Die Dreharbeiten haben begonnen. Zwei neue lange Fernsehfilme sind geplant:
Maigret stellt eine Falle
Maigret und sein Toter
Die Idee von ITV, Winkel vom heutigen Budapest als Pariser Kulisse der 50er- / 60er-Jahre zu nehmen, kennen wir schon aus der Michael-Gambon-Serie. Diese Idee geht allerdings nur auf mit einer überzeugenden stimmungsvollen Pariser Musikuntermalung, welche ich in der Gambon-Fassung vermisse. Grundsätzlich ist das eine sehr gute Handhabung der Realisation von teils weitschweifigen Außenaufnahmen, sehr innovativ. Nur die Engländer sind zu solchen etwas gewagten Umsetzungen fähig. Nach meiner Meinung ist England das Land der erfolgreichsten und besten Krimiserien.
Ich bin gespannt auf Rowan Atkinson in dieser mal ernsten Rolle als Kommissar Maigret. Mit der Erstausstrahlung ist aber erst im nächsten und übernächsten Jahr zu rechnen.
Also ich weiß ja nicht, ob das jetzt sooo eine gute Idee war. Ich habe zwar nichts gegen Rowan Atkinson, aber wenn jemand wie er 30 Jahre lang nur Slapstik (und in jüngerer Zeit einigen Bockmist) gemacht hat, tut man sich doch schwer, ihn in einer seriösen Rolle zu akzeptieren. Da bedarf es schon einer herkulischen schauspielerischen Höchstleistung, um das Publikum zu überzeugen. Und wer weiß - vielleicht gelingt es ihm sogar. Nach "Johnny English 2" würde ich ihm einen Erfolg wünschen. Bei Gelegenheit werde ich mal reinschauen, aber im Zweifel bleibe ich doch bei Davies.
Die ARD hat Rowan Atkinsons Maigret bereits vorbestellt, bislang ebenso France 3, das dänische DR und das schwedische TV4. Der britische Produktionssender ITV wird bei der Vermarktung der zwei neuen abendfüllenden Maigret-Filme, die derzeit noch in Bearbeitung sind und erst gegen Ende dieses Jahres oder in 2017 gezeigt werden können, von BBC Worldwide unterstützt.
Da der erste Atkinson-Film zu Ostern seine Premiere in England feierte, ist er glücklicherweise inzwischen auch in der Tube. Ich verlinke ihn jetzt allerdings nicht, sonst ist er ebenso schnell wieder weg, einfach "Maigret Sets a Trap" eingeben.
Kaum zu glauben, aber Mr. Bean gibt durchaus einen adäquaten Maigret ab, wenn ihm auch die physische Präsenz etwas abgeht. Völlig ernsthaft und ohne irgendwelche Kaspereien führt er durch den (dank der Gabin-Verfilmung hinreichend bekannten) Fall, und auch seine Ehe hat man intakt gelassen. Ohnehin ist es erfreulich, wie wenig die Autoren sich (verglichen mit den Christie-Eskapaden der letzten Jahre) an der Vorlage vergangen haben. Der Plot wird nahezu unbeschädigt und dazu noch in erlesene Bilder gekleidet wiedergegeben, lediglich Simenons (ohnehin diskussionswürdige) psychologischen Deutungen zum Hintergrund des Mörders wurden auf das notwendige Minimum eingedampft und die väterliche Metzgerei (abgesehen von einer Erwähnung) komplett eliminiert.
Aber auch so funktioniert die Adaption hervorragend, sucht man das Haar in der Suppe, ist es die unnötige Änderung, dass man Maigret den Fall abnimmt und er zunächst heimlich weiterermitteln muss, um dann beim ersten Ermittlungserfolg wieder offiziell eingesetzt zu werden - nervig, überflüssig und Verschwendung von Spielzeit, aber ohne solche Mätzchen geht es heute anscheinend nicht mehr, das kann bzw. will man einfach nicht abstellen.
Zur Inszenierung muss nichts gesagt werden: gepflegter ITV-Standard.
