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Dieses Thema hat 153 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker international
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Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 662

09.02.2020 11:23
#106 RE: Elementary, my dear Rathbone: US-Sherlock-Holmes-Filme (1939-46) Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #104
S: Schade, dass nach dem sehr geselligen Anfang des Threads nun nur noch wir drei mit an Bord sind. Ich würde mich auch wieder sehr über die sachlichen Urteile von @Count Villain und @brutus freuen!


Ging schon mal etwas geselliger zu hier. Könnte man mal wieder aufleben lassen...


Sherlock Holmes - Das Haus des Schreckens (1945)


Handlung:

Seit den beiden Fällen aus der guten alten Zeit von Queen Victoria betritt gleich zu Beginn wieder mal ein Privatmann die Gefilde des großen Detektivs, um dessen Rat in einer mysteriösen Angelegenheit einzuholen. Eigentlich ist Mr. Chambers ja auch eher beruflich vor Ort, denn die Versicherung, die er vertritt, sieht langsam rot. Der sogenannte Klub der guten Kameraden, bestehend aus sieben Mitgliedern, hat eine Sammel-Lebensversicherung abgeschlossen, bei Ableben eines Klubmitglieds soll die Todesfallsumme an die Überlebenden ausgezahlt werden. Mittlerweile ist die Zahl der „guten Kameraden“ auf fünf zusammengeschrumpft, da zwei von ihnen gräßlichen Unfällen zum Opfer gefallen sind. Ein besonders gruseliges Detail ist noch, dass die Betreffenden vor ihrem Ableben Briefe mit getrockneten Orangenkernen in der Anzahl der jeweils verbleibenden Mitglieder zugeschickt bekamen.
Holmes und Watson reisen zu dem vom Volksmund als „Haus des Schreckens“ bezeichneten Anwesen irgendwo an der schottischen Küste, wo die übrigen Kameraden noch residieren. Das sind der freundlich-seltsame Vorsitzende Bruce Alastair, der ruppige Kapitän Simpson, der verschlagen wirkende Dr. Merrivale sowie die Herren Guy Davis und Alan Cosgrave. Trotz der Anwesenheit von Holmes und seinem treuen Gefährten als auch des alarmierten Inspektors Lestrade geht das Sterben weiter: Davis und Cosgrave fallen weiteren „Unfällen“ zum Opfer, wobei die Toten immer bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt werden. Später muss auch noch Kapitän Simpson dran glauben. Von dem bleibt nur ein Torso mit einer markanten Tätowierung übrig. Alle Herren hatten ebenfalls einen mit entsprechenden Apfelsinenkernen gefüllten Briefumschlag erhalten. Mr. Alastair wird immer verdächtiger. Ist er der letzte Nutznießer der Versicherungsbeträge ? Sherlock Holmes und Watson schleichen wie die übrigen Personen auf dem Anwesen umher, seltsame große Fußabdrücke am Strand und vergiftete Nadeln verwirren die Lage noch zusätzlich. Personen werden überfallen, verschwinden und tauchen wieder auf. Da ereignet sich ein Verbrechen außer der Reihe. Der ortsansässige Tabakhändler wird ermordet. Jetzt werden Sherlock Holmes die Zusammenhänge plötzlich klarer.
Doch der mittlerweile auch schon etwas nervöse Dr. Watson wird vom Anwesen entführt, Holmes gelingt es aber rechtzeitig, einen versteckten Raum ausfindig zu machen und die überraschende Lösung des Rätsels zu präsentieren. Somit sind wieder böse Machenschaften aufgedeckt und weitere Verbrechen verhindert worden.


Bewertung:

Das neue Drei-Pfeifen-Problem erinnert in seinen Zügen stark an Christies Roman mit den Zehn kleinen Negerlein oder die später entstandene deutsche Wallace-Verfilmung von Das indische Tuch. Chesterton hat auch Father-Brown-Geschichten geschrieben, die so ähnlich aussehen. Um einen Brückenschlag zu den Holmes-Stories zu bekommen, hat man sich der bedrohlichen Briefe mit den getrockneten Samen einer beliebten Südfrucht-Art bedient. Fünf Apfelsinenkerne lautet die betreffende relativ kurze, aber nichtsdestotrotz mörderische Geschichte um einen Sachverhalt, den man schon fast als Familienfluch bezeichnen kann. Die männlichen Mitglieder der Familie Oppenshaw, einschließlich des hilfesuchenden Klienten, fallen nach Erhalt von ominösen Briefen alle als Unfall getarnten Morden zum Opfer. Holmes findet heraus, dass der berüchtigte Ku-Klux-Klan hinter allem steckt.
Weiter finden sich vielleicht noch Anklänge an den Fall Der schwarze Peter. Ansonsten ist es mal wieder ein Whodunit-Rätsel, ein geldgieriger Serienmörder scheint im Stillen durch die Hallen des „Schreckenshauses“ zu wandeln. Man kann Dr. Watson schon verstehen, dass er eines Nachts die Nerven verliert und sogar auf eine harmlose Ritterrüstung ballert, wenngleich ihn das ja noch zur zusätzlichen Gefahr für Leib und Leben der Bewohner des altehrwürdigen Herrensitzes macht.
Irgendwie ist die Sache nur mäßig spannend. Da die Teilnehmerzahl ja munter weiter dezimiert wird, obwohl ja nun private und staatliche Detektive direkt vor Ort sind, kann man nun auch nicht von erfolgreicher Ermittlungsarbeit sprechen. Eine Logikkritik ist diesmal schwierig, da man da schnell zum Spoilern kommen würde. Die ersten Unfälle der Herren sollten noch als solche durchgegangen sein, doch bei den letzten ist es schon fraglich, da hätte die in Großbritannien gesetzlich vorgeschriebene Totenschau der menschlichen Überreste vom Coroner doch schon Zweifel erwecken sollen, gerade wegen des Todeszeitpunktes. Mal abgesehen davon, dass die Auszahlung von Todesfallsummen bei Lebensversicherungen nicht so einfach stante pede geht, schon gar nicht bei so fragwürdigen Umständen. Dass diese Unternehmen sich nicht ganz so bereitwillig von ihrem Geld trennen, sollte ja wohl bekannt sein. Wozu nun die Drohbriefe mit den Orangenkernen unbedingt notwendig waren, erschließt sich ebenfalls nicht unbedingt. Die auf den ersten Blick überraschende Aufklärung des ganzen Falles erscheint bei näherer Betrachtung alles andere als wasserdicht.
Aber immerhin lobt der gestrenge Meisterdetektiv seinen aufopferungsvollen Freund Watson diesmal am Ende endlich mal verdienterweise, dem armen Doktor wäre es beinahe noch an den Kragen gegangen.
Der zehnte Streich des Gespanns Holmes und Watson bietet eine immer noch unterhaltsame Kost.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

09.02.2020 22:30
#107 RE: Elementary, my dear Rathbone: US-Sherlock-Holmes-Filme (1939-46) Zitat · Antworten



Das Haus des Schreckens (The House of Fear)

Kriminalfilm, USA 1945. Regie: Roy William Neill. Drehbuch: Roy Chanslor (Vorlage „The Five Orange Pips“, 1891: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Basil Rathbone (Sherlock Holmes), Nigel Bruce (Dr. John Watson), Aubrey Mather (Bruce Alastair), Paul Cavanagh (Dr. Simon Merrivale), Harry Cording (Kapitän John Simpson), Holmes Herbert (Alan Cosgrave), Dennis Hoey (Inspektor Lestrade), Sally Shepherd (Mrs. Monteith), David Clyde (Alex MacGregor), Gavin Muir (Mr. Chalmers) u.a. Uraufführung (USA): 16. März 1945. Erstsendung (DDR, 1. Synchronisation): 17. April 1969. Erstsendung (DDR, 2. Synchronisation als „Das Haus des Grauens“): 1. August 1980. Eine Produktion von Universal Pictures.

Zitat von Das Haus des Schreckens
Sieben reiche ältere Herren haben sich auf dem schottischen Landsitz Drearcliffe House zum „Klub der guten Kameraden“ zusammengetan und zum gegenseitigen Vorteil hohe Lebensversicherungen abgeschlossen. Einer nach dem anderen verliert nun auf brutale Weise sein Leben – stets erhalten die Opfer vor ihrem Tod einen Umschlag mit Apfelsinenkernen als Warnung und werden danach innerhalb eines Tages tot und entstellt aufgefunden. Sherlock Holmes und Dr. Watson schalten sich auf Veranlassung der Versicherung ein und fühlen den verbleibenden Klubmitgliedern auf den Zahn. Sie bemerken dabei neben allgemeiner Angst auch manches geschickte Täuschungsmanöver ...


Der von einem verstimmten Dr. Watson gegrummelte Ausspruch „Soll da schon wieder einer umgebracht werden? Hier kommt man ja nie zur Ruhe“ kann als Leitmotiv eines Films betrachtet werden, der eine Serienmord-Story in bester „Zehn kleine Negerlein“-Manier erzählt, dabei aber jede einzelne Tat nur so oberflächlich wie irgend nötig schildert und die Todesfälle damit regelrecht zu Nebensächlichkeiten abstempelt. Die ersten Klubmitglieder lernt man nicht erst richtig kennen, bevor sie sterben, und ihre Tode fügen sich lediglich als Puzzlestücke in ein etwas überladenes Gesamtbild ein. Später kommt es dann zu Explosionen und Mordanschlägen, die fast schon achselzuckend hingenommen und somit ihrer eigentlichen Wirkkraft beraubt werden. „Das Haus des Schreckens“ geht somit leider eher als Kuriositätenkabinett denn als echter Gruselfilm durch.

Immerhin gibt es viele gelungene Aspekte, denn insgesamt hielt man sich sehr eng an das seit jeher erfolgreiche, auch 1945 schon nicht mehr ganz ernstgenommene Patentrezept eines Old Dark House Mystery. Schon beim Einstieg ins windumbrauste, unwirtliche Schottland ruft der Film Erinnerungen an „Gespenster im Schloss“ wach, dem mit der dunklen Geschichte von Musgrave Manor ein ganz ähnliches Geheimnis anhaftet. Dieses Mal heißt das Schloss im Mittelpunkt der Handlung zu allem Überfluss auch noch Drearcliffe House, was unter Verwendung des Wortstammes von dreary = düster, trostlos sogleich für den entsprechenden ungemütlichen Anstrich sorgt. Obwohl die Hausbewohner insgesamt eher flach ausfallen, regen einige der Morde und Anschläge ebenso wie die grimmige Haushälterin und die Übernahme der Apfelsinenkern-Idee aus der Doyle-Geschichte durchaus die Fantasie des Zuschauers an. Einzelne Szenen entfalten für sich genommen ebenfalls eine stimmige Wirkung, z.B. der Giftnadelanschlag auf Kapitän Simson oder Holmes’ und Watsons Ausflug auf den Friedhof. Der zentrale Twist ist demgegenüber natürlich recht vorhersehbar, zumal das Profitieren von Lebensversicherungen für den Rahmen der Serie kein neues Motiv ist. Überhaupt kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass spätestens ab diesem Zeitpunkt die Universal-Reihe begann, sich selbst ein wenig zu sehr zum Vorbild zu nehmen und dadurch in Wiederholungsmuster zu verfallen, die man bei sorgfältigerer und vielleicht etwas kostenintensiverer Arbeit hätte vermeiden können. Dazu zählt auch die Wiederverwendung von Kulissen sowie der etwas zu häufige Einsatz immer gleicher Schauspieler (insbesondere fallen diesmal Harry Cording und Paul Cavanagh, aber auch Gavin Muir als allzu bekannte Gesichter auf, bei denen es schwer fällt, sie schon wieder in einer anderen Rolle glaubhaft zu finden).

