Maigret riskiert seine Stellung Fernsehfilm nach dem Originalroman „La tête dʼun homme“ von Georges Simenon BBC-tv 1962 Drehbuch: Giles Cooper und John Elliot Regie: John Elliot
Ein toller Fernsehkrimi von ursprünglicher Kraft, die Vorlage von Georges Simenon bereits in den 1930er Jahren geschrieben, als er noch jung war. Mit typischem und effektvollem Gemisch: ein Pariser Café mit amerikanischem Touch („American Bar Le Copain“) im Stadtteil Montparnasse, das Stripteaselokal „Lautrec“ auf dem Montmartre, eine Villa im Pariser Vorort Saint-Cloud. Im Schlafgemach, dessen Tür weit geöffnet ist, hört man die Uhr melodisch schlagen. Lampenbeleuchtung erhellt das Zimmer mitten in der Nacht. Statt im Bett liegt hinten im Raum jemand auf dem Fußboden. Im vorderen Bett liegt jemand auf der Bettkante, so sehr auf der Kippe, dass die geringste Vibration des Parketts oder auch nur ein Lufthauch – vielleicht ist es der Atem einer nahen Person, die man im Bildausschnitt nicht sieht, vielleicht ist es doch ein Antippen mit dem Finger – den menschlichen Körper aus dem Bett rollen und auf den Boden fallen lässt, dorthin, wo sich eine Blutlache befindet. Spätestens jetzt wird klar, dass in der Kammer zwei Leichen in ihrem eigenen Blut liegen. Es handelt sich dabei um eine reiche Amerikanerin, Madame Henderson, und um ihre Wirtschafterin, zwei alte Damen.
Die Schlafkammer-Szene ist eine ganz ruhige Einstellung, ohne hektische Bildführung, als Standbild beginnend. Die Kamera schwenkt schließlich langsam nach unten, dem heruntergefallenen Körper nachfolgend, und zoomt dann hin auf die Blutlache nebst einem deutlich erkennbaren blutigen Schuhsohlenabdruck von markantem Profil. Nach diesen wenigen, jedoch einprägsamen Fernsehmomenten wurde ich an dem Samstagabend in 1965 von meinem Vater sofort zu Bett geschickt: „Das ist nichts für Kinder!“ Ich behielt die Szene mein Leben lang im Kopf. Die Nachtlokal-Szene hingegen kannte ich jahrzehntelang nur von dem Foto im Programmteil der HÖRZU. Aufgrund dieses Fotos hatte ich aber schon im voraus geahnt, dass der Film insgesamt für mich ganz bestimmt tabu werden würde. Mein Vater ließ mich aber manchmal wegen der schwungvollen Pariser Titelmusik und des vom brennenden Streichholz erhellten Gesichts Maigrets so lange zuschauen, bis sich wirklich etwas für mich „Ungeeignetes“ anbahnte. Und diese Folge fing – zumindest optisch – recht harmlos an: Im Café schiebt jemand heimlich einem anderen einen Notizzettel zu, dessen Nachricht der Empfänger als „todsicheren Tipp“ für deutbar hält.
Und da haben wir schon zwei des Mordes Verdächtige: der, von dem die Notiz stammt, und der, der sie nicht verwirft, sondern anfängt, ernsthaft darüber nachzudenken. Die Kriminalpolizei schnappt aber überraschend schnell einen anderen, an dessen Sohlen doch tatsächlich das Blut von Madame Henderson klebt! Die Indizien sind so eindeutig, dass der Fall bereits ad acta gelegt werden könnte – wäre da nicht unser bedächtiger und gewissenhafter Kommissar Maigret! Der ist von der Schuld dieses Mannes nämlich gar nicht überzeugt und weiht den Untersuchungsrichter ein, dass es das Beste sei, den Mann aus der Haft „fliehen zu lassen“, um durch dessen Beschattung auf die Spur des wirklichen Mörders zu kommen. Das Risiko, dass das zu keinem Erfolg führt oder dass der Mann bei der Gelegenheit abtauchen könnte, nimmt Maigret zwar auf seine eigene Kappe, dem Richter ist aber ganz und gar nicht wohl bei diesem Vorhaben und fürchtet auch um seinen eigenen Posten. Er könnte Maigret den Fall einfach entziehen, wie das geschieht beim „Fall Josset“, als Maigret ebenso nicht von der Schuld des Verdächtigen überzeugt ist und dann später, im allerletzten Moment, kurz vor der Vollstreckung der Todesstrafe, alles daransetzt, um den Mann doch noch vor der Guillotine zu retten.
Diesmal hat der Richter, trotz aller Bedenken, letztlich doch genügend Vertrauen zu Maigret. Der riskiert nun freiwillig seine Stellung und lässt den Häftling bei der Überführung zu einem anderen Gefängnis aus dem Polizeiauto – bei einer fingierten Panne – entkommen, ohne dass dieser es merkt, dass er entkommen soll. Inspektor Lucas muss ihn im Auge behalten. Maigret schärft ihm ein: „Bleib bloß dran! Er darf dich nicht sehen! Wenn du ihn verlierst, kannst du gleich ins nächste Geschäft gehen und ein Freizeithemd für mich kaufen!“ Der Verfolgte kann aber, als er Lucas erkennt, hinterrücks und schlagartig seinen zweiten Schatten abschütteln. Schauspieler Ewen Solon, der den Inspektor Lucas spielt, machte bei den Dreharbeiten dieser Episode die Bekanntschaft mit der attraktiven jungen Darstellerin Vicki Woolf und bemühte sich diesmal mit Erfolg, diese nun ganz bestimmt nicht aus den Augen zu verlieren. Die beiden heirateten ein paar Jahre später (Siehe Beitrag #273). Hier im Film ist sie Animierdame im „Lautrec“, die, als sie zu Maigret hingestupst wird, ihn mit den Worten „Na, Kleiner?“ begrüßt. Eine gute Idee der deutschen Synchronisation, denn im Original lacht sie ihn nur angeheitert an, ohne Worte. Dafür ist das anfangs erwähnte wohlklingende Schlagen der Uhr in der Schlafkammer-Szene in der deutschen Version nicht zu hören, man zog hier die Totenstille vor. Auch gut, nur nicht so feudal.
