Am 10.02. startet nach diversen Verschiebungen mit "Tod auf dem Nil" die zweite Agatha Christie-Verfilmung von und mit Kenneth Branagh. Der Vorgänger, "Mord im Orient-Express" (2017), stieß hier im Forum auf gemischte Reaktionen:
Den Start der Neuverfilmung nehmen wir im "Rückblende"-Podcast übrigens zum Anlass, in der kommenden Folge über die bekannte Verfilmung aus dem Jahre 1978 mit Peter Ustinov zu sprechen.
Die Frage ist, ob man das braucht, da es ja altmodische Bücher sind. Da reichen finde ich die alten Filme. Mord im Orient-Express, da kenn ich die Lösung wohl für immer und auch Tod auf dem Nil. An die Lösung kann ich mich dunkel erinnern. Nun, gesehen hab ich den 2017er Film auch und den Neuenwahrscheinlich irgendwann auch mal. Zuletzt hatte ich den alten mit unter anderem Diana Rigg gesehen. Aber für mich dann lieber sowas Neues mit Daniel Craig. Letztlich wie bei allem, da der Orientexpress sehr erfolgreich, geht's halt weiter.
So, habe den Film inzwischen im Kino sichten können und schildere mal nachfolgend meine Eindrücke (enthält Spoiler):
Auch wenn der Film sich in den ganz zentralen Aspekten wie die erste Verfilmung an die Vorlage hält, gibt es im Detail so manche Abweichung, die vielen hier wahrscheinlich eher nicht gefallen werden.
Er beginnt mit in Schwarzweiß erzählten Erlebnissen Poirots aus dem Ersten Weltkrieg. Hier zeichnet sich bereits die Tendenz ab, die im weiteren Verlauf des Films immer wieder mehr oder weniger deutlich durchschimmert: Auch im Falle Poirots will man sich den heutigen Gepflogenheiten nicht mehr damit begnügen, dass Poirot ein spleeniger, genialer Kopf ist, vielmehr gilt es wie bei Bond, der Figur mehr persönliche Seiten abzugewinnen, um sie so "menschlicher" erscheinen zu lassen. Im Falle von Poirot ist es nun die große Liebe, deren Nichterfüllung er auch zwei Jahrzehnte danach noch nicht recht verkraftet zu haben scheint.
Die Einführung der eigentlichen Handlung erfolgt sodann nicht auf dem Anwesen von Linnet Ridgeway, sondern in einer Bar, in der die von der schlüpfrigen Literatin zur Blues-Sängerin verwandelten Mrs. Otterbourne einen optisch stark in Szene gesetzten Auftritt hat. Um sie herum tanzen u.a. das Paar Doyle/de Bellefort und trifft im Anschluss auf Linnet. Die Grundstory wird etabliert und doch fügt man dem Ganzen etwas Neues hinzu - ein durchaus ansprechender, ja sogar vielversprechender Auftakt. Im Anschluss zeigt sich eine weitere Abweichung, denn Linnet in Person von Gal Gadot ("Wonderwoman") agiert längst nicht so universell unsympathisch wie im Roman/in der 1978er-Verfilmung, wo sie einer Vielzahl an Personen für das Publikum wahrnehmbar ein Mordmotiv auf dem Teller serviert. Der Konflikt mit Jacqueline ist natürlich da, ansonsten wird eigentlich nur Dr. Windlesham als ehemaliger verprellter Liebhaber als potentiell weiterer Verdächtiger etabliert. Bei den restlichen Figuren wird erst im Nachgang an den Mord "Material" geliefert, warum sie ein Interesse gehabt haben könnten, Linnet zu töten. Das führt auch sogleich zur ersten echten Schwäche des Films: Viele Figuren bleiben einfach völlig blass. Musterbeispiel sind die Damen van Schuyler und Bowers, in der 1978er-Varianten durch die Darstellung von Bette Davis und Maggie Smith noch ein herrlich anzusehenes Doppel. Hier beschränkt man sich darauf, diese - aus narrativer Sicht gänzlich überflüssig, inhaltlich wohl als eines der zeitgenössischen Zugeständnisse anzusehen - als lesbisches Paar zu enthüllen. Eine weitere Stärke des Ustinov-Films war das Buddy-Gespann, das er mit David Niven abgab. Dessen Figur wurde komplett entfernt und ist in der Figur des jungen Bouc aufgegangen, der zugleich als eine Art Freund/Bekannter von Poirot sowie als potentieller Verdächtiger auftritt. Dass sich im Verlaufe der Handlung herausstellt, dass Poirot von Boucs Mutter, gespielt von Annette Benning, engangiert wurde, um ihrem Sohn und insbesondere der Tochter von Mrs Otterbourne hinterherzuschnüffeln, mit der Bouc ein Verhältnis hat, ist eine weitere eher wenig geglückte Überarbeitung. Jedenfalls kann man sich nur bedingt vorstellen, dass es ein Poirot nötig hat oder es ihm Spaß macht, einem jungen Paar und dessen Liebesbeziehung nachzujagen. Zuletzt sind es vor allem die oft nicht sonderlich geglückten CGI-Aufnahmen, die einen wie schon im Vorgänger immer wieder aus der "Nil-Illusion" herausreißen und den Film mitunter extrem künstlich wirken lassen.
