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 Film- und Fernsehklassiker national
Prisma Offline




Beiträge: 7.591

27.04.2014 14:03
Fedora (1978) Zitat · Antworten



FEDORA (1978)

mit William Holden, Marthe Keller und Hildegard Knef
Frances Sternhagen, José Ferrer, Mario Adorf, Stephen Collins, Hans Jaray, Gottfried John, Ellen Schwiers, Ferdy Mayne
als Gäste Henry Fonda und Michael York
eine Produktion der Bavaria Atelier GmbH für NF-Geria II | im Verleih der CS-Film
ein Film von Billy Wilder





»Doch immer wieder taucht einmal ein Gesicht auf in das sich die Kamera verliebt!«


Der unabhängige Filmproduzent Barry Detweiler (William Holden) hofft für die Verwirklichung seines Films die zurückgezogene Film-Legende Fedora (Marthe Keller) zu gewinnen. Mit ihr würde das Projekt ohnehin stehen oder fallen, da eine Abschreibungsgesellschaft den Film ausschließlich mit ihr als Zugpferd finanzieren würde. So reist Detweiler nach Korfu, wo der ehemalige Filmstar auf einer abgeschirmten Insel leben soll. Doch Suche und Kontaktaufnahme erweisen sich als beinahe unmöglich, da Fedora von ihrer seltsamen Entourage, der rätselhaften alten Dame im Rollstuhl namens Gräfin Sobriansky (Hildegard Knef), der Krankenschwester Miss Balfour (Frances Sternahagen), und dem dubiosen Arzt Dr. Vando (José Ferrer) komplett abgeschirmt wird. Da der in Zugzwang geratene Filmproduzent allerdings hartnäckig bleiben muss, trifft er die Schauspielerin durch Zufall in der Stadt, und kann sich kurz mit ihr unterhalten und ihr sein Drehbuch mitgeben. Wenig später erhält er eine offizielle Einladung zur Insel, wo er Fedora sein Anliegen ausführlich vorbringen möchte. Aber er hat die Rechnung ohne die verbitterte Gräfin gemacht. Barry, der Fedora vor mehreren Jahrzehnten als Produktions-Assistent kennen lernte, ist erstaunt über die nach wie vor jung aussehende Schauspielerin, deren Schönheit unvergänglich zu sein scheint. Doch hinter der Fassade offenbart sich langsam eine Geschichte, die tatsächlich nur aus der Traumfabrik stammen kann...

Billy Wilders "Fedora" zähle ich durchaus zu den Filmen, die ich sehr gerne, und daher immer wieder anschaue, weil eine Geschichte aus der Traumfabrik interessant inszeniert, und packend erzählt wurde. Dabei tut der Film das einzig Richtige und bedient sich allerlei gängiger Klischees, die schließlich das Fundament der Story darstellen, und die geäußerte Kritik schlüssig kolportieren. Eine zu vermutende Abrechnung mit den, für den Zuschauer unsichtbaren Vorgängen hinter den Kulissen ist allerdings nicht dabei herausgekommen. Das erscheint auch nicht weiter tragisch, denn entstanden ist ein beachtlicher Unterhaltungsfilm, dem selbst Melodramatik und empfundene Märchen-Fragmente hervorragend stehen, und dabei erscheint die Inszenierung von A bis Z durch und durch aufwendig. Das große Plus bei der Herangehensweise ist die interessante Erzählstruktur, denn die Geschichte wird quasi über die gesamte Spieldauer langsam, aber Aufsehen erregend von hinten aufgerollt. Der Vorhang fällt gleich zu Beginn, denn man sieht bereits den Selbstmord der weltberühmten Film-Diva, indem sie sich verzweifelt vor einen Zug wirft, und darauf folgen unmittelbar die Erklärungen zu ihrer Person durch eine Nachrichtensprecherin, die das Leben und ihre Karriere kurz durchleuchtet. Das Star-Kino als Film-im-Film-Variante gibt der Angelegenheit einen besonderen Schliff, und der weitere Verlauf offenbart sich als große, weitläufig angelegte Rückblende, in der es zusätzlich immer wieder zu erneuten Rückblenden kommt. Dabei verzichteten Regie und Drehbuch komplett auf die hierbei gerne verwendete Komplexität dieser Blicke zurück nach vorn, was in diesem Fall besonders gut zur Geltung kommt, da diese Sequenzen ganz deutlich voneinander abgegrenzt sind, aber dennoch einen runden Erzählfluss offerieren, und schließlich eine solide Grundspannung und sogar leichtes Tempo zu vermitteln wissen. Da ein derartiger Film, der sich mit dem Thema Glanz und Gloria der Filmbranche beschäftigt, eine mehr als aussagekräftige Besetzungsliste zur Verfügung haben muss, um glaubhaft zu wirken, setzte man hier daher bis in die kleinsten Nebenrollen große Akzente.