Personen: Maigret (Rupert Davies). Lucas (Ewen Solon). Lapointe (Neville Jason). Torrance (Victor Lucas). Radek (Anton Rodgers). Heurtin (John Ronane). Kirby (Jerry Stovin). Madame Kirby (Pat English). Helga, ihre Freundin (Gabriella Licudi). Untersuchungsrichter (Bruno Barnabe). Gefängnis-Aufsichtsbeamter (Peter Thompson). Begleit-Polizist auf dem Rücksitz bei der Autopanne (Anthony Sheppard). Graphologe (Robin Chapman). Besitzer der Hafengaststätte (Thomas Hare). Bob, der Café-Kellner (David Case). Café-Manager (Michael Segal). Wachtmeister (Keith Anderson). Hotelportier (John Rolfe). Zeitungsverkäuferin (Aimée Delamain). Bardame (Beryl Nesbitt). Animierdame (Vicki Woolf). Tänzerin (Tina Valdi).
ZDF-Sendung dieser Folge: Samstag, 4. September 1965 um 21.00 Uhr.
Mittelpunkt meines Schriftbildes ist ein Foto mit zugehörigem Redaktionstext aus HÖR ZU 36 / 1965.
Das mit den Staffelboxen in den USA ist mir neu. Wieder eine Überraschung für mich! In den USA lief die Serie, soweit ich weiß, nämlich nie im Fernsehen, in Kanada aber wohl, fast zeitgleich mit der Erstausstrahlung in England. Vielen Dank für den Hinweis, Markus!
Maigret und die schrecklichen Kinder Fernsehfilm nach dem Originalroman „Maigret à l'école“ von Georges Simenon BBC-tv 1961 Drehbuch: Vincent Tilsley Regie: Rudolph Cartier
Die „schrecklichen Kinder“, von denen mehrere Jungen Zugriff auf ein 2,2mm-kalibriges Gewehr haben, das fürs Schießen auf Spatzen geeignet ist - oder vielleicht auch auf die alte Postmeisterin Leonie Birard, um ihr mal „einen Schrecken einzujagen“, weil sie nur allzugern die Post der Dorfbewohner öffnete, all ihre Geheimnisse kannte und diese durch ihr Fenster auf die Hauptstraße hinausposaunte - sind eigentlich ganz normale Kinder. Sie bereiten der Polizei nur schreckliche Schwierigkeiten bei der Aufklärung des Mordes an Leonie, weil sie Unwahrheiten erzählen und ihren Lehrer, Monsieur Philippe Gastin, damit belasten. Gastin lebt seit neun Jahren mit seiner Familie hier in Saint-André-sur-Mer in der Charente, ist also kein Einheimischer. Deshalb werden er, seine Ehefrau und sein jetzt 13-jähriger Sohn, Jean-Paul, geradezu als feindliche Außerirdische betrachtet, die dort nichts verloren haben. Jean-Paul hat keinen einzigen Freund.
Fremdenhass ist das eine Thema, das im Mittelpunkt dieser Folge steht. Auch Kommissar Maigret, der sich im Gasthof des malerischen Dorfes am Atlantik für ein paar Tage einquartiert hat, weil er weiß, dass es gerade an diesem Küstenstrich besonders schmackhafte Austern und „den besten Wein von Frankreich“ gibt, bekommt gleich bei seiner Ankunft einen Hauch von Unverständnis ab nach dem Motto „Was macht der verdammte Schnüffler hier?“ Für den hiesigen Kriminalfall ist Maigret nämlich gar nicht zuständig. Natürlich stellt er routinemäßig viele Fragen und verbreitet dabei seinen Pfeifenqualm. Gastin hatte ihn gebeten, hierherzukommen und die Wahrheit herauszufinden.
Der Fremdenhass wird am ergreifendsten in der Beerdigungs-Szene gezeigt. Der Trauerzug mit Leonies Sarg zieht am Haus des Lehrers vorbei, Gastin nimmt daran nur auf Distanz teil, indem er von seiner Pforte aus den zum Friedhof Schreitenden zuschaut. Plötzlich muss er sich aber ducken und ins Haus flüchten, weil Steine nach ihm geworfen werden. Fensterscheiben werden zertrümmert und Gastins Frau vergeht fast vor Angst in den Armen ihres Mannes. Ihr Sohn hingegen flüchtet aus dem Haus, rennt an dem Trauerzug vorbei und lässt sich schließlich, völlig verzweifelt und kraftlos, im entfernten Dünensand fallen.
