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Kleines Berliner Wallace-Treffen, Frühling 2011 aka „Neues aus dem Stahlnetz des Dr. Mabuse“
Zu dritt sind wir – Barnaby, zinker84 und ich – am vergangenen Wochenende wieder auf Wallace’schen Pfaden gewandelt. Freilich standen neben der unterhaltsamen Zusammenkunft auch dieses Mal wieder die Hintergründe im Vordergrund – bekannte und unbekannte Drehorte gibt es in Berlin ja mehr als genug.
Wir trafen uns kurz nach 9 Uhr morgens am U-Bahnhof Dahlem-Dorf, um pünktlich zum Palmsonntagsgottesdienst in der St.-Annen-Kirche zu sein. Der Bahnhof Dahlem-Dorf entstand 1913 als Zwischenstation auf der schönen Wilmersdorf-Dahlem-Strecke nach Krumme Lanke und dürfte das einzige U-Bahngebäude mit Reetdach auf der ganzen Welt sein. Kurz nach der Eröffnung warb die Gemeinde sogar damit, das einzige Bauernhaus mit direktem U-Bahnanschluss vorweisen zu können. „Tatort“-Freunde werden das Gebäude aus der HG-Bülow-Folge „Tod macht erfinderisch“ (1985) kennen. Doch zurück zu Wallace: Der Name St.-Annen-Kirche sollte ein Glöckchen – oder besser: ein schallendes Lachen – im Geiste eines jeden Wallace-Fans erklingen lassen. Besser bekannt ist sie der Forumschaft wahrscheinlich als Dorfkirche zu Crowfield, wo sich alle Bösewichter und roten Heringe aus „Im Banne des Unheimlichen“ zur Trauerfeier für Sir Oliver Ramsey versammeln. Die Kirche ist bereits mit zahlreichen Bildvergleichen in der Galerie zum Film vertreten (Barnaby war so freundlich, sie bereits 2009 zur Verfügung zu stellen), doch als Liebhaber der Rialto-Produktion sollte man sie auch einmal „in Funktion“ erlebt haben. Das große Geheimnis der Kirche dürfte sein, weshalb sie nur die Innenaufnahmen für „Im Banne des Unheimlichen“ stellen durfte, die Außenaufnahmen aber auf der Pfaueninsel gedreht wurden. Auch der Kirch- und Friedhof zu Dahlem machen einen passend provinziellen Eindruck. Die Tür, durch die Sir Olivers Sarg beinahe getragen worden wäre – hätte nicht das Gelächter allen Seelenfrieden zerstört (die Lautsprecher wurden nach dem unerfreulichen Zwischenfall ausgetauscht) –, übte natürlich, als sie nach dem Gottesdienst geöffnet wurde, eine besondere Faszination auf uns aus. Aufpassen sollten hier aber diejenigen, die die Körpergröße eines Schrumpfzombies überschreiten: Wie viele Wallace-Drehorte ist sie nicht für die Hochgeschossenen ausgelegt...

Unweit der Kirche findet sich die Blumenhandlung Pluta, über deren Prominententafel Barnaby bereits an anderer Stelle berichtete. Neben unserem Wallace-Liebling Joachim Fuchsberger haben sich auch Stars wie Hardy Krüger und O.E. Hasse dort verewigt. Dank zollt nicht nur Blacky dem Pflanzenhaus, denn auch an einem Sonntag versorgte es uns mit einigen Blumen für unseren nächsten Weg: Der Friedhof Dahlem-Dorf umschließt den Kirchhof in L-Form. An der äußersten, hinteren Ecke findet sich dort das Grab eines weiteren großen Wallace-Helden (hier schließt sich auch erneut der Bogen zum oben erwähnten „Tatort“). Heinz Drache und seine Frau Rosemarie sind dort zur ewigen Ruhe gebettet. Die Grabstelle nimmt sich glücklicherweise im Gegensatz zu Erzählungen anderer Lokalitäten ausgesprochen gehegt und gepflegt aus: Drache ist keineswegs vergessen und wenn die Zeit es erlaubt, besteht kein Grund, daran zu zweifeln, dass seine Ruhestätte in ein Ehrengrab der Stadt Berlin umgewandelt wird.