William Holden fungiert gleich zu Beginn als Erzähler, und er nimmt den Zuschauer unmittelbar beim Betrachten der aufgebahrten Fedora mit auf diese turbulente Reise. Im weiteren Verlauf wird Hildegard Knef diese Erzähl-Funktion an sich bringen und quasi zur Chefsache machen. Detweiler spart nicht mit Vorwürfen, genau wie es der Film insgesamt auch nicht tut, doch das angenehme daran ist, dass alle Seiten ihre Lektion zu gleichen teilen bekommen werden. William Holden erscheint perfekt für diese Rolle zu sein, er verkörpert einen Mann aus den guten, alten Zeiten, als der Film noch keine Handkameras mit Zooms kannte, als es noch klassische Drehbücher gab, und als die jungen Wilden mit den Bärten noch nicht das Sagen hatten. Jedoch sieht sich "Fedora" nicht als Hommage für vergangene Zeiten an, sondern gefällt sich eher in einer gut aufgebauten, wenn auch zu zaghaften Abrechnung mit einer Branche, die Fluch und Segen darstellt. William Holden prägt seine Rolle sehr begrüßenswert als sympathischer "Ermittler". Durch ihn wird der Stein erst ins Rollen gebracht, und weil die Geschichte schließlich in einer frühen Katastrophe gipfelt, werden dadurch viele Schuldige in dieser Beziehung präsentiert, die sogar die Konsumenten nicht ausschließt. Die Schweizerin Marthe Keller gibt der oberflächlichen Diva viel Tiefe, und glänzt im Interpretieren der Titelfigur in gleich mehreren Dekaden. Sie zeichnet Fedora auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, nach ihrem Comeback, als psychisch labile, einsame und von Wahnvorstellungen heimgesuchte Frau, und zu allererst einmal als Leiche mit hoher Präzision. Hervorragend dabei wirken vor allem Gestik und Mimik, die den bekannten Choreografien von Altstars en détail gleichen. Theatralische Ausbrüche, gönnerhafte Handbewegungen, eine unnahbare Aura, die sich beispielsweise vor der Kamera oder im Umgang mit der Presse in eine alles umarmende Show verwandelt, aber auch manische Züge, offensichtliche Komplexe, hysterische Anwandlungen und laute Verzweiflung. Erinnert man sie daran, dass sie Fedora, dass sie der Star sei, ist augenscheinlich alles vergessen und sie spielt die Rolle ihres Lebens, mondän und in Perfektion weiter. Die Leistungen der beiden Hauptdarsteller kann man nicht anders als hervorragend nennen.





