie können sich hier anmelden
Dieses Thema hat 16 Antworten
und wurde 1.468 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker international
Seiten 1 | 2
Reinhard Offline



Beiträge: 1.373

19.11.2006 16:53
#16 RE: Zwei mystische Klassiker Zitat · Antworten

Zitat
Das wird dich als Gegner oberflächlicher Hollywoodproduktionen besonders freuen


Ts, ts- sowas verbreitet sich auch wie ein Lauffeuer!

Danke für die Infos! Wenn ich mich recht entsinne ist der Film ja in der SZ-Kinemathek erschienen, oder? Die werde ich mal andenken. Leider bin ich gerade wieder mal hoffnungslos pleite!

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

05.05.2013 14:46
#17 RE: Zwei mystische Klassiker Zitat · Antworten



Picknick am Valentinstag (Picnic at Hanging Rock)
Mysterydrama, AUS 1975. Regie: Peter Weir. Drehbuch: Cliff Green (Buchvorlage: Joan Lindsay). Mit: Rachel Roberts (Mrs. Appleyard), Vivean Gray (Miss McCraw), Hellen Morse (Mlle. de Poitiers), Kirsty Child (Miss Lumley), Anthony Llewellyn-Jones (Tom), Jacki Weaver (Minnie), Frank Gunnell (Mr. Whitehead), Anne Lambert (Miranda), Karen Robson (Irma), Jane Vallis (Marion) u.a. Uraufführung: 8. August 1975 (Australien), 24. Juli 1977 (Deutschland).

Zitat von Picknick am Valentinstag
Am Valentinstag des Jahres 1900 brechen die Schülerinnen eines australischen College zu einer Exkursion zum Felsen Hanging Rock auf. Was als unbeschwerter Ausflug beginnt, endet dramatisch: Mehrere Schülerinnen und eine Begleiterin verschwinden unter mysteriösen Umständen. Ein Mädchen wird später gefunden, kann aber nichts zur Klärung des Vorfalls beitragen. Was geschah am Hanging Rock?


„Picknick am Valentinstag“ wird der Sparte des australischen Arthouse-Kinos zugerechnet und vor allem in Europa und den USA als Mischung aus period drama mit übersinnlichen und dem Horrorfach entliehenen Einsprengseln geschätzt, obwohl der Film nicht mit ausgesprochenen Schock- oder Angstelementen arbeitet. Er schafft es vielmehr, auf langsame Art und Weise eine Spannung aufzubauen, die sich aus der Fremdbestimmtheit der Protagonisten ergibt. Die Schulmädchen, die am Hanging Rock verschwinden, entrücken der Wirklichkeit in einer beinahe feierlich von der Kamera eingefangenen Prozedur, in der sie ihre Kraft zu eigenen Entscheidungen durch unsichtbare Kräfte abtreten und Teil der imposanten Naturkulisse werden.
Für den Zuschauer kommt dieses seltsame Ritual überraschend und wirft Fragen auf, deren Beantwortung er sich von der übrigen Spielzeit des Films erwartet. Doch nichts da: „Picknick am Valentinstag“ ist kein Krimi, in dem am Ende eine Auflösung steht, die Klarheit darüber bringt, wer wann warum auf welche Weise und mit welchen Konsequenzen gehandelt hat. Die Entmenschlichung der Mädchen findet keine plausible Erklärung – man wird stattdessen mit einem (weiteren) Todesfall und vielen offenen Fragen in den Abend entlassen. Dieses Stilmerkmal ist der bestimmende Faktor, der sowohl Film- als auch Buchvorlage populär gemacht hat:

Zitat von Nathaniel Thompson: Picnic at Hanging Rock (1975), Turner Classic Movies
Sydney-born filmmaker Peter Weir immediately caught the attention of audiences and critics in 1975 with this film, adapted from a 1967 novel by Joan Lindsay which promoted itself as being based on fact – though not surprisingly, it was soon revealed as a complete work of fiction. After several years of public pressure and perhaps inspired by a recent literary addition by Anthony Burgess to A Clockwork Orange, Lindsay reissued her equally enigmatic novel with an additional chapter in which she devised a cosmic, interdimensional explanation for the girls’ disappearance which satisfied very few. Wisely, Weir and screenwriter Cliff Green adhered to the novel’s initial construction.


Gleichzeitig muss allerdings auch angeführt werden, dass gerade für krimigeschulte Zuschauer eine solche Vorgehensweise direkt ans Ärgerliche grenzt. Man dürstet nach fundierten Lösungen, denn im Grunde unterscheidet „Picknick am Valentinstag“ im Aufbau nicht viel von einem herkömmlichen Whodunit. Sogar die Polizei wird ins Spiel gebracht, welche aber eine vielsagend kleine Rolle gegenüber den betroffenen Schülerinnen einnimmt.
Wann immer sich der Film zu sehr auf die Interaktionen zwischen den Mädchen konzentriert, versinkt er in etwas zu kitschiger Dramaturgie, die der innovativen Art, einer drohenden Unsicherheit zu begegnen, entgegengerichtet und deshalb dem Gesamteindruck nicht wirklich zuträglich ist. Die gestelzten Dialoge, die einem manchmal die Fußnägel aufrollen, sind allerdings eher der Synchronisation zuzuschreiben, die zwar schon 1977 entstand, aber doch ihre Fernsehherkunft verrät und den natürlichen Fluss der Sprache nicht ins Deutsche zu übertragen imstande ist.
Am wenigsten beschädigen die geschraubten Dialoge selbstverständlich die Äußerungen der älteren Generation, sodass die Hauptdarstellerin Rachel Roberts einen zusätzlichen Vorsprung gegenüber ihren Kolleginnen einfahren kann. Roberts war nicht nur für Regisseur Peter Weir eine strategisch ideale Wahl, sie setzte ihre mit tragischen Facetten ausgestattete Rolle auch sehr ansprechend um.

Zitat von Nathaniel Thompson
Most international productions in the ‘60s and ‘70s required a recognized “name” actor to boost sales potential, and here the casting of Welsh-born Rachel Roberts proved fortuitous indeed. Though primarily known as a stage actress, she was Oscar®-nominated for Best Supporting Actress for 1963’s This Sporting Life and was married to actor Rex Harrison for nine years. Her role in Weir’s film arrived at the height of her productivity on the screen, as she was fresh off appearances in Lindsay Anderson’s O Lucky Man! (1973) and Murder on the Orient Express (1974), followed next by her rowdiest role as a villainous “hot mama” in 1978’s Foul Play. Her unexpected death by drug overdose in 1980 was considered a suicide.


Die Reaktionen der Schulleiterin bewegen sich konträr zu den Erwartungen aller auf sie gerichteter Augen: Nach Mitleid und Empathie sucht man in ihrem Handeln zunehmend vergeblich, denn sie ist weniger auf das Wohlergehen ihrer Schüler als auf den Ruf der Anstalt bedacht. Roberts, die auch in „Mord im Orientexpress“ überzeugend ihre strenge Seite nach außen kehrte, meistert die Herausforderungen der „Valentinstags“-Geschichte mit Bravour.
Dennoch bleibt der Film nicht als Schauspielerfilm in Erinnerung, denn die eigentliche Hauptrolle spielt die Natur, in die das „Picknick“ eingebettet ist. Die Aufnahmen, die Russell Boyd einfing, beeindrucken durch sommerliche Luftigkeit, die sonnige Unbeschwertheit auf der einen und drückende Schwüle auf der anderen Seite umfasst. Aus einem heutigen Blickwinkel ist die Art der Fotografie zwar sicher kein Meilenstein mehr und könnte ebenso gut mit anderen Motiven in einem Rosamunde-Pilcher-Drama zu sehen sein, wohl aber zeigt sie, mit welcher Frische und Offenheit das von Joan Lindsay ersonnene Mysterium angegangen wurde.

Die Mischung aus rätselhaftem Drama mit romantischen Anklängen übt in erster Linie einen großen visuellen Reiz aus, dem es gut darüber hinwegzutäuschen gelingt, dass es eigentlich keine große Kunst ist, sich etwas völlig Unerklärliches auszudenken und Leser oder Zuschauer die Aufklärung schuldig zu bleiben. Lässt man sich jedoch auf dieses ungewohnte Experiment ein, sieht man einen auf hohem handwerklichen Niveau hergestellten Film, der trotz später geschriebener Vorlage sehr authentisch in das Australien der späten viktorianischen Epoche eintaucht.



Die DVD von Koch Media rechtfertigt in jeder Hinsicht ihre Vermarktung als „Special Edition“. Auf drei DVDs und einer Blu-ray findet sich der Film in verschiedenen Fassungen, daneben werden umfangreiche Bonusmaterialien angeboten. Dass die Bildqualität überzeugt, wundert bei dem verantwortlichen Label und der hohen Reputation des Films keineswegs. Der Film wird mit deutschem und englischem Ton sowie optionalen Untertiteln vermarktet – in der Langfassung kommt es in der Synchronisation zu einigen OmU-Stellen. Trotz meiner Kritik an der TV-Synchronisation sei auf deren prominente Besetzung hingewiesen, die für uns Krimifans die Originalbesetzung sicher an manchen Stellen aussticht und uns u.a. Ekkehard Belle, Fritz Tillmann, Marianne Kehlau und Irina Wanka aufs Ohr packt. Die vier Discs befinden sich in einer glänzend lackierten Buchbox mit Blu-ray-Keepcase-Höhe, in die mittig ein kleines Booklet eingearbeitet ist.

Seiten 1 | 2
 Sprung  
Xobor Einfach ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz