Hallo!
Hier die Chronik des Jahres 1963:
Januar
14.1. Die Bundesrepublik bricht entsprechend der Hallstein-Doktrin ihre diplomatischen Beziehungen zu Kuba ab, nachdem der Inselstaat die DDR anerkannt und die Einrichtung einer Botschaft angekündigt hat.
15.-21.1. Auf dem VI. Parteitag der SED werden erstmals ein Parteiprogramm und ein Parteistatut verabschiedet. Als Ziel wird ein sowjetisch geprägter Kommunismus festgelegt. Walter Ulbricht wird erneut zum Ersten Sekretär der Partei gewählt.
22.1. Der französische Staatspräsident Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer unterzeichnen im Elysée-Palast den Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit. Der sogenannte Elysée-Vertrag sieht eine weitreichende Zusammenarbeit beider Länder in politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Fragen vor. Der Vertrag wird als Akt der Versöhnung beider Völker gewertet.
Februar
1.2. Im Studio der Akademie der Künste in West-Berlin wird die Deutsche Kinemathek e.V. eröffnet.
2./3.2. In der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf beteiligen sich u.a. die Künstler Joseph Beuys, Wolf Vostell und Nam June Paik an der Aktion "Festum Fluxorum Fluxus, Musik und Antimusik - Das Instrumentale Theater".
4.-20. 2. Im Völkerbundpalast in Genf findet die erste internationale Konferenz über Entwicklungshilfe statt.
6.2. Adenauer erklärt die Bereitschaft der Bundesrepublik zur Teilnahme an einer multilateralen Atomstreitmacht der NATO (Multilateral Force/MLF).
6.2. In der DDR wird das Landwirtschaftsministerium aufgelöst und durch Landwirtschaftsräte beim Ministerrat ersetzt.
20.2. In der Freien Volksbühne in West-Berlin wird das Drama "Der Stellvertreter" unter der Regie von Erwin Piscator uraufgeführt. In dem Werk von Rolf Hochhuth wird die passive Haltung des Vatikans gegenüber der Judenverfolgung im nationalsozialistischen Deutschland kritisiert.
März
7.3. Unterzeichnung eines Handelsabkommens zwischen Polen und der Bundesrepublik in Warschau.
19.3. In den USA gelingt die erste Farbfernsehübertragung über einen Satelliten.
23.3. In einer Ost-Berliner Studentenzeitschrift wird der Hochschullehrer Robert Havemann wegen eines Vortrages über marxistische Philosophie, in dem er sich kritisch über die DDR-Regierung äußert, heftig angegriffen.
April
1.4. Das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) nimmt seinen Sendebetrieb auf. Gleichzeitig werden in der Bundesrepublik erstmals Einschaltquoten gemessen.
2.4. Orson Welles' (1915-1985) Verfilmung von Franz Kafkas Roman "Der Prozeß" läuft in den bundesdeutschen Kinos an.
10.4. In dem Defa-Film "Nackt unter Wölfen" von Frank Beyer (geb. 1932) wird erstmals in einem deutschen Film das Leben in einem Konzentrationslager thematisiert.
14.4. In mehreren bundesdeutschen Großstädten finden Ostermärsche gegen die militärische Nutzung der Kernenergie statt. An der Abschlußkundgebung in Düsseldorf nehmen etwa 23.000 Menschen teil.
26.4. In Hamburg eröffnet die bisher größte internationale Gartenschau der Bundesrepublik auf einer Fläche von 87 ha.
30.4. Uraufführung des Musikalischen Spiels "Die Sintflut" von Igor Strawinsky an der Hamburger Staatsoper.
Eröffnung der 963 Meter langen Fehmarnsundbrücke, die die Ostseeinsel Fehmarn mit dem schleswig-holsteinischen Festland verbindet.
Mai
10.5. Mit der Zustimmung der Industriegewerkschaft (IG) Metall zum Kompromiß der Tarifkommission über eine gestaffelte Lohnerhöhung endet der seit dem 29. April andauernde Streik der Metallarbeiter in Baden-Württemberg. Erstmals seit 1928 haben die Unternehmer auf einen Streik mit der geschlossenen Aussperrung im gesamten Tarifgebiet reagiert.
10.5. In West-Berlin wird Joghurt erstmals in einer Kunststoffpackung verkauft, die nach dem Verzehr des Joghurts weggeworfen werden kann.
14.5. Das Zentralkomitee der SED und der Ministerrat beschließen die Einführung einer "Arbeiter- und Bauerninspektion" als "Gesellschaftliches Kontrollorgan".
