Das Thema drängte sich mir auf, nachdem ich nun die Sichtung der Wallace-Reihe noch einmal chronologisch gestartet habe und mit Frosch-Kreis-Rächer-Bande-Bogenschütze-Augen "durch" bin. Es gibt einige Merkmale, über die - gerade bezüglich der Anfangszeit der Reihe - viel geschrieben wurde: der regelmäßige Wechsel zwischen den Regisseuren Reinl und Roland (dann Vohrer), Egon Eis und Wolfgang Schnitzler als alternierende Autoren, bzw. ergänzend/überarbeitend J. Joachim Bartsch und Wolfgang Menge, das Suchen und Finden der "Stammschauspieler" wie Fuchsberger, Arent, Kinski, Dor und Schürenberg und Ähnliches. Das Alles sind sicherlich Aspekte, die wichtig waren für die Bildung der "Marke Wallace". So gefallen mir persönlich die Eis-Bücher "Frosch", "Kreis" und "Augen" mit Abstand am Besten, die Inszenierung Reinls von "Frosch" und "Bande" jedoch wiederum wesentlich besser als Rolands von "Kreis" und "Bogenschütze". Vohrers Inszenierung der "toten Augen" dann erinnert in Staging und Blocking stark an "Frosch mit der Maske", überzeugt zudem aber mit frischen Einfällen. Zwar gab es auch später nochmals Versuche mit dem parodistischen Ansatz Rolands (siehe Ashleys "Rätsel der roten Orchidee"), für die Höhepunkte der Reihe sorgten aber unzweifelhaft Reinls und Vohrers "härtere" und ernstere Filme, die einen Teil ihrer Wirkung aber nicht (nur) aus Inszenierung, Schauspielern und Buch erzielen, sondern durch ihre Fotografie. Was also bisher kaum zur Sprache kommt, ist die Rolle der Kameramänner, obwohl es auch (oder gerade?) die Schwarz-Weiß-Fotografie und kontrastreiche Bildsprache ist, die viele Zuschauer fasziniert. Mir fiel erst bei der aktuellen Sichtungsreihe auf, dass für die ersten fünf Rialto-Wallace-Filme fünf unterschiedliche Kameraleute zuständig waren - und ebenso stark variiert auch die handwerkliche wie künstlerische Qualität der Kameraarbeit, wie ich nun nochmals feststellen musste. Vieles, was die Bildgestaltung betrifft, ist natürlich Teil der Inszenierung und somit der Regie. Allerdings hat es einen Grund, warum im englischsprachigen Raum von DOP (=Director of Photography), also quasi "Bildregisseur", gesprochen wird. Der deutsche Begriff "Kamerafrau/Kameramann" hingegen ist etwas, was eher nach reinem Handwerk und Umsetzung klingt. Dementsprechend wurden (auch bei Wallace, Karl May und Co) dann gern Formulierungen wie "Bildgestaltung", "Fotografie" oder schlicht "Kamera" für die Titel gewählt um die kreative Arbeit der Kameraleute von später genannten handwerklichen Positionen wie "Schwenker" oder "Kameraführung" abzugrenzen. Bei Spielfilmen/Serien sieht die Zusammenarbeit in der Regel so aus, dass der Kameramann/die Kamerafrau zeitgleich oder zumindest kurz nach der Verpflichtung des Regisseurs/der Regisseurin ins Projekt einsteigt, also zu einem sehr frühen Zeitpunkt. Die Auflösung (=in wie viele und welche Bilder und in welche Einstellungsgrößen wird die Handlung zerlegt, wo gibt es Fahrten und Ähnliches,...) erstellt der Regisseur in den allerseltensten Fällen allein, sondern in der Regel gemeinsam mit dem DOP. Dort wird dann natürlich auch grundlegend besprochen, welche Farben genutzt werden (auch im Kostüm- und Bühnenbild), wie die Lichtsetzung aussieht usw. Je nach Budget hängen davon anschließend also überhaupt erst die Bauten im Studio, Kostüme und so weit ab, bei denen der DOP somit Mitspracherecht genießt. Es gibt zwar Kamera-affine Regisseure wie Stanley Kubrick (der oft sogar die für seine Filme genutzten Objektive selbst besaß!), die sich bis hinein in Themen wie Filmmaterial engagieren, in der Regel ist jedoch die Bildgestaltung (auf Basis der vorherigen Planung mit dem Regisseur) dann tatsächlich Sache des Kameramanns/der Kamerafrau. John Alton (Kameramann von Film Noir-Filmen wie wie "Geheimring 99" und später DOP von "Ein Amerikaner in Paris") veröffentlichte 1949 ein Buch mit dem Titel "Painting with Light" und umreißt schon mit dem bloßen Titel die wesentliche Aufgabe eines Kameramanns/einer Kamerafrau. Kameraarbeit ist nicht (nur) den richtigen Platz für die Kamera und die richtige Einstellungsgröße und Kadrierung zu finden, bzw. sich im Vorfeld für bestimmtes Filmmaterial und Objektive und Filter zu entscheiden, Kameraarbeit bedeutet vor allem auch Lichtsetzung und -Formung. Zu Zeiten des Film Noirs gab es es einige Kameraleute, die mit einem dunklen Set begannen und sich mit einer blanken Glühbirne hindurch bewegten um zu sehen, wo Licht welche Wirkung entfaltete, wo sie also später welches haben wollten und wo nicht, bevor die eigentliche Ausleuchtung begann. Das ist übrigens allgemein ein guter Tipp für angehende Filmemacher oder Fotografie-Interessierte! Zwar gibt es dann wiederum Oberbeleuchter samt Beleuchtern und Lichtassistenten, die diese Ausleuchtung ausführend umsetzen, die Entscheidungen, wie und wo Licht gesetzt wird (hartes/weiches, Flächiges/pointillistisches, Tages-/Kunstlicht, usw.) trifft aber der DOP. Nun aber zurück zu Wallace und in die Betrachtung der Einzelfilme: Bereits der Erstling "Der Frosch mit der Maske" ist fantastisch fotografiert! Ja, das Licht in der Einstiegsszene verrät deutlich das Alter des Films, denn der Scheinwerfer, der das Licht des Kronleuchters simuliert, wirft (physikalisch falsche) riesige, harte Schatten eben jenes Kronleuchters auf die Wände, aber so etwas findet sich noch bis in die 80er Jahre in vielen Filmen und wie Reinl (und Kameramann Ernst W. Kalinke) den Einbruch (und prinzipiell den gesamten Film) in Bildern inszenieren, ist einfach stark gemacht. Viele lange und oft aufwändige Fahrten, die handwerklich äußerst sauber durchgeführt sind und sehr gutes Timing zeigen. Selten wählen Reinl und Kalinke die simple Auflösung in 2er, Schuss und Gegenschuss, also Zerlegung eines Dialogs in die typischen drei Bilder: ein Bild, dass beide Gesprächspartner zeigt, dann Nahaufnahme des einen und Nahaufnahme des anderen und noch viel seltener wird einfach "Theatermäßig" mit einer einzigen Halbtotalen gearbeitet. Vielmehr lassen sie beispielsweise Sir Archibald und Inspektor Elk sich durch das Büro in Scotland Yard bewegen und die Kamera zusätzlich auf sie zu oder von ihnen wegfahren und schaffen so ständige Änderung der Einstellungsgrößen und somit der Bildwirkung und lassen die Szene erst lebendig werden. Gerade im Vergleich zu einem zeitnahen Nicht-Rialto-Film mit ähnlicher Thematik wie "Der Rächer" zeigt sich deutlich der Unterschied in der Sorgfalt (=Drehzeit und Budget) als auch im Können. "Der Rächer" besteht zum Großteil aus eben jenen angesprochenen theaterhaften, eher statischen als mutig bewegten Plansequenzen, um möglichst wenig schneiden zu müssen, Reinl hingegen variiert passend zur Stimmung zwischen Einstellungsgrößenwechseln durch Fahrten und tatsächlich tempomäßig verdichteten Montagesequenzen wie bei Morden oder Kämpfen. Handwerklich besonders schön (aber auch kreativ) fand ich die Sequenz, in der Inspektor Genter den Auftrag vom Frosch erhält und die Kamera mit einer anspruchsvollen Fahrt und zusätzlichen Schwenks Genters Reaktionen, den Brief und dann die beiden an einem Pfeiler befestigten Fotos der Bennets einfängt und noch passend Licht geschaltet wird. Alles ist sehr sorgfältig und handwerklich makellos. Bis auf den Kronleuchter zu Beginn des Films wurde ich an keiner Stelle durch inkonsistente Lichtsetzung irritiert. Es