Das andere Thema dieses Films ist der Ehebetrug und wohin so etwas führen kann. Als die Gastins noch in Straßburg wohnten, war für sie die Welt eigentlich in bester Ordnung. Monsieur hatte gute Berufsaussichten als Lehrer, denn er galt als sehr korrekt und begabt. Madame kann es sich im Nachhinein selbst nicht erklären, wie ihr das passieren konnte. Sie hatte doch ihren Mann und ihren Sohn, sie konnten beruhigt in die Zukunft blicken. Und trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen? - war da plötzlich auch ein anderer. „Ich glaube nicht, dass es Liebe war, ich habe nur meinen Mann geliebt, obwohl er jetzt daran zweifelt.“ Das amouröse Abenteuer lief ein paar Monate, bis die Frau des Liebhabers dahinterkam und es einen Skandal gab. „Es war entsetzlich“, gesteht Madame dem Kommissar aus Paris. „Wir konnten nicht mehr bleiben. Und jetzt muss mein Mann in diesem Kaff verkommen.“
Der Liebhaber von einst schickte mal einen Brief nach Saint-André, eigentlich nur an Madame Gastin gerichtet. Für die gehässige Postmeisterin ein gefundenes Fressen! Als Madame und ihr Sohn an der Post vorbeigehen, lehnt sich Leonie aus ihrem oberen Fenster hinaus und erkundigt sich lauthals mit falscher Zunge nach dem Wohlbefinden des Vaters von Jean-Paul und fügt unverhohlen hinzu: „Ist er überhaupt dein Vater?“ Durch Weglaufen versucht der Junge, den Attacken der alten Hexe zu entfliehen, die ihm noch dreckig hinterherlacht, bevor sie ihr Fenster schließt. Um Viertel nach zehn (auf der Kirchturmuhr) fällt ein Schuss aus einem 2,2mm-kalibrigen Gewehr, der, tödlich, durch die Fensterscheibe und genau durchs Auge in Leonies Gehirn trifft. Schulmeister Gastin ist der einzige Scharfschütze im Dorf, nur er kann das gewesen sein. Darin sind sich alle absolut einig.
Die englische Version ist ungekürzt, der Schuss ins Auge wird in Nahaufnahme gezeigt. Und in einer Schluss-Szene des Originalfilms kommt Jean-Paul, in den Dünen körperlich und seelisch zusammengebrochen, nochmal zu Wort und erklärt dem Kommissar, der ihn eingeholt hat, weshalb er sich in letzter Zeit immer so abweisend seinem Vater gegenüber benimmt. Dass dieser vom ganzen Dorf als Mörder hingestellt wird, scheint ihm völlig egal zu sein! „Er ist nicht mein Vater!“ „Das hat man dir bestimmt - mit böser Absicht - eingeredet! Und außerdem: Deine Rechenkünste sind ganz schön durcheinander: Die Affaire war vor 9 Jahren, du bist 13!“ Jean-Paul atmet erleichtert auf. Maigret auch. Maigret als „Schicksalsflicker“, so die treffende Beschreibung von Georges Simenon.
Als ich 1965 „Kommissar Maigret“ im Abend-Fernsehen manchmal sehen durfte, war ich so alt wie die Schüler in dieser Episode. Ich bin sozusagen einer von ihnen, obwohl ich nicht in Saint-André-sur-Mer aufgewachsen bin, sondern in Lotte-bei-Osnabrück. Eines kann ich allerdings versichern: Wenn Rupert Davies 1968 auf Einladung der Gemeinde mal nach Lotte gekommen wäre, um als werbewirksamer Fernsehstar den dortigen neuen Autobahnabschnitt der A1 mit einem seiner Oldtimer zu testen und einzuweihen, und wenn er routinemäßig viele neugierige Fragen gestellt hätte, hätte ich natürlich die Wahrheit gesagt und ihm alle Jugendstreiche, an denen ich beteiligt war und die vom gleichen Schlag waren wie die der „schrecklichen Kinder“, lieber gleich gestanden.
Personen: Maigret (Rupert Davies). Lucas (Ewen Solon). Gastin (Joseph Furst). Madame Gastin (Margot van der Burgh). Jean-Paul, deren Sohn (Jonathan Bergman). Paumelle, der Gastwirt (Victor Platt). Therese, die Gasthof-Bedienung (Laurie Leigh). Theo, der stellvertretende Bürgermeister (Edward Burnham). Sellier, der Klempner (Michael Mulcaster). Marcel, sein Sohn (Diarmid Cammell). Danielou, der ortszuständige Inspektor (Patrick Newell). Dorfpolizist (John Rae). Rateau, der Dorfschmied (Dallas Cavell). Joseph, sein Sohn, der mit dem Gipsbein (Richard Dean). Dr. Bresselles, der Dorfarzt (John Cazabon). Leonie (Rita Webb).
ZDF-Erstsendung dieser Folge: Samstag, 27. März 1965 um 21.00 Uhr, ZDF-Wiederholung: Samstag, 2. März 1968 um 17.10 Uhr.
Der Zeitschriftenausschnitt in meinem Bild ist aus der HÖRZU von 1968. Der Redaktions-Text enthält einen Fehler: Das Dorf im Film bzw. Buch liegt nicht in der Normandie, also im Norden Frankreichs, sondern an der Westküste, in der Nähe von La Rochelle.