Auf darstellerischer Ebene sticht für mich Emma Mackey als Jacqueline heraus, da sie die Figur im Vergleich zu Mia Farrows sehr neurotischer Interpretation angenehm zurückhaltend und kühl-berechnend darstellt. Branagh macht seine Sache im Ganzen ordentlich, ohne an Ustinovs Charisma heranreichen zu können. Jedenfalls hat man die Bestrebungen des ersten Films, Poirot etwas "actionlastiger" zu interpretieren, offenbar vorläufig über Bord geworfen. Die Musik ist weitaus vordergründiger, kann aber mit den Blues-Einlagen der Otterbourne durchaus Akzente setzen.
Das Fazit fällt ähnlich aus wie schon im Falle des "Orient-Express": Einerseits ist es interessant, einen derart klassischen Krimistoff mit größerem Aufwand neu interpretiert auf der Leinwand zu sehen, andererseits ist die Story eben doch bekannt, der Cast kommt trotz positiver Ausnahmen bei weitem nicht an denjenigen der Erstverfilmung heran und auch die Schauwerte bleiben aufgrund des "großzügigen" CGI-Einsatzes deutlich zurück. Schließlich kann man über manche inhaltliche Modifikation sicherlich streiten. Unterm Strich ist mir dann ein neuer Stoff in Gewand eines alten Kriminalstücks wie "Knives Out" lieber. Im Rahmen eines solchen Films lassen sich zeitgenössische Themen und moderne Formen der Figurencharakterisierung auch weitaus schonender und stimmiger integrieren. Insgesamt 3 von 5 Punkten.
IMHO hat Branagh weder sich, noch Christie, noch den Zuschauern mit seiner Neuinterpretation einen Gefallen getan. Dieses fast schon zwanghafte Anbiedern an derzeit aktuelle gesellschaftspolitische Trends, die in 10 Jahren schon wieder Geschichte sein können, tackert viele der heutigen Filme (trotz pseudohistorischer Ausstattung) so gnadenlos in ihrer Entstehungszeit fest, daß sie schon in Kürze altbackener aussehen werden als ihre über 40 Jahre alten Vorbilder.
Erschwerend hinzu kommt noch die Stoffauswahl. "Mord im Orientexpress" wurde schon sage und schreibe DREIMAL (sogar viermal, wenn man die deutsche TV-Fassung aus den 50ern mitzählt, die aber verschollen ist) verfilmt, als Branagh mit seiner Version um die Ecke kam, so daß ihm eigentlich nur ein Weg blieb, der Sache neue Facetten abzugewinnen: nämlich, die Vorlage NOCH MEHR zu entstellen als in der 2001er-TV-Version mit Alfred Molina. Immerhin tauchte er das Ganze in erlesene Bilder und hatte einen (für heutige Verhältnisse!) durchaus repräsentablen All-Star-Cast (den er über weite Strecken allerdings mehr als verschwendete) bei der Hand. Ist der Zuschauer dann noch bereit, den Namen "Agatha Christie" komplett aus seinem Kopf zu verbannen und durch "Kenneth Branagh" zu ersetzen, kann er sogar mit der Interpretation der Hauptfigur leben. Summa summarum blieb so ein durchaus aufwendig gemachter Film mit starker Besetzung, guter Musik und einem Drehbuch, das immer dann am Kraft und Glaubwürdigkeit verlor, wenn es sich von der Vorlage entfernte und den typischen heutigen PC-Riten folgte oder Action-Szenen unmotiviert einstreute.