gibt kaum Doppelschatten, kaum langweiliges flächiges Licht, dafür viel Arbeit mit Kontrasten und Licht- und Schattenspiel, schöne Staffelungen in die Tiefe. Was mir ebenfalls positiv auffiel, waren die Rückprojektionen. Ich habe selten (auch in wesentlich späteren Filmen) überzeugendere Rückprojektionen gesehen, obwohl beispielsweise die Sequenz mit Lowitz im Bus noch dazu extrem ambitioniert ist. Diese Einstellung muss unfassbar gut geplant und vorbereitet worden sein - Kalinke musste in London perspektivisch passendes Material vorproduzieren, damit die Kamera in einem "fahrenden" Bus auf Lowitz zubewegt werden kann, während das Material im Hintergrund weiterhin perspektivisch dazu passt und sich auch noch die gefühlte Entfernung und Hintergrundunschärfe passend verhalten. Nicht falsch verstehen: Niemand wird diese Rückprojektionen für tatsächliche Fahraufnahmen halten, aber sie sind so gut gemacht, dass sie den Zuschauer zumindest nicht irritieren oder ganz aus dem Film reißen. Da gibt es bei Hitchcock ("Der unsichtbare Dritte") oder der James Bond-Reihe trotz höherer Budgets wesentlich schlechtere Umsetzungen - auch ein Großteil der späteren Wallace-Filme ist in diesem Punkt weit weniger überzeugend. Schön fand ich auch, wie die "Überwachungskamera"-Aufnahmen gelöst wurden. Es ist eigentlich recht profan, aber selten passt das in Filmen tatsächlich - selbst in Sam Peckinpahs "Osterman Weekend" von 1983 bekam man noch haarsträubende Perspektiven geboten, die nach "Kamera steht direkt vor den Protagonisten und bewegt sich noch dazu frei im Raum" schreien, obwohl es sich um Decken-nah positionierte, versteckte Kameras handeln soll. Reinl und Kalinke bemühen sich um Logik und präsentieren bei der Bennett rettenden Filmvorführung im Yard Aufnahmen aus einer passenden Vogelperspektive. Oft (auch bei Joachim Kramp) wird die Qualität der Reinl-Filme primär auf die Drehbücher projiziert. Ein Blick auf die Filmografie Kalinkes legt aber zumindest einen weiteren Aspekt, der Einfluss auf die Gesamtqualität hatte, nahe. Mit Reinl drehte Kalinke nämlich neben "Der Frosch mit der Maske" auch die Krimis "Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse", "Der Würger von Schloss Blackmoor", "Zimmer 13" und "Der unheimliche Mönch", die allesamt in meiner Erinnerung ebenso Kamera-technische Makellosigkeit und tolle (Licht-)Stimmungen für sich beanspruchen dürfen, wenn auch die Bücher teilweise nicht zu den Besten des Genres gehören. Interessanterweise fotografierte er später in der Wallace-Reihe auch noch für Vohrer "Die blaue Hand", der mir (auch) Kamera- und Lichttechnisch gut in Erinnerung geblieben ist. Dass Kalinke mit Reinl "Der Schatz im Silbersee" und Winnetou 1-3 drehte, spricht ebenfalls für seine Klasse. Man darf also getrost sagen, dass Harald Reinl neben einem gelungenen Buch auch stets einen fähigen Kameramann benötigte um ein gutes Ergebnis abzuliefern - wie es eben beim "Frosch" der Fall war, wo ein gutes Buch, eine kongeniale Besetzung (nur Dor anstelle von Antes wäre mein Änderungswunsch), seine Inszenierung und Kalinkes Bildgestaltung zusammenkamen. Reinl scheint kein außerordentlich visuell denkender Regisseur gewesen zu sein und seine Stärken in Timing, Schauspielführung und Co gehabt zu haben. Wenn er also ein gutes Buch in die Hand bekam und ein Könner wie Kalinke dabei war, kam - auch visuell - etwas Gutes dabei heraus. Mit anderen Kameraleuten (wie dem Spanier Godofredo Pacheco bei "Der Teppich des Grauens") waren die Ergebnisse optisch leider weitaus schwächer. "Der rote Kreis" wurde dann von Jürgen Roland inszeniert und von Heinz Pehlke fotografiert, der ansonsten noch bekannt für "Die Halbstarken", "Das Totenschiff" oder Käutners "Schwarzer Kies" ist, ansonsten aber auch für fast alle Freddy Quinn- und später einige Oswald Kolle-Filme zuständig war und viel für das Fernsehen arbeitete. Handwerklich ist das Ganze ebenso sauber wie "Der Frosch" - es fehlen dem "Kreis" jedoch dessen mutige Gestaltungsideen. Vieles wirkt statisch, altbacken und Pehlke traut sich weniger harte Kontraste als Kalinke. Auch das Spiel mit Perspektiven wird gescheut. Eigentlich gibt es nur in den schon rein handlungstechnisch "spannenden" Szenen auch spannendes Licht - wie bei Thalia Drummonds nächtlichem Besuch bei Jack Beardmore oder den Szenen in der Lagerhalle - selbst hier ist die Fotografie jedoch nicht so beeindruckend wie beim "Frosch". Alles in allem gibt es also Nichts "zu meckern", nach "Der Frosch mit der Maske" fehlen hier aber die ikonischen Bilder. "Die Bande des Schreckens" brachte die Rückkehr von Harald Reinl, aber nicht die von Kalinke. Möglicherweise lief die Produktion der dänisch-deutschen Co-Produktion "Kein Pardon nach Mitternacht" (ebenfalls für die Rialto), bei der Kalinke für die Bildgestaltung zuständig war, genau parallel. "Ersatzmann" Albert Benitz hatte in den 30ern bis in die 50er Jahre schon mit Leni Riefenstahl und Luis Trenker gearbeitet und war in diesem Zusammenhang sicherlich auch Harald Reinl (der zu jener Zeit noch in Rollen wie Drehbuchautor und Regieassistent unterwegs war) über den Weg gelaufen. Später fotografierte er unter anderem "Des Teufels General" oder "Der Hauptmann von Köpenick". Seine Erfahrungen mit Krimis oder zumindest Filmen mit Krimi-Elementen wie "Klettermaxe", "Banditen der Autobahn", "Spion für Deutschland" oder "Dr. Crippen lebt" empfahlen ihn wahrscheinlich für Wallace. Entsprechend ansprechend fällt seine Arbeit auch an der "Bande" aus. Viel Nebel und Gegenlicht prägen den Stil des Films. Es gibt auch gegenüber dem Vorgänger wieder mehr Mut zur Dunkelheit. Gestalterisch geht somit Vieles wieder in die Richtung von "Der Frosch mit der Maske", allerdings sind gerade die Rückprojektionen wesentlich schlechter gestaltet. Die Bootsaufnahmen führen (eher unbeabsichtigt) zu Übelkeit beim Zuschauer, weil Hintergrund und Vordergrund permanent gegenlaufende Schaukelbewegegungen vollführen. Auch die Fahraufnahmen sind nicht so gut umgesetzt wie noch im "Frosch". Handwerklich ansonsten ähnlich sauber wie die beiden Vorgänger, aber nicht ganz so schön aufgelöst wie "Der Frosch mit der Maske". Die allgemeine Qualität ist leider etwas unbeständig - es sind auch einige etwas nichtssagende Bilder dazwischen, allerdings zumindest auch wieder ein paar Highlights. Es findet sich auch in gewisser Weise eine andere Herangehensweise in der Lichtsetzung (möglicherweise auch durch den Wechsel des Studios bedingt?). Während "Der Frosch mit der Maske" und "Der rote Kreis" mit relativ geschlossener Blende und daher viel gesetztem Licht aufgenommen wurden, was dazu führt, dass auch die Tiefe meist noch recht scharf ist, war die Blende bei der "Bande" wohl häufig offener und zeitgleich weniger Licht am Set. Dies führt auch dazu, dass sich hier erstmals Schärfeprobleme zeigen, wie sie sich auch später durch die Wallace-Reihe ziehen sollten. Beim Besuch bei dem Richter, der mit dem Zusammensturz der Treppe endet, liegt die Schärfe beispielsweise leider völlig daneben. Das kann man nicht nur auf den Kameraassistenten schieben, weil Benitz mit dem geringen Lichteinsatz und der recht offenen Blende die Grundlage für geringe Schärfebereiche schafft. Der Film wirkt trotz wahrscheinlich höherem Budget insgesamt etwas weniger sorgfältig gestaltet als "Der Frosch". Auch Jürgen Roland bekam für seinen