Im beschaulichen walisischen Urlaubsörtchen Melinfforest hat es einen rätselhaften Mord an einer jungen Frau gegeben. Die Ermittlungen treten auf der Stelle, die Polizei fragt dezent bei Mr. Ross vom Geheimdienst an, ob es da wohl Zusammenhänge geben könnte. Es stellt sich nach anfänglicher Unklarheit heraus, dass die unbekannte Tote in Wirklichkeit die Geheimagentin Thackery war, die man jedoch in Hongkong wähnte. Unter ihrem Namen ist nun aber schon eine andere Dame wieder ins gelobte Mutterland gekommen, hat Oberst Lockwood aus Ross‘ Team am Flugplatz ein Tonband übergeben und war daraufhin bald spurlos verschwunden. Der Tonträger enthält nur die Aufzeichnungen eines walisischen Volksliedes, gesungen von einem chinesischen Kinderchor unter Anleitung der originalen Miss Thackery. Nur wird der Mann für besondere Fälle aktiv – Tim Frazer. Zusammen mit Lockwood auf unterschiedlichen Wegen nach Melinfforrest geschickt, quartiert sich Frazer in Mrs. Chrichtons Pension ein, wo auch die Ermordete gewohnt hatte. Die Inhaberin ist bemüht-geschwätzig, ihr älterer Bedienter Davy dagegen mürrisch-verstockt. Als Pensionsgäste stellen sich der redselige Mr. Roberts heraus, welcher (zu Mrs. Chrichtons ständigem Schrecken) gerne laute Musik hört, oder auch Dr. Vincent, dessen Leben nur aus Golfspielen zu bestehen scheint. Fraser nimmt Kontakt zu Mr. Thornton auf, einem Immobilienhändler, mit welchem auch Miss Thackery in Verbindung stand. Thornton hat eine sehenswerte Sekretärin. Diese Eve Bennett war die falsche Thackery und steht bald darauf Tim Fraser in einem abgelegenen Haus mit einem Revolver in der Hand gegenüber. Ein Schuss knallt. Tim Fraser überlebt und findet die Attentäterin bald neben einem Autowrack am Rande einer gefährlichen Kurve wieder, getötet durch einen Brieföffner mit chinesischen Schriftzeichen… Der Leser findet sich hier wieder mitten in einer typischen Durbridge-Handlung wieder. Der Brieföffner führt direkt zu Mr. Roberts in der Pension zurück, war wohl aber doch nur eine falsche Fährte, oder…? Weitere ähnliche Brieföffner tauchen auf, und auch das seltsame Volkslied ertönt mal wieder ganz unschuldig. Die Ortspolizei in Gestalt von Inspektor Royd würde Frazer gerne in die Zange nehmen, aber auf Weisung von oben kehren sich da die Verhältnisse um. Eine Spur führt Frazer ins Kowloon-Hotel. Dessen Besitzer Laurence James ist ein mit allen Wassern gewaschener Geschäftsmann. Jede Menge dunkle Geheimnisse schreien geradezu nach ihrer Lüftung. So geht es dann weiter, man versucht Frazer zu einzuschüchtern, zu betäuben und bald auch durch gedungene Helfer umzubringen. Inoffizielle Verstärkung bekommt der Geheimagent Ihrer Majestät durch die Reporterin Rita Coleman, ehemals schon im Fall der Mordsache Falsche Miss Thackery aktiv. So fügt sich Steinchen an Steinchen, Identitäten werden entschleiert, der Grund für die ganze Affäre dargelegt und der bzw. die Täter in einem aufregenden Finale gestellt.