Und jetzt "Tod auf dem Nil" - auch schon zweimal mit großem Aufwand verfilmt, und hier wird es richtig erbärmlich. Der Prolog im Krieg, der offenbar einzig der Rechtfertigung für den im "Orientexpress" etablierten Karnevalsbart dient, den Branagh meinte, hier tragen zu müssen; erneutes Aufwärmen der unglücklichen Liebschaft Poirots; der CGI-Einsatz deutlich offensichtlicher/billiger; zwei weibliche Nebenfiguren völlig unmotiviert (und ohne weitere Bedeutung für die Handlung) auf ein Lesbenpärchen reduziert; der Rechtsanwalt zum Inder gemacht; im Cast kaum noch ein "großer Name" (hatten die alle keine Lust?).
Sicher ist auch dieser Film nicht völlig unansehnlich, aber für wen ist er gedacht? Christie-Puristen wenden sich mit Grausen ab und greifen lieber zu den älteren Verfilmungen (oder gleich den Romanen), und Marvel-Fans erleben beim Abgang der Gadot vermutlich den Schock ihres Lebens...
Zitat von Lord Peter im Beitrag #5 Sicher ist auch dieser Film nicht völlig unansehnlich, aber für wen ist er gedacht? Christie-Puristen wenden sich mit Grausen ab und greifen lieber zu den älteren Verfilmungen (oder gleich den Romanen), und Marvel-Fans erleben beim Abgang der Gadot vermutlich den Schock ihres Lebens...
Ich denke, dass der Film primär für eine heutige Zielgruppe gemacht ist, die ganz überwiegend keinen Christie-Roman gelesen und weit überwiegend auch keine "Nil"-Verfilmung gesehen hat. Retro-Chic unter Berücksichtigung gesellschaftspolitischer Trends kommt ja beim breiten Publikum durchaus an, wie man an "Babylon Berlin" exemplarisch sieht. Insofern richtet sich der Film wahrscheinlcih an ein derartiges Publikum, das zwischen Marvel & Co mal ein wenig "retro" schaut oder zumindest das, was man sich darunter heutzutage gemeinhin vorstellt. Denn Christie-Puristen kommen wie du ja richtig sagst, nur sehr bedingt auf ihre Kosten. Wobei man glaube ich auch nicht ganz unterschätzen darf, dass es da auch noch ein Publikum dazwischen gibt, dass die gängigen Christie-Verfilmungen an Feiertagen immer mal gerne sieht und zur Jugendzeit vielleicht auch mal Romane gelesen hat, ohne sich aber mit dem Ganzen vertieft zu beschäftigen, und dann so eine Gelegenheit, einen altvertrauten Stoff in neuem Gewand auf großer Leinwand zu sehen, dankend annimmt.
Zitat von Lord Peter im Beitrag #5Sicher ist auch dieser Film nicht völlig unansehnlich, aber für wen ist er gedacht?
Das frage ich mich bei den letzen Bond-Filmen, allen voran den schrecklichen KEINE ZEIT ZU STERBEN auch. Die alten Bond-Fans, die noch einen "echten" James Bond sehen möchten, müssen zwangsläufig auf die alten Filme zurückgreifen und den neuen, jüngeren Zuschauern gefällt's wahrscheinlich. Genau so sehe ich das bei den Christie-Verfilmungen. TOD AUF DEM NIL habe ich zwar noch nicht gesehen, aber MORD IM ORIENT-EXPRESS hat mir eigentlich ganz gut gefallen.
Ray hat das doch treffend formuliert. Der Film ist für die heutige Zielgruppe gemacht und aus der sind diese alters und bildungsmäßig noch nicht drinnen. Genauso geht es den noch älteren die das nicht verstehen was vielleicht ihr toll findet.
