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Kleines Treffen, Spätsommer 2012
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Edgar-Wallace-Forum
Gubanov
13.09.2012 12:38
RE: Wallace-Tour in Berlin
Antworten
aka „Die weiße Spinne wird verurteilt“
Am 1. September war es wieder einmal Zeit für eine kleine Versammlung der üblichen Berliner Wallace-Huldiger. Anlass war ein Tag der offenen Tür, der nur einmal alle zwei Jahre stattfindet und unter Berlinern wohl sogar noch als eine Art Geheimtipp gehandelt wird. Ziel unseres kleinen Ausflugs – wieder waren Barnaby, zinker84 und ich an Bord – war das Kriminalgericht Moabit, in dem auch das Amtsgericht Tiergarten seinen Sitz hat.
1906 eröffnet, thront das von Rudolf Mönnich und Carl Vohl entworfene Gebäude über das Ostende der Turmstraße. Das Haus, das sich preisen darf, das größte Gericht Europas zu beherrbergen, kann imposante Maße vorweisen: Über 210 Meter erstreckt sich die Hauptfassade, 90 Meter tief und 60 Meter hoch ist das Gebäude, 17 Treppenhäuser und 11 Höfe gibt es und in die Haupthalle würde, so sprechen die Maße, auch das Brandenburger Tor passen.
Überhaupt ist die Eingangshalle des Gerichtsgebäudes sowohl architektonisch als auch filmhistorisch interessant. Die Figuren, die dort auf Bedienstete, Zeugen und Besucher herabblicken (die potenziellen Verbrecher haben ihr eigenes Gangsystem vom und zum sich anschließenden Gefängnis Moabit), wirken auch heute noch ziemlich einschüchternd und auf jeden Fall imposant. Ihre Bedeutung offenbart sich, wenn man weiß, wen sie darstellen: Wahrheit und Lüge, Religion und Gerechtigkeit, Streitsucht und Friedfertigkeit stehen ringsum an den Ballustraden. Große Freitreppen führen in die oberen Stockwerke; die Decke erinnert an ein Kirchenschiff. Alles ist verziert, erhaben und – welch ein Glück! – vom Krieg verschont geblieben.
Natürlich haben wir fleißig Fotos geknipst, doch wegen schwieriger Lichtverhältnisse und, sagen wir einmal, nicht ganz so professioneller Fotoausrüstung ist es vielleicht besser, wenn ich für einen generellen Eindruck vom Gebäude auf eine aushäusige Website verweise: Die berlin brandenburg film commission bietet eine klasse Bildergalerie mit 27 hübschen Motiven.
Nur wenige der 2500 Menschen, die im Kriminalgericht Moabit heute arbeiten, werden wissen, dass das Gebäude in den 1960er Jahren zum Drehort diverser bekannter Krimis auserkoren wurde. Als Privatmann darf ich schließlich an Verhandlungstagen – aus verständlichen Gründen – nicht einmal einen Fotoapparat mitnehmen.
Wir nutzten die seltene Ausnahme von der Regel, um einige Drehortvergleiche anzufertigen. Der Schwerpunkt lag hierbei vor allem auf den Edgar-Wallace-Epigonen, die ja gerade anlässlich des parallel verlaufenden Wettbewerbs sozusagen en vogue sind. Drei Filme nahmen wir uns besonders vor: In „Die weiße Spinne“ war das Kriminalgericht als Scotland-Yard-Gebäude für Innenaufnahmen verwendet worden …
… in „Piccadilly null Uhr 12“ ist es in der Schlussszene zu sehen …
… und in „Lange Beine – lange Finger“ (hier tatsächlich als Gerichtsgebäude firmierend) trifft Senta Berger in einer besonders schön von Karl Löb eingefangenen Sequenz ihren Blacky Fuchsberger wieder.
Auch abseits der Filmvergleiche fiel der Tag am Gericht sehr kurzweilig aus. Gut, dass wir uns nichts weiter vorgenommen hatten, denn eine Hausführung (man muss sich dafür schon sehr gut dort auskennen) und ein nachgestellter Schauprozess, in dem Richter und andere Gerichtsbedienstete die Rollen übernahmen, sorgten für informative Unterhaltung. Außerdem gingen wir auf Spurensuche nach den Gerichtssälen, in denen 1965 bzw. 1967 die entsprechenden Szenen aus „Neues vom Hexer“ und „Die blaue Hand“ gedreht wurden. Während für „Neues“ noch kein Erfolg vermeldet werden kann, darf der Raum, in dem Dave Emerson verurteilt wird, als identifiziert gelten: Gerichtssaal Nummer 700 ist es, in dem gegenwärtig sogar Prozesse gegen Terroristen stattfinden. So schlimm ging es anno 67 noch nicht zu, aber Positionen der Bänke, die Beleuchtung und die Empore, von der aus man hinab aufs Geschehen blicken kann, lassen keinen Zweifel.
Wir haben denn auch ‘mal, weil uns Kinskis Platz nicht wirklich einladend erschien und sich die Anklagebank unterdessen sogar hinter Panzerglas befindet, auf der Richterbank platzgenommen:
Und in einem anderen Raum zu dritt:
Für weitere Bilder hinter den Kulissen – darunter ein fröhlicher Angeklagter und ein strenger Richter – wird die Bildergalerie als Empfehlung des Tages angepriesen.
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