Nach diesem besinnlichen Einstieg machten wir uns auf gen Norden. Unser erstes Ziel sollte der Westhafen sein, wo Aufnahmen für die Filme „Der Zinker“, „Der Gorilla von Soho“, „Der Mann mit dem Glasauge“, „Die Tote aus der Themse“, „Das Geheimnis der schwarzen Koffer“, „Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse“ und „Sherlock Holmes und das Halsband des Todes“ entstanden. Sicher ist selbst diese beeindruckende Liste noch nicht ganz vollständig. Das Wort „sollte“ lässt aber bereits erahnen, welches Schicksal unsere Absicht ereilte. Fotos machen ohne Genehmigung sei nicht erlaubt, ließ uns der Herr an der Eingangsschranke wissen; man solle vorher doch bitte einen Antrag stellen und auch ein Fitzlein Bares beifügen. Umdrehen!, hieß das für uns. Genügend Möglichkeiten, den Tag zu verbringen, gab es trotzdem – sogar gleich in direkter Nachbarschaft. Am Nordufer und dem gegenüberliegenden Friedrich-Krause-Ufer entstanden nämlich weitere Szenen für die „schwarzen Koffer“:
Nordufer ggü. Westhafen Senta Berger wird hier von Joachim Hansen aufgegabelt.

Nordufer, Robert-Koch-Institut Ladies and Gentlemen: Mitten in Berlin gibt es tatsächlich ein echtes Scotland-Yard-Hauptquartier. Naja, fast echt ist es immerhin: Was gut ist für die CCC, ist auch gut für einen Bildvergleich. Das altehrwürdige Gebäude wurde 1901 als Preußisches Institut für Infektionskrankheiten eröffnet. Dieses Motiv bestätigt außerdem, dass es Situationen gibt, in denen auch Nichtheuschnupfengeplagten die Frühjahrsblüte ungelegen kommen kann.

Friedrich-Krause-Ufer Die gegenüberliegende, südliche Uferseite hat sich wesentlich stärker verändert. Der Blick nach Norden zeigt beinah unveränderte Giebelfronten, während auf der Südseite durch die industrielle Bebauung kaum ein Stein von 1961 überlebt hat. Kräne, Leitungsmasten und Zäune, ja sogar Backsteinmauern – als grobe Orientierungspunkte dienen sie zwar noch, von „Original“ kann man aber nicht mehr sprechen.

Unterwegs kamen wir auch an der Torfstraße vorbei, die das Nordufer mit der Amrumer Straße verbindet. Die Produktionsunterlagen der CCC verraten, dass auch in dieser Straße Aufnahmen angefertigt wurden, die genaue Stelle war am Sonntag allerdings nicht zu finden. Auf der Suche nach Drehorten haben zinker84 und ich indes keine Gefahren gescheut und uns auf ein wahres Minenfeld gewagt:

Die U-Bahn brachte uns nun in den Osten des damaligen Westberlins – ganz authentisch auf den Kiez nach Kreuzberg. Stolz berichtete uns ein ehrenamtlicher Mitarbeiter, dass der Einzugsbereich der dort gelegenen Taborkirche trotz Bevölkerungsrückgangs und stetig steigenden Migrationsanteils nach wie vor eine beachtliche Zahl von Mitgliedern verbuchen kann. Der Kirche sieht man das durchaus an: Obwohl schon Rückbauten stattfanden, präsentiert sie sich in beeindruckender Größe und Offenheit sowie in nicht zu verachtendem Erhaltungszustand. Die KISS (Kunstausstellung im Seitenschiff) lockt zusätzlich Besucher an.
Taborstraße Hier findet in „Im Stahlnetz des Dr. Mabuse“ der Blinde ein unschönes Ende zwischen der Kirchenwand und einem LKW. Die kurze, an einem Ende gebogene Straße gibt es aber auch in anderen Einstellungen mitsamt Kirchenfassade zu sehen. Ob es Detailverliebtheit oder Echtzustand war, dass der Name der Eckkneipe, die sich seinerzeit gegenüber des Gotteshauses befand, als „Mausefalle“ hinter dem Trödlerwagen hervorlugt?

Taborkirche Im Innern der Kirche ging die große Spurensuche los. In den meisten Punkten wurden wir belohnt: Extra für uns wurde die Empore aufgeschlossen (diese Gelegenheit ließen sich auch andere Besucher nicht entgehen), wir durften auch einen Blick hinter alte Notausgänge und ins Archiv werfen. Leider ließ sich nicht endgültig ermitteln, ob die Szenen in der Sakristei ebenfalls vor Ort gedreht wurden. Wahrscheinlich ist es aber: Die Täfelung der Türen im Film ist exakt dieselbe wie in der Taborkirche – kaum anzunehmen, dass ein Bühnenbildner diese für Studioszenen so akkurat nachbauen würde. Der oben schon erwähnte Kontaktmann wusste spontan keinen passenden Ort, versprach uns aber, sich noch einmal auf die Suche zu machen und mich gegebenenfalls per E-Mail zu informieren. Das nenne ich Einsatz!