Die Inszenierung der Neuverfilmung ist in jeder Hinsicht unangenehm künstlich geraten: Waren die Effekte schon im neuen "ORIENTEXPRESS" ein Ärgernis, sind sie in ihrer Fülle hier leider omnipräsent. In ihrer Ästhetik erinnern viele Szenen an am Computer zusammenpräparierte Werbespots für Sekt o.Ä. Hinzu kommt eine wohl raffiniert gemeinte aber quälend geratene Bildkomposition. Eigentlich mag ich meist Filme mit schön eingerichteten Geometrie-Bildausschnitten. Wenn aber gefühlt jede dritte Einstellung ein symmetrisch zentrierter Bildaufbau ist, ist das schlicht ermüdend. Zu allem Überfluss ist dann auch noch die Anordnung von Figuren und Raum völlig unrealistisch. Gleich zu Beginn sitzt Poirot star und stumm an einem Einzeltisch, der wiederum einzig und allein mitten auf einer ausgiebig genutzten Tanzfläche steht. Solch einen (hoffentlich wenigstens bewusst gewählten) unwirklichen Regiestil kann ich gut und gerne für eine Traumsequenz oder ein überakzentuiertes Musikvideo akzeptieren, hier finde ich es völlig störend. Auch auf dem Schiff sitzt er samt seines - weil ein Spielpartner nach Niven-Art fehlt praktisch obligatorischen - Einzeltisches fast innerhalb der persönlichen Distanzzonen seiner Mitreisenden, damit ja klar wird, dass er deren Dialoge registriert. Das lenkt dann auch alles davon ab, dass Branagh, Gadot und Hammer eigentlich eine ordentliche darstellerische Leistung zeigen. Positiv herausheben würde auch ich Emma Mackey. Die übrigen Cast-Mitglieder agieren entweder weniger überzeugend oder werden durch ihre vergleichsweise blass bleibenden Figuren belastet. Neben stellenweisen Änderungen, die auch nicht großartig Punkte gutmachen, hält sich die Handlung im Großen und Ganzen an den prominenten Vorgänger und die Romanvorlage. Während der ersten Ermittlungen wirkt Poirots "Rundumschlag" gegenüber den Mitreisenden hier allerdings eher hilflos und so willkürlich, wie ihm es die Figuren dann auch vorwerfen. 1978 wirkte es eher wie eine taktische Bearbeitung. Überhaupt ist die durchaus aufwändige Verfilmung beste Werbung für den Film von 1978. Die Neuverfilmung kann diesem in keinem Bereich das Nilwasser reichen. Da der Inszenierungsstil meinen Geschmack völlig verfehlt und der Rest höchstens Durchschnitt ist, gebe ich 2/5. Rangiert für mich damit auch noch hinter der ORIENTEXPRESS-Neuverfilmung.
Zitat von Lord Peter im Beitrag #5Sicher ist auch dieser Film nicht völlig unansehnlich, aber für wen ist er gedacht?
Zitat von Ray im Beitrag #6Ich denke, dass der Film primär für eine heutige Zielgruppe gemacht ist, die ganz überwiegend keinen Christie-Roman gelesen und weit überwiegend auch keine "Nil"-Verfilmung gesehen hat. Retro-Chic unter Berücksichtigung gesellschaftspolitischer Trends kommt ja beim breiten Publikum durchaus an, wie man an "Babylon Berlin" exemplarisch sieht.
Zitat von Havi17 im Beitrag #8Der Film ist für die heutige Zielgruppe gemacht und aus der sind diese alters und bildungsmäßig noch nicht drinnen. Genauso geht es den noch älteren die das nicht verstehen was vielleicht ihr toll findet.
Ich weiß nicht, ob ich die anvisierte Zielgruppe bin, aber ich gehöre jedenfalls zu den Personen, denen der Film sehr gut gefallen hat. Und das obwohl ich noch nie "Babylon Berlin" gesehen habe (von Trailern mal abgesehen) und ein Christie-Purist bin und auch alle vorherigen Fassungen sowie das Buch kenne. Wobei der Ausdruck "Purist" vielleicht nicht der passende Ausdruck ist. "Fan" trifft es eher. Bei "Purist" schwingt immer so eine Verweigerung von jeglichen Veränderungen am Original mit, die ich definitiv nicht teile. Womöglich bin ich auch einfach noch jung (geblieben) genug. Immerhin gehöre ich noch zur werberelevanten Zielgruppe von 6 aus 49, pardon 14 - 49.
Die Künstlichkeit, die von einigen als großes Manko gesehen wird, ist für mich Programm. Quasi der Ausdruck der künstlerischen Herangehensweise an den Stoff. Man hebt das Geschehen damit gleichzeitig in eine leicht surreale Märchenwelt und betont damit den fantastischen Charakter des Ausgangsstoffes. Denn seien wir mal ehrlich, Christies Romane bilden schließlich auch nicht die Realität ab, sondern sind - in weiten Teilen - klug ausgedachte Mörderpuzzle. Und da "Tod auf dem Nil" sowohl als solches bereits eine kongeniale Verfilmung erfahren hat als auch als Drama-Stoff in der Suchet-Serie, begrüße ich die neue, "frische" Herangehensweise. Samt CGI und symmetrischem Bildaufbau. Gerade letzteres ist nur eine konsequente Fortführung von dem, was bereits der Orientexpress als bestimmendes Charaktermerkmal für Poirot etabliert hat, die "Sucht" nach Ordnung und Symmetrie. Von daher erkenne ich die Vision Branaghs. Dass diese natürlich nicht jedem gefällt, ist verständlich. Ich nehme daran jedoch keinen Anstoß. Auch dass Branagh den Film samt einer entsprechenden Backstory für Poirot unter das große Thema "Liebe" gestellt hat, passt für mich.
