Pension Tosca oder Die Sterne lügen nicht (Folge 195, 12. Juli 1987)
Michael Kehlmann (Buch + Regie) präsentiert mit diesem bayerischen Tatort ein unterhaltsames, auf angenehme Weise altmodisches Kriminalstück, das bei der Erstausstrahlung vor bald 25 Jahren schon etwas anachronistisch gewirkt haben dürfte. Zu diesem Eindruck tragen die fast wie aus einer anderen Epoche stammenden Schauplätze – hauptsächlich die titelgebende Pension mit ihren langen Gängen, schweren Teppichen, hinter Vorhängen verborgenen Fenstern und wuchernden Topfpflanzen, z.T. auch das ordnerüberladene Polizeibüro – gleichermaßen bei wie die Protagonisten, ihre Darstellung und Rollenanlage. Auch die auf zwei Ebenen verlaufende und in der Pension ihren Schnittpunkt findende Handlung verströmt ein etwas antiquiertes Flair, das einen mehr an ein Schwarzweißspiel der 60er-Jahre denn einen 80er-Jahre-Tatort denken lässt. Durch diese Machart mutet auch das Geschehen rund um alte Nazis und neue Gefolgsleute, die in der biergeschwängerten Atmosphäre eines Kellers und hinter der Tarnung eines letztklassigen Fußballvereins ihr braunes Gedankengut verbreiten, etwas naiv und reißbrettartig gezeichnet an, während das Schicksal einer eleganten Physikerin (Dagmar Mettler), die zur Spionage für die DDR gezwungen wird und bei ihrem letzten Auftrag die Gefolgschaft verweigert, starke Assoziationen zu „Die Fünfte Kolonne“ weckt. Ungewöhnlich wirkt auf den ersten Blick die Besetzung Hans Brenners als ermittelnder Kommissar, war er im deutschen Fernsehkrimi doch sonst abonniert auf zwielichtige Typen, variierten seine Auftritte höchstens zwischen den Bereichen skrupelloser Verbrecher, williger Gehilfe und Gauner mit dem Herz am rechten Fleck (die Ermittlerrolle in einem ebenfalls 1987 entstandenen "Derrick" ist dabei keine wirkliche Ausnahme). Als einmalig im Einsatz befindlicher Tatort-Kommissar schlägt er sich ziemlich wacker, transportiert Verständnis, Empörung, Engagement gleichermaßen glaubwürdig, auch im Wechselspiel mit seinen Assistenten, dem abgeklärten, unaufgeregten Gustl Weishappel und dem frisch-fröhlichen Michael Lerchenberg, unbeschwert von brauner Vergangenheit und deutsch-deutschem Alltag. Manche Handlungskonstrukte mögen vereinfacht wirken, aber eine gelungene Mischung aus inszenatorischer und schauspielerischer Güte sorgt für zwei abwechslungsreiche Stunden – da musste ich mich durch manche 60- und 90-Minüter mehr quälen. Darstellerisch herausragend Pensionsinhaber Joachim Wichmann, der als Zubrot die Sterne deutet und seinen scharfen Blick hinter Entrücktheit und Zerstreutheit versteckt, in seiner letzten Rolle (?) Konrad Georg, dessen Tarnung als alter Nazi aufzufliegen droht und der eine ebenso reale Bedrohung darstellt wie der charismatische Ostagent Götz von Langenheim, Grete Heger bringt als singende, mütterliche Pensionswirtin einen fast monarchistischen Hauch des alten Europa in die Handlung.
|