Ausschau halten sollte man außerdem immer nach einem Notausgang: Man kann nie wissen, welchen Ausweg man in brenzligen Situationen gebrauchen kann. Schon Kommissar Lohmann ist der Besuch in der Taborkirche (im Film heißt sie ja St.-Thomas-Kirche) nicht gut bekommen... 

Auf der Empore gab es noch mehr zu entdecken: Der antike Zettel mit Aufruf, dem Kirchenchor beizutreten, hätte gut und gern von Fräulein Sabrehm persönlich aufgehangen werden können. Wie Barnaby und ich darüber hinaus in die Fußstapfen von Rudolf Fernau und Gert Fröbe treten, ist fast schon oscarverdächtig... Ein kleiner Fußmarsch brachte uns zu zwei weiteren „Stahlnetz Mabuse“-Drehorten. Der Film gewinnt seinen Charme hauptsächlich durch die vielen Kreuzberg-Aufnahmen, obwohl im Film nie explizit von Berlin die Rede ist. Die Autokennzeichen der Mabuse-Filme lauten gar auf das 1961 in der BRD noch nicht herausgegebene „P“.
Exil-Quartier Köpenicker Straße Damals heruntergekommen-düsterer Schauplatz der Entführung Maria Sabrehms durch Mabuses Hintermänner – heute Heimat für ein Schöner-Wohnen-Magazin. Auch so kann sich ein Drehort entwickeln. Es versteht sich von selbst, dass die alten Industrieschornsteine den Zeitenwandel nicht überdauert haben.

Muskauer Straße Ecke Pücklerstraße Eine typische Berliner Kreuzung, deren Lage nur das Straßenschild verrät. Daliah Lavi kam nicht zufällig um die Ecke.

Nach all diesen Stationen war es Zeit für eine Verschnaufpause. Bei österreichischer Küche ließ es sich nicht nur über „Kottan“ oder „Marek“ fachsimpeln, sondern auch über die Wallace- und Mabuse-Filme, die – welch eine Wissenslücke! – einem Mitglied unserer Exkursion bislang noch unbekannt sind. Wir stimmten alle drei schon den ganzen Tag überein, dass dies nicht das einzige Treffen dieser Art im Jahr 2011 sein soll. Schließlich gilt es diesmal, ein noch viel passenderes Jubiläum zu feiern: „50 Jahre Wallace-Filme“ hätte 2009 einen netten Anlass zu einem großen Treffen gegeben, „50 Jahre Wallace-Filme in Berlin“ sind 2011 aber ein ungleich passenderes, lokalpatriotisches Thema. Als Ausklang nach verspeistem Kaiserschmarrn widmeten wir uns schließlich noch der klassischen Theaterkunst. Wie Nick Prado war es aber nicht die Liebe zur Muse, die uns zum Metropol-Theater zog, sondern ein klar umrissener Ermittlungsauftrag.
Neues Schauspielhaus am Nollendorfplatz Das Neue Schauspielhaus, 1906 eröffnet, trug viele Namen. Zunächst umbenannt in „Theater am Nollendorfplatz“, firmierte es später als „Metropol“ und seit einigen Jahren als „Goya“. In „Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse“ dient es als Kulisse für die Aufführung des Stücks „Die Tänzerin, der Henker und der Clown“. Durch seine markante Architektur ist es sowohl von der Vorder- als auch von der Rückseite bestens zu erkennen. Auch die Hofzufahrt mit dem geschwungenen Treppengeländer blieb erhalten.

Der Bericht ist unterdessen aber sogar für meine Verhältnisse ziemlich lang geworden. Zum Schluss deshalb nur noch: Ich spreche nicht nur für mich, wenn ich feststelle, dass das Treffen wieder ein voller Erfolg war und mir sehr gefallen hat. Auch wenn nun nicht mehr allzu viel Zeit bis zum Sommer bleibt, so wäre es mit diesem Vorlauf vielleicht doch noch möglich, für ein Treffen im Juli oder Anfang August noch den einen oder anderen Interessierten mitzunehmen, der bislang nicht Teil unserer „Four Just Men est. 2009“ ist. Freuen würden wir uns über jede Meldung. Genaue Terminplanungen gibt es noch nicht, insofern könnten wir bei Interesse im Thread oder per PM einen Kompromiss für einen größeren Teilnehmerkreis finden.
Fortsetzung folgt...
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