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 Film- und Fernsehklassiker international
Gubanov ( gelöscht )
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12.01.2010 23:14
Mitternachtsspitzen (1960) Zitat · Antworten



Mitternachtsspitzen (Midnight Lace)

Kriminalfilm, USA 1960. Regie: David Miller. Drehbuch: Ivan Goff, Ben Roberts (Vorlage „Matilda Shouted Fire“, 1958: Janet Green). Mit: Doris Day (Kit Preston), Rex Harrison (Anthony Preston), John Gavin (Brian Younger), Myrna Loy (Tante Bea), Roddy McDowall (Malcolm), Herbert Marshall (Charles Manning), Natasha Parry (Peggy), Hermione Baddeley (Dora), John Williams (Inspektor Byrnes), Anthony Dawson (Ash) u.a. Uraufführung (USA): 13. Oktober 1960. Uraufführung (BRD): 23. Dezember 1960. Eine Produktion von Arwin Productions für Universal Pictures.

Zitat von Mitternachtsspitzen
Die frisch vermählte, indes offenbar von Natur aus ängstliche Amerikanerin Kit wird von unheimlichen Telefonanrufen terrorisiert, die ihren baldigen Tod voraussagen. Tatsächlich ereignen sich in den darauffolgenden Tagen mehrere Attentate auf ihr Leben. Ihre Angstzustände steigern sich zur Panik. Aus welcher Richtung kommt die Bedrohung, die Kit entweder das Leben zu kosten oder in den Wahnsinn zu treiben droht?


Der Bericht enthält Spoiler!

Selbst einem beiläufigen Beobachter des Films „Mitternachtsspitzen“ dürfte auffallen, dass dieser bemerkenswert viele Ähnlichkeiten zu Alfred Hitchcocks „Bei Anruf Mord“ aufweist. Diese beschränken sich nicht nur auf die enge Genreverwandtschaft und eine ähnliche Herkunft sowie Machart des Films, sondern auch auf diverse inhaltliche Aspekte. Ein IMDb-Rezensent listet kurz und treffend auf:

Zitat von „Mitternachtsspitzen“ bei IMDb.com, Quelle
[Takes] place in England. American speaking blonde victim, English speaking murderous husband. Husband’s name is Tony. John Williams in both as detective. Anthony Dawson as a murderer in both. Husband’s motive for murder is money. Good looking male befriends the blonde victim.


Doch selbst, wenn man den „Mitternachtsspitzen“ in diesen Punkten durchaus eine deutliche Inspiration nicht absprechen kann, stellt der Film im direkten Vergleich der beiden Krimis die gelungere und inhaltlich stimmigere der beiden Produktionen dar. Er verfügt über ein ausgewogeneres Tempo, höhere Spannung und eine dichtere Atmosphäre als Hitchcocks simpel und teilweise mit Längen abgefilmtes Bühnenstück. Er steigt sehr schnell (vielleicht sogar zu schnell) in die Handlung ein und baut zügig sehr großen Nervenkitzel auf. Der Suspense des Films gipfelt in mehreren über weite Strecken der Spielzeit klug verteilten, extrem spannenden Szenen, in denen sich Kits Angst durch ihre ständige Präsenz auf den Zuschauer überträgt. Zu diesen Höhepunkten, von denen man unweigerlich in den Bann gezogen wird, zählen die Szene im Aufzug, Kits erste persönliche Begegnung mit dem unheimlichen Mann, Kit nach Tonys Polizeitrick allein in der Wohnung sowie auch und vor allem natürlich das Finale im Apartment und auf dem Baugerüst.

Es kommt dem Film ebenfalls zugute, dass das Drehbuch einige psychologisch interessante Szenen einbaut, zu denen etwa jene zählt, in der Kit ihre Freundin Peggy durch eine Lüge als Zeugin für einen Anruf einspannen will, um endlich Akzeptanz für ihre Version der Ereignisse zu erfahren. Ein weiterer unschätzbarer Vorteil von „Mitternachtsspitzen“ ist es, dass der Film im Gegensatz zu mehreren anderen aufwendigen amerikanischen Großproduktionen wie „Der Fall Paradin“ oder „Bei Anruf Mord“ wirklich durch ein authentisches London-Gefühl besticht. Hierfür zeichnet vor allem die sehr stimmungsvolle Szene mit dem Bus-Attentat auf Kit verantwortlich.

