Abendstern (Folge 68, 7. November 1976)
Herbert Lichtenfelds raffinierte Geschichte enthält eine gut ausgewogene Mischung aus Ehedrama und verwickeltem, etwas zu konstruiertem Kriminalrätsel und entfaltet in Wolfgang Beckers punktgenauer, atmosphärischer und sehr einfühlsamer Regie erst seine besondere Wirkung. Die von Eifersucht vergiftete, im Prinzip gescheiterte Ehe eines kinderlosen Paares in mittleren Jahren bildet den Dreh- und Angelpunkt der Handlung, die Frau besitzt ein kleines Geschäft, engagiert sich kirchlich, der Mann, Beamter, flüchtet aus der Kälte und Lieblosigkeit des kleinen Reihenhauses in die Arme einer jungen Kellnerin. Als er verdächtigt wird, an deren und dem Tod eines Mannes schuldig zu sein, sieht seine Frau die Zeit gekommen, um auf perfide, fast krankhafte Weise Rache zu nehmen. Elfriede Irralls sehr zurückgenommene Darstellung charakterisiert eine enttäuschte, verletzt Frau, die sich in einen verhängnisvollen Wahn flüchtet, dabei gleichzeitig kaltblütig und überlegt agiert. Regisseur Günter Gräwert meistert seine Hauptrolle des – fast – unschuldig in einen bösen Albtraum gestolperten Mannes in der Midlife-Crisis ebenfalls beeindruckend, an ihm scheint ein talentierter Darsteller verloren gegangen zu sein.
Auch die anderen Verbindungen, die dieser Fall streift, machen wenig Lust auf Hochzeit und trautes Glück zu zweit: die des Wirtes und seiner gleichgültig-frustrierten Gemahlin (Harry Kalenberg und „Rehbeinchen“ Helma Seitz), die nur am Rande gestreifte Ehe des Opfers, deren Ehemann (der junge Christian Kohlund) zu den ersten Verdächtigen gehört, schließlich die Beziehung Kommissar Haferkamps zu seiner geschiedenen Frau, zu der es ihn – gerade in emotional belastenden Phasen – immer wieder zieht (Karin Eickelbaum verströmt auch in dieser Folge eine ungeheuer selbständige, attraktive Eleganz), letztendlich, wenn man so will, das Verhältnis zwischen Haferkamp und seinem Assistenten Kreutzer, dem vergnüglichen Willy Semmelrogge, das für amüsante Einschübe sorgt und Merkmale einer langjährigen, in Routine erstarrten Ehe aufweist. An Hansjörg Felmys Darstellung gibt es für mich nichts auszusetzen, seine Verpflichtung als Kommissarsdarsteller ein großes Glück für die Tatort-Serie, die ihm einige unvergessliche Folgen zu verdanken hat. Er ist mitfühlend und verständnisvoll, schnoddrig und erfolgsorientiert, vergisst nie, dass er es mit Menschen, mit Gefühlen und Schicksalen zu tun hat. Ein überflüssiger, ärgerlicher Protagonist übrigens auch in dieser Episode Haferkamps präpotenter, mürrischer Vorgesetzter Scheffner, da zaubern mir nicht mal Haferkamps ironische Frechheiten ihm gegenüber ein Lächeln auf die Lippen.
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