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Die unsichtbaren Treppen und Zäune des Dr. Mabuse
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Edgar-Wallace-Forum
Gubanov
15.12.2015 15:15
RE: Forum-Thema Nr. 4000: Wallace-Tour in Berlin
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Aktuell befinden wir uns gerade wieder einmal mitten in der Drehzeit der „unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse“ (5. Dezember 1961 – 8. Januar 1962). Zinker84, Barnaby und ich nahmen das sowie das dem Film nicht unähnliche Wetter zum Anlass, am Sonntag noch ein paar Drehorte aus diesem Film aufzusuchen. Einige standen schon länger auf unserer Liste, andere konnte Zinker84 kurzfristig ergänzen. Also wieder auf nach Berlin!
Die wohl verwirrendste Situation erwartete uns in der Blücherstraße. So viel hat sich gar nicht einmal geändert, sieht man davon ab, dass die alten vorgebauten Kasten-Schaufenster durch neue, flache ersetzt worden sind und es die Werbung von 1961 natürlich nicht mehr gibt. Dennoch war es schwierig und erforderte mehrere Anläufe, die richtige Hausnummer herauszufinden, in der das Optikergeschäft, das als Tarnung der Polizeizentrale gegen Mabuse dient, saß. Zunächst hatten wir vor Nr. 17 fotografiert, weil dort auch alles zu passen schien – nur eine Treppe, die da auf einmal auf den Bürgersteig vorragte, im Film aber fehlte, irritierte uns. Zu recht, denn wir mussten ein paar Schritte zurücktreten: In Wahrheit handelt es sich um Nr. 19, das Geschäft steht momentan leer, das Haus beherbergt allerdings auch eine kleine Kneipe. Im Hintergrund ist – durch Baumbewuchs mittlerweile nur noch undeutlich zu erkennen – die Heilig-Kreuz-Kirche zu sehen. Solange die Bäume belaubt sind, hat man keine Chance, die Einstellung nachzuvollziehen.
Nicht nur Treppen bewegen sich manchmal auf mysteriöse Weise, auch Gitter und Zäune kommen hinzu, verschwinden oder wandern an andere Stellen. So geschehen an der Krankenhauskapelle Am Urban, die nur wenige Meter von der Blücherstraße entfernt an Grimm- Ecke Dieffenbachstraße steht. Im Film hält sie als Leichenschauhaus her, mittlerweile wurde eine Multifunktions-Feelgoodstätte daraus, in der auch Kinderschuhe verkauft und Yoga-Kurse angeboten werden. Im Rahmen einer kürzlichen Sanierung des Gebäudekomplexes Am Urban, der zum Vivantes-Klinikum gehört(e), wurde das Yoga-Leichenschauhaus wieder aufgehübscht; einige in diesem Zuge entstandene Umbauten zeigen aber Unterschiede zum Film: So wurde links des Portals ein großes Panoramafenster eingesetzt, wo bis dato nur zwei kleine Fenster saßen; außerdem erhielt das Grundstück einen neuen Zaun entlang der Straße, mit der die Gitter auf der Treppe obsolet wurden. Da diese jedoch historischen Wert haben, setzte man sie auf die Brüstung um, was bei unseren Vergleichen anfangs etwas zum Knobeln anregte. Den Unterschied, wenn auch nicht ganz dem Film entsprechend, kann man auch ganz gut auf diesen Fotos ablesen: vor der Sanierung und hinterher.
Spontan ergänzt werden können nun auch die Schauplätze der Schlussszene, in der Joe Como und Kommissar Brahm die Nervenklinik verlassen und Liane Martin auf sie wartet. Was im Film wie ein einziger Drehort aussieht, liegt in Wirklichkeit immerhin 300 Meter auseinander. Die Nervenklinik ist eigentlich ein Industriegebäude im Backsteinstil aus der Kaiserzeit, das – dank seiner Neunutzung durch die Post, einen Autovermieter und ein Fitnessstudio – hervorragend erhalten ist, auch wenn einige Nebengebäude einem größeren Parkplatz weichen mussten. Man findet das beeindruckende Haus in der Schöneberger Straße 11.
Lässt sich die Nervenklinik wunderbar wiedererkennen, so ist die Brücke eine schwierigere Übung, weil sie im damals gefilmten Zustand nicht mehr existiert. Dort, wo die Schöneberger Straße in den Sachsendamm übergeht, führt über sie eine Verbindungskurve vom Südring (rechts im Bild) zur Anhalter Bahn. Dass sich die Szenerie komplett veränderte, ist in doppelter Hinsicht den Planungen der autogerechten Stadt zu „verdanken“: Schon kurz nach den Dreharbeiten, am 2. Mai 1962, wurde die letzte Straßenbahnlinie über den Sachsendamm eingestellt (Gleise sind im Film zu sehen), zwischen 1982 und 1985 dann die Stadtautobahn unter Bahn und Sachsendamm hinweg nach Tempelhof und Neukölln verlängert. Dafür wurden natürlich neue Brückenbauwerke, der Aushub gewaltiger Mengen Erdwerks und der Abriss mehrerer Häuser nötig. Mit ein bisschen Fantasie lässt sich aufgrund der in ähnliche Richtungen verlaufenden Wegbeziehungen die Filmszene dennoch einigermaßen nachstellen.
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