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 Film- und Fernsehklassiker national
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Beiträge: 1.753

05.10.2022 23:48
Endstation Liebe Zitat · Antworten

Endstation Liebe
Eine Wenzel-Lüdecke-Produktion der Inter West Film im Gloria-Verleih • BRD 1958 • Darsteller: Horst Buchholz, Barbara Frey, Karin Hardt, Edith Elmay, Franz Nicklisch, Peter-Uwe Witt, Benno Hoffmann, Andreas Schürenberg uvm. • Buch: Will Tremper nach der von ihm gemeinsam mit Axel von Hahn verfassten Erzählung "Zeit bis Montag früh" • Kamera: Helmuth Ashley (Kameraführung: Franz X. Lederle) • Musik: Martin Böttcher • Schnitt: Kurt Zeuner • Produktionsleitung: Gerd Weber
Regie: Georg Tressler


Mecky (Buchholz) verrichtet mit seinen Freunden monotone Arbeit in einer Glühlampenfabrik irgendwo in West-Berlin. Der Arbeit längst überdrüssig und dem Abenteuer umso mehr aufgeschlossen, wettet Mecky, dass er die junge Christa (Frey), die soeben in der Glühlampenfabrik ihre neue Stellung angetreten hat, binnen eines Wochenendes flachgelegt bekommt. Die zunächst standhafte und über Meckys Annäherungsversuche nur wenig erbaute Christa wird durch Meckys immer geschickter eingefädelte Verführungsversuche immer wankelmütiger und verguckt sich schließlich in den jovialen und charmanten Aufreißer wie sich dieser ebenso ernsthaft in das aufrichtige und liebenswürdige Mädchen verliebt. Als Christa die Wette bekannt wird, scheint die aufkommende Liebe im Keim erstickt. Doch es ist Christa, die Mecky nicht ganz verloren geben will.

Was sich dem Inhalt nach wie ein überbordender Kitschangriff von der Heimatfilmfront liest, was der Form halber alle Ingredienzen des rührseeligen Schmachtfetzens zu bieten scheint, ist in Wahrheit die inoffizielle Fortsetzung des Inter-West-Films "Die Halbstarken", der Horst Buchholz knapp zwei Jahre zuvor deutschlandweit als jugendlichen Gauner und Tunichtgut berühmt machte. "Machen Sie mal eine Fortsetzung", hatte Ilse Kubaschewski dem "Halbstarken"-Produzenten Wenzel Lüdecke zugerufen. "Aber mit mehr Gefühl", fügte die Grande Dame des deutschen Verleihs hinzu. Lüdecke wendete sich an seinen selbsternannten Pressechef Will Tremper, der sich nicht nur auf für Lüdecke offenbar unheimliche Art und Weise in dessen Inter West Film breitgemacht hatte, sondern in Personalunion auch Autor und Vermarktungsgenius des "Halbstarken"-Films gewesen war. Tremper entwickelte gemeinsam mit Artur Brauners ehemaligem Chefdramaturgen Axel von Hahn einen Stoff, dem die beiden in Anspielung auf den Kern ihrer Geschichte den Namen "Zeit bis Montag früh" gaben. Sowohl Titel wie Inhalt schienen den beiden filmreif.

Gedreht wurde der Film in den Straßen West-Berlins und mit nur sehr wenig Atelier-Anteil. Gut zu sehen ist der Schöneberger Gasometer direkt neben der Wohnung von Mecky und seinem Vater, wo Tressler mit Buchholz auf dem Dach des Wohnhauses ganz besonders stimmige Bilder fand. Die Wohnung von Christa und ihrer Mutter liegt ebenfalls in Schöneberg in der Zietenstraße unweit der Bülowstraße und des Nollendorfplatzes in direkter Nachbarschaft zur späteren Praxis des Peter Brockmann in "Praxis Bülowbogen". Darüber hinaus scheint - ich bin nicht 100%ig sicher - der nächtliche Spaziergang von Mecky und Christa gegenüber des Bikinihauses in der Budapester Straße gefilmt worden zu sein.

Wenzel Lüdecke besetzte die Schlüsselpositionen seines Films mit dem annähernd gleichen Team wie schon "Die Halbstarken". Lediglich "Halbstarken"-Kameramann Heinz Pehlke wurde nunmehr durch Helmuth Ashley ersetzt, die Musik schrieb wieder Martin Böttcher - der hier ganz besonders treffende Töne mit seinen Streichern erzeugte - und als Regisseur hatte sich der Wiener Georg Tressler schon dadurch bestens empfohlen, weil er eine Engelsgeduld besaß und in "Endstation Liebe" erneut mit einer Laiendarstellerin in der Hauptrolle drehen musste. Die junge Barbra Freyde, der Will Tremper umgehend das "de" im Nachnamen tilgte, wurde analog zu Karin Baal zwei Jahre zuvor per Wetbewerb ausgewählt und hatte keinerlei Filmerfahrung. Im Gegensatz zu Karin Baal, letztlich die typische Berliner Göre, suchte das Team für seinen neuen Film das exakte Gegenteil: etwas schüchtern und naiv aber mit festen Grundsätzen und keinen Flausen im Kopf. Zwar Ließ Tressler seine Hauptakteurin ebenso wie Karin Baal zuvor fremdsynchronisieren (Johanna von Koczian übernahm in diesem Fall die Aufgabe), jedoch hatte er mit der jungen Nachwuchsdarstellerin einen guten Griff getan, die Chemie zwischen ihr und dem eigentlichen Hingucker des Films, Horst Buchholz, stimmte.

So schuf Tressler einen kleinen, wenig effekthaschenden Liebesfilm aufrichtiger Natur. Der Film folgt zwar unverkennbar der typischen Dramaturgie seinerzeitiger Liebesdramen, darf sich aber durch und durch rühmen, frei von dem in jenen anderen Filmen enthaltenen Pathos, den falschen Tönen und bigottem Mief zu sein. Tresslers Inszenierung ist nüchtern und hat weitgehend Erfolg darin, sich sowohl vor falschen Tönen wie auch vor falschen Figuren zu schützen. Unverkennbar ist eher die Nähe zum italienischen Neorealismus, auch zur französischen Nouvelle vague, obschon diese im Jahr 1958 noch gar nicht voll ins Rollen geraten war. Besonders stil- und millieusicher erweisen sich sowohl Will Trempers Buch als auch Georg Tresslers Regie stets dann, wenn die wenigen Nebenfiguren in die Handlung eingeflochten werden. Es sind weniger die halbstarken Kumpels aus der Glühlampenfabrik, die hier in einer Art "Light-Version" präsentiert werden, sondern vielmehr der Vater Meckys und die Mutter Christas, die - wenig stereotyp - als vielmehr verständnisvoll, fast bekümmert, auftreten und nur wenig autoritär wirken. Das gängige Rollenfach jener Jahre umschiffen vor allem die Nebenfiguren gekonnt.

Horst Buchholz, der hier erstmals seinen Namen vor dem Titel sehen durfte, avancierte mit diesem Film endgültig zum deutschen Star und drohte seinem damaligen Lebensgefährten Wenzel Lüdecke langsam aber sicher zu entfleuchen. Beide drehten danach zwar noch den ebenso geglückten Film "Nasser Asphalt", dann aber dampfte "Hotte" über England endgültig gen Übersee ab, im Gepäck sein Image als Halbstarker, das er nicht zuletzt auch durch "Endstation Liebe" kaum loswerden konnte, selbst wenn seine Figur hier deutlich vielschichtiger und nur in Ansätzen präpotent angelegt ist.

Das Gespann Lüdecke/Tressler/Tremper servierte der Münchner Verleih-Königin am Ende in gewisser Weise eine Mogelpackung, denn im Gegensatz zu "Die Halbstarken" ist "Endstation Liebe" viel mehr als nur ein bloßer Ausguck auf die Jugend der 1950er Jahre, die in den Augen der älteren Generation zu verrohen drohte durch Boogie-Woogie, Elvis, Schmalztolle, Lederjacke und Nietenhose. Er versucht vielmehr den Brückenschlag, indem er ein angestammtes Liebesthema modern variiert. Die Elterngereneration scheint hier viel versöhnlicher und weit verständnisvoller.

Ilse Kubaschewski mag sich möglicherweise dadurch an der "Mogelpackung" gerächt haben, dass sie dem Film seinen endgültigen Titel verpasste. Der liebenswürdige Wenzel Lüdecke war über "Endstation Liebe" wenig entzückt, Georg Tressler war es egal - nur Will Tremper tobte. "Das ist Kitsch in Reinkultur", ließ er die Verleiherin anlässlich eines Treffens in München wissen. Wutschnaubend verließ er den Raum und wälzte bockig beliebige Illustrierte vor der Tür, während der Produzent drinnen weiter versuchte, den ursprünglichen Titel "Zeit bis Montag früh" durchzusetzen. Ganz gewiss zur Überraschung aller im Raum Verbliebenen riss kurz darauf ein siegsgewiss dreinblickender Will Tremper die Tür aber wieder auf und redete auf seinen Produzenten ein, den neuen Titel einfach zu akzeptieren. "Unterschreib, Wenzel" rief er ihm zu. Der Film würde nie so heißen, ganz gleich, was er da jetzt unterschreibe. Was war geschehen? In einer dieser Illsutrierten, in denen der umtriebige Tremper vor der Tür herumgeblättert hatte, war eine Verleihannonce der Warner Bros. zu finden gewesen, die ihren Film "Endstation Sehnsucht" anpries. Tremper war sich sicher, dass Warner die Titelähnlichkeit niemals akzeptieren würde und gegen "Endstation Liebe" mit allen Mitteln zu Felde ziehen würde. In Berlin wieder angekommen, hing sich der Autor, der immer auch noch die Presseabteilung der Inter West leitete, ans Telefon und verlangte den Deutschland-Chef der Warner zu sprechen, um der Frau Kubaschweski gleich selbst die "frohe" Botschaft überbringen zu können, dass sich Warner auf die Hinterbeine stellen würde. Die Stimme am anderen Ende teilte dem immer noch siegesgewissen Tremper mit, dass man ihn verbinden würde, und es meldete sich - Herr Kubaschweski, der Mann der Münchner Verleiherin. Trempers Sieg war dahin, der Film behielt seinen Kitsch-in-Reinkultur-Namen.

"Endstation Liebe" wurde am 23.01.1958 uraufgeführt, erfüllte aber nicht die guten Hoffnungen an der Kasse, die seine Macher in ihn gesetzt hatten. Der Film soll seine Kosten eingespielt haben, an den Erfolg von "Die Halbstarken" konnte er indes nicht anknüpfen.

Stimmungsvoller Einblick in die Menschen und das West-Berlin des Jahres 1958. Unverstellt und echt, frei von Kitsch und Pomp widersteht Regisseur Georg Tressler gekonnt der Versuchung, dem gängigen Muster herzergreifender Liebesfilme nur noch einen weiteren Vertreter hinzuzufügen. 4,5 von 5 Punkten.

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