Juni
3.6. Papst Johannes XXIII. (1881-1963) stirbt in Rom, zu seinem Nachfolger wird am 21.6. der Erzbischof von Mailand gewählt und als Papst Paul VI. (1897-1978) ernannt.
16.6. Die sowjetische Kosmonautin Valentina W. Tereschkowa (geb. 1937) startet als erste Frau in den Weltraum.
17.6. Anläßlich des 10. Jahrestages des Volksaufstandes in Ost-Berlin und der DDR erklärt Bundespräsident Heinrich Lübke den 17. Juni zum nationalen Gedenktag des deutschen Volkes.
20.6. Als Reaktion auf die Kuba-Krise beschließen die USA und die UdSSR die Errichtung einer direkten Fernschreibleitung zwischen den Amtssitzen des US-Präsidenten in Washington und des sowjetischen Regierungschefs in Moskau. Der sogenannte "heiße Draht" wird am 31.8. in Betrieb genommen.
21.6. Der DDR-Ministerrat erläßt eine "Verordnung über Maßnahmen zum Schutz der Staatsgrenze zwischen der DDR und West-Berlin". Darin wird die Errichtung eines Kontroll- und Schutzstreifens entlang der Berliner Mauer bestimmt.
23.-26.6. Staatsbesuch des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy in der Bundesrepublik und in West-Berlin. Besonders bei seinem Besuch in der geteilten Stadt wird Kennedy als Symbolfigur der alliierten Garantie für die Freiheit West-Berlins begeistert gefeiert. Seine Rede vor dem Schöneberger Rathaus, in der Kennedy betont, daß alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, Bürger Berlins seien, beendet er auf deutsch mit den Worten: "Ich bin ein Berliner".
24.6. Gründung des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) in Bonn.
24./25.6. Auf der Wirtschaftskonferenz des ZK der SED und des Ministerrates werden die Richtlinien für das Neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft (NÖSPL) beschlossen, die am 15.7. vom Staatsrat bestätigt werden.
29.6. Borussia Dortmund wird mit einem 3:1-Sieg über den 1. FC Köln im letzten Spiel vor der Einführung der Bundesliga Deutscher Fußballmeister. In Zukunft wird der Deutsche Meister über die Siege in der Punktrunde der Bundesliga ermittelt.
Juli
5.7. Gründung des deutsch-französischen Jugendwerkes.
15.7. Der SPD-Politiker Egon Bahr formuliert in einer Rede in der Evangelische Akademie Tutzingen eine neue Konzeption der deutschen Ostpolitik unter der Devise "Wandel durch Annäherung".
August
5.8. Die Außenminister der USA, Großbritanniens und der UdSSR unterzeichnen im Moskauer Kreml das Abkommen über die Einstellung aller Kernwaffenversuche in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser. Am 19.8. tritt die Bundesrepublik dem Atomteststoppabkommen bei.
8.8. Beim bislang größten Geldraub in der britischen Geschichte, dem Überfall auf den Postzug Glasgow-London, erbeutet eine Gruppe von 15 Männern umgerechnet rund 30 Millionen DM.
24.8. Erster Spieltag der neugeschaffenen Fußball-Bundesliga. Meister der ersten Saison wird der 1. FC Köln.
28.8. Beim "Marsch auf Washington" protestieren 200.000 Menschen unter Führung Martin Luther Kings (1929-1968) gegen die Rassendiskriminierung und fordern die Gewährung der Bürgerrechte für Schwarze in den USA.
September
2.9. Die Schauspieler des Ost-Berliner "Berliner Ensembles" erhalten ein Einreiseverbot zu den Edinburgher Festspielen in Großbritannien.
9.-15.9. Die NVA sowie Truppen der UdSSR, der CSSR und Polens halten ein gemeinsames Manöver in der DDR ab.
Oktober
1.-25.10. Die von der West-Berliner Galerie Werner & Katz gezeigte Ausstellung mit Werken von Georg Baselitz (geb. 1938) gerät zum Eklat. Die Bilder "Die große Nacht im Eimer" und "Der nackte Mann" werden von der Staatsanwaltschaft wegen Unsittlichkeit beschlagnahmt. Der angestrengte Strafprozeß endet erst 1965 mit der Rückgabe der Bilder.
7.10. Der Schauspieler und Regisseur Gustaf Gründgens stirbt in Manila auf den Philippinen.
13.10. Der Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker (geb. 1912) erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
15.10. Rücktritt Bundeskanzler Adenauers und feierliche Verabschiedung im Deutschen Bundestag.
In West-Berlin wird die Philharmonie des Architekten Hans Scharoun (1893-1972) eingeweiht.
