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  • Zitat von Marmstorfer im Beitrag #104
    Aber es ist generell bemerkenswert, dass Tappert und Schürenberg damals quasi Dauergäste bei Franco waren. Weiß man eigentlich, warum das so ist?


    Da kann man wohl nur mutmaßen: Meine Mutmaßung Nr. 1 wäre, dass Francos Filme stets ihr Publikum fanden und die Darsteller so auch von Menschen gesehen wurden, und ich könnte mir denken, dass das einem Darsteller (neben der Gage) am wichtigsten sein dürfte. Mutmaßung Nr. 2 ist, dass Franco als Typ Mensch durchaus umgänglich gewesen sein könnte, man ihn schätzte und gerne mit ihm arbeitete. Franco drehte ja sogar mit Maria Schell, einem Weltstar von zugegebenerweise damals schon sinkendem Ruhm. Diese Besetzung finde ich bei Franco denoch fast am bemerkenswertesten.

    Gruß
    Jan

  • Zitat von Fabi88 im Beitrag #99
    Zitat von Count Villain im Beitrag #97
    Zitat von Fabi88 im Beitrag #96
    mit Meta-Ebene versehenen


    Diese Meta-Ebene müsstest du mir mal erklären. Das höre ich zum ersten Mal.

    Der Hexer (oder war es sein Butler?) liest den Wallace-Roman um herauszufinden, was als nächstes passiert - das ist nur die Spitze des Eisbergs.
    Dem Publikum dann einen Täter zu präsentieren, der nie zuvor auftauchte, geht auch schon als "Grenzen austesten" durch.


    Ich kann die Kritik an "Neues vom Hexer" durchaus nachvollziehen. Vor dem Hintergrund der Gesamtheit aller Wallace-Filme mag er mir noch streckenweise gefallen; unter den Vohrer-Beiträgen halte ich ihn zusammen mit "Die blaue Hand" allerdings für den schwächsten. Kann ich das mit dem Nachlesen im Buch noch goutieren, stoßen mir die unambitioniert wirkende Inszenierung und die genannten Schwächen des Drehbuches schon saurer auf. Bei aller (berechtigter) Kritik wäre mir der Film aber tatsächlich nicht im Zusammenhang mit Francos Desinteresse an einem - wie Du es nennst - kohärenten Krimi eingefallen. Denn kohärent ist "Neues vom Hexer" schon, halt trotzdem etwas ...äh... öde.

    Zitat von Fabi88 im Beitrag #99

    Ich will Franco und Vohrer gar nicht auf eine Stufe stellen, mir ging es nur um den Punkt, dass Franco wohl nie das Ziel hatte, einen kohärenten Krimi Marke "Wallace" zu drehen. Ich bin kein Franco-Fan und spare mir Sichtungen seiner meisten Filme, aber finde es eben nicht richtig ihn für etwas zu kritisieren, was er gar nicht liefern wollte oder konnte.


    Wenn Du Dich weiterhin am Wort stumpf störst, dann ersetze es gerne gegen desinteressiert. Ich wollte da eigentlich gar nicht groß kritisieren, denn wer Franco in den Player schiebt, der bekommt Franco, und der weiß in aller Regel, auf was er sich da einlässt. Wie gesagt, in annehmbarer Dosierung kann das aus meiner Sicht sehr amüsant sein, wobei ich immer nicht ganz sicher bin, ob der Macher diese Form meines Amüsements immer so beabsichtigte.

    Zitat von Fabi88 im Beitrag #99

    Da ist Brauner wahrscheinlich der richtige Adressat für Kritik. Nach selbst (?) zusammengeschusterten Drehbüchern mit möglichst günstigem Team Krimis zu produzieren um von der langsam verblassenden Marke "Wallace" zu profitieren, ist etwas schräg.

    Ja, bei Art Bernd fragt man sich halt immer, ob der Vorname nun die liebgemeinte Koseform des Artur sein soll oder ob bei der Wahl des Pseudonyms tatsächlich die tiefere Absicht dahintersteckte, auf subtilem Weg eine wie auch immer gelagerte Kunstbeflissenheit hervorzuheben. Ansonsten finde ich die Vorgehensweise Brauners eigentlich typisch Brauner: Der Markt verlangt nach Sex, Crime und Krautploitation. Das gibt's so im Fernsehen noch nicht. Was liegt da näher, als sich selbst an die Schreibmaschine zu setzen, somit den Autoren einzusparen, Musik aus der Konserve zu ordern und einen arbeitswütigen Filmer von der schnellen (und damit günstigen) Truppe irgendwo in Portugal (bei sicher günstigen Löhnen) und ohne Atelier das Ganze herunterkurbeln zu lassen. Ich finde das eigentlich ganz konsequent, wenn man nicht mehr darauf achten muss, eine Marke zu bewahren bzw. sich von ihr nur noch ein paar Mitnehmereffekte erwartet.

    Gruß
    Jan

  • Dieter Wedel gestorbenDatum28.07.2022 11:52
    Foren-Beitrag von Jan im Thema Dieter Wedel gestorben

    Zitat von Marmstorfer im Beitrag #18

    Dazu ein schönes Wikipedia-Fundstück:

    Vor der Ausstrahlung des Films bei Arte gab es in der Programmkonferenz eine Diskussion darüber, ob der Film gesendet werden solle. Dr. Hanne Landbeck, damals stellvertretende Programmgeschäftsführerin und Prokuristin der ARTE Deutschland TV GmbH, kritisierte 1992 als einziges weibliches Mitglied der Programmkonferenz die Tatsache, dass in dem Film "keine Frauenrolle mit auch nur irgendeiner Bedeutung besetzt war. Es ging ... hauptsächlich um große, oft auch körperlich voluminöse Männer... um ihre Kämpfe gegen- und miteinander – und um das große Geld. Frauen spielten entweder die Rolle der Geliebten wie Renan Demirkan, oder die der Intrigantin wie Leslie Malton."


    Tatsächlich ein interessantes Fundstück, welches aus meiner Sicht gut aufzeigt, was passiert, wenn die Voreingenommenheit obsiegt.

    Etwas Vergleichbares passierte auch anlässlich der Ausstrahlung von "Der König von St. Pauli". Die damals populäre Sat.1-Talk-Show "Talk im Turm" lud zu einer Diskussionsrunde, an die ich mich noch schwach erinnern kann. Wedel war glaube ich eingeladen und eine Dame aus der feministischen Ecke, an die ich mich namentlich leider nicht mehr erinnere, und auf die Schnelle finde ich das jetzt auch nicht per Google. In der Runde ging es hoch her, vor allem die Feministin explodierte geradezu aufgrund Wedels vermeintlich sexistischer und frauenfeindlicher Darstellung. Da die Ausführungen der Dame wohl reichlich allgemein gehalten waren, wurde irgendwann die skeptische Frage gestellt, ob sie den Film überhaupt gesehen habe. Sie beantwortete das mit "Nein!".

    Gruß
    Jan

  • Edgar Wallace - Heute vor...Datum27.07.2022 23:39
    Foren-Beitrag von Jan im Thema Edgar Wallace - Heute vor...

    Verrückt - hinter dem Namen Hannes Fürbringer versteckt sich offensichtlich tatsächlich vielmehr als nur der Kameramann aus unzähligen Derrick-Episoden. Gibt man seinen Namen bei imdb ein, so kommen nur sehr wenige Einträge. Erst unter Juan Soler kommen auch die ganzen Derrick-Arbeiten und die Darsteller-Auftritte, wobei er da wohl auch den Namen Juan Cozar verwendete. 1986 filmte er seinen Vater bei der Derrick-Folge "Der Fall Weidau" dann auch selbst.

    Gruß
    Jan

  • Dieter Wedel gestorbenDatum27.07.2022 14:30
    Foren-Beitrag von Jan im Thema Dieter Wedel gestorben

    Zitat von Tarzan im Beitrag #11
    Mit der Figurenwelt Wedels konnte ich mich nie richtig anfreunden. Das z. B. in „Wilder Westen inklusive“ gezeigte Frauen- und Männerbild soll natürlich eine Persiflage sein, ich fand ( und finde) dieses Bild aber doch arg konstruiert und auf Dauer auch langweilig.

    Erstes ist glaube ich die richtige Feststellung, zweites dann natürlich Geschmackssache.

    Zitat von Savini im Beitrag #12
    Zitat von Jan im Beitrag #10
    Um auf Dieter Wedel zurück zu kommen: Ich konnte in seinen Filmen nie ein arg merkwürdiges Frauen- und Männerbild ausmachen. Was ist damit genau gemeint?

    Der vorherige Beitrag stammte zwar nicht von mir, aber ich nenne hier mal ein Beispiel, dass mir beim (eigentlich recht spannenden) "Schattenmann" schon öfter unangenehm aufstieß: dieser enthält gleich drei größere Frauenfiguren, deren Darstellung fragwürdig erscheint.


    Moralisierst Du da jetzt nicht etwas zu arg im folgenden? Ich stimme Dir zu, dass die Figur der Frau Held blass bleibt, habe das aber stets auf die Darstellerin Julia Stemberger geschoben, die eben keine schillernde Jet-Set-Lady verkörpern sollte. Das Konstrukt der Gegensätzlichkeiten zwischen dem (wie ich finde von Jennifer Nitsch wunderbar dargestellten) Ganovenliebchen und der bodenständigen Hausfrau hätte doch gar nicht funktioniert, wären beide Figuren nicht als Gegenpole angelegt. Ich erinner mich noch gut, wie mich gerade das Hin- und Hergerissene des Charly Held beim ersten Sehen des "Schattenmann" am meisten begeistert hat. Wären die beiden Damen inhaltlich miteinander verschmolzen, wäre der Plot an der Stelle kaputt gewesen. Wedel hat sich nie als Moralpolitiker betätigt, hat nie versucht, aktiv ein Bild zu verändern. Zumindest nicht in den Produktionen, die ich kenne. Er hat ein Abbild geschaffen, und wenn wir mal ehrlich sind, dann kennen wir jeder vermutlich eine Frau, die entweder dem Flittchen oder dem Heimchen am Herd (im übersteigerten Formulierungssin) entspricht. Wedel hat das aufgegriffen und verarbeitet. Gerade deswegen fragte ich weiter oben, wo da das arg merkwürdige Frauen- und Männerbild sein solle, denn für mich ist das purer Realismus, filmisch möglicherweise verdichtet, aber ich erkenne nichts Merkwürdiges daran. Diese Typen gibt es in Tausenden Filmen vermutlich, häufig sicher schlechter dargestellt oder entlarvender inszeniert. Es ist ja gerade Wedels Stärke, dieses Entlarvende zu umgehen, denn er gewinnt gerade den beiden genannten Damen im "Schattenmann" sowohl Positives wie Negatives ab. Davon lebt der Film an dieser Stelle ungemein.

    Wenn ich zudem an Frauen in Wedel-Filmen denke, dann denke ich gerne auch an die schöne Figur der Andrea Wegener, dargestellt von Renan Demirkan in "Der große Bellheim". In ihr findet sich eigentlich das exakte Gegenteil dessen, was veremutlich diejenigen vorzufinden hoffen, die Wedel so gerne ein chauvinistisches Frauenbild anhängen wollen. Die Dekorateurin, die den Hauptcharakter ähnlich des "Schattenmannes" in Versuchung führt, ist von Wedel als starke und vielchichtige Person angelegt: keine Spur eines Flittchens ist auszumachen, keine gedgierigen Hintergedanken sind motivationsgebend. Merkwürdig daran war höchstens, dass anno 1993 diese Vielchichtigkeit eher selten anzutreffen war.

    Zitat von Savini im Beitrag #12
    [quote=""|p7404356]
    Als ein Mann aufs Pferd steigen will, meint er: "Ich krieg´ die Beine gar nicht so weit auseinander." Die Antwort lautet: "Wir Frauen sind da geübter."

    Zugegebenerweise ist das nicht pulitzerpreisverdächtig, in meinen Augen (oder besser Ohren) aber auch nichts Verwerfliches. Wir neigen leider heute dazu, alles immer auf die Goldwaage zu legen und moralisch zu werten. Darauf hat Wedel bisweilen gepfiffen, wenn es die Situation verlangt hat. Nicht anders hat das übrigens auch Martin Gies getan, um mal einen guten Drehbuchautor wahllos herauszugreifen. Das ist mir um Längen sympathischer als sich zum Steigbügelhalter der Sprachpolizei aufzuschwingen. Auch muss sicher berücksichtigt werden, dass zur Entstehung von "Gier", den ich ansonsten nicht übermäßig schätze, das sprachliche Vorfiltern noch nicht so ausgeprägt war, wie es auf mich bisweilen heute den Anschein hat.

    Zitat von Savini im Beitrag #14

    Das war mir bisher gar nicht bewusst. Aber wo du es sagst, ist mir aufgefallen, dass in vier Filmen von Vohrer ein Geistlicher als Verbrecher entlarvt wird ("tote Augen", "Hexer", "Buckliger", "Banne"); daneben gibt es eine falsche Oberin ("Gorilla"), einen scheinheiligen, heimlich trinkenden Reverend ("Tuch") und einen Ermittler in der Maske eines Gefängnispfarrers, der Miss Finley gegenüber zudringlich wird ("Mönch").


    Viel auffälliger ist das in einer Derrick-Episode, die ich gerade namentlich nicht im Kopf habe: Hier verschmelzt Vohrer in der direkten Überblende zwei Szenen aus einer Kirche direkt in ein zumindest zwielichtiges Rotlich-Etablissement. Das war schon eine recht niederträchtige Vermischung, die nicht nur zufällig passiert ist. Dass ansonsten in den von Dir genannten Beispielen sehr zahlreich Geistliche auftreten, liegt natürlich zunächst an den Büchern. Es fällt aber eben schon auf, dass der Regisseur ihnen reichlich Aufmerksamkeit widmete. Besonders denke ich auch an die Scheinheiligkeit falscher Geistlicher wie beispielsweise Mihail Baloh in "Unter Geiern", der doch mächtig Raum einnimmt.

    Gruß
    Jan

  • Zitat von Fabi88 im Beitrag #96
    Zitat von Jan im Beitrag #95

    Ja, nur dass Vohrer halt am Ende noch darauf achtete, dass da ein zusammenhängender Film entstand.

    Naja, ich persönlich glaube ja immer noch, dass Vohrer bei "Neues vom Hexer" komplett dort angekommen war, wo er hin wollte und danach wieder Kompromisse machen musste, weil das Publikum einen so konfusen, mit Meta-Ebene versehenen, Krimi nicht goutierte.


    Dass das Publikum den Film nicht goutierte, steht aber in einem gewissen Widerspruch dazu, dass er mit 1,8 Mio. Zuschauern doch denselben Zustrom hatte wie die folgenden rein deutschen Filme im Schnitt auch (uMönch ausgenommen). Ganz so schwach kann es also nicht gewesen sein. Ansonsten stimme ich aber zu, dass Hexer II kein Meilenstein ist. Vergleiche ich ihn aber mit Francos "Akasava", so bleibe ich doch dabei, dass auch Hexer II trotz aller Schwächen ein zusammenhängender Film geworden ist. "Akasava" scheint mir hingegen wahllos montiert worden zu sein. Wenn man bei Vohrer etwas Franco-Gleiches finden will, dann wäre das am ehesten noch "Wer stirbt schon gerne unter Palmen". Da kann Vohrer Meister Franco in puncto Verwirrtheit zwar auch nie erreichen, müht sich aber redlich, auf dessen Spuren zu wandeln.

    Zitat von Fabi88 im Beitrag #96

    Ob Franco überhaupt klar war, dass sein Film eine Reihe mit Filmen wie "Der Würger von Schloss Blackmoor" oder "Der Henker von London" bilden würde?

    Ich glaube, Franco war teilweise nicht einmal klar, an welchem Film er da gerade arbeitete, da konten weitere Herausforderungen darüber hinaus sicher nicht auch noch bewältigt werden. Ganz gewiss war ihm das auch schnurzpiepegal. Auch darf man natürlich nicht vergessen, dass Meister-Autor Art Bernd für ausreichend gute Vorlagen sorgte, um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Serie entsprechend zu stimulieren.

    Gruß
    Jan

  • Dieter Wedel gestorbenDatum26.07.2022 22:44
    Foren-Beitrag von Jan im Thema Dieter Wedel gestorben

    Zitat von Fabi88 im Beitrag #9

    Dass Wedel sich als Marke inszenierte, habe ich auch nicht kritisiert - ebenso wenig wie bei Hitchcock - nur ist dann eben auch eingepreist, dass Kritik an der Person dann auf das Werk übergreift.
    Ich finde ganz einfach, wenn man selbst als Künstler seine eigene Person so stark mit dem Werk verwebt, darf man sich später nicht hinstellen und darüber beschweren, dass die Werke darunter leiden, dass Unruhe um die Person dahinter herrscht.

    Ja, und exakt diesen Punkt konnte ich noch nie nachvollziehen! Ich stimme zu, dass Person und Werk nicht von einander trennbar sind. Allerdings scheine ich da eine andere Vorstellung zu haben, denn die Person, soweit sie denn überhaupt bekannt ist oder soweit man hinter der Selbstinszenierung den wahren Charakter denn überhaupt noch erkennen kann, kann doch bestenfalls dann als Erklärung des Werkes dienen. Wenn ich also feststellen kann, dass in Alfred-Vohrer-Filmen überaus häufig Geistliche bzw. kirchliche Ingredienzen mit akribischer Begeisterung in Misskredit gebracht werden, dann kann ich in diesem ganz speziellen Fall erklären, dass das (neben den Steilvorlagen des Buches) an elterlichem Drangsalieren mit Gott und Gebetsbuch liegt bzw. immerhin liegen könnte. Andersherum fällt mir schwer zu verstehen, wie ein Werk darunter leiden kann, dass um die Person des Machers Unruhe entsteht, wenn das Werk mit eben jener Unruhe doch rein gar nichts zu tun hat, gestern quasi noch gefeiert wurde und heute dann nichts mehr wert sein soll. Das ist für mich schwer nachvollziehbar.

    Um auf Dieter Wedel zurück zu kommen: Ich konnte in seinen Filmen nie ein arg merkwürdiges Frauen- und Männerbild ausmachen. Was ist damit genau gemeint?

    Gruß
    Jan

  • Zitat von Fabi88 im Beitrag #94
    Zitat von Jan im Beitrag #93
    Zitat von Blacky81 im Beitrag #92
    Da ich die Geschichte grundsätzlich sehr spannend finde und auch einige Bilder des Filmes wie z.B. den Nachtclub sehr mag, stellt sich mir die Frage was Harald Reinl oder vielleicht sogar Rolf Olsen aus der Story gemacht hätten. Generell ist es schade, das Atze Brauner für seine Endsechziger/Frühsiebziger - Projekte nicht Reinl statt Franco verpflichtet hat.

    Ja, man muss den Franco-Stil heute schon als ganz eigene Kunstform auffassen, um damit glücklich zu werden. Ganz viel am Stück kann ich davon auch nicht gucken. Ab und an einmal eingestreut kann ich mich an meiner eigenen Überraschung darüber dann allerdings erfreuen, dass Franco wirklich so stumpf war, wie es das ansonsten eigentlich nirgends gibt. Aus damaliger Sicht ist es schon erklärlich, dass Brauner Franco statt Reinl engagierte, denn Franco dürfte doppelt so schnell und deswegen halb so teuer produziert haben. Ich glaube nicht, dass sich Harald Reinl dafür hergegeben hätte. Rolf Olsen, in Bezug auf den Krautploitation-Touch deutlich dichter bei Franco als es Reinl je war, sicher aber auch nicht.

    Gruß
    Jan

    Ob Franco wirklich "stumpf" war, würde ich so gar nicht unterschreiben. Nur, ähnlich wie beispielsweise Vohrer, an einigen Dingen mehr interessiert als an anderen. So wie Vohrer seine Krimis gern nur als Vehikel für Geisterbahngrusel und Absurditäten nutzte, hat Franco mehr Interesse an weiblichen (gern unbekleideten) Körpern und psychotronischen Szenen.

    Ja, nur dass Vohrer halt am Ende noch darauf achtete, dass da ein zusammenhängender Film entstand. Währenddessen halte ich Jess Franco, dessen Filme ich in angemessener Dosis übrigens nicht missen möchte, für ausreichend stumpf, dass er darauf komplett gepfiffen hat. So kommt es, dass ich Vohrer- oder Reinl-Filme wohl alle am Stück sehen könnte, währenddessen ich bei einer Gesamtschau des Franco-Œvre vermutlich zwischendurch einmal jemanden umbringen müsste - zwecks Ausgleich quasi.

    Gruß
    Jan

  • Dieter Wedel gestorbenDatum25.07.2022 19:54
    Foren-Beitrag von Jan im Thema Dieter Wedel gestorben

    Zitat von Fabi88 im Beitrag #6
    aber mag sein, dass das nur meine sehr eigene subjektive Wahrnehmung ist.


    Subjektive Wahrnehmung ist ja alles! Deswegen wird man da auch niemals eine allgemeingültige Festlegung treffen können. Vielleicht ist das auch ganz gut so. Kann ich Dir in puncto "Genie" angesichts Deiner Auslegung noch zustimmen, dass Du Hitchcock für eins hälst - ich halte ihn diesbezüglich auch für eins -, so würde ich hinter Helmut Dietl klar schon ein Fragezeichen setzen. Er schuf mindestens ein Meisterwerk ("Schtonk!") und er schuf u.a. mit "Monaco Franze" und "Kir Royal" zwei famose Kurzserien, denen aber beiden gemein ist, dass sie (grob) in den Episoden 1 bis 4 wirklich meisterhaft sind, dann aber rasendschnell abfallen. Besonders im Falle "Monaco Franze" ist es überaus deutlich, dass die Figur spätestens ab Episode 5 auserzählt ist. Was dann folgt, halte ich für reinen Füllstoff, teils noch amüsant, häufig aber auch öde.

    Demgegenüber fallen Wedels Mehrteiler unheimlich ausgewogen aus. Man kann das sicher nicht 1:1 vergleichen, da es sich einmal um eine Kurzserie mit einer Figur als Aufhänger und einmal um ein Mehrteiler mit einer fortlaufenden Dramaturgie handelt. Dennoch bleibt für mich unübersehbar, dass Dieter Wedels Filme in sich nie abflachten oder so bedeutungslos wurden, wie es der Münchner Franzi zum Ende hin leider wurde.

    Auch stimme ich absolut nicht zu, dass Dieter Wedels Werk nur aus drei Großproduktionen bestanden haben soll, während der Rest mit der Begrifflichkeit Auftragsproduktion wohl quasi bagatellisiert werden soll. Auftragsproduktionen waren das alles ja irgendwie, denn ohne die Auftraggeber ARD oder ZDF wären diese trotz teilweiser Eigenbeteiligung an der Produktion vermutlich nicht herstellbar gewesen. "Wilder Westen inclusive" oder die Mehrteiler um die Familie Semmeling mögen angesichts des immensen Erfolges der drei von Dir genannten Mehrteiler etwas in Vergessenheit geraten sein, liefern aber gerade im Falle von "Einmal im Leben" eben jene Wedel-Qualität, die ich besonders in der guten Recherche in Verbindung mit massentauglicher Identifikationsstiftung sehen würde. Den allermeisten Filmen Wedels ist gemein, dass sich der Zuschauer in einer der (zahlreichen) Figuren wiedererkennen kann.

    Dass Wedel um seine eigene Person auch einen gewissen Marketing-Coup inszenierte, ist unbenommen. Der bereits genannte Alfred Hitchcock tat dies übrigens auch, ebenso fällt mir Jürgen Roland ein und natürlich Quentin Tarrantino. Ich kann daran für einen Filmemacher auch nichts Ehrrüriges erkennen, eher wundere ich mich, dass nicht mehr Regisseure von dieser Möglichkeit Gebrauch mach(t)en.

    Was den fortwährenden Vorwurf anbelangt, Dieter Wedel habe bei großen Vorbildern geklaut, so bin ich zwiegespalten. "Hollywood klaut bei Wedel" war damals tatsächlich eine ulkige Sache, ich kann mich daran noch gut erinnern. Inhaltlich halte ich das für vollkommen hanebüchen, denn geklaut ist da gar nichts. Gerade "Bellheim" (eher wurde hier damals das Grundthema aus "Die glorreichen sieben" genannt) ist völlig eigenständig. Und wer auf "Die glorreichen sieben" verwies, der musste leider auch zugestehen, dass sich schon Sturges mit seinem Western bei den Japanern bedient hatte. Kurzum: Wer die Anleihen Wedels bei anderen Vorbildern ernsthaft als Plagiat bezeichnet, der hat nicht verstanden, dass die ganze Filmindustrie mehr oder weniger aus solchen "Plagiaten" besteht. Dennoch war die Harald-Schmidt-Nummer damals durchaus witzig, letztlich aber für nichts anderes als für Schmidts Einschaltquote relevant. Wenn ich sage, dass ich zwiegespalten bin, dann lediglich deswegen, weil Wedel nicht zuletzt aufgrund seiner Selbstvermarktung mit solchen Darstellungen auf seine Kosten leben musste. Er tat mir da nun nicht eben leid, sein Werk hat es in meinen Augen aber auch kein Stück geschmälert.

    Gruß
    Jan

  • Dieter Wedel gestorbenDatum25.07.2022 10:19
    Foren-Beitrag von Jan im Thema Dieter Wedel gestorben

    Zitat von Marmstorfer im Beitrag #3
    ein Genie war er nicht. Die SZ hat es ganz treffend formuliert. „Seine Serien sind seriös und sorgfältig um vertraute Themen herumgearbeitet… Niemand hätte ihm je die grandiose tänzerische Leichtigkeit vorgeworfen, die Helmut Dietl ins deutsche Fernsehen brachte, vom genrebewussten Kunstwillen Dominik Grafs war er Gebührenlichtjahre entfernt…“

    Ein Genie war er sicher nicht; genau genommen müsste ich auch lange nachdenken, ein Regie-Genie auszumachen. Ich kenne eigentlich keins, wenn man Genie dahingehend definiert, dass das Gesamtwerk ausnahmslos von in allen Belangen überfliegender Perfektion ist. "Gier" beispielsweise habe ich nicht erwähnt, weil "Gier" für mich nicht synonym für den erfolgreichen Wedel-Mehrteiler steht. Genau genommen gab es schon bei "Der König von St. Pauli" reichlich Kritik an Wedels märchenhafter Erzählweise, die aber nun einmal beabsichtigt war. Natürlich bringen es diese Mehrteiler auch mitsich, dass Randfiguren auftreten, die auch zur Spielzeit beitragen. Auf mich wirkte das aber nie störend oder gar berechnend im Sinne von "aufpumpend", denn mit den Randfiguren und Nebenerzählungen bewahrte sich Wedel ein Stück weit seine alte Gabe, gut recherchierten Realismus einzupflegen, während die von Mario Adord, Günter Strack und Heinz Hoenig getragenen Hauptplots mehr und mehr ins Fantastische übergingen. Vergleicht man beispielsweise den Tatort "Ein ganz gewöhnlicher Mord" mit "Der große Bellheim", so findet man beispielsdweise in dem kleinen Verkäuferteam um Dominique Horwitz eben solche Charaktere, die schon den alten Tatort ausgemacht hatten. Für mich war das stets gewollte Ergänzung und weniger ein Steigbügelhalten für die große Star-Parade.

    Gruß
    Jan

  • Edgar Wallace - Heute vor...Datum24.07.2022 12:14
    Foren-Beitrag von Jan im Thema Edgar Wallace - Heute vor...

    Zitat von Peter Ross im Beitrag #641
    1963 sah man ihn als Nr. 10 in "Die zwölf Geschworenen".

    ...und er verlieh dieser durch und durch hässlichen Figur eine wirklich beeindruckende Widerwärtigkeit. "Die 12 Geschworenene" sei jedem ans Herz gelegt, der einmal Sir Archibald auf etwas andere Weise mit seinen Inspektoren Parr und Elk umspringen sehen möchte...

    Gruß
    Jan

  • Dieter Wedel gestorbenDatum23.07.2022 14:25
    Thema von Jan im Forum Off-Topic

    Bereits am 13.07. verstarb der große deutsche Regisseur Dieter Wedel in Hamburg im Alter von 82 Jahren. Spätestens seit "Einmal im Leben - Geschichte eines Eigenheims" im Jahre 1972 zählte Wedel zu den populären Filmemachern. Wedels zunächst an der realistischen Darstellung orientierter Regiestil wandelte sich mit den Jahren immer weiter hin zur groß angelegten Familienunterhaltung von beachtlichem Anspruch, nicht selten inspiriert durch große US-amerikanische Vorbilder, die Wedel gerne zitierte, nie aber platt kopierte. Neben "Der große Bellheim" zählten "Wilder Westen inclusive", "Der Schattenmann" und "Der König von St. Pauli" zu Dieter Wedels überbordenden Publikumserfolgen, die ihn mit den Jahren zu Deutschlands Regisseur Nr. 1 machten; einem Regisseur, der dem Publikum nicht nur vom Namen her bekannt wurde. Vielmehr trat er auch als Gast in Talkshows, bei Cameo-Auftritten in seinen eigenen Filmen oder bei Fremdproduktionen in nicht selten selbstironischer Stelle vor die Kamera.

    Dieter Wedels Beitrag zur deutschen Fernsehgeschichte darf getrost als weitgehend einmalig gelten. Nach dem altersbedingt vermehrten Ausscheiden der ehemaligen Kinoregisseure war es Dieter Wedel, der noch in der Lage war, ein Massenpublikum, häufig über mehrere Teile einer Miniserie hinweg, zu fesseln und zu begeistern. Mit Dieter Wedel tritt ein großer Name von der Bildfläche, sein beachtliches Lebenswerk wird bleiben!

    Gruß
    Jan

  • Edgar Wallace - Heute vor...Datum23.07.2022 10:53
    Foren-Beitrag von Jan im Thema Edgar Wallace - Heute vor...

    Zitat von Peter Ross im Beitrag #635

    Interessant finde ich, dass er mit dem Journalisten Hans Borgelt im Ruhestand seine Memoiren "47 Jahre objektiv" verfasste, die allerdings leider nie veröffentlicht wurden. Hat jemand diese einsehen können?

    Interessante Info, das wusste ich auch nicht; dass er in Berlin ein Restaurant betrieben hatte, ebensowenig. Ich denke, es würde sich in Bezug auf die Memoiren lohnen, da einmal nachzuforschen, auch wenn ich mir nur wenig Hoffnung darauf machen würde, dass der "forenrelevante" Film darin besonders umfangreich Erwähnung findet.

    Für mich zählt Richard Angst, wie auch Karl Löb, zu den bestimmenden Köpfen hinter der Kamera jener Jahre. Interessanterweise aber weit weniger wegen seiner Wallace- oder BEW-Beiträge, denn vielmehr wegen seiner Kameraarbeit bei Paul Mays "Via Mala". Der Film ist für mich vor allem deswegen immer wieder die reine Freude, weil Angsts Bilder so imposant ausfielen. Etwas Vergleichbares im "anspruchsvollen Heimatfilm" fällt mir spontan nur noch im Falle Otto Heller in "An heiligen Wassern" ein. Bis dahin waren die Bilder der Heimatfilme doch eher von gewollter Glattheit, unheimlich farb- und lichtintensiv. Angst drehte sowohl Farbe wie auch Licht bei "Via Mala" in den bedrückenden Bergszenen so weit zurück, dass eine geradewegs "schluchtengleiche" Enge auch bildlich entsteht, die der Geschichte um den von Gert Fröbe verkörperten Unmenschen Jonas Lauretz auch bildlich einen Hintergrund gibt. Im Hause der Lauretzens fällt dann schnell auf, wer für die Bildgestaltung verantwortlich zeichnet, denn auch ohne den Namen Richard Angst in den Credits gesehen zu haben, sind die typischen Angst-Einstellungen auffällig: Die Kamera knapp über dem Boden, weit ab von den Schauspielern, welche sie von schräg unten erfasst und dabei das Bild zu großen Teilen mit dem Raumboden und - sehr untypisch und auch kostenintensiv - auch die Raumdecke füllt. Diese Einstellung findet sich in zahlreichen Angst-Produktionen und ist für mich eine Art Markenzeichen von bildimposanter Intensität.

    Gruß
    Jan

  • Edgar Wallace - Heute vor...Datum23.07.2022 10:30
    Foren-Beitrag von Jan im Thema Edgar Wallace - Heute vor...

    Zitat von Peter Ross im Beitrag #637
    Zitat von Savini im Beitrag #631
    Zitat von Peter Ross im Beitrag #630

    [quote=""|p7404322]Möglicherweise trifft sein Inspektor Puddler in „Der schwarze Abt“ (1963) sogar näher die Vorstellungen des Autors als Siegfried Lowitz Inspekter Jahre ist mir Regnieroren aus früheren Wallace-Filmen , die eher für ein spezifisch deutsches Publikum perfekt waren.

    Wobei der Ermittler im Roman (wo er nur Sergeant ist und sich "Puttler" schreibt) ein eher schlicht und derbe wirkendender Mensch mit ausgesprochen hässlichem Äußeren ist; als er sich als intelligenter und literarisch gebildeter Mann erweist, sorgt das für große Überraschung.


    Wo wir gerade bei einem Vergleich von Regnier und Lowitz sind: Auch Regnier hätte ich sehr gerne später in einer ZDF Krimiserie anolog zu "Der Alte" gesehen. Sicher wäre dort auch Regnier ein klasse Darsteller in der Rolle eines weisen Ermittlers gewesen. Leider kam es aber nicht soweit. Ich meine, irgendwo aber mal gelesen zu haben, dass Regnier zumindest im Gespräch war. Vom Alter hätte es gepasst, denn sowohl Lowitz als auch Regnier haben das Geburtsjahr 1914 und waren demnach Ende der 70er Jahre noch Mitte 60.

    Das habe ich auch irgendwo einmal aufgeschnappt, kann aber leider nicht mehr sagen, wo genau das war. Es ist aber überaus naheliegend, denn schon den "Kommissar" hätte er von Alter und Aura her verkörpern können; er hätte der Rolle aber möglicherweise zu wenig Volkstümlichkeit mitgegeben. Gerade für den wichtigen Export war Ringelmann ja daran gelegen, etewas typisch Deutsches herzustellen. Insofern war ich auch recht verwundert, als ich las, dass Regnier für die Besetzung einer Ermittler-Hauptrolle in Betracht gezogen worden sein soll.

    Am Ende ist es aber ja auch gut so, wie es gekommen ist, denn vielmehr als sein Inspektor Puddler oder seine zahlreichen Edelschurken im deutschen Kriminalfilm der 1960er Jahre ist mir Regnier in den vielen grandiosen Rollen in den Ringelmann-Krimis in Erinnerung. Denken wir an den verschrobenen Dr. Förster in "Der Kommissar - Ein Amoklauf" oder an den diabolischen Herrn Kolmbühler in "Der Alte - Der Selbstmord", letzteres ein typisches Leopold-Ahlsen-Buch, weit weniger Krimi denn abgründiger Seelenstriptease. Ringelmann besetzte Regnier vermutlich so oft wie kaum anderer Produzent. Dabei bewies er zumeist ein erstklassiges Händchen, Regnier auch mit solchen Rollen zu versorgen, die ihm mehr abverlangten als den wie auch immer gearteten Gentleman-Ganoven permanent zu recyclen. Auch als Regisseur bewies Regnier bei Ringelmann seine Klasse: Die Kommissar-Folge "Rudek" gehört ganz gewiss zu den interessantesten Episoden der ganzen Reihe!

    Gruß
    Jan

  • Millionen nach Maß (TV, 1970)Datum21.07.2022 17:20
    Foren-Beitrag von Jan im Thema Millionen nach Maß (TV, 1970)

    Zitat von DanielL im Beitrag #3
    Im Rahmen einer kleinen privaten Curd-Jürgens-Retrospektive liegt bei mir gerade dieser Mehrteiler im Player.

    Dieser TV-Mehrteiler hat ja - wie so manch anderer - viele Originalaufnahmen im Ausland, insbesondere in England. Zwar berichtet die Krimiseite von behördlichen Herausforderungen, aber grundsätzlich scheint man solche Produktionen ja weitgehend mit den Schauspielern an Originalschauplätzen geplant zu haben. Ganz anders als bei den Kinoproduktionen der Zeit, wo man ja wirklich nur kleine Sequenzen, teilweise mit Doubles, vor Ort ohne Drehgenehmigung drehte. Und offizielle Wege über die Behörden als zu teuer angesehen wurden. Warum war das Fernsehen da offensichtlich im Vorteil? Weil man generell mit kleinerem Besteck drehte und es so einfach umzusetzen war? Oder gab es da evtl. als Rundfunkanstalt mehr Hilfe - z.B. von Seiten der europäischen Rundfunkunion? Subventionen? Es ist doch in Summe auffällig, dass bei den in England spielenden TV-Krimis zumindest häufig vor Ort gedreht wurde, wobei es beim Film nur selten oder nur mit britischen Co-Produzenten vorkam.

    Ich könnte mir vorstellen, dass es auch die Überlegung der TV-Macher war, sich mit vielen Originalaufnahmen vom Kino abzuheben und etwas Besonderes zu bieten. Fernsehen ist immer doch ein Stück weit direkter und kann den Zuschauer weniger verführen als die große Kinovorführung.

    Zudem dürfte der Öffentlich-rechtliche Rundfunk weit weniger profitgetrieben gewesen sein als die privatwirtschaftlichen Kinoproduzenten und -verleiher. Nicht umsonst liest man immer einmal wieder, dass die vielen ehemaligen Kinoregisseure auch deswegen zum Fernsehen abwanderten, weil ihnen das Fernsehen bessere Möglichkeiten bieten konnte als das immer günstiger produzierende Kino. So fällt ja beispielsweise auch auf, dass das Fernsehen in den frühen Siebzigern noch häufig ins Atelier ging, währenddessen die Kinoproduktionen schon in realen Sets gedreht wurden.

    Das wären so zwei Punkte, die mir auf die Schnelle einfallen würden.

    Gruß
    Jan

  • Zitat von Blacky81 im Beitrag #92
    Da ich die Geschichte grundsätzlich sehr spannend finde und auch einige Bilder des Filmes wie z.B. den Nachtclub sehr mag, stellt sich mir die Frage was Harald Reinl oder vielleicht sogar Rolf Olsen aus der Story gemacht hätten. Generell ist es schade, das Atze Brauner für seine Endsechziger/Frühsiebziger - Projekte nicht Reinl statt Franco verpflichtet hat.

    Ja, man muss den Franco-Stil heute schon als ganz eigene Kunstform auffassen, um damit glücklich zu werden. Ganz viel am Stück kann ich davon auch nicht gucken. Ab und an einmal eingestreut kann ich mich an meiner eigenen Überraschung darüber dann allerdings erfreuen, dass Franco wirklich so stumpf war, wie es das ansonsten eigentlich nirgends gibt. Aus damaliger Sicht ist es schon erklärlich, dass Brauner Franco statt Reinl engagierte, denn Franco dürfte doppelt so schnell und deswegen halb so teuer produziert haben. Ich glaube nicht, dass sich Harald Reinl dafür hergegeben hätte. Rolf Olsen, in Bezug auf den Krautploitation-Touch deutlich dichter bei Franco als es Reinl je war, sicher aber auch nicht.

    Gruß
    Jan

  • Edgar Wallace - Heute vor...Datum01.07.2022 09:38
    Foren-Beitrag von Jan im Thema Edgar Wallace - Heute vor...

    Zitat von Count Villain im Beitrag #591
    Hier möchte ich mich mal selbst zitieren.

    Zitat
    Fazit
    Gottlieb ist ein guter Regisseur, aber ein schlechter Dramaturg. Der Abt ist zu jeder Zeit kurzweilig und atmosphärisch, aber zu keiner Zeit spannend. Lustigerweise ist der Film damit sowohl eine der größten vertanen Chancen der Reihe als auch eine erfrischende Abwechslung zu den anderen Filmen.


    Bei dieser Meinung (dem Besprechungsthread im Unterforum entnommen) bleibe ich jetzt immer noch. Der "Abt" ist demzufolge für mich auch nicht der beste Gottlieb-Film. Den finde ich eher bei den Epigonen (Schwarze Witwe, Siebtes Opfer, Phantom von Soho). Und wenn ich den Höhepunkt von Gottliebs "echtem" Wallace-Schaffen heraussuchen müsste, wäre das die letzte halbe Stunde von der gelben Schlange. Leider ist die Stunde davor - trotz Braun, Regnier und Peters, denen man allen durchaus gerne zuschaut - absolut langweilig geraten.


    Das unterschreibe ich zu 100%! Auch ich halte den Abt eher für einen der schwächeren Gottlieb-Filme, währenddessen gerade die Schlange, aber auch die Gruft aus meiner Sicht unter'm Strich zumindest teilweise besser als ihr Ruf sind. Der Abt krankt ganz besonders an dem Gottlieb-Problem, dass er einfach kein guter Drehbuchschreiber war. Am Ende kann man ja immer nicht sagen, wer von den Autoren nun die Vorlagen dergestalt verschlimmbesserte; an Gottliebs Filmen waren zumeist auch andere Autoren beteiligt. Angesichts eines unübersehbaren Musters muss aber wohl als überwiegend wahrscheinlich gelten, dass er selbst dafür die Verantwortung trug. Auch kann man nicht sagen, wie schlimm die Vorlagen nun wirklich immer waren, denn ein Regisseur mit Sinn für flotte und ironische Inszenierungen war er ja durchaus, und so rettet er sich in seinen gelungenen Filmen durch seine Inszenierung möglicherweise selber vor dem Untergang.

    Der Abt ist so ein Paradebeispiel für misslungene Dramaturgie und schlechtes Timing. Streckenweise von viel zu getragener Stimmung, dann wieder überhastet mit gleich zwei Äbten, inszenatorisch am Ende noch unsauber aufgelöst. Das dauerhafte Herumgeschleiche in der Abtei, das Gottlieb schätzungsweise in 25 unterschiedlichen Darreichungsformen serviert, verbessert das Gesamtbild dann auch nicht. Möglicherweise ist der Abt der Wallace-Film innerhalb der Reihe, der bis in die letzte Nebenrolle am besten besetzt ist. Das gilt selbst für Dieter Borsche, der einen wirklich irren Lord abgibt, dessen Wirken jedoch in der Umgebung, in die ihn Gottlieb steckt, gar nicht funktionieren kann. Selbst wenn der zwielichtige Arthur Gine seine Schwester an den Lord vermarkten wollte, so muss es schon anno 1963 als fragwürdig zurückgeblieben sein, dass diese sich auch nur zehn Sekunden mit der Idee hätte anfreunden können, ihrem Bruder diesen Dienst zu erweisen. Ganz zu schweigen davon, dass sie sich auch noch (reichlich langatmig) mit dem irren Lord in zahlreichen Szenen auseinandersetzt.

    Zurück zu Gottlieb selbst: Sollte ich eine Rangfolge seiner drei Wallace-Filme erstellen, so stünde vermutlich die Gruft an erster Stelle, gefolgt von der Schlange und am Ende trotz der tollen Besetzung bleibt dem Abt nur das Schlusslicht. Gottliebs Epigonen sind z.T. erheblich besser gelungen als seine Originale, hier vor allem Witwe, 7. Opfer und Phantom.

    Gruß
    Jan

  • Das England der Wallace-FilmeDatum28.06.2022 15:00
    Foren-Beitrag von Jan im Thema Das England der Wallace-Filme

    Die Bezeichnung "Phantasieengland" finde ich eigentlich durch und durch passend. Auch erinnere ich mich daran, wie Oliver Kalkofe in der bereits genannten Doku davon berichtete, wie enttäuscht er war, als er zum ersten Mal das echte England sah - ohne Nebel und ohne nasses Kopfsteinpflaster. Ähnlich ging es mir 1994 auch, wobei ich immerhin nicht ernsthaft an den Nebel glaubte.

    Einmal von den Bauten/Dekors aus betrachtet:

    Meiner Wahrnehmung nach ist dieses Phantasieengland in den einzelnen Phasen unterschiedlich umgesetzt worden bzw. es hat sich innerhalb der Reihe deutlich gewandelt. Zunächst versuchte man, dem realen England zumindest in den Ateliers und in den in Dänemark gewählten Sets sehr nahe zu kommen. Man denke an das echt britisch wirkende Haus der Benetts im Frosch, den eigens angefertigten Wegweisern mit echt englisch klingenden Ortschaften oder natürlich an die opulente Ausstattung von Erik Aaes Atelierbauten. Zumindest der Raum, in dem gespielt wurde, sollte nicht an Nierentisch und Häkeldecke erinnern, sondern eine gehobene Form englischer Noblesse verströmen. Mit Einstieg Alfred Vohrers wurden die Bauten in seinen überaus Atelier lastigen Filmen sehr viel kulissenhafter. Ich nehme an, dass es weniger die Absicht war, die englische Note zu eliminieren, denn vielmehr eben jenen Bühnencharakter zu erschaffen, den sich der Regisseur per se in allen seinen Produktionen wünschte. Spätestens mit Wechsel der Produktion nach Berlin und der Wahl von Pfaueninsel & Co. wechseln die Außendekors dann in einen eher ländlichen Raum, währenddessen die CCC-Bauten immer grotesker werden und das Bild vermitteln, dass der Ansicht der Macher zufolge in englischen Schlössern Massen an Spinnweben von der Decke hängen, Skelette in der Ecke stehen und die Erbauer der Schlösser mehr Geheimtüren als echte Türen in ihre Refugien einbauen ließen. Es wird gerade in der Farb-Ära ein geradewegs mittelalterliches Bild erzeugt, das gar nicht zu verbergen trachtet, dass es sich um ein reines Phantasieprodukt handelt. Der diesbezügliche Bruch, den erst das Glasauge in die Reihe bringt, wird vor allem auch dadurch so prägnant, dass diese imaginäre Altertümlichkeit quasi im Handstreich verschwunden ist und einem überraschenden Realismus weicht, der aber nichts mehr mit dem liebenswerten Phantasieengland zu tun hat, sondern fast staatenlos ist und überall auf der Welt spielen könnte.

    Rein von den Atelierbauten und der Ausstattung bzw. den Dekors würde ich grob drei aufeinanderfolgende "Phantasieenglands" unterscheiden:
    - Kategorie 1: Bemüht um eine Form des wirklichen Englands, Schaffung einer möglichst undeutschen Atmosphäre, detailverliebte Bauten von großem Aufwand (von Frosch bis Zinker)
    - Kategorie 2: England dient als Synonym quasi mittelalterlicher Zustände, groteske Überzeichnung von Schauer, Grusel und Sündenpfuhl, die Bauten kulissenhaft und von gewolltem Bühnencharakter (von Abt bis Gorilla)
    - Kategorie 3: Der Schauplatz tritt in den Hintergrund, erscheint entweder staatenlos oder unbekümmert deutsch, später sogar offenkundig italienisch (von Glasauge bis Halbmond)

    Währenddessen die Abgrenzung zwischen Kategorie 2 und 3 sehr einfach ist, fällt sie zwischen 1 und 2 schon schwerer, zudem finden sich immer auch Ausreißer. Alles in allem hat England an Bedeutung in der Ausstattung der Filme mit fortschreitender Zeit mehr und mehr eingebüßt. Der Zeitgeist überrollte den zunächst gewählten Snobismus mit Schaurigkeiten und später auch Sex. Der nackte Busen von Ingrid Steeger war im Gorilla von mehr Bedeutung als das "Your game please!" in den Augen.

    Gruß
    Jan

  • Edgar Wallace - Heute vor...Datum23.06.2022 12:54
    Foren-Beitrag von Jan im Thema Edgar Wallace - Heute vor...

    Zitat von Savini im Beitrag #568
    Vielleicht war er aber auch ZU britisch für das Phantasie-England des deutschen Kinos/Fernsehens?


    Das ist tatsächlich gar keine so schlechte Erklärung! Man schuf sich mit den Figuren ja so eine verschrobene und am Ende urdeutsche Vorstellung vom Leben auf der Insel bzw. griff den Zeitgeist der Bundesrepublik diesbezüglich auf. Hubsi von Meyerinks Darstellung eines britischen Militärs im "Buckligen" oder Arents, später auch Besslers Butler-Typus bleiben zwangsläufig pure Fiktion. Die übrigen Charaktere, die weit weniger zum Chargieren engagiert wurden, treten dann oftmals entweder ungehobelt auf (z.B. Jochen Brockmann im "Hexer" oder Hans Nielsen im "Tuch", wobei der immerhin Amerikaner sein durfte), oder sie verkörpern den guten Onkel quasi staatenloser Mentalität (wieder Brockmann im "Frosch", wieder Nielsen in der "Tür"). Naheliegend für Lieven wären da tatsächlich die "Augen" gewesen, die Rolle bekam er ja schließlich 1968 auch noch. Rechtsanwalt Havelloc hätte auch passen können, vielleicht auch Frank Sutton. Zwar ist René Deltgen für mich die Idealbesetzung des "Hexers", Lieven wäre da aber auch nicht unpassend gewesen. Am Ende hätte ihm seine "Britishness" bei genauerer Betrachtung vermutlich tatsächlich aber keinen zentralen Vorteil gegenüber der gewählten Besetzung verschafft.

    Gruß
    Jan

  • Edgar Wallace - Heute vor...Datum23.06.2022 09:37
    Foren-Beitrag von Jan im Thema Edgar Wallace - Heute vor...

    Zitat von Savini im Beitrag #566
    Zitat von Peter Ross im Beitrag #564
    Das Kosmopolitische war es dann auch, was dem damals sehr biederen deutschen Krimipublikum etwas verdächtig vorkam. Seine Gewandtheit, seine Souveränität, seine Lässigkeit gepaart mit guten Manieren bei durchaus sympathischer Erscheinung erschien in den 50er Jahren so gar nicht heimatlich bodenständig, wie man es aus den Filmschmonzetten gewohnt war. Damals erschien das alles verdächtiger als heutzutage.

    Neben seiner Erscheinung machte sich die lange Prägung im englischsprachigen Raum auch dadurch bemerkbar, dass sein Deutsch eine leicht englische Färbung hatte, die mir schon früh auffiel und mich erst irritierte, bevor ich erfuhr, dass er jahrzehntelang in England gelebt hatte.


    In der Vor-Internet-Ära war ich davon überzeugt, Lieven sei Engländer und spreche nur wahnsinnig gut Deutsch! Erst mit Aufkommen der ersten (kurzen) Biografien erfuhr ich, dass er gar kein geborener Brite war. Eigentlich ist es verwunderlich, dass Lieven bei Wallace nicht häufiger besetzt wurde. Er wirkte stets britischer als britisch.

    Gruß
    Jan

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