Verfolgt man die Vita der Entstehungsgeschichte des vorliegenden Buches, so geht das Grundgerüst der Fabel über allerlei Drehbücher, Zwischenstände, Unveröffentlichtes usw. bis in die Fünfziger Jahre zurück, jedenfalls nach meiner Lesart. Kann aber auch anders sein, jedenfalls ist der Roman aus der Spätphase von Durbridge äußerlich ziemlich modern, während der eher unspektakulär daherkommende Auslöser des Falles, ein Wissenschaftler, der vom bösen Osten in den guten Westen wechseln will (allerdings nicht völlig selbstlos), irgendwie schon etwas anachronistisch wirkt, so richtig Kalte-Krieg-Story halt. Bleibt aber recht farblos und eher so eine Art menschlicher McGuffin. Sonstig gibts vertraute Zutaten, die Pension mit verdächtigen oder eher demonstrativ unverdächtigen Gästen, zwielichtige Geschäftsmänner in der Stadt, begehrliche Ladies mit Geheimnissen, dumpfe Leute fürs Grobe und allerlei mysteriöse Gegenstände, Brieföffner, Feuerzeuge, das gute alte Volkslied… Der Autor bleibt dabei im Großen und Ganzen in seinem Fahrwasser. Ungewöhnlich erschien mir bei dem Buch zumindest in der ersten Hälfte der sehr lyrische, anschauliche Stil, in dem die Beschreibung von Dingen, Orten, Personen erfolgte, Wales scheint eine Reise wert zu sein. Spätestens nach Eve Bennets Ermordung wechselte der Modus hin zu knapperen dialoglastigen Szenen. Recht spät werden immer mal Personen eingeführt, die engagierte Reporterin Rita Coleman ist im Prinzip nur dafür da, Mr. Frazer vor einer Falle zu warnen, ihr Auftritt wirkt etwas bemüht und hinterhergeschoben. Frazers Mitstreiter Lockwood kann zwischendurch die eine oder andere Anregung geben, die etwas missgünstige Polizei wird auf Handlangerdienste reduziert. Tabakwerbung ist wie üblich sehr präsent, obwohl es im Zusammenhang damit sogar ein kleines gadget gibt. Die Auflösung wirkt schon stimmig, wenngleich auch hier sicher emsiges Nachgraben nach Logikfehlstellen die eine oder andere Frucht zutage fördern würde. Das Ende des Buches nach In-Falle-Tappen-Lassen der Bösewichte ist teilweise aus Sicht eines der Verschwörer geschrieben, denn es schließt sich noch eine spannende Verfolgungsjagd an. Dann ist auch abrupt Schluss, überhaupt ist die Story besonders im letzten Drittel ein wenig holperig, wahrscheinlich wieder mal Kürzungen, um noch das Taschenbuchformat von knapp 160 Seiten zu erreichen(?)
Der Kriminalroman Tim Frazer weiß Bescheid bietet zuverlässig entspannende Lektüre, auch vielleicht für Leser, die die Verfilmung Das Messer kennen, denn der Haupttäter ist im Buch ein ganz anderer.
Schön, dass hier auch mal wieder Romane besprochen werden.
Vorliegender basiert auf dem Originaldrehbuch zum dritten Frazer-Abenteuer, das als Band 22 der Edition von Williams & Whiting in deutscher Übersetzung unter dem Titel TIM FRAZER UND DAS RÄTSEL VON MELYNFFOREST im Januar 2024 erschienen ist. Es enthält auch auf 80 Seiten zu Tim Frazer.
Wer den Roman lesen möchte, sollte noch ein halbes Jahr warten, den die drei Tim-Frazer-Romane erscheinen als Bände 41 bis 43 in komplett neuer und ungekürzter Übersetzung ab September 2025 bei Williams & Whiting und enthalten zahlreiche Hintergrundberichte über alle Verfilmungen sowie Interviews usw., wie schon die Neuausgaben von HALSTUCH, HARRY BRENT, WIE EIN BLITZ und DIE KETTE. Sämtliche Goldmann-Ausgaben waren leider teilweise drastisch gekürzt.
Da werde ich mir mal zumindest dann den Fall Salinger im neuen Look besorgen, den hab ich nämlich noch nicht gelesen. Ich muss sagen, dass mir die Tim-Frazer-Reihe besser gefällt als Paul Temple. Die Kürzungen in den Goldmann-Büchern sind schon merklich. Bei der hier besprochenen Ausgabe springt die Handlung auf einmal mitten in die plötzlich demaskierten Verschwörer hinein, ohne dass es vorher auch nur eine Andeutung gab. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das im Original so aufzufinden ist.