Maigret und die widerspenstigen Zeugen Fernsehfilm nach dem Originalroman „Maigret et les témoins récalcitrants“ von Georges Simenon BBC-tv 1961 Drehbuch: Anthony Steven Regie: Gerard Glaister
Der Geschäftsführer einer Pariser Keksfabrik, Monsieur Leonard Lachaume, liegt tot in seinem Bett, mit einer Schusswunde und einer Kugel in der Brust, ohne beiliegende Pistole, so dass es nicht nach Selbstmord aussieht. Noch bevor Kommissar Maigret sich näher mit dem Fall befasst hat und soeben erst mit Inspektor Lucas vor dem Fabrikgelände und dem direkt anliegenden Wohnhaus der Lachaumes aus dem Polizeiauto ausgestiegen ist, fällt ihm etwas ein: „Jetzt weiß ich, an was mich der Name erinnert“, sagt er zu Lucas. „Kennst du die Lachaume Biscuits?“ „Nein, noch nie davon gehört.“ „Ich war noch ein kleiner Junge, da gab es die schon in allen Geschäften. Diese Fabrik hier stellte die Biscuits schon damals her, und ich erinnere mich, dass diese Dinger einen ganz pappigen Geschmack hatten. Ich dachte, die Fabrik wäre längst Pleite gegangen.“
Pleite ist sie zwar noch nicht, aber mit seinem ersten Gedanken befindet sich Maigret bereits auf der richtigen Spur, auch wenn er das in diesem Moment noch gar nicht weiß. Und dann stößt er auf ungeahnte Schwierigkeiten, denn die Hausbewohner, selbst die langgediente und uralte Hausgehilfin, Mademoiselle Catherine, sind sich alle darin einig, ihm unter keinen Umständen bei der Aufklärung des Falles zu helfen, sondern, im Gegenteil, ihn lieber auf eine fingierte Fährte zu lenken! Nur der kleine Gaston würde bei einer Befragung sicher irgend etwas Aufschlussreiches erzählen, zum Beispiel, dass er den Schuss in der Nacht gehört hat, den sonst niemand gehört haben will. Seine Tante Paulette versucht, ihn eiligst zu einem Schulinternat zu bringen, in dem er vorübergehend bleiben soll, auch zu seinem eigenen Besten, jetzt, nach dem schrecklichen und unbegreiflichen Tod seines Vaters. Inspektor Lapointe bemerkt das gerade noch rechtzeitig. „Lass sie nur weggehen“, sagt Maigret zu Lapointe. „Ich bin froh, dass der Junge aus dem Haus kommt. Hast du die Adresse vom Internat?“
Das geräumige mehrstöckige Wohnhaus, mit Korridoren so verschachtelt angelegt, dass der Gerichtsarzt, Dr. Gadelle, von einem „Labyrinth“ spricht, in dem man sich leicht verlaufen kann, hat seine große Glanzzeit längst hinter sich. Nun ist es von einer düsteren Atmosphäre des schleichenden und unaufhaltsamen Verfalls durchdrungen, der sich auch auf seine Bewohner übertragen hat, und umgekehrt. „Eine einzige Mottenkiste“, kommentiert Lucas. „Ja, was hier drin lebt, wird aufgefressen“, stimmt Maigret ihm zu. Dem jetzt toten Manager, dem als älterer Sohn die mal gut laufende Firma von seinem Vater vermacht worden war, mangelte es ganz offensichtlich an flexiblen und erfolgreichen Management-Ideen. Vielleicht probierte er nicht einmal ein neues Backrezept aus. Gern hätte ich in einer kleinen Szene gesehen, wie Maigret in einen frisch gefertigten Lachaume-Keks beißt und feststellt: „Ja, das ist genau der gleiche Pappgeschmack wie vor zig Jahren!“ Dafür kann Maigret im Film eine witzige Bemerkung nicht unterlassen: „Wie wär‘s mit ‘nem paar Lachaume-Aktien?“ Lucas: „Ich weiß was Besseres!“
Ganz ohne Wertschöpfungs-Initiativen waren die Lachaume-Brüder, Leonard und Armand, der für die Versandabteilung zuständig ist, jedoch nicht: Seit jeher waren sie auf Mitgift aus! Deren jüngere Schwester, Mademoiselle Veronique, lehnt solche Attitüden entschieden ab und hatte das Haus deshalb schon vor Jahren verlassen und sich davon unabhängig gemacht. Sie hofft vielmehr auf eine baldige Heirat aus echter Liebe. Hoffentlich geht ihr Traum in Erfüllung!
Personen: Maigret (Rupert Davies). Lucas (Ewen Solon). Lapointe (Neville Jason). Torrance (Victor Lucas). Armand Lachaume (Peter Sallis). Seine Frau, Paulette (Ellen McIntosh). Madame Lachaume senior (Evelyn Lund). Monsieur Lachaume senior (David Grahame). Catherine (Jean Cadell). Leonard Lachaume (Peter O‘Shaughnessy). Sein Sohn, der kleine Gaston (Gareth Tandy). Veronique Lachaume (Patricia Mort). Ihr Freund, Jacques Sainval (John Gabriel). Rechtsanwalt Radel (Edward Jewesbury). Jules Breme, der Buchhalter (Blake Butler). Dr. Gadelle, der Pathologe (Allan McClelland). Inspektor Muzeau (Tim Hudson). Rechtsanwalt Barbarin (Walter Horsbrugh). Madame Gaudois (Rosemary Rogers). Blumenverkäuferin (Sonia Graham). Club Patronne (Althea Parker). Sängerin (Celeste Graye).