Andererseits zeigt sich, dass auch Gastauftritte nicht immer stimmig sein müssen: Aubrey Mather wirkt als Gastgeber Bruce Alastair so seicht-harmlos, dass man ihm die kurz vor Ende unterstellte Täterschaft zu keinem Zeitpunkt abnimmt. Mather, der einige Jahre zuvor in „Riff-Piraten“ und „Verdacht“ noch unter Alfred Hitchcock gespielt hatte, zeigt leider kein Wandlungstalent hin zu einem verschlageneren Typen. Das ist insbesondere deshalb schade, weil seine Rolle als wohl einzige im Film eine charakterliche Weiterentwicklung zugelassen hätte. In der durch die Mordserie gebotenen Eile ging das leider unter – ebenso wie ein größerer Fokus auf die ansprechende Seitenhandlung um den ermordeten Wirt MacGregor. Während also inhaltlich etwas unsauber gearbeitet wird, erfreut man sich am kurzweiligen „bunten Kesseltreiben“ im schottischen Nirgendwo, das zumindest optisch überdurchschnittlich ausfällt, weil Kameramann Virgil Miller vier Jahre vor Orson Welles’ „drittem Mann“ bereits hier ausgiebig auf sogenannte Dutch Angles setzte.

Es ist ein zwiespältiger Eindruck, der beim „Haus des Schreckens“ zurückbleibt: Einerseits fallen Holmes und seinen getreuen Begleitern unterhaltsamerweise im Minutentakt Leichen vor die Füße, während die kurzen Zwischenintervalle durch alle erdenklichen persiflierten Gattungsmerkmale des Schauerkrimis gefüllt werden; andererseits sorgt die Überdosierung für inhaltliche Abflachungen und Wiederholungen. Insgesamt wird das Niveau anderer Serienbeiträge nicht erreicht; gerade auch weil „Das Haus des Schreckens“ in manchen Punkten ein Film der vergebenen Chancen ist.

Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 662

10.02.2020 19:19
#108 RE: Elementary, my dear Rathbone: US-Sherlock-Holmes-Filme (1939-46) Zitat · Antworten

Zitat von patrick im Beitrag #105
Ansonsten erinnert diese Geschichte sehr stark an Agatha Christies "Ten little Indians


Die Geschichte von Agatha Christie wurde ja im selben Jahr verfilmt. Vielleicht ist Das Haus des Schreckens ja eine direkte Antwort darauf, wollte möglicherweise noch im Fahrwasser mitschwimmen.


Zitat von Gubanov im Beitrag #107
Während also inhaltlich etwas unsauber gearbeitet wird, erfreut man sich am kurzweiligen „bunten Kesseltreiben“ im schottischen Nirgendwo, das zumindest optisch überdurchschnittlich ausfällt, weil Kameramann Virgil Miller vier Jahre vor Orson Welles’ „drittem Mann“ bereits hier ausgiebig auf sogenannte Dutch Angles setzte.


Dutch Angles - wo hst du nur immer diese faszinierenden Spezialausdrücke her ?

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

10.02.2020 20:06
#109 RE: Elementary, my dear Rathbone: US-Sherlock-Holmes-Filme (1939-46) Zitat · Antworten

Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #108
Die Geschichte von Agatha Christie wurde ja im selben Jahr verfilmt. Vielleicht ist Das Haus des Schreckens ja eine direkte Antwort darauf, wollte möglicherweise noch im Fahrwasser mitschwimmen.

Das geht zeitlich nicht ganz auf: "The House of Fear" startete in den USA am 16. März 1945, "And Then There Were None" dagegen erst am 31. Oktober 1945. Man wollte sich vermutlich also nicht an den Film, sondern an den Erfolg des Buches anhängen und dabei gleichzeitig die Anspielungen so vage gestalten, dass man auf eine kostspielige Lizenzierung verzichten konnte. Da das Buch nur knappe sechs Jahre vorher erschienen war, dürften sich aber auch bei den vorliegenden Anspielungen alle Kinogänger der Parallelen bewusst gewesen sein.
Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #108
Dutch Angles - wo hst du nur immer diese faszinierenden Spezialausdrücke her ?

Das erklärt sich vielleicht auch dadurch, dass ich Mitte Januar mit sehr großem Vergnügen den "dritten Mann" wiedergesehen und mir daraufhin so viel Filmliteratur besorgt habe, dass ich bis heute nicht zu einer Besprechung gekommen bin. Die Bildsprache der beiden Filme ist sich in einigen Punkten erstaunlich ähnlich. Millers Kamera war mir ja auch schon bei der "Perle der Borgia" positiv aufgefallen - im Vergleich mit anderen guten Kameramännern wie z.B. Charles van Enger bei "Das Spinnennest" legte er nochmal eine sprichwörtliche Schippe obendrauf.

Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 662

10.02.2020 21:22
#110 RE: Elementary, my dear Rathbone: US-Sherlock-Holmes-Filme (1939-46) Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #109
Das geht zeitlich nicht ganz auf: "The House of Fear" startete in den USA am 16. März 1945, "And Then There Were None" dagegen erst am 31. Oktober 1945.


Ich wusste schon, dass du meinen Verdacht wieder mit harten Fakten zerpflücken würdest.

Zitat von Gubanov im Beitrag #109
Das erklärt sich vielleicht auch dadurch, dass ich Mitte Januar mit sehr großem Vergnügen den "dritten Mann" wiedergesehen und mir daraufhin so viel Filmliteratur besorgt habe, dass ich bis heute nicht zu einer Besprechung gekommen bin.


Den Film hab ich noch immer nicht gesehen - gerade für einen Wallace-Fan eine Schande, wo doch das wiederauftauchen von Harry Lyme (diesmal ohne Froschmaske) doch schon durchaus spektakulär wäre...

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

11.02.2020 22:50
#111 RE: Elementary, my dear Rathbone: US-Sherlock-Holmes-Filme (1939-46) Zitat · Antworten

Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #110
Ich wusste schon, dass du meinen Verdacht wieder mit harten Fakten zerpflücken würdest.

Wie sagte schon der latent überhebliche Inspektor Athelney Jones in "The Sign of Four"? "Facts are better than mere theories".
Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #106
Chesterton hat auch Father-Brown-Geschichten geschrieben, die so ähnlich aussehen.

Das finde ich einen interessanten Querverweis! Welche Geschichten hast du diesbezüglich auf dem Schirm?
Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #106
Wozu nun die Drohbriefe mit den Orangenkernen unbedingt notwendig waren, erschließt sich ebenfalls nicht unbedingt.

Die Briefe sind natürlich ein oberflächlicher Hinweis auf eine originale Holmes-Geschichte und damit eher schmückendes Beiwerk. Wenn man ihnen einen Sinn zusprechen will, dann vielleicht den, die nächsten Mordopfer vorab zu identifizieren. Das könnte für die Verantwortlichen ggf. den Vorteil haben, dass man sich die entstellten Leichen nicht so genau anschaut, weil deren Identität ja angeblich schon klar ist.

Count Villain Offline




Beiträge: 4.642

14.02.2020 17:56
#112 RE: Elementary, my dear Rathbone: US-Sherlock-Holmes-Filme (1939-46) Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #104
PS: Schade, dass nach dem sehr geselligen Anfang des Threads nun nur noch wir drei mit an Bord sind. Ich würde mich auch wieder sehr über die sachlichen Urteile von @Count Villain und @brutus freuen!


Ja, ich weiß, ihr habt mich leider auf halbem Weg verloren. Bis einschließlich Kralle hatte ich mir sogar Notizen gemacht, aber ab da dann auch nicht mehr weitergeschaut und auch hier im Thread nicht mehr mitgelesen. Leider zu viele andere Dinge zu tun im Moment.

schwarzseher Offline



Beiträge: 626

15.02.2020 11:15
#113 RE: Elementary, my dear Rathbone: US-Sherlock-Holmes-Filme (1939-46) Zitat · Antworten

Einige von uns lesen schon noch mit,denke ich .......
Was mich selber betrifft kann ich nur sagen das sich auch für mich B. Rathbone als Ur- Holmes festgesetzt hat .Dazu die S/W Atmosphäre usw. da kann bei einem wie mir ja kaum Kritik aufkommen ......
Aber .....wenn man die Storys sich nochmal bewusst ansieht und dann die Holmes ( Filme/Serien) der späteren Jahre vergleicht fällt mein Fazit etwas anders aus.
Auch wenn man die Propaganda Episoden mal weglässt gefällt mir die oft fast nur statistisch wahrgenommene Anzahl der Opfer zB. nicht . Holmes einzige Reaktionen sind ja ein Schulterklopfen "passen sie auf sich auf " zack .Tod -Schulterzucken ......auf zum nächsten Opfer ( lässt sich nicht mit den Wallace Filmen /Opfer vergleichen ) Ich hoffe ich kann mich da verständlich machen ?? der Superstar schafft quasi gefühlt keine einige der gefährdeten Personen zu retten/schützen ( eher noch- er versuchtes oft gar nicht erst )
Auch Watson hat man später oft besser gesehen ( natürlich auch schlechter )
Die Storys an sich .....mit allen hier beschriebenen Höhen und Tiefen .
Mein Fazit ist (leider ?) das ich J. Brett und Peter Cushing (oder I .Richardson /Whitehead )trotz Farbe vorziehe .......auch wenn SH für mich immer so aussehen wird wie B. Rathbone.

Uli1972 Offline



Beiträge: 48

15.02.2020 17:10
#114 RE: Elementary, my dear Rathbone: US-Sherlock-Holmes-Filme (1939-46) Zitat · Antworten

Ich lese auch noch mit und darf die Experten Gubanov und Dr. Oberzohn für ihre fundierten und dataillierten Filmbesprechungen nur loben. Es macht Spass beim Lesen und ich erfahre immer wieder viele Dinge, die ich noch nicht wusste. Derzeit bin ich arbeitsmäßig leider so beschäftigt, dass ich kaum Zeit für Privates habe, geschweige denn die Holmes-Folgen anzuschauen und "seriös" zu bewerten. Das können andere aber auch besser, wie ich immer wieder feststelle. Weiter so.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

15.02.2020 19:00
#115 RE: Elementary, my dear Rathbone: US-Sherlock-Holmes-Filme (1939-46) Zitat · Antworten

Vielen Dank für die Blumen. Ich fände es etwas schade, wenn die ausführlicheren Kommentare andere davon abhalten, ihre Meinungen - gern auch kürzer - zu äußern.

@Count Villain: Immer her mit den Notizen.

Zitat von schwarzseher im Beitrag #113
Auch wenn man die Propaganda Episoden mal weglässt gefällt mir die oft fast nur statistisch wahrgenommene Anzahl der Opfer zB. nicht . Holmes einzige Reaktionen sind ja ein Schulterklopfen "passen sie auf sich auf " zack .Tod -Schulterzucken ......auf zum nächsten Opfer

Diese lapidaren Tötungen fielen mir gerade beim "Haus des Schreckens" auf. Dramaturgisch wirkt das schon etwas unbeholfen. In anderen Filmen ist das geschilderte Problem weniger auffällig - bis hin zu den entgegengesetzten Extremen z.B. bei "Die Abenteuer des Sherlock Holmes" oder "Gefährliche Mission", wo etwas mehr "Blutvergießen" vielleicht geholfen hätte, die Filme flotter und spannender zu machen.

Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 662

15.02.2020 20:49
#116 RE: Elementary, my dear Rathbone: US-Sherlock-Holmes-Filme (1939-46) Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #111
Das finde ich einen interessanten Querverweis! Welche Geschichten hast du diesbezüglich auf dem Schirm?


Ist schon eine lange Zeit her, dass ich die Father-Brown-Geschichten gelesen habe. Da gab es z.B. eine seltsame Gesellschaft, die sich Klub der Fischer nannte (oder so ähnlich), mit irgendwelchen bizarren Ritualen und einem Mord in ihrer Mitte. Komische Gesellschaften gab es da nach meiner Erinnerung einige, ich weiß es aber nicht mehr genau, ist nur ein Gesamteindruck. Und jede Menge Flüche, die der gar nicht abergläubische Pfarrer wieder auf einen rationalen Ursprung zurückführen musste, die auch immer einige Opfer forderten.
Chestertons Father-Brown-Stories sind insgesamt zwei dicke Bücher, die ich lange schon mal wieder und diesmal vollständig lesen will, aber schließlich hat man im Leben ja auch noch was anderes zu tun...
Aber exzentrische Vereine und Flüche scheinen irgendwie generell eine Vorliebe der Briten zu sein.

Zitat von schwarzseher im Beitrag #113
.Tod -Schulterzucken ......auf zum nächsten Opfer ( lässt sich nicht mit den Wallace Filmen /Opfer vergleichen )


Hm, ich finde aber auch und gerade bei den Wallace-Filmen genauso, dass sich die Protagonisten von der hohen Zahl der Opfer nicht im mindesten beeindrucken lassen. Finde ich ehrlich gesagt noch krasser als bei den Holmes-Filmen. Es ist eben eine unnatürliche Film-Welt, wahrscheinlich soll die ansteigende Opferzahl der Holmes-Episoden auch auf die besondere Gefährlichkeit der Täter hinweisen. Und sicher ist wie immer der Sensationseffekt mit im Spiel. "Nichts belebt die Handlung mehr wie eine neue Leiche", soll Agatha Christie mal gesagt haben, und leider ist ja auch so, wenn man mal ehrlich ist. Wenn es allerdings zu viele Tote gibt, habe ich auch immer ein ungutes Gefühl.

Zitat von Uli1972 im Beitrag #114
Ich lese auch noch mit und darf die Experten Gubanov und Dr. Oberzohn für ihre fundierten und dataillierten Filmbesprechungen nur loben.


Danke. Ab und zu eine kleine Anerkennung ist immer mal schön. Da macht das Schreiben gleich mehr Spaß...

Uli1972 Offline



Beiträge: 48

16.02.2020 06:10
#117 RE: Elementary, my dear Rathbone: US-Sherlock-Holmes-Filme (1939-46) Zitat · Antworten

Was ich ganz allgemein zu den Holmes-Verfilmungen sagen kann: Für mich war Geoffrey Whitehead die perfekte Sherlock-Holmes-Besetzung. Das liegt aber wahrscheinlich auch daran, dass ich ihn als ersten in dieser Roĺle gesehen habe. Basil Rathbone kommt der Figur vom Erscheinungsbild der Romanfigur aber wahrscheinlich noch näher und war zudem ein faszinierender Schauspieler, den ich auch in anderen Rollen gerne gesehen habe.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

16.02.2020 09:00
#118 RE: Elementary, my dear Rathbone: US-Sherlock-Holmes-Filme (1939-46) Zitat · Antworten



Die Frau in Grün (The Woman in Green)

Kriminalfilm, USA 1945. Regie: Roy William Neill. Drehbuch: Bertram Millhauser (frei nach Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Basil Rathbone (Sherlock Holmes), Nigel Bruce (Dr. John Watson), Hillary Brooke (Lydia Marlow), Henry Daniell (Professor Moriarty), Matthew Boulton (Inspektor Gregson), Paul Cavanagh (Sir George Fenwick), Eve Amber (Maude Fenwick), Frederick Worlock (Onslow), Tom Bryson (d.i. Coulter Irwin) (Williams), Sally Shepherd (Crandon) u.a. Uraufführung (USA): 15. Juni 1945. Erstsendung (DDR, 1. Synchronisation): 7. Mai 1969. Erstsendung (DDR, 2. Synchronisation als „Die weiße Blume des Vergessens“): 1. November 1980. Eine Produktion von Universal Pictures.

Zitat von Die Frau in Grün
Eine Serie an Frauenmorden beschäftigt die Londoner Polizei. Vor allem ist fraglich, welche Motive der Täter hat, jedem Opfer einen Finger abzuschneiden. Der zuständige Inspektor Gregson wendet sich unter dem Druck seiner Vorgesetzten, dem Treiben des Unbekannten ein schnelles Ende zu bereiten, an Sherlock Holmes. Der Detektiv aus der Baker Street findet alsbald heraus, dass der hochrangige Politiker Sir George Fenwick in den Fall verwickelt ist. Fenwick wird ebenfalls tot aufgefunden und es kristallisiert sich heraus, dass hinter den Verbrechen ein alter, besonders raffinierter Bekannter steht, der auch vor Erpressung und Hypnose nicht zurückschreckt ...


Die DDR-Synchronisationen der Basil-Rathbone-Reihe machen sich eine besondere Freude daraus, die Namen bekannter Verbrecher anzudeuten und doch nicht auszusprechen. So erinnerte Holmes im Vorgängerfilm „Das Haus des Schreckens“ an den Kampf gegen Professor Melander, während im vorliegenden Streifen davon die Rede ist, dass die Frauenmorde den Taten eines Jack O’Bryan ähneln. Immerhin begegnet man diesmal – zum dritten Mal nach den „Abenteuern“ und der „Geheimwaffe“ – wieder dem König der Verbrechen Moriarty persönlich, was der Angelegenheit ebenso wie die grausamen Morde und das Fehlen des tollpatschigen Dennis Hoey eine besondere Düsternis verleiht. Im Vergleich zu den vorhergehenden Filmen leidet man eher mit den Opfern mit und die Ereignisse entfalten eine deutlichere Tragik, was „Die Frau in Grün“ zu einem vergleichsweise seriösen Vertreter der Universal-Serie macht. Das Drehbuch von Bertram Millhauser enthält sowohl einige gekonnt morbide Momente (der Fingerfund in der Manteltasche, der Nadelstich durch die Hand des Hypnotisierten oder Holmes’ finales Schlafwandeln auf Lydia Marlows Balkon) als auch gelungene Referenzen an die Originalgeschichten (der Anschlag auf Holmes aus dem „leeren Haus“ oder Moriartys erneuter Sturz in die Tiefe).

Dass Holmes’ Erzfeind sich diesmal mit einer recht profanen Erpressungsgeschichte befasst, wirkt vielleicht einige Spuren zu hoch gegriffen, allerdings bildet Henry Daniell zusammen mit der aparten Hillary Brooke ein erlauchtes Ganovenduo, das durch einen Gewehrschützen und einen etwas gruseligen Arzt, welcher die Amputationen vornimmt, ergänzt wird. Brookes Rolle als Lydia Marlow wäre ohne Moriarty als Auftraggeber im Hintergrund auf jeden Fall eine klassische Femme Fatale des Noir-Katalogs, die einer Barbara Stanwyck in nichts nachstünde. Obwohl sie als „Frau in Grün“ bezeichnet wird, trägt sie sehr dunkle, fast schwarze Kostüme, die ihre Gefährlichkeit betonen. Am Set muss sich Brooke dagegen mit Basil Rathbone gut amüsiert haben – eine zentrale Szene in Pembroke House, die mehrfach gedreht werden musste, beendeten die beiden Scherzkekse damit, scheinbar betrunken unter den Tisch zu rutschen ...

Am beeindruckendsten fällt sicher das Finale aus, in dem Holmes wieder einmal durch seine eigene Neugier in tödliche Bedrängnis gebracht werden soll. Millhauser spielte erneut mit dem Klischee des selbstverliebten Detektivs, was den Schlussszenen eine große Spannung verleiht, weil man nicht genau einschätzen kann, wie weit Holmes zu gehen bereit ist. Erneut unterstützt Virgil Millers Kamera das Suspense Building, indem sie Holmes beim Balancieren auf der Balustrade von oben zeigt, was sein Straucheln über dem Abgrund besonders gefährlich wirken lässt. Die Schlussrede, die er schließlich hält, fällt etwas kürzer und dezenter aus als jene zu Kriegszeiten und nimmt durch die (weiße) Blume Bezug auf das einige Wochen zuvor gefeierte Ende des Zweiten Weltkriegs, indem sie – eigentlich gemünzt auf die Beendigung der im Film thematisierten Mordreihe – verlautbaren lässt: „Ich denke an alle Frauen in London, die heute wieder ohne Sorge nach Hause gehen können.“

Holmes und Watson müssen diesmal als besonders eingeschworenes Team agieren, um gefährliche Verbrecher, die teilweise den Willen ihrer Opfer ausschalten, der Gerechtigkeit zuzuführen. „Die Frau in Grün“ ist ein hochwertiger Vertreter der späten Universal-Holmes-Reihe, der mit einem gehörigen Schuss Dämonie die Abwesenheit klischeebehafteter Geisterschlösser mehr als gelungen ersetzt.

patrick Offline




Beiträge: 3.245

16.02.2020 09:16
#119 RE: Elementary, my dear Rathbone: US-Sherlock-Holmes-Filme (1939-46) Zitat · Antworten

The Woman in Green (Die Frau in Grün, 1945)



Regie: Roy William Neill

Produktion: Universal Pictures, USA 1945

Mit: Basil Rathbone, Nigel Bruce, Hillary Brooke, Henry Daniell, Paul Cavanagh, Matthew Boulton, Eve Amber, Frederick Worlock, Alec Harford, Coulter Irwin, Mary Gordon, John Burton, Sally Shepherd, Tony Ellis


Handlung:

In London ereignet sich eine Reihe von Morden an jungen Frauen, denen allen der rechte Zeigefinger fachmännisch abgetrennt wird. Der reiche Sir George Fenwick verbringt einen angenehmen Abend mit der auffallend attraktiven Lydia und wacht anschließend mit Amnesie in einer billigen Pension auf. In seiner Tasche befindet sich ein abgetrennter Zeigefinger. Völlig verstört vergräbt er diesen in seinem Garten und wird dabei von seiner Tochter beobachtet, die sich sofort an Sherlock Holmes wendet. Kurz darauf wird Sir George Fenwick von diesem ermordet aufgefunden. Rasch wird klar, dass Moriarty hinter der Sache steckt und sich der Hypnosekunst der schönen Lydia bedient, die reiche Männer in den Glauben versetzt die Morde begangen zu haben um sie dadurch erpressbar zu machen...

Anmerkungen:

Holmes Erzfeind Moriarty ist ein weiteres Mal von den Toten auferstanden und wird diesmal von Henry Daniell dargestellt. Die wechselnde Verkörperung ist in Punkto Moriarty allerdings nicht die einzige Inhomogenität im Rahmen der Reihe. Auch bezüglich seiner Todesart war man nicht um Kontinuität bemüht. In der Gestalt von Lionel Atwill stürzte er zuletzt bekanntlich in einen Schacht. Hier ist der aktuelle Stand, dass er in Montevideo gehängt worden sein soll. Leider ließ man sich auch diesmal nichts besseres einfallen als ihn wieder einmal zu Tode stürzen zu lassen. Dass er sein Ableben am Schluss einer Dachrinne zu verdanken hat, die sein Gewicht nicht aushält, hat schon fast Comedy-Charakter. Offenbar scheint der gute Doktor nach seinen vielen nicht allzu spektakulär inszenierten Erfahrungen mit dem freien Fall inzwischen eine Gravitations-Immunität entwickelt zu haben. Henry Daniell verkörpert den Oberverbrecher auffallend trocken, ernst und humorlos. Seine Darstellung ist sehr solide aber nicht herausragend. Es hätte sich bei der Figur auch um jeden anderen Kriminellen handeln können. Man war offenbar nicht darum bemüht, der im Holmes-Kanon doch sehr charakteristischen Figur ein besonderes Denkmal zu setzen.

Der vielversprechende Roy William Neil hat auch diesmal wieder unheimliche Elemente einfließen lassen. Die Morde sind von Jack the Rippers Untaten inspiriert und das Thema Hypnose spielt eine zentrale Rolle. Dieses wurde gar nicht einmal so oberflächlich behandelt wie aus zahlreichen Billigfilmen gewohnt. Es wurde sogar der Tatsache Rechnung getragen, dass selbst unter Hypnose niemals Dinge begangen werden, die nicht mit dem Charakter des Hypnotisierten vereinbar sind. Lydias Suggestions-Kunst wurde sehr filmwirksam und stilvoll inszeniert und musikalisch äußerst reizvoll begleitet. Ihre Präsenz ist ausgesprochen professionell und glaubwürdig, sodass sie sämtliche Szenen trägt, am Schluss dann aber von Henry Daniell in den Hintergrund gedrängt wird. Hillary Brook ist wirklich eine Frau von besonderer Eleganz und Schönheit, was sie eigentlich auch für die Besetzung der "Spinnenfrau" prädestiniert hätte. Leider ist dieser Kelch an ihr vorübergegangen. Im Gegensatz zur Krabbeltier-Fetischistin agiert sie nur als Handlangerin und zeigt sogar ein bisschen Gewissen als Moriarty am Schluss Holmes gegenüber seiner sadistischen Ader freien Lauf lässt. Moriartys offenbar völlig pervertierter und chirurgisch geschulter Helfershelfer wird leider nur als Randfigur wahrgenommen. Der schlaue Holmes begibt sich ein weiteres Mal in die Hölle des Löwen, nicht aber ohne vorher für alle Eventualitäten Sorge getragen zu haben.

Man fragt sich, wo Dennis Hoey diesmal bleibt. Vermutlich war er mit den Dreharbeiten zu "Tarzan und das Leopardenweib" beschäftigt. Eine schöne Auflockerung ist die angesprochene Ähnlichkeit, die Holmes Profil mit jenem von Julius Cäsar hat, was ihm in gewisser Weise sogar das Leben rettet. "All throughout history prominent men had prominent noses." Dass die Büste nach vorne fällt, obwohl sie von der Seite angeschossen wird, ist natürlich physikalischer Humbug. Wo die "Frau in Grün bleibt" erschließt sich nicht so ganz. Es gibt nämlich eine kolorierte Fassung, die den Film wirklich nicht aufwertet und in der Lydia immer in Dunkelblau zu sehen ist.

Fazit:

Auch beim nunmehr elften Streich zeigt die Sherlock-Holmes-Reihe keinerlei Ermüdungserscheinungen. Mit dem sehr interessanten Thema Hypnose und den Anleihen bei "Jack the Ripper" beweist Roy William Neil, dass er noch einiges in Petto hat und der Ideen-Pool nach wie vor lebhaft sprudelt. 4,5 von 5 Punkten.


Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 662

16.02.2020 13:31
#120 RE: Elementary, my dear Rathbone: US-Sherlock-Holmes-Filme (1939-46) Zitat · Antworten

Sherlock Holmes – Die Frau in Grün (1945)


Handlung:

London zittert wieder mal vor einem Serienmörder. Seit den Tagen des berüchtigten Jack the Ripper hat es nicht mehr so ein Scheusal gegeben, will uns zumindest die Einleitung zum neuen Holmes-Abenteuer weismachen. Der aktuelle Frauenkiller schneidet seinen Opfern aber „nur“ einen Finger ab, weiter Verstümmelungen bleiben aus. Nach drei Morden reicht es dem ermittelnden Inspektor Gregson, er wendet sich an seinen privaten Kollegen Sherlock Holmes um Rat. Gerade als er loslegen will, gibt es das vierte Opfer. Holmes, der alte Kriminalistenfuchs, glaubt nicht an einen verrückten Lustmörder, sondern an einen planmäßig vorgehenden berechnenden Verbrecher.
Eines Abends beim Dinner in einem vornehmen Restaurant bemerkt er den bekannten Abgeordneten George Fenwick in Gesellschaft einer attraktiven grüngekleideten Dame. Später begleitet Fenwick die Lady noch nach Hause, nicht mal der misogyne Holmes kommt auf den Gedanken, dass sie ihm ihre Briefmarkensammlung zeigen will. Doch was immer Sir George von dem Rest der Nacht erwartet haben mag, bestimmt nicht ein schmerzhaftes Erwachen am nächsten Morgen in einer erbärmlichen Absteige, mit einem abgetrennten Frauenfinger in der Tasche. Noch weniger behagt ihm der Besuch eines sich kühl gebenden Mannes, der ihn eindeutig mit seinem Wissen erpresst, denn es hat noch ein Opfer des Fingermörders gegeben, und der Unbekannte will Fenwick am Tatort gesehen haben.
Wenig später kommt eine hübsche junge Frau in die bekannte Wohnung in der Baker Street gestürmt. Wie sich herausstellt, ist es die Tochter von Sir George, die Verdächtiges bemerkt hat.
Holmes, Watson und die Polizei können den prominenten Mann in seinem Herrenhaus nur noch tot auffinden. Er wurde eindeutig ermordet – aus nächster Nähe erschossen. Der geniale Detektiv findet natürlich wieder Spuren, die den anderen entgangen wären.
Sherlock Holmes ahnt mittlerweile, dass sein Erzwidersacher Professor Moriarty wieder aufgetaucht ist und hinter den Morden steckt, Gewissheit bekommt er durch einen Besuch des fragwürdigen Gentleman bei sich zu Hause. Der Napoleon der Verbrechens bedroht den Streiter für das Recht, während dieser sich ebenfalls mit düsteren Prophezeiungen für die Zukunft des anderen revanchiert, der ahnungslose unter einem fingierten Vorwand weggelockte Dr. Watson muss als Geisel dienen, damit Holmes den schurkischen Professor nicht gleich der Polizei ausliefert.
(Dr. Watson wird hier grummelnd zu einer unwahrscheinlich "dicken" Frau von 100 kg gerufen - da drängen sich wieder mal Vergleiche zur heutigen Zeit auf...)
Kurze Zeit später kann Holmes einem Mordanschlag durch einen offensichtlich hypnotisierten Handlanger entgehen, der ihn vom Nachbarhaus aus erschießen wollte. Jetzt ist er überzeugt, die Zusammenhänge zu kennen, er begibt sich zusammen mit dem skeptischen Dr. Watson zu einer Sitzung der Gesellschaft für Hypnose, wo auch die Frau in Grün erscheint…
Scheinbar ist Holmes nun doch in die Fänge seines größten Feindes und seiner obskuren Helfer geraten, doch auch hier geht es wieder gut aus, und Moriarty kann mal wieder einen (letzten ?) Todessturz in die Tiefe absolvieren. Fortan können die Bürger Londons wieder beruhigt sein, dem unheilvollen Serienmörder wurde Einhalt geboten.


Bewertung:

Ganz klar spielt man hier auf die Untaten des Serienmörders Jack the Ripper an (der auf Deutsch aus irgendwelchen Gründen Jack O’Brian genannt wird), um dessen Identität sich bis heute zahllose Theorien ranken. Dazu passen die düsteren Bilder am Anfang, man hat sich Mühe gegeben, die viktorianische Whitechapel-Atmosphäre in das London der Vierziger zu versetzen. Da gibt es eine Frau, die sich von einem der zahlreichen patrouillierenden Bobbies bis fast vor die Haustür bringen lässt und dann vom Schlächter trotzdem noch gekriegt wird. Sogar die (offizielle) Gesamtzahl der Opfer, die „kanonischen Fünf“, stimmt mit der des realen Vorbildes überein. Der fehlende Finger ist nun eine spezielle Komponente, nicht so grausam wie die Schlitzereien des Rippers sind, aber immer noch ekelhaft genug, außerdem gerade für den Analytiker Sherlock Holmes ein „gefundenes Fressen“.
Holmes bekommt es diesmal wieder mit einer sehr attraktiven Gegnerin zu tun. Lydia Marlowe, die Frau in Grün, kann ihn zwar nicht mit ihren reichlich vorhandenen Honigfallen-Attributen beeindrucken und in das Verhängnis locken wie die anderen Männer, ihn aber bei seiner Neugier packen. Zumindest ist das der Plan, denn eigentlich ist es ja Sherlock Holmes, der immer das Heft in der Hand behält. Es ist müßig, nun wieder Irene-Adler-Vergleiche anzustellen, zumal es ja einen direkten Gegenspieler aus der Geschichtensammlung gibt, den unverwüstlichen Professor Moriarty, der ähnlich Blofeld, Mabuse oder Fantomas das ewige Leben zu haben scheint. Ob der nun als Hintermann überhaupt notwendig gewesen wäre, ist eine andere Frage, die Geschichte hätte auch ohne ihn ihr Garn abwickeln können. Dazu hätte man die schöne Mrs. Marlowe ähnlich wie Mrs. Spedding ein paar Filme vorher zur Anführerin machen müssen und ihr bestenfalls einen männlichen Unterchef an die Hand geben müssen, doch diesmal sind die Rollen wieder konvetionell verteilt – Moriarty ist der Chef und Lydia sein recht eigenständiges Werkzeug.
Diesmal ist der ermittelnde Scotland-Yard-Beamte Inspektor Gregson, dem Holmes auch im Original wie auch den Inspektoren Lestrade oder Bradstreet immer mal helfend unter die Arme griff.
Die Episode mit dem Attentäter aus dem „leeren Haus“ auf der gegenüberliegenden Straßenseite und der zerschmetterten Caesar-Büste ist der gleichnamigen Story entnommen, wenngleich er kein „Straubenzee“-Luftgewehr verwendet hat und nicht von Rache getrieben, sondern hypnotisiert war. Dr. Watson muss aber an dem Tag wirklich nicht so recht auf dem Damm gewesen sein. Dass er es nicht geschafft hat, dem direkt vor ihm stehenden Meuchelmörder in den Arm zu fallen, ehe der sein Gewehr ausgepackt, entsichert, durchgeladen, angelegt, gezielt und dann erst geschossen hat, spricht nicht gerade für eine Pflege seiner soldatischen Instinkte. Vielleicht hat ja sein Unterbewusstsein revoltiert und just in dem Moment an die vielen kleinen und großen Sticheleien seines Freundes erinnert… :-)
Selbstverständlich musste der Schütze aus den Tropen (also irgendeiner Kolonie) gekommen sein, denn wo anders in der Welt des Jahres 1945 hätte man wohl einen jungen Mann finden können, der gut mit Schusswaffen umzugehen verstand ? Tja, da sieht man auch, wie weit sich das Geschehen der Filme mittlerweile wieder vom realen Leben entfernt hat, was ja nicht unbedingt vom Nachteil sein muss. Aber der unfreiwillige Attentäter wird ja selbst bald bei einem „Autounfall“ aus dem Verkehr gezogen, was man leider nur telefonisch mitgeteilt bekommt. Schade, hier wäre eine kleine gefilmte Action-Einlage nicht schlecht gewesen.
Ansonsten hat der Film auch wieder deutliche Schwächen, was die Sinnhaftigkeit anbelangt. Von wem und vor allem wozu wurde das Fenster im „leeren Haus“ schon lange vor dem Mordanschlag geöffnet ? Um Holmes eine Warnung zu geben ? Man könnte ja vermuten, dass es Moriarty oder einer seiner Vertrauten war, der dem erst später auftretenden hypnotisierten Schützen damit einen Hinweis auf das richtige Fenster samt Ziel geben wollte, trotzdem hinkt die Sache. Überhaupt – der hypnotisierte Killer. Ob es nun möglich ist, jemanden unter dem Einsatz von Hypnose gegen seinen Willen zum Mörder zu machen, wird ja gemeinhin angezweifelt, bis auf besonders labile Ausnahmen. Die Geheimdienste dieser Welt haben ja schon lange an diesen Dingen unter zusätzlichem Einsatz von Drogen und Folter geforscht und sicher auch allerlei fragwürdige „Erfolge“ damit erzielt, doch ob auch schon Moriarty, der verbrecherische Professor, so weit war ?
Wofür hat sich Sir Georges Tochter eigentlich an Holmes gewandt, wenn dem nichts Besseres einfiel, als gleich die Polizei zu informieren ? Das hätte die junge Frau wohl auch noch selbst hingekriegt.
Und auch der Kriminal-Plot an sich ist etwas fragwürdig, spätestens nach dem nächsten Finger-Mord hätten die betäubten und dann erpressten Opfer ja wissen müssen, dass sie unschuldig waren. Da hätten sie zumindest einen anonymen Hinweis an die Polizei auf die hypnosebegeisterte Mrs. Marlowe geben können. Für eine serienweise Erpressung ist Moriartys Plan mal ganz logisch betrachtet einfach nicht geeignet. Eine diabolische Persönlichkeit wie der gesetzlose Professor hätte sich wohl auch kaum mit ein bisschen Gelderpressen zufrieden gegeben, er hätte nun mit Sicherheit bei hochrangigen Politikern ganz andere Sachen versucht.
Diesmal ist der Film in der deutschen Fassung fast ungeschnitten, nur ein paar unverfängliche Sätze von Holmes am Ende wurden, wahrscheinlich schon rein gewohnheitsmäßig, entfernt.

Die Frau in Grün ist ein Film, dessen eigentlicher Reiz wohl in der eigenwilligen Mischung eines viktorianischen London-Settings mit zum Drehzeitpunkt gebräuchlicheren Alltagsgegenständen liegt, die Vergangenheit und die Moderne sind diesmal meistens nicht in schrulligen Landhäusern miteinander verquickt, sondern eben in der großen Stadt.

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