Sein letzter Wille (Folge 203, 4. April 1988)
Horst Michael Neutzes Kommissar Schreitle (über den Vornamen existieren wie bei so manchem Tatort-Kommissar unterschiedliche Angaben) scheint in seiner eigenbrötlerischen Art und was Sturheit und Dickköpfigkeit betrifft, seinem Vorgänger am Stuttgarter Schauplatz, Kommissar Lutz in nichts nachzustehen. Neben einem größeren Auftritt in Lutz’ letztem Fall brachte er es auf insgesamt drei Einsätze, dieser mittlere führt ihn in eine fiktive schwäbische Kleinstadt, in der er in ein Wespennest aus Korruption, Günstlingswirtschaft, brutalen Erpressermethoden und dörflichem Klüngel sticht. Er steht – zunächst skeptisch und unwillig - einem Ladenbesitzer bei, der sich immer stärkeren Repressionen und Bedrohungen ausgesetzt sieht, weil er sich weigert, sein Innenstadtgeschäft an eine Baufirma zu verkaufen … Der einzelgängerische Kommissar, der in dieser Folge wie eine Art einsamer und zum Teil ohne Befugnisse agierender Rächer auftritt, unbeirrbar, hartnäckig und zielstrebig, erscheint als der richtige Mann, um der hässlichen und letztendlich sogar zu einem Todesfall führenden Geschichte auf den Grund zu gehen. Er lässt sich zusammenschlagen und beinah erschießen, trotzt weiblichen Reizen und anderen Versuchungen und Drohungen, bleibt wie ein zäher Bluthund auf der Fährte.
Während mich die Kommissar-Figur in Neutzes leiser, trockener Darstellung sehr überzeugt, spult sich die Geschichte zäh und klischeehaft ab, endet offen und unbefriedigend, erinnert damit fatal an manche späte Lutz-Folgen. Auch hier hat man den Eindruck, der Fall ließe sich in einer 45- oder 60-Minuten-Serie erschöpfend abhandeln, zu viel Leerlauf schleicht sich ein, zu sehr schwelgt Hartmut Griesmayr in kleinstädtischen Bildern, zu wenig Spannung und schärfende Tiefe findet sich im Buch von Felix Huby und Hartmund Grund. Dazu werden besonders auf Seiten der „Bösewichter“ zu viele fast kitschige Abziehbilder bedient, von Darstellern wie Dieter Kirchlechner, Dirk Galuba und Peter von Strombeck noch dazu bis zum Äußersten ausgereizt, irgendwie beschleicht einem das Gefühl, man hat alles schon mal viel besser und eindringlicher gesehen. Gisela Zülch und Christine Wodetzky haben besonders im Zusammenspiel mit Neutze ihre stärksten Szenen, was gleichzeitig auch fast die stärksten der ganzen Folge sind, bedingt gehört dazu auch der Auftritt von Günther Mack als getriezten Händler. Dass er einmal etwas unpassend und uncharmant als „alter Mann“ tituliert wird, zeigt jedoch zugleich, wie oberflächlich und ungenau die Figuren dieser Folge gezeichnet wurden - die wahren Beweggründe für seine Weigerung, für sein ganzes Handeln, blieben mir schleierhaft und ungelöst, hätten jedoch wie bei keinem zweiten Protagonisten Stoff für eine interessante psychologische Studie abgegeben.
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