ZDF-Erstsendung dieser Folge: Samstag, 29. Mai 1965 um 21.00 Uhr, ZDF-Wiederholung: Samstag, 23. März 1968 um 17.00 Uhr.
Der Zeitschriftenausschnitt in meinem Bild ist aus der HÖRZU.
So stelle ich mir Maigret vor: einer, zu dem man immer gehen kann, wenn das Leben zu kompliziert und zwischenmenschlich so spannungsvoll wird, dass ein Verbrechen, ein Mord, geschehen könnte oder, wie fast immer in den Maigret-Fällen, schon geschehen ist. Maigret ist grundsätzlich ein Menschenfreund, und er hat in seinem Berufsleben als Kriminalkommissar so viele Erfahrungen mit allmöglichen Daseins- und Umgangsformen gesammelt, dass ihn kaum noch etwas schockieren könnte. Seine Sensibilität anderen gegenüber und seinen Humor hat er sich aber trotz aller Abgebrühtheit bewahrt, auch die Liebe zu seiner Frau, ohne die er wohl verloren wäre. Er durchschaut Zusammenhänge sofort, man kann ihm nichts vormachen.
Maigret hört sich das, was man ihm erzählt, sehr aufmerksam an und versucht, sich in die anderen und ihre jeweilige Situation hineinzuversetzen. Sein Pfeifenqualm und viele Zwischenfragen machen es dem Erzählenden unmöglich, ein ausgeklügeltes Gedankengebäude vorzutragen, etwa, um sich selbst oder jemand anderen von einer Schuld fernzuhalten oder reinzuwaschen. Durch Maigrets Scharfsinn, gepaart mit einem ganz außerordentlichen Einfühlungsvermögen, kommt die Wahrheit unweigerlich ans Licht. Maigret ist also die personifizierte Spürnase.
Im wirklichen Leben gibt es einen so ausgeprägt empathischen Menschen wohl kaum. Georges Simenon, der Maigret-Erfinder, muss aber so einer gewesen sein. Ihn stelle ich mir so vor: Lebens- und liebesdurstig ließ er sich, viel reisend, in zahlreiche Lebens- und Liebeslagen ein und wollte alles verstehen, sogar auch aus den Blickwinkeln unterschiedlichster Menschen, auf die er sich, wenn sie in seinem Kopf wie automatisch allmählich als seine nächsten Romanfiguren Gestalt annahmen, so sehr konzentrierte, dass alles Drumherum und Getue von ihnen abgelegt wurde und sie für ihn schließlich ganz bloß dastanden, bis auf den innersten Kern entkleidet. Diese aufs Minimalste reduzierten Figuren bedrängten ihn, sie wollten aufleben und in Aktion gesetzt werden! Dazu fehlte nur noch die Initialzündung, eine hieb- und stichfeste Grundidee für eine neue Story. Wenn die mit einfachen Strichen einmal skizziert war, ging es los. Der Schreibprozess begann unabdingbar. „Wenn ich nicht schreibe, werde ich krank.“
Die meisten seiner unglaublich vielen Geschichten, die kompliziertesten und für ihn auch die „härtesten“, erzählt er so realistisch, als habe er das alles selbst erlebt. Und das hat er ja auch, in seiner Vorstellung. Alle Spannungen fanden in ihm selber statt, als er sie aufschrieb, und sie müssen ihn manchmal innerlich fast zerrissen haben, nämlich dann, wenn sich aus dem Antrieb seiner Personen heraus ein vermeintlich erlösendes Verbrechen mehr und mehr anbahnte.
Psychologisch genau mitempfunden wird das in den sogenannten Non-Maigrets, in denen Maigret gar nicht vorkommt, meistens auch kein anderer Kriminalist, und wenn, dann nur am Rande. Um so etwas überzeugend zu schreiben, verausgabte sich Simenon jedesmal bis zum Äußersten. Aber nach etwa 8 bis 10 Tagen war so ein „Psycho“ fertig und ab dann, zur großen Erleichterung seiner Familie, wurde er wieder ganz er selbst und war als solcher auch ansprechbar.
Die Maigret-Krimis hingegen waren für den Intensiv-Romancier ein relativ leichtes Spiel, dermaßen leicht, dass er beim Schreiben nebenbei sogar eine Melodie hätte pfeifen können, sagte er mal, was ihm aber wohl keiner abnimmt. Im Prinzip geht es Simenon auch bei Maigret darum, hinter die Kulissen zu schauen und unerwartete Ein- und Ansichten zu präsentieren, die verblüffen und einen in ihren Bann ziehen. Den Maigret hat er dafür extra erfunden, denn der ist im Kriminalfall ja autorisiert, überall seine Nase hineinzustecken und die noch frisch nach Verbrechen riechende Atmosphäre auf sich einwirken zu lassen und ihrer habhaft zu werden, den Mörder inbegriffen.
Man kann, glaube ich, generell sagen, dass die Maigrets im Vergleich zu den Psychos in umgekehrter Weise gestrickt sind: Während letztgenannte die Entwicklung bis hin zu einem möglichen Verbrechen schildern, ist bei Maigret ein bereits geschehener Mord der Ausgangspunkt für ein rückbezügliches Kriminal-Puzzlespiel, das es bis zum lückenlosen Gesamtbild zu vervollständigen gilt, um auch den Täter und sein Motiv klar zu erkennen.