Hervorzuheben ist aus der Besetzung vor allem die großartige schauspielerische Leistung von Myrna Loy, die trotz ihrer schnippischen Sprüche und skurriler Verhaltensweisen keinesfalls albern oder überzeichnet wirkt. Auch der Wunsch nach einem echten Filmhelden wird mit der von John Gavin gut verkörperten Figur des Bauunternehmers Younger erfüllt. Er spielt die geheime männliche Hauptrolle des Films und darf sich ganz besonders anrechnen, sein eher schmieriges Hitchcock-Pendant Robert Cummings, das in „Dial M for Murder“ nahezu alle Sympathien aus „Saboteur“ verloren hatte, überflügelt zu haben.



Dennoch überzeugt mich der Cast nicht vollständig; er schwächelt vor allem an einer zentralen und sehr wichtigen Stelle: Mit Doris Day, die Kit spielt, werde ich einfach nicht „richtig warm“. Ebenso wie bereits in „Der Mann, der zuviel wusste“ agiert sie hier zu extrem und fällt von einer Stimmungsschwankung in die andere. Besonders ihr Angstzustand wird von Anfang an so massiv ausgespielt, dass er teilweise doch sehr unglaubwürdig wirkt (schon bei erstem Zusammentreffen ist sie wie gelähmt – dieses hätte realistischerweise noch als schlechter Scherz abgetan werden können). Man kann sich des Gefühls nicht erwähren, dass sie mit einer exaltiert schockierten Performance den Zuschauer von der Ernsthaftigkeit ihrer schauspielerischen Ambitionen zu überzeugen versuchte, nachdem sie sich zu Beginn ihrer Karriere ja eher auf das heitere Gesangsfach konzentriert hatte. Zu ihren Gunsten muss indes angeführt werden, dass auch die deutsche Synchronisation durch die quietschend schreiende Edith Schneider ihrer Glaubwürdigkeit nicht unbedingt zugute kommt.

Eine andere männliche Lehre zog man nicht aus „Bei Anruf Mord“: John Williams ließ man noch einmal seine blasse Darstellung des stocksteifen Inspektors ohne persönlichen Charakter wiederholen. Auch die Rolle von Roddy McDowall (obwohl gut gespielt) ist für die Handlung an sich völlig überflüssig und verschwindet vielsagend zur Hälfte der Spielzeit sang- und klanglos von der Bildfläche.

Darüber hinaus fällt, begünstigt durch den eher mittelmäßigen Filmtransfer der DVD, die unpassende Farbgebung von „Mitternachtsspitzen“ auf. Stets sind die Bilder zu grell eingefärbt, von Zeit zu Zeit tut überdies aber auch eine sehr merkwürdige Farbwahl das ihre: Dubiose rote Lichtelemente im Schlafzimmer steigern nicht die Spannung, sondern verwirren den Zuschauer und lassen das Gefühl aufkommen, man habe hier einen Buntfilm im schlechten Sinne des Wortes drehen wollen.

Zwiegespalten bin ich, was die Auflösung angeht, die im Original-US-Kinotrailer als „shocking surprise ending“ bezeichnet wird. Ein nicht unwesentlicher Teil derselben, nämlich der Haupttäter, der sich als Kits Ehemann Tony entpuppt, ist schon frühzeitig recht offensichtlich. Dies liegt daran, dass er von Anfang an als „kalter Fisch“ gezeigt wird, der stets das Geschäft seiner Frau vorzieht und keine Sekunde zögert, sie bezüglich ihres Herzenswunsches, der Venedig-Reise, eins ums andere Mal zu vertrösten. Andererseits spricht aber auch die Einführung einer zweiten attraktiven Männerrolle immer wieder Bände, muss sie doch schließlich am Ende nicht allzu selten die aus der Gefahr entkommende Frau als Trostpflaster über die Schuld des unsympathischen Gatten hinwegbringen. Es wäre allerdings ungerecht, „Mitternachtsspitzen“ als gänzlich vorhersehbar einzustufen: Andere Aspekte des Finales, so die wahre Identität des unheimlichen Verfolgers sowie die Enttarnung der Komplizin des Verbrechers, sorgen sehr wohl für Verblüffung.

„Mitternachtsspitzen“ überzeugt in seinen Spannungsszenen und weiß diese gekonnt so zu platzieren, dass der Zuschauer immer wieder über die gesamte Laufzeit den Atem anhalten muss. Die dichte Stimmung wird von dem Londoner Schauplatz getragen und durch interessante Nebenrollen unterstützt. Weil der Film trotzdem nicht in jeder Hinsicht die Erwartungen an eine große Hollywood-Produktion erfüllt, bleibt er ein Stückweit hinter der Höchstwertung zurück. 4 von 5 Punkten.

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