Die Darsteller sind stellenweise etwas farblos geraten, abgesehen von Atkinson sagte mir nur Fiona Shaw (hier als Muttermonster) etwas, doch die wesentlichen Charaktere (Marcel und seine Frau, die Mutter) werden ausgezeichnet porträtiert. Madame Maigret gefällt ebenfalls, wenn sie vielleicht auch etwas jung wirkt. Ohne Gesicht bleibt dagegen Maigrets Bienenschwarm von Inspektoren, wer da jetzt wer war, ist mir entgangen (der Dicke mit den Hosenträgern sollte wohl Torrence sein, aber sonst ...?).
Einer der düstersten Maigret-Romane in gelungener, wenn auch nicht völlig makelloser Neuinterpretation, angenehm werkgetreu, mit einem überraschend überzeugenden Hauptdarsteller. Darf gerne in Serie gehen!
Wenn manch ein Wallace-Fan jammert, dass in allen Film-, Hörspiel- und sonstigen Reihen immer "Der Hexer" mit von der Partie ist, so kann man auch auf dem Maigret-Sektor auch langsam eine "stellt eine Falle"-Strichliste anfangen. Man hätte sich hier gern mutiger bei der Stoffauswahl zeigen dürfen. Sonst bin ich durchaus gespannt auf diese Variante. Da ich nicht besonders Mr.-Bean-verseucht bin (fand ich meist allzu albern und deshalb eher uninteressant), habe ich keine Probleme, mir Atkinson in einer ganz anders gearteten Rolle vorzustellen.
Ich hatte meine letzte Begegnung mit Maigret in den 1990er Jahren. Damals sendete (ich glaube) EinsPlus die TV-Reihe mit Bruno Cremer. Seinerzeit war ich sehr davon angetan, verlor den Kommissar dann aber aus den Augen. Heute Abend nun habe ich mir auf dem Sender One die Verfilmung mit Rowan Atkinson in der Hauptrolle angesehen ("Ein toter Mann") und bin richtig begeistert! Es dauerte ca. zehn Minuten und "Mr. Bean" war vergessen bis zum Schluss. Atkinsons Interpretation kann ich zwar nicht einordnen, weil mir die berühmten Vorgänger abgesehen vom angesprochenen Cremer nicht bekannt sind. Allerdings kann ich festhalten, dass es eine sehr aufwändig umgesetzte Verfilmung mit Flair und weitestgehend ohne plakative Effekthaschereien ist, ein Kriminalfilm ohne Ablenkungen. Die Ausstattung ist wirklich aufwändig, wenngleich nicht immer ganz sattelfest.
Leider sind wohl derzeit erst zwei Verfilmungen mit Atkinson abgedreht, von denen "Ein toter Mann" die zweite ist, sodass ich am vergangenen Sonntag den Erstling verpasst habe. Davon darf es aber gerne mehr geben.
Nebenbemerkung: Ungeheuer bitter fällt vor allem der direkte Vergleich am heutigen Fernsehabend auf dem Sender One aus. Nach dem hervorragenden Maigret sendet One den offenbar bereits um 20.15 Uhr in der ARD gesendeten "Tatort" mit Ulrike Folkerts im direkten Anschluss. Offenbar streckenweise ohne Drehbuch entstanden und mit Laien besetzt, könnte ein Niveauabfall kaum deutlicher erkennbar werden. Dass der "Tatort" mittlerweile auf dem ansonsten von RTL2 in Formaten wie "Frauentausch" oder "Berlin Tag und Nacht" angewandten Fahrwasser angelangt ist, war mir nicht bekannt.
Der erste der beiden Atkinson-Maigret-Krimis ist für mich der bessere von beiden. Davon hab ich die Gabin-Version noch zum Vergleich im Kopf. Das mit dem Restaurant wirkt mir zu aufgesetzt. Machart und Ausstattung fand ich ordentlich - das können die Briten halt. Aber wie immer bei Maigret: Der Kommissar wirkt mir zu kalt. Klar, er hat seine Momente, aber die sind zu rar.
Gerade Atkinson hätte durch mimisches Können schon mit Nuancen Stimmung rüberbringen können. Ich traue ihm zu, das zu schaffen, ohne dass jemand Mr. Bean vor sich sieht. Aber es ging wohl darum, möglichst ausdruckslos zu bleiben. Das macht er perfekt. Klar, Maigret ist Maigret. Werktreue ist das eine, Neuinterpretation das andere. Wenigstens den Versuch, etwas anders zu machen, hätte ich gut gefunden.
Das kann ja auch nicht wirklich Sinn der Sache sein. Wenn ich "etwas anders machen will", drehe ich einen Film mit einem neu erdachten Detektiv und doktore nicht an etwas herum, was in 75 Romanen fest vorgeschrieben ist.
Diesen Monat ist übrigens ein Buch über Kommissar Maigret von den Experten Murielle Wenger und Stephen Trussel erschienen, die auch hinter der ausführlichsten Maigret-Website weltweit stehen:
Tja - die Frage, inwieweit man eine Figur für eine (Neu-)Verfilmung interpretieren darf, ist natürlich geschmacksabhängig. Dürfte man Columbo wieder ins TV bringen? Kann man auf den Trenchcoat oder das alte Auto verzichten? Hauptsache "noch ne Frage"? Oder Charlie Chan: Braucht der seine Sprüche oder ist nicht eher die Family wichtiger? Die Father-Brown-Verfilmungen (gerade in Deutschland) sind sehr unterschiedlich, aber die meisten haben etwas, was mir daran gefällt, auch wenn die weit vom Buch-Charakter weg sind.
Atkinson als Maigret ist auch nicht gerade breit wie ein Schrank, aber das ist eben nicht so wichtig. Na, mal sehen, ob es weitergeht.
Das ist ja wieder einmal ärgerlich. Die britischen DVDs sind zwar erst für den 5.2. angekündigt (immerhin schon vom ursprünglich genannten 5.5. vorgezogen), aber immerhin im Original und mit Behind-the-Scenes-Featurette. Da ich die erste Staffel auch noch nicht habe, werde ich dann wohl zum Doppelset greifen. Ich finde die Cover der britischen Maigret-DVDs auch außerordentlich ansprechend. Die hiesigen sind im Vergleich dazu farblich doch arg trist.
PS: Das Doppelpack aus Staffeln 1 und 2 (links) wird bei dem A-Händler in UK als "Complete Collection" bezeichnet. Haben die das einfach 'mal wieder mit Michael Gambon durcheinandergeworfen oder gibt es tatsächlich keine Pläne mehr, weitere Episoden mit Atkinson zu drehen?
Die Behind-the-Scenes-Featurette soll zumindest auch auf der deutschen Blu-ray-Ausgabe von Staffel 1 drauf sein (konnte ich allerdings bisher nicht verifizieren; auf der DVD ist sie nicht drauf). Die DVD-Ausgabe der Staffel 1 hatte zumindest noch englische UT an Bord (allerdings ebenfalls ein eingedeutschtes Bildmaster ). Ich fürchte fast, da komme ich um einen Doppelkauf nicht herum, da die deutsche Synchro sehr gelungen ist.
Tja, und ob es weitergeht ... Bisher sind jedenfalls keine weiteren Folgen angekündigt. Möglich, dass die bisherigen Episoden den ITV-Gewaltigen nicht gefallen haben:
- viel zu nah an den Büchern (das geht doch heute GAR nicht mehr), wobei ich das bei "Nacht an der Kreuzung" nicht beschwören kann, der Fall ist arg verwirrend - der Ermittler führt eine intakte Ehe, und auch evtl. vorhandene persönliche Probleme werden nicht thematisiert (das geht doch heute GAR nicht mehr) - man hat es versäumt, pro Episode mindestens eine homosexuelle Affäre dazuzudichten (das geht doch heute GAR nicht mehr) - allgemein wurde bei der Umsetzung kein sonderlicher Wert auf Political Correctness gelegt (das geht doch heute GAR nicht mehr)