zweiten Wallace-Film "Der grüne Bogenschütze" wieder einen neuen Kameramann an die Seite gestellt. Heinz Hölscher war mit 36 Jahren verhältnismäßig jung für solch ein Prestigeprojekt, hatte erst 8 Jahre Berufserfahrung, aber 1954 mit "08/15" ein Ausrufezeichen gesetzt und 1958 "Das Mädchen mit den Katzenaugen" (der oft im Zusammenhang mit Wallace-Vorläufern erwähnt wird) und 1959 "Nick Knattertons Abenteuer" fotografiert und somit Krimi-Eignung nachgewiesen. In beiden spielte übrigens interessanterweise schon Gert Fröbe mit. Auch "Der grüne Bogenschütze" ist wieder technisch/handwerklich extrem sauber - aus meiner Sicht sogar makelloser als "Die Bande". Es herrscht eine edle Optik vor, das Licht ist durchgehend gut gesetzt. Allerdings läuft eben dieser "Hochglanz" der Darstellung Bellamys als Gangster entgegen und selbst die Schiffsequenzen sind nicht "dreckig" genug gestaltet, dass der Zuschauer Bedrohung vermittelt bekommt. Plansequenzen oder clever aufgelöste Fahrten sind zwar eher selten und statische Einstellungen und Schwenks herrschen vor, aber es funktioniert recht gut. Leider ist Rolands Inszenierung ja ansonsten etwas bräsig. Alfred Vohrer hatte vor seinem Wallace-Debüt seine ersten vier Filme alle mit Kameramann Kurt Hasse gedreht, dieser wurde aber scheinbar noch während der Dreharbeiten am fünften Film "Bis dass das Geld euch scheidet" durch Karl Löb ersetzt. Löb wanderte anschließend quasi mit zum Set von "Die toten Augen von London". Wenn man den Film sieht, wird schnell deutlich, dass hier mit Vohrer-Löb ein ebenso kongeniales Dream-Team, wie es zuvor mit Reinl-Kalinke beim "Frosch", bei der Arbeit war. Löb orientiert sich an einer modernen Herangehensweise. Anstatt die Sets mit reichlich Licht auszuleuchten und dieses dann zu formen oder an einzelnen Stellen wieder wegzunehmen und die Blende zu schließen, setzt er eher minimalistisch Licht, dort wo er es haben will und dreht mit offener Blende - mit allen Konsequenzen, die daraus folgen. So sind die Szenen im Blindenheim wunderbar geleuchtet, Vieles liegt im Dunkeln und die "Sehenden", die zu Besuch kommen, müssen bei ihren Gängen immer genau ihre Marken treffen um interessantes Seitenlicht zu bekommen. Auch die Nahaufnahmen und Details sind die schönsten, die es bis hierhin in der Filmreihe zu sehen gab. Auf der anderen Seite führt diese Herangehensweise auch dazu, dass beispielsweise Karin Baal im Scotland Yard-Büro in der Unschärfe liegt, weil sie etwas weiter von der Kamera entfernt sitzt als Fuchsberger, der zu ihr spricht. Vohrer dachte offensichtlich selbst sehr visuell und Löbs größter Verdienst ist es wohl, Vohrers oft hart an der Grenze zur "Dorf-Geisterbahn" wandelnde Ideen so ins Bild zu setzen, dass sie nicht unfreiwillig komisch wirken. Etwas leicht machte man es sich bei den Fahrszenen. Anstatt Rückprojektionen einzusetzen, sind einfach alle Scheiben permanent dermaßen verschmiert, bzw. der Nebel außen so dicht, dass der Zuschauer nur ein wackelndes Auto und etwas Licht von außen präsentiert bekommt. Sehr schöne Tiefe schafft Löb jedoch beispielsweise, wenn er in der Gerichtsmedizin bei einem simplen Zweiergespräch die hinter Glas liegenden, offensichtlich viel zu karg eingerichteten Büros einfach mit weißem Tuch/Diffusor-Folie abdeckt und so das Set spannender gestaltet. Löb variiert ansonsten Kamerafahrten, statische Einstellungen und Handkamera genau in den richtigen Situationen und setzt mit dem pointillistischen Licht das richtige Setting für den bis hierhin am offensivsten mit klassischem Grusel spielenden Wallace-Film. Die Szenenübergänge "leihen" sich Vohrer und Löb wahlweise bei Fritz Langs "M - Eine Stadt sucht einen Mörder", wenn eine Türklingel zu einem Telefon geschnitten wird oder bei Hitchcocks "Cocktail für eine Leiche", wenn Schauspieler Gegenstände so vor die Kamera bewegen, dass sie "schwarz sieht" um dann vom nächsten Gegenstand oder Hinterkopf in die nächste Szene zu starten. Zusammen mit "Der Frosch mit der Maske" ist dies definitiv der am schönsten fotografierte Wallace der ersten Phase - und meiner Meinung nach auch gemeinsam mit diesem der beste Film. Mit "Das Geheimnis der gelben Narzissen" folgt ja nun erst einmal ein Exot mit neuem Regisseur und britischem Kameramann, bevor Harald Reinl für "Der Fälscher von London" wieder übernimmt - und mit Karl Löb erstmals ein Kameramann seinen zweiten Wallace fotografieren darf! Anschließend tritt dann ja mit "Die seltsame Gräfin" auch der Veteran Richard Angst auf den Plan, der allein aufgrund seines Grusel-Krimi-passenden Namens vielen ein Begriff ist und später mit Franz-Josef Gottlieb ein Team bilden sollte.
Schweigen=Zustimmung? Bin ich mit der Textlänge zu sehr über die Stränge geschlagen? Oder spielt die optische Ebene für die meisten doch keine so große Rolle? Ich dachte eigentlich, Kameraarbeit und Lichtsetzung wären noch einmal ein Aspekt der zu diskutieren lohnt.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #2Schweigen=Zustimmung? Bin ich mit der Textlänge zu sehr über die Stränge geschlagen? Oder spielt die optische Ebene für die meisten doch keine so große Rolle? Ich dachte eigentlich, Kameraarbeit und Lichtsetzung wären noch einmal ein Aspekt der zu diskutieren lohnt.
Ich wollte schon länger etwas zu wenigstens einigen Aspekten deines Essays schreiben, kam aber noch nicht dazu. Vielleicht wird im Laufe dieses Tages Zeit dafür sein.
Wallace-Fans wissen schon länger, dass die Kameraleute ziemlich wichtig bei den Produktionen waren (wie sie es auch bei Western sind). Man muss bei vielen Dingen gar keine Vermutungen anstellen. Bei "Bande des Schreckens" etwa kannte Reinl als Assi der Riefenstahl den Kameramann natürlich schon von den "Tiefland"-Dreharbeiten. "Bande des Schreckens" glänzt gegenüber "Frosch" insbesondere durch die extrem gute Lichtgestaltung, die zweifelsohne auf Benitz zurückzuführen ist. Während die deutschen Kritiker der Umsetzung des Films weniger Aufmerksamkeit schenkten, waren es ausländische Kritiker, die die Atmosphäre von "Bande des Schreckens" besonders lobten. Bei den Rückprojektionen in dem Film (und bei anderen Szenen) machten sich aber die Sparmaßnahmen gegenüber dem "Frosch" bemerkbar. Reinl versuchte die Rückprojektion-Aufnahmen teilweise mit dem Schnitt zu kaschieren. - Wie Karin Dor erzählte, hatte Reinl bei seinen Arbeiten schon im Vorfeld aufgezeichnet, wie das Kamerabild ausschauen soll. Er muss sehr wohl ein visuell denkender Regisseur gewesen sein. Die technische Umsetzung lag dann allerdings beim Kameramann, am liebsten bei Kalinke. Reinl muss aber auch mit Benitz sehr gut zusammengearbeitet haben. Viele der Kameraeinstellungen in "Bande des Schreckens", wie Aufnahmen aus der Bodenpersepektive mit einem Weitwinkel-Objekt (um den Szenen besondere Noten zu verleihen), sind interessanterweise eine Umkehrung der Weitwinkel-Naheinstellungen wie man sie bei "Tiefland" findet. Auch der Trick mit einer "verkanteten Kamera" war bereits zu Stummfilmzeiten beliebt (etwa die Szene mit den schiefen Kreuzen auf dem Friedhof). Und über Richard Angst und sein Können braucht man keine Neudefinition machen, weil das schon ausgiebig geschehen ist. Leider sind Angst' Memoiren bis heute noch unveröffentlicht. Das wäre etwas! Wobei Regisseur Gottlieb gegenüber dem großen Angst dann doch ein kleines Licht war, im Gegensatz zu Reinl.
Nun folgt also endlich mein angekündigter Beitrag! Leider werde ich nur auf vergleichsweise wenige Punkte dieses insgesamt sehr beeindruckenden Essays eingehen können.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #1Zwar gab es auch später nochmals Versuche mit dem parodistischen Ansatz Rolands (siehe Ashleys "Rätsel der roten Orchidee"), für die Höhepunkte der Reihe sorgten aber unzweifelhaft Reinls und Vohrers "härtere" und ernstere Filme, die einen Teil ihrer Wirkung aber nicht (nur) aus Inszenierung, Schauspielern und Buch erzielen, sondern durch ihre Fotografie.
Wobei gerade bei Vohrer der "parodistische Ansatz" im Laufe der Jahre immer stärker vertreten war: Seine drei ersten Beiträge zur Serie waren noch vergleichsweise ernst gehalten, beim "indischen Tuch" und dem "Zinker" nahm der Humor (sicher auch durch Petersson als Drehbuchautor bedingt) zu, bei den beiden "Hexer"-Filmen und den Farb-Wallace wurde er dann zum festen Bestandteil. Reinl drehte nach Vohrers fester Etablierung ja nur noch zwei Beiträge zur Serie, aber in diesen war der Humor (abgesehen von den albernen Szenen mit der Puppe in "Zimmer 13") deutlich weniger stark vertreten.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #1Bereits der Erstling "Der Frosch mit der Maske" ist fantastisch fotografiert!
Hier muss man zusätzlich bedenken, dass es der Kriminalfilm hierzulande um 1959 noch ein kaum vertretenes Genre war und es daher kaum Regisseure/Kameraleute gab, die stilistisch Erfahrungen in diesem Bereich hatten.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #1Gerade im Vergleich zu einem zeitnahen Nicht-Rialto-Film mit ähnlicher Thematik wie "Der Rächer" zeigt sich deutlich der Unterschied in der Sorgfalt (=Drehzeit und Budget) als auch im Können. "Der Rächer" besteht zum Großteil aus eben jenen angesprochenen theaterhaften, eher statischen als mutig bewegten Plansequenzen, um möglichst wenig schneiden zu müssen
Solche statischen, theaterhaften Szenen gab es speziell bei frühen Tonfilmen sehr oft, weil die Mikrophone und Kameras weniger beweglich waren, ein Musterbeispiel ist der "Dracula" mit Bela Lugosi; aber auch in späteren Zeiten kam das noch vor, etwa bei den "Hund von Baskerville" mit Basil Rathbone von 1939 (der auch wegen der kaum vorhandenen Musik eher wie ein Film aus den Frühdreißigern wirkt), den "1000 Augen des Doktor Mabuse" oder "Ein Unbekannter rechnet ab". Auch beim "7. Opfer" hattest du neulich so etwas kritisiert; daneben wirken auch viele Fernsehspiele der 60er/70er sehr statisch.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #1Handwerklich besonders schön (aber auch kreativ) fand ich die Sequenz, in der Inspektor Genter den Auftrag vom Frosch erhält und die Kamera mit einer anspruchsvollen Fahrt und zusätzlichen Schwenks Genters Reaktionen, den Brief und dann die beiden an einem Pfeiler befestigten Fotos der Bennets einfängt und noch passend Licht geschaltet wird. Alles ist sehr sorgfältig und handwerklich makellos.
Wirklich interessant, dass man hier nicht die einfachere und naheliegende Variante wählte, die Szene in Einzeleinstellungen aufzulösen, zumal die Schwenks aufgrund der Halbdunkelheit gar nicht so sehr auffallen!
Zitat von Fabi88 im Beitrag #1Was mir ebenfalls positiv auffiel, waren die Rückprojektionen. Ich habe selten (auch in wesentlich späteren Filmen) überzeugendere Rückprojektionen gesehen, obwohl beispielsweise die Sequenz mit Lowitz im Bus noch dazu extrem ambitioniert ist. Diese Einstellung muss unfassbar gut geplant und vorbereitet worden sein - Kalinke musste in London perspektivisch passendes Material vorproduzieren, damit die Kamera in einem "fahrenden" Bus auf Lowitz zubewegt werden kann, während das Material im Hintergrund weiterhin perspektivisch dazu passt und sich auch noch die gefühlte Entfernung und Hintergrundunschärfe passend verhalten. Nicht falsch verstehen: Niemand wird diese Rückprojektionen für tatsächliche Fahraufnahmen halten, aber sie sind so gut gemacht, dass sie den Zuschauer zumindest nicht irritieren oder ganz aus dem Film reißen. Da gibt es bei Hitchcock ("Der unsichtbare Dritte") oder der James Bond-Reihe trotz höherer Budgets wesentlich schlechtere Umsetzungen - auch ein Großteil der späteren Wallace-Filme ist in diesem Punkt weit weniger überzeugend.
Gerade weil Rückprojektionen bei Filmen aus früheren Jahrzehnten heute zuverlässig für unfreiwillige Heiterkeit sorgen, fällt es nicht unbedingt auf, wenn hier relativ viel Sorgfalt und Aufwand betrieben wurde. Interessant wäre natürlich, ob Kalinke erst im die Szene mit Lowitz im Studio drehte und danach dazu passendes Material in London filmte, oder ob er umgekehrt den Dreh seinem Material anpasste.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #1Schön fand ich auch, wie die "Überwachungskamera"-Aufnahmen gelöst wurden. Es ist eigentlich recht profan, aber selten passt das in Filmen tatsächlich - selbst in Sam Peckinpahs "Osterman Weekend" von 1983 bekam man noch haarsträubende Perspektiven geboten, die nach "Kamera steht direkt vor den Protagonisten und bewegt sich noch dazu frei im Raum" schreien, obwohl es sich um Decken-nah positionierte, versteckte Kameras handeln soll. Reinl und Kalinke bemühen sich um Logik und präsentieren bei der Bennett rettenden Filmvorführung im Yard Aufnahmen aus einer passenden Vogelperspektive.
Eine kleine Ergänzung: Ebenfalls für diese Zeit untypisch ist, dass man sowohl bei dem Mord als auch später bei der Präsentation des Films en Erschossenen und seinen Mörder (bzw. zumindest dessen Hand und Waffe) in einer Einstellung zeigt. Heute wirkt das nicht weiter ungewöhnlich, aber in Hollywood war das bis in die 60er hinein verpönt, weshalb man hier meist den Gegenschnitt bevorzugte.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #1Dass Kalinke mit Reinl "Der Schatz im Silbersee" und Winnetou 1-3 drehte, spricht ebenfalls für seine Klasse
... oder auch schlicht dafür, dass die beiden ein gutes Team waren und daher gerne zusammenarbeiteten (so wie Vohrer und Löb ja auch).
Zitat von Fabi88 im Beitrag #1Reinl scheint kein außerordentlich visuell denkender Regisseur gewesen zu sein und seine Stärken in Timing, Schauspielführung und Co gehabt zu haben.
Wobei Timing und Schauspielführung durchaus auch zu Vohrers Stärken gehörten und zumindest Letzteres nach meinem Eindruck auch von Gottlieb gut beherrscht wurde.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #1Alles in allem gibt es also Nichts "zu meckern", nach "Der Frosch mit der Maske" fehlen hier aber die ikonischen Bilder.
Was eventuell (auch) damit zu tun gehabt haben könnte, dass die Verkleidung/Maske des Haupttäters im "Kreis" deutlich weniger "ikonisch" ausfiel.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #1Entsprechend ansprechend fällt seine Arbeit auch an der "Bande" aus. Viel Nebel und Gegenlicht prägen den Stil des Films. Es gibt auch gegenüber dem Vorgänger wieder mehr Mut zur Dunkelheit.
Dazu trug sicher auch bei, dass gerade die spannendsten Sequenzen des Films (zwischen der Bergung des toten Staatsanwalts und dem Mord am Henker, die erste Entführung und Rettung von Nora Sanders oder das Finale im Hotel) nachts spielen.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #1Etwas leicht machte man es sich bei den Fahrszenen. Anstatt Rückprojektionen einzusetzen, sind einfach alle Scheiben permanent dermaßen verschmiert, bzw. der Nebel außen so dicht, dass der Zuschauer nur ein wackelndes Auto und etwas Licht von außen präsentiert bekommt.
Da in diesem Film der Londoner Nebel eine SEHR wichtige Rolle spielt, lag diese Art der Inszenierung nahe.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #1Die Szenenübergänge "leihen" sich Vohrer und Löb wahlweise bei Fritz Langs "M - Eine Stadt sucht einen Mörder", wenn eine Türklingel zu einem Telefon geschnitten wird oder bei Hitchcocks "Cocktail für eine Leiche", wenn Schauspieler Gegenstände so vor die Kamera bewegen, dass sie "schwarz sieht" um dann vom nächsten Gegenstand oder Hinterkopf in die nächste Szene zu starten.
Wobei man natürlich sagen muss, dass die von Fitz Lang in "M" begründete Art des Szenenübergang um 1960 sicher nicht mehr originell, sondern absolut gängig war (ebenso wie das Beginnen/Beenden einer Szene mit einem markanten Satz, um Übergänge fließend zu gestalten).
Komisch, dass du hier nicht Vohrers bekannte Vorliebe für "impossible shots" anführst, die er bereits bei den "toten Augen" anwandte (Nahaufnahme durch ein Gebiss) oder die Beine einer Menschenmenge, die herbeistürmt, um einen Toten zu finden, und dnach von unten gefilmt wird (das eine wiederholte er später im "Gasthaus" und das andere bei der "Tür").
Zitat von Tarzan im Beitrag #5Wallace-Fans wissen schon länger, dass die Kameraleute ziemlich wichtig bei den Produktionen waren (wie sie es auch bei Western sind).
Im Forum hier hat man darüber aber noch wenig geschrieben und gelesen.
Zitat von Tarzan im Beitrag #5"Bande des Schreckens" glänzt gegenüber "Frosch" insbesondere durch die extrem gute Lichtgestaltung, die zweifelsohne auf Benitz zurückzuführen ist.
Das sehe ich leicht anders. Das Licht ist bei "Bande" vielleicht in einigen Szenen auffälliger, "besser" und kongruenter finde ich persönlich es jedoch beim "Frosch". Aber man kann kaum behaupten, dass es da einen Klassenunterschied gäbe oder Ähnliches, von daher sind es Nuancen. Dass bei der "Bande" Lob aus dem Ausland kam, lag vielleicht auch einfach darin begründet, dass der Erst-Wallace noch ziemlich unter dem Radar lief? Und gab es tatsächlich Sparmaßnahmen bei der "Bande"? "Frosch" und "Kreis" hatten ja sehr überschaubare Budgets. Ich war bisher der Annahme, dass die Budgets bei "Bande" und "Bogenschütze" aufgrund des Erfolgs der Vorgängerfilme tendenziell eher größer ausfielen denn kleiner?
Zitat von Tarzan im Beitrag #5Wie Karin Dor erzählte, hatte Reinl bei seinen Arbeiten schon im Vorfeld aufgezeichnet, wie das Kamerabild ausschauen soll. Er muss sehr wohl ein visuell denkender Regisseur gewesen sein. Die technische Umsetzung lag dann allerdings beim Kameramann, am liebsten bei Kalinke.
Das sind übrigens eben jene Auflösungen, von denen ich schrieb und die in der Regel gemeinsam mit dem Kameramann erstellt werden. Natürlich macht sich aber auch der Regisseur da anfangs schon allein viele grundlegende Gedanken und wie erwähnt, gibt es mehr und weniger Kamera-affine Regisseure - also auch Regisseure, die dem Kameramann quasi die fertige Auflösung präsentieren und "nur noch" umsetzen lassen. Ich hatte Reinl tatsächlich aber eher in zweitere Gruppe sortiert, weil die nicht mit Kalinke, Benitz oder anderen wirklich starken Kameraleuten entstandenen Filme visuell auch nicht so überzeugend sind. Zumindest Kadrierung und Co müssten ja in der Theorie von der selben Qualität sein und "Mängel", sofern man sie so nennen will, sich dann eher in Lichtsetzung oder Durchführung von Schwenks/Fahrten und Ähnlichem zeigen. Im Umkehrschluss jedoch finden sich auch in Kalinke-Filmen ohne Reinl-Regie viele markante Elemente gemeinsamer Filme wieder, weshalb ich seinen Einfluss nicht für gering halte.
Zitat von Tarzan im Beitrag #5Und über Richard Angst und sein Können braucht man keine Neudefinition machen, weil das schon ausgiebig geschehen ist. Leider sind Angst\' Memoiren bis heute noch unveröffentlicht. Das wäre etwas! Wobei Regisseur Gottlieb gegenüber dem großen Angst dann doch ein kleines Licht war, im Gegensatz zu Reinl.
Mir geht es bei Richard Angst auch überhaupt nicht um eine "Neudefinition", aber ein Hinweis auf den Ort, wo "schon ausgiebig geschehen ist", würde mich freuen. Bei Kramp und Co gibt es bei den Filmen meist nur Hinweise auf die gute Kameraarbeit und Ähnliches, aber keine wirklichen Analysen. Auch hier im Forum findet sich bisher wenig, wo man sich explizit mit Kameraarbeit befasst. Dass Gottlieb gegenüber Angst ein kleines Licht war, unterschreibe ich sofort! Ich möchte nicht wissen, wie "Abt" und Co aussehen würden, wenn die gute Kameraarbeit wegfiele...
Zitat von Savini im Beitrag #6Interessant wäre natürlich, ob Kalinke erst im die Szene mit Lowitz im Studio drehte und danach dazu passendes Material in London filmte, oder ob er umgekehrt den Dreh seinem Material anpasste.
Bei Joachim Kramp liest es sich so, als sei das London-Material erst nach Abschluss der Dreharbeiten (an zwei Tagen) aufgenommen worden.
Rein technisch betrachtet, müsste das London-Material (für diese Szene!) schon vorher existiert haben. Wir reden 1959 noch nicht von Greenscreen und Keying, sondern analoger Rückprojektion - sprich das Material wurde auf eine Fläche hinter Lowitz projiziert und musste daher bereits aufgenommen und entwickelt sein und in Form eines abspielbaren Positivs existieren. Möglich natürlich auch, dass diese Aufnahmen aus dritter Quelle stammen und umgekehrt Kalinke und Reinl Perspektive und Bildauschnitt des Busses im Studio an das Material anpassten. Wie dem auch sei: Ich bleibe dabei, dass das einfach sehr gut gemacht ist.
Zitat von Savini im Beitrag #6Nun folgt also endlich mein angekündigter Beitrag! Leider werde ich nur auf vergleichsweise wenige Punkte dieses insgesamt sehr beeindruckenden Essays eingehen können.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #1Zwar gab es auch später nochmals Versuche mit dem parodistischen Ansatz Rolands (siehe Ashleys "Rätsel der roten Orchidee"), für die Höhepunkte der Reihe sorgten aber unzweifelhaft Reinls und Vohrers "härtere" und ernstere Filme, die einen Teil ihrer Wirkung aber nicht (nur) aus Inszenierung, Schauspielern und Buch erzielen, sondern durch ihre Fotografie.
Wobei gerade bei Vohrer der "parodistische Ansatz" im Laufe der Jahre immer stärker vertreten war: Seine drei ersten Beiträge zur Serie waren noch vergleichsweise ernst gehalten, beim "indischen Tuch" und dem "Zinker" nahm der Humor (sicher auch durch Petersson als Drehbuchautor bedingt) zu, bei den beiden "Hexer"-Filmen und den Farb-Wallace wurde er dann zum festen Bestandteil.
Der Ansatz bei Vohrer blieb allerdings im Grunde ernst, weil er den zentralen Kriminalfall (außer bei "Das indische Tuch" oder "Die Tür mit den sieben Schlössern" vielleicht) in der Regel ernst nahm und nur für humorvolle Auflockerung durch komische Nebenfiguren oder oder die angesprochenen "Geisterbahn-Effekte" sorgte. "Der grüne Bogenschütze" mit seinen Selbstreferenzen - Eddi Arent spricht zum Publikum, am Ende wird "nebenan der nächste Wallace gedreht" - ging hier beispielsweise viel zu weit und auch bei "Das Rätsel der roten Orchidee" sind eigentlich ernste Elemente eher humoristisch überspitzt erzählt. Davon abgesehen setzt sich ja so langsam die Meinung durch, dass "Das indische Tuch" nicht zu den Höhepunkten der Reihe gehört oder täuscht mein Eindruck?
Zitat von Fabi88 im Beitrag #1Gerade im Vergleich zu einem zeitnahen Nicht-Rialto-Film mit ähnlicher Thematik wie "Der Rächer" zeigt sich deutlich der Unterschied in der Sorgfalt (=Drehzeit und Budget) als auch im Können. "Der Rächer" besteht zum Großteil aus eben jenen angesprochenen theaterhaften, eher statischen als mutig bewegten Plansequenzen, um möglichst wenig schneiden zu müssen
Solche statischen, theaterhaften Szenen gab es speziell bei frühen Tonfilmen sehr oft, weil die Mikrophone und Kameras weniger beweglich waren, ein Musterbeispiel ist der "Dracula" mit Bela Lugosi; aber auch in späteren Zeiten kam das noch vor, etwa bei den "Hund von Baskerville" mit Basil Rathbone von 1939 (der auch wegen der kaum vorhandenen Musik eher wie ein Film aus den Frühdreißigern wirkt), den "1000 Augen des Doktor Mabuse" oder "Ein Unbekannter rechnet ab". Auch beim "7. Opfer" hattest du neulich so etwas kritisiert; daneben wirken auch viele Fernsehspiele der 60er/70er sehr statisch.
Ein Grund für diese Art der Inszenierung war schon relativ früh gar nicht mehr so sehr die Technik. Auch viele klassische Film Noir-Filme (oftmals als B-Movies entstanden) arbeiten mit gestaffelten Aufstellungen der Schauspieler im Raum und wenig Schnitten. Die Kosten für Filmmaterial und Entwicklung waren hoch, dazu kommt, dass jede neue Einstellung Umbauten und in vielen Fällen Änderungen an der Ausleuchtung erforderlich macht. Wenn also wenig Zeit und Geld vorhanden war, griff man daher auf diese Art der Inszenierung zurück und versuchte mit möglichst wenig Einstellungen auszukommen. Das haben einige Regisseure zur Meisterschaft gebracht und noch später gibt es Beispiele für eine ökonomische Drehweise, beispielsweise im ersten Indiana Jones-Film "Jäger des verlorenen Schatzes", wo die Szene in Nepal trotz beträchtlicher Länger aus erstaunlich wenigen Einstellungen besteht und direkt zu Beginn eine Plansequenz steht, bei der nur durch Heranfahrt und Schwenks und Rückfahrt eine Auflösung entsteht, die "Totale, Halbnahe, Gegenschuss, Detail, usw." bietet, ohne Schnitt. Spielberg hatte bei seinem vorigen Film das Budget so sehr überreizt, dass es beinahe fraglich schien, ob er überhaupt noch einmal auf dem Regiestuhl eines wichtigen Filmes sitzen würde. Als Reaktion drehte er "Jäger des verlorenen Schatzes" äußerst effektiv und entwickelte dabei seinen heute markanten Stil.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #1Handwerklich besonders schön (aber auch kreativ) fand ich die Sequenz, in der Inspektor Genter den Auftrag vom Frosch erhält und die Kamera mit einer anspruchsvollen Fahrt und zusätzlichen Schwenks Genters Reaktionen, den Brief und dann die beiden an einem Pfeiler befestigten Fotos der Bennets einfängt und noch passend Licht geschaltet wird. Alles ist sehr sorgfältig und handwerklich makellos.
Wirklich interessant, dass man hier nicht die einfachere und naheliegende Variante wählte, die Szene in Einzeleinstellungen aufzulösen, zumal die Schwenks aufgrund der Halbdunkelheit gar nicht so sehr auffallen!
Ich finde, Entscheidungen und Ideen wie diese sind ein deutliches Zeichen, wie dankbar Reinl und Kalinke dieses Filmprojekt annahmen und wie sie es als "Spielwiese" nutzten. Bei vorigen Filmen hatten sie selten die Gelegenheit so virtuos mit Inszenierung, Kamera und Licht zu agieren.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #1Alles in allem gibt es also Nichts "zu meckern", nach "Der Frosch mit der Maske" fehlen hier aber die ikonischen Bilder.
Was eventuell (auch) damit zu tun gehabt haben könnte, dass die Verkleidung/Maske des Haupttäters im "Kreis" deutlich weniger "ikonisch" ausfiel.
Das spielt ganz sicher auch eine Rolle, aber Szenen wie das Auffinden des aufgehängten Millionärs in der Atelierwohnung durch Inspektor Parr hätten Reinl und Kalinke wohl visuell packender gestaltet.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #1Entsprechend ansprechend fällt seine Arbeit auch an der "Bande" aus. Viel Nebel und Gegenlicht prägen den Stil des Films. Es gibt auch gegenüber dem Vorgänger wieder mehr Mut zur Dunkelheit.
Dazu trug sicher auch bei, dass gerade die spannendsten Sequenzen des Films (zwischen der Bergung des toten Staatsanwalts und dem Mord am Henker, die erste Entführung und Rettung von Nora Sanders oder das Finale im Hotel) nachts spielen.
Dass diese Szenen nachts spielen, ist aber ja bereits (mehr oder weniger) eine Regieentscheidung. Dass beim "Frosch" und noch mehr beim "Kreis" noch relativ viel tagsüber spielt, hatte sicherlich auch budgetäre Gründe. Nachtdrehs sind teurer und aufwändiger, daher sparte man sich diese für wenige, wichtige Situationen oder ließ sie direkt im Studio entstehen. Bei "Die Bande des Schreckens" war man sich dieser Stärken dann schon viel bewusster und versuchte diese Stimmung auf große Teile des Films auszuweiten.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #1Etwas leicht machte man es sich bei den Fahrszenen. Anstatt Rückprojektionen einzusetzen, sind einfach alle Scheiben permanent dermaßen verschmiert, bzw. der Nebel außen so dicht, dass der Zuschauer nur ein wackelndes Auto und etwas Licht von außen präsentiert bekommt.
Da in diesem Film der Londoner Nebel eine SEHR wichtige Rolle spielt, lag diese Art der Inszenierung nahe.
Horst Wendlandt wird diese Herstellungs-technische Sparsamkeit auf jeden Fall gefreut haben.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #1Die Szenenübergänge "leihen" sich Vohrer und Löb wahlweise bei Fritz Langs "M - Eine Stadt sucht einen Mörder", wenn eine Türklingel zu einem Telefon geschnitten wird oder bei Hitchcocks "Cocktail für eine Leiche", wenn Schauspieler Gegenstände so vor die Kamera bewegen, dass sie "schwarz sieht" um dann vom nächsten Gegenstand oder Hinterkopf in die nächste Szene zu starten.
Wobei man natürlich sagen muss, dass die von Fitz Lang in "M" begründete Art des Szenenübergang um 1960 sicher nicht mehr originell, sondern absolut gängig war (ebenso wie das Beginnen/Beenden einer Szene mit einem markanten Satz, um Übergänge fließend zu gestalten).
Gängig und durchaus weit verbreitet war es durchaus, aber Vohrer setzt hier Szenenübergänge schon durchaus prominent ein. Es gibt ja kaum einen Szenenwechsel, der nicht aus Matchcut, verstecktem Schnitt oder (eigentlich extrem altmodischer) Kreisblende besteht. Auch hier hat man ständig ein Gefühl von "Spielwiese".
Zitat von Savini im Beitrag #6[quote=""|p7407086] Komisch, dass du hier nicht Vohrers bekannte Vorliebe für "impossible shots" anführst, die er bereits bei den "toten Augen" anwandte (Nahaufnahme durch ein Gebiss) oder die Beine einer Menschenmenge, die herbeistürmt, um einen Toten zu finden, und dnach von unten gefilmt wird (das eine wiederholte er später im "Gasthaus" und das andere bei der "Tür").
Genau das hatte ich mitgemeint bei "Löbs größter Verdienst ist es wohl, Vohrers oft hart an der Grenze zur "Dorf-Geisterbahn" wandelnde Ideen so ins Bild zu setzen, dass sie nicht unfreiwillig komisch wirken." Wobei aus meiner Sicht die "Zahnputz"-Einstellung schon ziemlich aus dem Film fällt.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #10Der Ansatz bei Vohrer blieb allerdings im Grunde ernst, weil er den zentralen Kriminalfall (außer bei "Das indische Tuch" oder "Die Tür mit den sieben Schlössern" vielleicht) in der Regel ernst nahm und nur für humorvolle Auflockerung durch komische Nebenfiguren oder oder die angesprochenen "Geisterbahn-Effekte" sorgte. "Der grüne Bogenschütze" mit seinen Selbstreferenzen - Eddi Arent spricht zum Publikum, am Ende wird "nebenan der nächste Wallace gedreht" - ging hier beispielsweise viel zu weit und auch bei "Das Rätsel der roten Orchidee" sind eigentlich ernste Elemente eher humoristisch überspitzt erzählt.
Eine etwas schwierige Unterscheidung: Denn auch Roland nahm "den zentralen Kriminalfall im Grunde ernst", etwa die Auftritte (und Morde) des Bogenschützen (da blieb die Komik eher unfreiwillig) oder die zweimalige Entführung Valeries. Und als "Selbstreferenz" könnte man es im Grunde auch bezeichnen, wenn zu Beginn des "Tuchs" Edgar Wallace persönlich anruft und am Ende zum Erben des Lords erklärt wird.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #10Dass diese Szenen nachts spielen, ist aber ja bereits (mehr oder weniger) eine Regieentscheidung. Dass beim "Frosch" und noch mehr beim "Kreis" noch relativ viel tagsüber spielt, hatte sicherlich auch budgetäre Gründe. Nachtdrehs sind teurer und aufwändiger, daher sparte man sich diese für wenige, wichtige Situationen oder ließ sie direkt im Studio entstehen. Bei "Die Bande des Schreckens" war man sich dieser Stärken dann schon viel bewusster und versuchte diese Stimmung auf große Teile des Films auszuweiten.
Ist es nicht zuerst der Drehbuchautor, der eine Szene bei Nacht spielen lässt? Natürlich ist es für die Entführung/Bedrohung der weiblichen Hauptfigur effektvoller, wenn diese bei Dunkelheit geschieht. Was den Hinweis auf Kosten und Aufwand bei nächtlichen Drehs angeht: Nicht umsonst war jahrzehntelang die "amerikanische Nacht" ein verbreitetes Phänomen, gerade im s/w-Film. Aus heutiger Sicht sorgen solche Szenen natürlich oft für Erheiterung oder Kopfschütteln, ähnlich wie die schon oft angesprochenen Rückprojektionen.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #10Gängig und durchaus weit verbreitet war es durchaus, aber Vohrer setzt hier Szenenübergänge schon durchaus prominent ein. Es gibt ja kaum einen Szenenwechsel, der nicht aus Matchcut, verstecktem Schnitt oder (eigentlich extrem altmodischer) Kreisblende besteht. Auch hier hat man ständig ein Gefühl von "Spielwiese".
Was die "Kreisblede" angeht, so fällt auf, dass dieses Stilmittel nach den "toten Augen" nicht mehr zum Einsatz kam, dort aber relativ oft eingesetzt wurde, obwohl es selbst 1961 nicht mehr so verbreitet gewesen sein dürfte. In späteren Jahrzehnten wurde das ja oft gezielt bei Filmen eingesetzt, die eine Hommage an das "alte Kino" waren. Ein besonders markantes Beispiel wäre "Frankenstein Junior" von Mel Brooks, der bewusst wie ein Film der 30er wirken sollte, gerade auch in optischer Hinsicht (s/w, Beleuchtung, Spiel der Hauptdarsteller) und teilweise auch die erste "Star Wars"-Trilogie. Ein Gespür für pointierte Szenenübergänge zeugt natürlich von einem Gespür für Rhytmus beim Regisseur; ein Meister dieser Kunst im damaligen deutschen Film war Helmut Käutner, der Schnitte und Überblendungen sehr gezielt einsetzte. Was Vohrer angeht, son ist für mich ein Szenenwechsel gegen Ende des "Gorillas" (Sir Arthur schlägt mit seinem Hut gegen die Kamera, die danach auf den Rücken von Henry Parker gerichtet ist) der einzige künstlerische Wert dieses Films. Daneben ist für mich der Wechsel beim "Glasuage" vom Büro des Chefs zum Klub ("Sir Arthur vertritt mich!") extrem gelungen, wenn Perkins eine Billardkugel wegwirft und für plötzlich vor Ort sind.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #10Wobei aus meiner Sicht die "Zahnputz"-Einstellung schon ziemlich aus dem Film fällt.
Das der Humor in diesem Film noch deutlich geringer vertreten ist als später beim "Zinker" oder "Hexer" fällt diese Stelle natürlich sehr auf.
Zitat von Savini im Beitrag #12Ist es nicht zuerst der Drehbuchautor, der eine Szene bei Nacht spielen lässt? Natürlich ist es für die Entführung/Bedrohung der weiblichen Hauptfigur effektvoller, wenn diese bei Dunkelheit geschieht.
Zu erst einmal ein klares "Ja!", aber man sollte nie unterschätzen, wie industriell und materiell bei der Filmproduktion gedacht wird. Ganz abseits von den gern genannten Redaktionen, Förderungen und anderen Einflussnahmen sind es oft die Produzenten selbst die aus reinen Kostengründen gravierend eingreifen, bzw. Änderungen vom Regisseur fordern. Der Regisseur hat ja nicht nur die Aufgabe einen tollen Film zu drehen, sondern auch das Budget einzuhalten. Da muss er sich häufig von Ideen verabschieden oder Szenen umgestalten. Wenn das Budget und der Drehplan nur so und so viele (Außen-)Nachtdrehs erlauben, kann es durchaus passieren, dass eine nächtlich geplante Szene dann doch plötzlich nachmittags spielen muss oder zumindest von außen nach innen verlegt wird. Viele Drehpläne richten sich primär nach den zwei Faktoren "Motive" und "Schauspieler". Bei den Schauspielern relativ selbsterklärend, weil sie in der Regel nach Tagen bezahlt werden und es (aus Produktionssicht) ärgerlich ist einen Schauspieler an vier Tagen jeweils für nur einen Satz an diverse Orte zu holen. Aber auch Motive will man in der Regel nicht ständig wechseln, weil dort oft Mieten anfallen und der Transport von Equipment und Team von einem Drehort an den anderen Zeit und Geld frisst. Soll heißen: Wenn eine bestimmte Location im Film immer nur tagsüber auftaucht, es jedoch eine einzige nächtliche Szene dort gibt, stellt das den Produzenten (bzw. die Aufnahmeleitung) vor Probleme. Im besten Falle ist natürlich ein anderes Motiv (oder gar das Studio) in der Nähe, so dass man nach den Tag-Szenen erst einmal für andere Szenen umziehen kann um dann bei Dunkelheit für die Nachtszene zurückzukehren. Im schlechtesten Falle geht aber ein kompletter Drehtag dafür drauf, diese eine Nachtszene zu drehen oder man muss auf die von Dir genannte "amerikanische Nacht" zurückgreifen. Man bemüht sich also gerade bei Außenaufnahmen möglichst viele Drehorte am selben Ort zu finden und möglichst wenig unterschiedliche Tageszeiten zu haben. Das Haus der Bennets im "Frosch" schien mir eher auf dem Land zu liegen und ich überlege gerade, ob es irgendwann einmal des Nachts zu sehen ist. Ich meine mich zu erinnern, dass man beispielsweise in der Situation, wo Ella das als Signal für den Frosch gedachte Licht ins Fenster stellt, keinen Außenschuss präsentiert bekommt, wie es eigentlich zu erwarten wäre? Aber da kann meine Erinnerung mich täuschen. Beim "Frosch" liegt auch die Vermutung nahe, dass alle Außenaufnahmen mit Dieter Eppler im Hausierer-Aufzug in der selben Nacht gedreht wurden, ebenso wie alle (?) Fuchsberger-Außenszenen des Tags stattfinden, also an wenigen Tagen abgedreht werden konnten. Wobei dort auch ein Großteil dramaturgisch notwendigerweise des Tags angelegt war - Der erste Frosch-Einbruch fand ja nachts statt, wird also morgens untersucht, der alte Bennet kommt eben morgens von seiner Arbeit zurück, so dass Richard Gordon seinen Fußspuren folgen kann, Ella und Ray erstmals am Tag zu begegnen ist auch sinnvoll, die Schlussszene mit Fuchsberger, Arent und von Kalckreuth muss ja auch in fröhlicher Tagesstimmung spielen, usw.
Zitat von Savini im Beitrag #12 Was den Hinweis auf Kosten und Aufwand bei nächtlichen Drehs angeht: Nicht umsonst war jahrzehntelang die "amerikanische Nacht" ein verbreitetes Phänomen, gerade im s/w-Film. Aus heutiger Sicht sorgen solche Szenen natürlich oft für Erheiterung oder Kopfschütteln, ähnlich wie die schon oft angesprochenen Rückprojektionen.
Gerade bei s/w-Filmen ist es im Grunde ja auch gar nicht so auffällig und verrät sich nur, wenn Wolken am Himmel zu sehen sind. Ins Auge sticht es später ja vor allem bei Western, wenn Szenen am Lagerfeuer spielen oder Gebäude brennen und das Feuer nicht etwa gegenüber dem Mondlicht hervorsticht, sondern aufgrund des verwendeten Blaufilters eine unnatürliche Färbung zeigt.
Zitat von Savini im Beitrag #12Was die "Kreisblede" angeht, so fällt auf, dass dieses Stilmittel nach den "toten Augen" nicht mehr zum Einsatz kam, dort aber relativ oft eingesetzt wurde, obwohl es selbst 1961 nicht mehr so verbreitet gewesen sein dürfte. In späteren Jahrzehnten wurde das ja oft gezielt bei Filmen eingesetzt, die eine Hommage an das "alte Kino" waren. Ein besonders markantes Beispiel wäre "Frankenstein Junior" von Mel Brooks, der bewusst wie ein Film der 30er wirken sollte, gerade auch in optischer Hinsicht (s/w, Beleuchtung, Spiel der Hauptdarsteller) und teilweise auch die erste "Star Wars"-Trilogie.
Auch wenn sie sich dort häufiger etwas zu sehr in Interpretationen versteigen, fand ich die Äußerungen von Brockmann und Ecke zu den "toten Augen" beim Podcast "Ein Filmarchiv" diesbezüglich ganz interessant. Sie ziehen schon bei der Eingangssequenz und dem ersten Auftritt von Ady Berber Vergleiche zu den Universal-Horror-Filmen der 30er und 40er. Die Blenden deuten natürlich in eine ähnliche Richtung. Allgemein brachten die frühen Wallace-Filme ja oft ganz bewusst Reminiszenzen an "vergangenen Zeiten" in Szenenbild und Co ein und neben (damals) modernen Autos wurden auch gern mal "Oldtimer" gefahren. Die Einrichtung einiger Sets dürfte auch für das damalige Publikum oft bereits Erinnerungen an Antiquitäten-Läden hervorgerufen haben. Auch andere Aspekte fallen dabei auf: Öffentliche Hinrichtungen mit einer für bessere Sicht erhöht stehenden Guillotine gab es in Frankreich 1939 zuletzt, so dass die entsprechende Szene im "roten Kreis", die 1952 spielen soll, "aus der Zeit gefallen ist". Der Problematik, dass Hinrichtungen am Galgen in England in den 60ern in der Regel nur noch bei Hochverrat, Spionage und anderen schwerwiegenden Straftaten erfolgten, begegnete man, indem die Täter am Ende durch Polizei-Schüsse, Selbstmord oder Unfall dahinscheiden. Es war häufig aber auch wirkungsvoller als sie dann grimmig in der Zelle auf die Hinrichtung wartend zeigen zu müssen.
Zu dem angesprochenen Problem, dass Außendrehs bei Tag oder Nacht mit einem bestimmten Schauspieler mitunter terminliche Anpassungen erfordern: Das sit mir klar, gerade dann, wenn jemand noch andere Verpflichtungen hat und nur an bestimmten Tagen/zu bestimmten Zeiten verfügbar ist. Bei Kramp steht z. B., dass man beim Dreh des "Peitschenmönchs" einige im Schwimmbad eigentlich bei Dunkelheit spielenden Szenen tagsüber drehen und die Scheiben abdunkeln musste, da Harry Riebauer ein Theaterengagement hatte.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #13Auch wenn sie sich dort häufiger etwas zu sehr in Interpretationen versteigen, fand ich die Äußerungen von Brockmann und Ecke zu den "toten Augen" beim Podcast "Ein Filmarchiv" diesbezüglich ganz interessant. Sie ziehen schon bei der Eingangssequenz und dem ersten Auftritt von Ady Berber Vergleiche zu den Universal-Horror-Filmen der 30er und 40er. Die Blenden deuten natürlich in eine ähnliche Richtung.
Das ist insofern interessant, als viele dieser Filme dem breiten Publikum hierzulande damals sicher nicht bekannt waren, da sie ihre deutsche Premiere oft erst später im deutschen Fernsehen erlebten. Aber es gab ja Programmkinos, in denen der Regisseur sie gesehen haben könnte.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #13Allgemein brachten die frühen Wallace-Filme ja oft ganz bewusst Reminiszenzen an "vergangenen Zeiten" in Szenenbild und Co ein und neben (damals) modernen Autos wurden auch gern mal "Oldtimer" gefahren. Die Einrichtung einiger Sets dürfte auch für das damalige Publikum oft bereits Erinnerungen an Antiquitäten-Läden hervorgerufen haben.
Dieses Konzept änderte sich dann spätestens 1963; danach gab es solche damals bereits antiquierten Einrichtungen hauptsächlich bei Szenen, die in Schlössern spielten.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #13Auch andere Aspekte fallen dabei auf: Öffentliche Hinrichtungen mit einer für bessere Sicht erhöht stehenden Guillotine gab es in Frankreich 1939 zuletzt, so dass die entsprechende Szene im "roten Kreis", die 1952 spielen soll, "aus der Zeit gefallen ist".
Du spielst damit nicht zufällig auf einen vor ein paar Jahren von mir verfassten Beitrag an? Dort war mir daneben aufgefallen, dass auch die Aussage, Lightman sei nach der gescheiterten Hinrichtung lebenslänglich auf die "Teufelsinsel" geschickt worden, im Roman noch sinnvoll war, bei der Verfilmung dagegen schon anachronistisch, da es die dortige Strafkolonie nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gab.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #13Der Problematik, dass Hinrichtungen am Galgen in England in den 60ern in der Regel nur noch bei Hochverrat, Spionage und anderen schwerwiegenden Straftaten erfolgten, begegnete man, indem die Täter am Ende durch Polizei-Schüsse, Selbstmord oder Unfall dahinscheiden. Es war häufig aber auch wirkungsvoller als sie dann grimmig in der Zelle auf die Hinrichtung wartend zeigen zu müssen.
Wobei die von dir aufgezählten "schwerwiegenden Straftaten" nach 1945 auch nicht mehr zu tatsächlichen Hinrichtungen führten; diese bleiben auf Mord beschränkt, allerdings meist nur nach bestimmten Kriterien, die 1957 dann auch gesetzlich fixiert wurden. Aber dass die Todesstrafe nach dem Zweiten Weltkrieg immer seltener wurde und 1964 endete, ist mir natürlich bekannt, ebenso auch, dass die Drehbuchautoren der Serie dies ignorierten und ihre Figuren auch nach 1964 noch oft vom "Galgen" sprechen ließen. Es ging eben um ein "Phantasie-England". Dass die Bösewichter oft zu großen Teilen oder in manchen Filmen sogar komplett innerhalb der Handlung umkommen, hatte wohl oft schlicht dramaturgische Gründe. Man möchte dem Publikum etwas Spektakuläres bieten, außerdem passt es gerade zu charismatischen Bösewichten nicht unbedingt, einfach in Handschellen abgeführt zu werden. Bei den "klassischen" Bonds wirkt es ja schon wie ein Stilbruch, wenn der Hauptschurke am Ende durch eine schnöde Kugel stirbt.
Zitat von Savini im Beitrag #14Dass die Bösewichter oft zu großen Teilen oder in manchen Filmen sogar komplett innerhalb der Handlung umkommen, hatte wohl oft schlicht dramaturgische Gründe. Man möchte dem Publikum etwas Spektakuläres bieten, außerdem passt es gerade zu charismatischen Bösewichten nicht unbedingt, einfach in Handschellen abgeführt zu werden.
Mit sehr berühmten Ausnahmen wie z. B. den Judd-Brüdern, Dr. Staletti und Anwalt Havelock oder später Lady Sharingham im Glasauge. Neben einigen anderen Beispielen.