Eine junge Dame wartet schon früh am Morgen ungeduldig im „Glashaus“, einem Wartezimmer des Kommissariat-Gebäudes am Quai des Orfèvres, Paris, auf das Eintreffen von Maigret. Sie muss ihm unbedingt sofort etwas ganz Wichtiges mitteilen. „Kommissar Maigret, bitte hören Sie mich an! Es ist etwas Furchtbares geschehen!“ Aber Maigret (Rupert Davies) entgegnet ihr, bevor er Trenchcoat und Hut in seinem Büro ablegt, zurückweisend: „Nicht jetzt!“
Wie kann das sein, nach dem, was ich oben über ihn behauptet habe? Der Episodenfilm „Maigret verliert eine Verehrerin“ liefert die Antwort.
Der Film bietet ein anschauliches Beispiel dafür, dass Maigrets Fähigkeit, sich in die Haut anderer hineinzuversetzen, ihm entscheidend weiterhilft. Die Meinung, die er laut HÖRZU-Text im Moment der Bildszene noch hat, nämlich dass Dandurand, ein Geschäftsberater und Mieteintreiber der alten Juliette, die ihm misstraute, auch ihr Mörder sein könnte, ändert er sehr bald, als er auf der Kante des Bettes sitzt, in dem Juliette erwürgt worden war.
„Hier hat sie gesessen, als der Mörder sie ergriff“, sagt Maigret zu seinem Assistenten Lucas. „Dandurand“, darauf tippt Lucas ja haarscharf. Aber Maigret weiß es jetzt besser: „Er hat es nicht getan.“ „Und warum nicht?“ „Das kann ich dir sagen: Juliette wollte zu Bett gehen und hatte schon einen Strumpf ausgezogen, diesen hier.“ Maigret hält den Strumpf in seiner Hand. „Solange Dandurand da war, hätte sie das nie getan. Nein, der war schon gegangen, erst danach hat sie sich den Strumpf ausgezogen und dann ist der Mörder zu ihr ans Bett gekommen. Es muss jemand gewesen sein, der Juliette sehr vertraut gewesen ist.“ „Das war nur eine einzige Person“, bemerkt Lucas. „Jaaaa ...“ (Dialog frei aus meiner Erinnerung, nicht unbedingt wortwörtlich synchrongenau).
Im damaligen „Westdeutschland“ kam diese Folge am Samstag, 25. Sept. 1965 um 21.00 Uhr im ZDF-Abendprogramm, am Samstag, 25. Nov. 1967 um 17.05 Uhr im ZDF-Nachmittagsprogramm sowie am Mittwoch, 20. Dez. 1967 um 10.20 Uhr im ARD-Vormittagsprogramm.
Der 50. Geburtstag steht Kommissar Maigret (Rupert Davies) unmittelbar bevor. Er fühlt sich gesundheitlich nicht auf der Höhe und konsultiert seinen Freund Dr. Pardon. Die in 5 Jahren anstehende Pensionierung wird dabei angesprochen und bringt Maigret ins Grübeln. Am Seine-Ufer sieht er jetzt einen alten Mann, der sich dort beim Angeln seine Zeit vertreibt, mit anderen Augen an. Der Angler ist erfreut über die Aufmerksamkeit, die man ihm gerade schenkt, und grüßt Maigret freundlich lächelnd zu. Der erwidert den Gruß. Dabei steht ihm aber seine eigene Betroffenheit ins Gesicht geschrieben.
Eine äußerst peinliche Anschuldigung aus einflussreichen Kreisen gegen Maigret führt dazu, dass der Polizeipräsident von Paris den Kommissar bereits jetzt in Pension schicken will. Maigret sitzt in der Patsche („at bay“) und muss nun um seinen guten Ruf kämpfen. Wünschenswert, dass er zum Schluss einen Fang macht, der ihn von allen Verleumdungen befreit.
Trotz allen bisherigen Unglaubens und Zweifelns gibt‘s „Maigret“ (BBC-tv 1960 - 63) jetzt doch original in Englisch auf Silberscheiben – komplett und unbeschnitten! Ich schien mir fast der Einzige zu sein, der die Hoffnung nie ganz aufgeben wollte, aber wenn man mal zurückschaut auf die Anfänge dieses Threads: Gubanov, der dieser Serie skeptisch gegenüber stand, wollte mit dem Anschauen lieber solange warten, bis sie im Original vorläge. Diese Gelegenheit würde er niemals bekommen, antwortete man ihm, in Englisch käme das nie heraus. Das hätte man von anderen Filmen auch behauptet, entgegnete er, und sie seien schließlich doch auf DVDs erschienen.
Die limitierte „Special Edition“ war ab 23.08.2021 erhältlich, also etwas mehr als 6 Jahre nach dem Beginn der Erstveröffentlichungen von 46 deutsch synchronisierten Folgen durch Pidax, und war schnell vergriffen. Sie enthält unter anderem auch ein neues Buch von Andrew Pixley über die BBC-Produktionsgeschichte der Maigret-Serie: „Maigret, Simenon and the Corporation“. Seit 25.10.2021 gibt es die Disks jetzt regulär, ohne Begleitbuch, auf allen gängigen DVD-Verkaufsplattformen.