16.10. Ludwig Erhard wird zum neuen Bundeskanzler gewählt. Die Regierungskoalition besteht weiterhin aus CDU, CSU und FDP.
Die Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) nimmt einstimmig eine Resolution gegen die Stationierung von Atomwaffen im Weltraum an.
20.10. Bei den Volkskammerwahlen erreichen die Einheitslisten mehr als 99 % der Stimmen.
November
7.11. In Lengede/Niedersachsen werden elf Bergleute, die zwei Wochen unter Tage eingeschlossen waren, lebend geborgen. Das "Wunder von Lengede" ist die bisher spektakulärste Rettungsaktion in der Geschichte des Bergbaus.
22.11. Bei einer Fahrt im offenen Wagen durch Dallas/Texas wird der US-amerikanische Präsident John F. Kennedy erschossen. Der mutmaßliche Täter Lee Harvey Oswald (1939-1963) wird kurz nach dem Anschlag festgenommen und zwei Tage später selbst von einem Nachtclubbesitzer erschossen. Die Spekulationen um mögliche Hintermänner des Attentats dauern bis heute an.
Kennedys Nachfolger als US-Präsident wird der bisherige Vizepräsident Lyndon B. Johnson (1908-1973).
30.11. Die Uraufführung des Theaterstückes "Überlebensgroß Herr Krott. Requiem für einen Unsterblichen" von Martin Walser (geb. 1927) im Staatstheater in Stuttgart zeigt ein satirisches Abbild der "kapitalistischen Wohlstandsgesellschaft in der Bundesrepublik".
Dezember
8.12. Der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht erklärt sich zu Verhandlungen mit der Bundesregierung unter Ludwig Erhard bereit.
10.12. Bei der Nobelpreisverleihung in Oslo erhalten Karl Ziegler (1898-1973) und Guilio Natta (1903-1979) den Nobelpreis für Chemie, für ihre Beiträge zur Herstellung von Kunststoffen. Hans Daniel Jensen (1907-1973) wird einer der Nobelpreisträger für Physik für seine Leistung bei der Erarbeitung eines Atomkernmodells. Der Friedensnobelpreis wird dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes, Liga der Rot-Kreuz-Verbände verliehen. Damit erhält das Rote Kreuz zum dritten Mal den Friedensnobelpreis.
11.12. Premiere des Films "Winnetou (I)" nach dem gleichnamigen Roman von Karl May in den westdeutschen Kinos.
12.12. Der ehemalige Bundespräsident Theodor Heuss stirbt in Stuttgart.
14.12. Der SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer stirbt in Bonn.
17.12. Unterzeichnung des 1. Passierscheinabkommens zwischen der DDR und dem Senat und West-Berlin, das den Besuch von West-Berlinern in Ost-Berlin über die Weihnachtstage und Sylvester regelt. Damit öffnen sich erstmals seit dem Mauerbau wieder die Sektorenübergänge.
20.12. Gegen 21 Aufseher des Konzentrationslagers Auschwitz beginnt in Frankfurt/Main der Auschwitz-Prozeß, der bis zum 19.8.1965 dauert.
28.12. Der Komponist Paul Hindemith stirbt in Frankfurt/Main.
Außerdem
Heinrich Böll: Ansichten eines Clowns (Roman)
Günter Grass: Hundejahre (Roman)
Christa Wolf: Der geteilte Himmel (Roman)
Eine amerikanische Firma bringt den ersten Industrieroboter auf den Markt. Der Roboter besitzt pneumatisch angetriebene Teleskoparme mit zwei Greiffingern an den Enden.
Nachfolgend die Rede von US-Präsident John F. Kennedy vor dem Schöneberger Rathaus in Berlin am 26. Juni 1963:

Meine Berliner und Berlinerinnen!
Ich bin stolz, heute in Ihre Stadt zu kommen als Gast Ihres hervorragenden Regierenden Bürgermeisters, der in allen Teilen der Welt als Symbol für den Kampf und den Widerstandsgeist gilt. Ich bin stolz, auf dieser Reise die Bundesrepublik Deutschland zusammen mit ihrem hervorragenden Herrn Bundeskanzler besucht zu haben, der während so langer Jahre die Politik bestimmt hat nach den Richtlinien der Demokratie, der Freiheit und des Fortschritts. Ich bin stolz darauf, heute in Ihre Stadt in der Gesellschaft eines amerikanischen Mitbürgers gekommen zu sein, General Clay, der hier tätig war in der Zeit der schwersten Krise, durch die diese Stadt gegangen ist, und der wieder nach Berlin kommen wird, wenn es notwendig werden sollte.