Wenn es um Hildegard Knef geht, muss man allerdings nach neuen Superlativen suchen. Ich kann nicht gerade behaupten, dass ich mir gezielt Filme wegen ihr anschaue, aber dennoch hat sie immer wieder das Potential, zu begeistern. Zunächst ist zu erwähnen, dass die Maske bei der Knef wahre Wunder vollbracht hat, aber nicht etwa im klassischen Sinne. Sie wurde in frappant echter Manier auf verlebt, ausgebrannt und steinalt getrimmt, so dass die erste Begegnung mit ihr zu einem wahren Überraschungsmoment ausartet. Die verbitterte alte Gräfin gefällt sich im Kommandieren und Delegieren, eine Frau ihres Alters braucht sich nicht mehr an überflüssige, gesellschaftliche Konventionen gebunden zu fühlen, was sie auch offen zur Schau trägt. Ihre temperamentvollen, beziehungsweise impulsiven Ausbrüche sorgen für äußerst starke Momente im Geschehen, was durch ihre Originalstimme noch mehr, und sehr überzeugend untermauert, und nicht zuletzt zu einer richtigen Lektion wird. Einfach großartig diese mürrische alte Schachtel! Ihre gesamte Entourage wirkt wie ein Sammelsurium an Untergebenen, und es scheint, dass selbst Fedora in Sachen Star-Allüren noch etwas von Gräfin Sobriansky lernen könnte. Besondere Leistungen sieht man des Weiteren von Frances Sternhagen, als fleißigstes und gehorsamstes Zahnrad in dieser Maschinerie, auch José Ferrer als zweifelhafter Arzt mit dem Hang zu Hochprozentigem ist eine Nummer für sich. Mit Mario Adorf, Gottfried John oder Ellen Schwiers sieht man noch einige von vielen, guten alten Bekannten im Szenario, und der besondere Clou der Produktion stellen die Schauspieler dar, die sich selbst spielen. Michael York fungiert als Drehpartner von Fedora in einem gemeinsamen Film und Henry Fonda überreicht der abgeschirmten Diva den Ehrenpreis der Akademie in Form eines Oscars. Die internationale Besetzungsliste macht den Film schließlich zu einem ganz besonderem Vergnügen!

Billy Wilders Spätwerk gilt zwar nicht als Meilenstein oder wird auch keineswegs als Klassiker gehandelt, und letztlich wird der Film eigentlich mehr kritisiert als gelobt, was wohl eher auf Vergleiche mit seinen eigenen Beiträgen zurückzuführen ist. So wurde dem Regisseur beispielsweise vorgeworfen, er habe bei "Fedora" zu viele Inhalte seines eigenen Films "Sunset Boulevard" kopiert. Wie dem auch sei, für mich scheint bei "Fedora" alles zu stimmen, nicht umsonst habe ich ihn mir schon unzählige Male angeschaut und mich immer wieder aufs Neue blendend unterhalten gefühlt. Hier kann man sich einmal ungeniert Melodramatik und Theatralik gefallen lassen, ohne dass sie störend oder deplatziert wirken, die Geschichte aus der Traumfabrik wirkt authentisch und man bekommt schließlich den Eindruck, dass es sich genau so abgespielt haben könnte. Trotz des imaginären Charakters wird ein guter und glaubwürdiger Realitäts-Transfer angebahnt, und die Geschichte wirkt auch nach über 35 Jahren irgendwie noch aktuell und alles andere als angestaubt. Der Ausstattungsfilm liefert herrliche Landschaftsaufnahmen und teils beachtliche Kulissen, besonders hervorzuheben ist nochmals die Maske, die sowohl bei Marthe Keller, aber vor allem bei Hildegard Knef denkwürdige Kunstwerke geschaffen hat. Musikalisch stand der Ungar Miklós Rózsa in der Verantwortung und kreierte mitreißende, und stets passende Arrangements, die auch nach Beendigung des Films noch ruhig nachhallen, da sie meistens konträr zum eigentlichen Charakter des Films stehen. Am meisten überzeugt allerdings immer wieder der klare Aufbau der Geschichte, der trotz vorhersehbarer Momente mit viel Intensität und Fingerspitzengefühl ausgestattet wurde, und selbst Zuschauer wie mich ausnahmsweise mal auf einer Art Gefühlsebene ansprechen. "Fedora" ist tragisch, aber nicht (oder selten) kitschig, erscheint wie ein Märchen aus dem Bilderbuch aber wirkt doch irgendwie authentisch, ja und die Charakterzeichnungen ohne strahlende Sympathieträger machen den Verlauf so spannend, wie in einen guten Krimi. Ein beachtenswerter Beitrag!

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