„Maigret at Bay“, der 90-minütige TV-Film von 1968, in s/w, ist mit dabei. Rupert Davies bezeichnete seine Verkörperung des Kommissars Maigret darin als „in mancherlei Hinsicht mein bester Maigret“. Das mag sein. Der Film insgesamt kommt aber meines Erachtens an die Kurzweil der 50-Minuten-Serienfolgen nicht heran, weil er mit ein paar Längen den Geduldsfaden beim Zuschauen bisweilen etwas strapaziert. Ich hätte es vorgezogen, „Bay“ wäre auch auf 50 Minuten kompaktiert worden. Wahrscheinlich hätte es dann noch mehr Nachschlagfilme gegeben, insbesondere dann, wenn sie zudem in Farbe produziert worden wären.
Dass Ewen Solon als Inspektor Lucas in „Bay“ überhaupt nicht vorkommt, ist bedauerlich. Helen Shingler und Neville Jason hingegen halten Maigret die Treue, als „Madame Maigret“ und als „Inspektor Lapointe“. Maigret selber tritt in dem Streifen nach meiner Meinung manchmal zu draufgängerisch auf, so wie man es von der eigentlichen Serie her gar nicht kennt: Die Szene etwa, in der gezeigt wird, wie er sich an die Studentin Nicole (Gillian Hills) heranmacht. Das wird einem viel zu realistisch nahegebracht, so als ob sich das tatsächlich so zugetragen hätte, und man erkennt dabei Maigret gar nicht wieder, man traut seinen eigenen Augen kaum zu glauben.
Dabei handelt es sich bloß um eine Visualisierung der Behauptung der Studentin, Maigret sei im Hotelzimmer über sie hergefallen. In all den übrigen Filmen gab es so etwas nicht, dass irgendeine Unterstellung oder eine Lüge als reale Spielszene eingeblendet wurde. Eine Lüge war da immer nur eine Lüge, mit unwahren Worten lediglich ausgesprochen und als Aussage zur Kenntnis genommen. Regisseur William Slater konnte wohl einfach der Versuchung nicht widerstehen, Rupert Davies auch mal aus dem Rahmen fallend als Maigret auftreten zu lassen.
Dennoch finde ich es natürlich ab-so-lut fantastisch, dass nun alle Filme (52 plus 1) komplett da sind. Die perfekte Vorlage für Pidax, denke ich mir, um die restlichen bisher noch fehlenden deutschen Folgen bald in Englisch mit deutschen Untertiteln herauszubringen. „Maigret und die alte Dame“ könnte nun neu aufgelegt werden, mit gutem Bild aus „The Old Lady“ und dem vorhandenen deutschen Ton, der ja passabel ist.
Sprung nach China: Im September 1966 hielt sich Rupert Davies zu Dreharbeiten für „Five Golden Dragons“ („Die Pagode zum fünften Schrecken“) in Hongkong auf. Dort entdeckte er seinen englischsprechenden französischen Maigret im Fernsehen, natürlich mit chinesischen Untertiteln versehen. Oder waren es vertikale Randtitel, die von oben nach unten abrollten?
Dies ist die Folge, in der Maigret von Madame eine Meerschaumpfeife geschenkt bekommt. Ein Grippevirus geht in Paris NICHT um, und Madame wünscht sich unbeschwerte Weihnachtsfeiertage mit ihrem Mann. Dann gibt es einen Besuch von zwei Nachbarinnen, deren Geschichte den Kommissar stutzig macht.
Der Film lief im ZDF am Samstag 18.12.1965 um 21.00 Uhr und am Samstag 27.04.1968 um 17.05 Uhr. Der Deutsche Fernsehfunk Ost, 1. Programm, zeigte ihn am Donnerstag 11.12.1969 um 20.00 Uhr. Außer im damaligen West- und Ost-Deutschland war die deutsche Fassung auch in der Schweiz und in Österreich zu sehen. Das sind alles Orte, wo verschollene Episoden vielleicht doch einmal in unvermuteten Archivecken wiedergefunden werden könnten. Und zwar in guter Qualität, denn die vom ZDF verschickten Sendebänder waren mit Sicherheit keine Homevideoversionen.
Die Programm-Vorschaubilder und Texte stammen aus den entsprechenden HÖRZUs von 1965 und 1968. Die Episode ist in Volume 3 der Pidax-Erstveröffentlichung mit dabei. Den Kiepenheuer & Witsch - Buchtitel habe ich hinzugefügt, weil ich die Illustration von Werner Labbé sehr treffend finde: Sein Weihnachtsmann hat, zumindest aus meiner Sicht, eine zufällige und verblüffende Ähnlichkeit mit dem Fernsehdarsteller!
Da ist sicher etwas dran, was du da schreibst. Es gibt aber auch viele NEUE Fans von klassischen (Serien-)Filmen.
Ich bin zum Beispiel aufgewachsen mit dem Peter-Cushing-Sherlock-Holmes, habe 10 Farb-Epoisoden der TV-Serie im deutschen Fernsehen gesehen und auch den Kinofilm. Für mich gab es zunächst nur Peter Cushing als Holmes, bis ich dann, auch durchs Fernsehen, Basil Rathbone in der Rolle kennenlernte. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass diese schwarz-weiß-Filme aus den 30er/40er Jahren einen so starken Eindruck auf mich machen könnten. Was Sherlock Holmes filmisch angeht, da kommt man einfach an Basil Rathbone nicht vorbei, es sei denn, man trägt Scheuklappen.