Vor zweitausend Jahren war der stolzeste Satz, den ein Mensch sagen konnte, der: "Ich bin ein Bürger Roms!" Heute ist der stolzeste Satz, den jemand in der freien Welt sagen kann: "Ich bin ein Berliner!" Wenn es in der Welt Menschen geben sollte, die nicht wissen, worum es heute in der Auseinandersetzung zwischen der freien Welt und dem Kommunismus geht, dann können wir ihnen nur sagen, sie sollen nach Berlin kommen. Es gibt Leute, die sagen, dem Kommunismus gehöre die Zukunft. Sie sollen nach Berlin kommen! Und es gibt wieder andere in Europa und in anderen Teilen der Welt, die behaupten, man könne mit den Kommunisten zusammenarbeiten. Auch sie sollen nach Berlin kommen! Und es gibt auch einige wenige, die sagen, es treffe zwar zu, daß der Kommunismus ein böses und ein schlechtes System sei; aber er gestatte es ihnen, wirtschaftlichen Fortschritt zu erreichen. Aber laßt auch sie nach Berlin kommen!
Ein Leben in der Freiheit ist nicht leicht, und die Demokratie ist nicht vollkommen. Aber wir hatten es nie nötig, eine Mauer aufzubauen, um unsere Leute bei uns zu halten und sie daran zu hindern, woanders hinzugehen. Ich möchte Ihnen im Namen der Bevölkerung der Vereinigten Staaten, die viele Tausende Kilometer von Ihnen entfernt auf der anderen Seite des Atlantik lebt, sagen, daß meine amerikanischen Mitbürger sehr stolz darauf sind, mit Ihnen zusammen selbst aus der Entfernung die Geschichte der letzten 18 Jahre teilen zu können. Denn ich weiß nicht, daß jemals eine Stadt 18 Jahre lang belagert wurde und dennoch lebt mit ungebrochener Vitalität, mit unerschütterlicher Hoffnung, mit der gleichen Stärke und mit der gleichen Entschlossenheit wie heute Westberlin.
Die Mauer ist die abscheulichste und die stärkste Demonstration für das Versagen des kommunistischen Systems. Die ganze Welt sieht dieses Eingeständnis des Versagens. Wir sind darüber keineswegs glücklich, denn, wie Ihr Regierender Bürgermeister gesagt hat, die Mauer schlägt nicht nur der Geschichte ins Gesicht, sie schlägt der Menschlichkeit ins Gesicht. Durch die Mauer werden Familien getrennt, der Mann von der Frau, der Bruder von der Schwester, Menschen werden mit Gewalt auseinander gehalten, die zusammen leben wollen.
Was von Berlin gilt, gilt von Deutschland: Ein echter Friede in Europa kann nicht gewährleistet werden, solange jedem vierten Deutschen das Grundrecht einer freien Wahl vorenthalten wird. In 18 Jahren des Friedens und der erprobten Verläßlichkeit hat diese Generation der Deutschen sich das Recht verdient, frei zu sein, einschließlich des Rechtes, die Familien und die Nationen in dauerhaftem Frieden wieder vereint zu sehen im guten Willen gegen jedermann.
Sie leben auf einer verteidigten Insel der Freiheit. Aber Ihr Leben ist mit dem des Festlandes verbunden, und deswegen fordere ich Sie zum Schluß auf, den Blick über die Gefahren des Heute hinweg auf die Hoffnung des Morgen zu richten, über die Freiheit dieser Stadt Berlin, über die Freiheit Ihres Landes hinweg auf den Vormarsch der Freiheit überall in der Welt, über die Mauer hinweg, auf den Tag des Friedens in Gerechtigkeit. Die Freiheit ist unteilbar, und wenn auch nur einer versklavt ist, dann sind alle nicht frei. Aber wenn der Tag gekommen sein wird, an dem alle die Freiheit haben und Ihre Stadt und Ihr Land wieder vereint sind, wenn Europa geeint ist und Bestandteil eines friedvollen und zu höchsten Hoffnungen berechtigten Erdteils, dann können Sie mit Befriedigung von sich sagen, daß die Berliner und diese Stadt Berlin 20 Jahre lang die Front gehalten haben. Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger dieser Stadt Westberlin, und deshalb bin ich als freier Mann stolz darauf sagen zu können: Ich bin ein Berliner!
Quelle: http://www.dhm.de
MfG
Dirk