Und was jetzt den Christie-Kenner und -Fan angeht, war es sehr spannend zu sehen, wie die einzelnen Charaktere in dieser Verfilmung interpretiert wurden. Teilweise näher am Original als in der Ustinov-Version. Zum Beispiel Ferguson, der dort auf den Kommunisten reduziert ist, bei Suchet dann korrekt seinen Hintergrund als Lord hat und hier gleich in mehreren Figuren aufgeht (zum einen der Doktor, der ein Lord ist, zum anderen Mrs. Van Schuyler, die ihr Vermögen verschenkt). Oder Tim Allerton, dessen Rolle als Love Interest in 1978 auf Ferguson übertragen und dessen Rolle als (ebenfalls) Juwelendieb komplett gestrichen wurde (bzw. Mrs. Van Schuylers Kleptomanie mit einer Absichtskomponente ergänzte). In 2004 ist er dementsprechend beinahe originalgetreu eingebaut, während er nun sowohl als Love Interest als auch als Dieb und Verdächtiger im Bouc-Charakter aufging. Ebenso interessant das Schicksal von Rosalie Otterbourne. Verliert sie 1978 "nur" ihre Mutter und hat am Ende einen starken Mann an ihrer Seite, beendet sie den 2004er Film sowohl mutterlos als auch solo. Hier nun darf sie den Mutterersatz behalten, verliert aber ihre große Liebe. Also da gibt es für den aufgeschlossenen Christie-Puristen durchaus viel interessantes zu entdecken.
Und was sonstige Änderungen betrifft, gibt es tatsächlich auch Punkte, die besser gelöst sind als 1978. Während man sich dort die Frage stellen kann, warum zufällig alle Passagiere auf dem Nildampfer ein Motiv für den Mord haben (und man überhaupt keine anderen Passagier sieht wie im Roman bzw. bei Suchet), hat man das hier über den Kniff mit der Privatparty sehr gut gelöst. Und wenn man noch einmal bei Allerton an 2004 denkt und die Implikation am Ende, dass er entweder ein inzestuöses Verhältnis zu seiner Mutter hat oder mit einer Cougar reist, die vorgibt, seine Mutter zu sein, was beides auch absolut nichts für den Fall als solches tut, fällt im Vergleich die lesbische Beziehung in der Branagh-Verfilmung kaum noch ins Gewicht. Zumal Branagh-Poirot in dem Zusammenhang immerhin noch eine seiner schlauen Schlussfolgerungen anbringen darf.
Ob ich bei Branagh nun Orientexpress oder Nil vorziehe, kann ich noch nicht sagen. Dafür müsste ich mir den ersten Film auch erst noch einmal wieder anschauen. Auf jeden Fall warte ich schon sehr gespannt und freue mich auf die dritte Verfilmung. Insbesondere welcher Stoff ausgewählt wird. Es soll ja jetzt als Nächstes ein etwas weniger bekannter Roman folgen.
Zitat von Ray im Beitrag #4Die Einführung der eigentlichen Handlung erfolgt sodann nicht auf dem Anwesen von Linnet Ridgeway, sondern in einer Bar, in der die von der schlüpfrigen Literatin zur Blues-Sängerin verwandelten Mrs. Otterbourne einen optisch stark in Szene gesetzten Auftritt hat. Um sie herum tanzen u.a. das Paar Doyle/de Bellefort und trifft im Anschluss auf Linnet. Die Grundstory wird etabliert und doch fügt man dem Ganzen etwas Neues hinzu - ein durchaus ansprechender, ja sogar vielversprechender Auftakt.
Und selbst der hat seine Basis im Roman. Auch dort gibt es eine kurze Szene, in dem Poirot Linnet, Simon und Jaqueline erstmalig vor der Hochzeit in einem Etablissement sieht.