Ein weiters Beispiel, was mir gerade einfällt, ist „King Kong“. Sicherlich sind die neueren Remakes des Edgar-Wallace-Stoffes technisch tausendmal perfekter als „King Kong und die weiße Frau“ von 1932. Diese s/w Erstverfilmung bleibt aber weitherhin unumgänglich.
Das liegt meines Erachtens an dem Charme, den klassische Filme oft ganz einfach haben und den man bei Neuverfilmungen manchmal oder oft vermisst. Auch die Besetzung der Rollen und das Charisma der Schauspieler kann ganz entscheidend sein. Wer Sean Connery für den interessantesten Bond-Darsteller hält (vielleicht sind viele Frauen dieser Ansicht), den kümmert es recht wenig, dass die Technik der 60er noch nicht so ausgereift war wie in den Folgefilmen mit anderen Darstellern.
„Task Force Police“ besitzt ein unverwechselbar englisches Flair, das allein schon erlebenswert ist. Dann die hochkarätige Besetzung der Spitze der Polizeitruppe. Dann das fast-dokumentarische Eintauchen in eine andere Zeit ...
In den 70er Jahren erschien im Anne Erber Verlag die Heftreihe "Dr. Morton Kriminal-Magazin", ein wenig größer als DIN-A-4. Die beiden Mittelseiten so eines Heftes wurden für einen Posterdruck genutzt. Heft Nr. 2 brachte im wesentlichen wieder eine Kriminalstory als Welt-Erstdruck und befasste sich überraschenderweise auch kurz mit "Task Force Police". Ein farblich überarbeitetes Foto von Barlow im Polizeiauto nahm man als Poster!
Ganz nette Aufmachung, die von „Dr. Morton“. Nur die Schlussbemerkung hätte sich der Artikelschreiber sparen können. Bei Sonntagnachmittagssendungen wie „Rauchende Colts“, „Bonanza“, „Landser“, „Am Fuß der blauen Berge“, „Maverick“ und „Forsyte Saga“ hat keiner jemals die Frage aufgeworfen: Warum zum Teufel schaffen diese Serien nicht den Sprung ins Abendprogramm, aufgrund welcher Macke? - Es gibt keine Macke. Und der Sonntagnachmittag ist bereits Topp-Sendeplatz! Die allerbesten Synchronisationen wurden dafür in Kauf genommen, das war wirklich auffällig!
Die Realitätsnähe von „Task Force Police“ ist vielmehr eine Auszeichnung, die Serie sticht damit hervor. Einige Szenen daraus, wenn man sie einmal gesehen hat, vergisst man nie. Ich spreche hier nicht von Horrorszenen im üblichen Verständnis eines Gruselfilms, sondern von Szenen, die noch mehr unter die Haut gehen, etwa die, wo Barlow sich im Schlaf nach seiner Frau umdreht und dann erschrocken „realisieren“ muss, dass die gar nicht mehr da ist, weil sie ja vor kurzem beerdigt wurde.
1965, als die vollständige Maigret-Serie im ZDF-Samstagabendprogramm lief, spielte Rupert Davies den Maigret auch mal im Theater. Zur Zeit sind mehrere Seiten des Theaterprogrammhefts dazu im englischen ebay einsehbar:
Ja, selbst als stoppelbärtiger und Zigarette rauchender Kommissar Saadi mit Vorzimmerdame wie "Rehbeinchen", die es 1966 noch gar nicht gab, kam Sympathie rüber. Auch sein abfälliger Kommentar zu einem umgekommenen Gangster, etwa: "Das erspart uns weitere Kosten", änderte nichts daran.
Besser als in "Das Geheimnis der gelben Mönche" (Alternativtitel "Wie tötet man eine Dame") fand ich ihn 1968 in "Draculas Rückkehr" als Gegenspieler von Christopher Lee.
Rupert Davies präsentierte sich als Koch und Servierer mit Maigret-Pfeife auf einer großen Kinder-Party in der Londoner Notre Dame Hall zu Weihnachten 1963 (den Kurzfilm bitte durch Anklicken starten):
Nach der Maigret-Serie verdiente sich Davies sein Geld auch mal mit Fernseh-Werbespots, in denen er als Küchenchef auftrat (Fotos von Seiten aus meinem inzwischen antiquierten Zeitungs- und Zeitschriftenartikel-Einklebeheft):
Gegen Ende von "Maigret und sein Revolver" lädt Maigret den jungen Mann, der im Besitz von Maigrets Revolver gewesen war, zu einem saftigen Steak ein. So schrieb es das Drehbuch vor.
Rupert Davies war privat allerdings ein leidenschaftlicher Vegetarier!
In Neuseeland, seiner Heimat, machte Ewen Solon 1972 eine kleine Serie mit 25-minütigen Folgen, in denen er als Detektiv auftritt: "Section Seven". Eine Folge ist im Netz aufrufbar. Ich finde den Film nicht interessant, bin aber überrascht über die original sonore Stimme von "Lucas", der sich in dieser Episode breitmacht als wäre er Maigret persönlich
Schlage vor, mal reinzuschauen und reinzuhören, am besten gleich im 2. Teil ("Part two") des Videos, in dem Ewen Solon sofort auftaucht:
In Folge 26 aus Staffel 4 von "Softly, Softly" ("Task Force Police") spielt Helen Shingler mit, natürlich nicht als "Madame Maigret", sondern als "Valerie Peto". Die englische Originalfolge heißt "Right to Search", wurde am 06.03.1969 im BBC-Programm in s/w gesendet und existiert noch auf 16mm-Film: