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 Film- und Fernsehklassiker national
Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

05.12.2019 19:45
Der Mann aus dem Bootshaus (1967, TV) Zitat · Antworten

Zitat von Georg im Beitrag Regisseur Johannes Schaaf (86) verstorben
Kriminalistisch ging es auch in seinem (auf DVD erschienenen!) schönen Film Der Mann im Bootshaus aus dem Jahr 1967 zu, in dem u. a. Rosemarie Fendel und Max Eckard die Hauptrollen spielten.

Ich habe mir diese Produktion nach der Empfehlung angesehen – danke für den Tipp, @Georg!



Der Mann aus dem Bootshaus

TV-Kriminalfilm, BRD 1967. Regie: Johannes Schaaf. Drehbuch: Hubert von Bechtolsheim, Marianne de Barde (Romanvorlage „The Narrowing Stream“, 1954: John Mortimer). Mit: Rosemarie Fendel (Julia Swinton), Ulrich Matschoss (Mr. Swinton), Norbert Kappen (Mann aus dem Bootshaus), Max Eckard (Mr. Campbell, Schauspieler), Hans Deppe (Mr. Lorwood), Elisabeth Welz-Pfann (Kate Lorwood), Heinz Meier (Schleusenwärter Tom), Henning Schlüter (Polizist), Kurt Naujoks (Sam Swinton), Susanne von Borsody (Clara Swinton) u.a. Erstsendung: 6. April 1967. Eine Produktion der Bittins-Film Berlin für den Sender Freies Berlin.

Zitat von Der Mann aus dem Bootshaus
Zuerst ist es nur Sammy, der Junge von Julia Swinton, der den Mann aus dem Bootshaus gesehen hat – ausgerechnet an dem Tag, an dem in dem Dorf, in dem die Swintons wohnen, eine Frau zu Tode kam. Dann taucht der Unbekannte bei Julia selbst auf und übergibt ihr das Zigarettenetui ihres Mannes. Er habe es am Fundort der Leiche aufgehoben. Julia beginnt, an ihrer idyllischen familiären Traumwelt zu zweifeln, und tut zugleich alles, um ihren Mann vor der Polizei zu schützen. Es quält sie die Frage: War er ihr nur untreu oder ist er auch ein Mörder?


Wer den Drehort England und den Namen der Drehbuch-Koautorin Marianne de Barde mit exklusiver Durbridge-Spannung assoziiert, wird von „Der Mann aus dem Bootshaus“ gehörig überrascht – um nicht zu sagen: kalt erwischt – werden. Von der kontinuierlichen Suspense-Schraube, die in fast allen Werken des Briten angezogen wird, merkt man in diesem auf einer John-Mortimer-Geschichte basierenden Fernsehspiel wenig, denn mehr als auf eine konsequente Storyline verlässt es sich auf Emotionen, Andeutungen und die Schilderung des Swinton’schen Familienlebens. Johannes Schaaf nimmt dies mit großem Einfühlungsvermögen in Angriff und nutzt eine geschickte Technik der Suggestion (das Einbinden von Standbildfotografien, welche die Gedanken der Protagonisten verbildlichen). Ihm gelingt es anfänglich, eine Atmosphäre der Bedrohung durch den Unbekannten im Bootshaus aufzubauen, die dann jedoch in sich zusammenfällt, als sich Norbert Kappen in dieser Rolle eher als Plaudertasche denn als gefährlicher Schurke entpuppt.

Tod und Betrug könnten statt bei namenlosen Fremden innerhalb der eigenen Familie zu finden sein, lernt Julia Swinton. Innerhalb eines Tages ändert sich ihre kleine, beschauliche Welt radikal – eine Perspektiverweiterung, der Schaaf und die Drehbuchschreiber wesentlich mehr Aufmerksamkeit schenken als der in ihren Augen vielleicht zu prosaischen Frauenleiche. Der eigentliche Mord wird nicht gezeigt und kommt auch sonst nur ganz am Rande vor; stattdessen begleitet man Rosemarie Fendel als getäuschte Ehefrau auf einer Achterbahnfahrt zurückgehaltener Gefühle. Oberflächlich bleibt sie „cool“, in ihr brodelt es jedoch – sie tariert diese zwei Zustände sehr glaubwürdig aus, auch wenn sie – wie in ihren Darstellungen üblich – ein wenig zu sehr zum Selbstmitleid tendiert.



Zwar tragen sie zum Gesamtbild der nur scheinbar heilen Familie bei; doch warum man den Kindern in „Der Mann aus dem Bootshaus“ so viel Aufmerksamkeit zukommen lässt, bleibt ein gut gehütetes Geheimnis, das sich vielleicht nur Kennern der Romanvorlage erschließt. Wir bekommen es mit einer sehr gewitzten Vorstellung von Kurt Naujoks als „junger Hahn im Korb“ zu tun, während seine Schwestern und der Wochenendgast eher blass bleiben. Ähnliches gilt leider auch für andere Nebenrollen, sodass es von Anfang an recht durchschaubar ist, wie sich die Geschichte auflösen wird. Sie tut dies im Wesentlichen von allein und ohne jedes Spektakel, sodass auch hier ein größtmöglicher Realismus anstelle eines klassisch ausgetüftelten Showdowns zum Tragen kommt. Selbst für die Polizei bleibt kaum Platz; ein kurzes Intermezzo des ermittelnden Henning Schlüter bleibt die absolute Ausnahme. Aufgewogen werden dieser etwas enttäuschende Verlauf und Ausgang durch die immer düsterer operierende Kamera von Wolfgang Treu, die über die gesamte Spielzeit hinweg wirklich auf Kinoniveau anzusiedeln ist und sukzessive harmlose Tagesszenerien gegen seelendunkles Nachtschwarz eintauscht.

Eine mindestens ebenso wichtige Rolle wie die menschlichen Akteure spielt die ruhig dahinfließende Themse, die außer für schöne Bildmotive auch für verschiedene Sinnbilder sorgt: Eine traute Heimstatt, die nah am Wasser gebaut ist, ist natürlich instabil – und selbst das scheinbar Unveränderliche manchmal erstaunlich schnell verflossen. Die Dreharbeiten fanden offenbar vollumfänglich in Whitchurch in Oxfordshire statt und selbst Innenaufnahmen versprühen einen realen englischen Charme. Der Erfolg, den diese aufwendige Inszenierung des SFB bei Kritikern und Publikum hatte, lässt sich nur allzu leicht nachvollziehen. Man wünscht sich, er wäre auch auf andere, plotgetriebenere Krimis angewendet worden.

Die sehr hochwertige und kreativ anspruchsvolle Romanadaption nach John Mortimer entzückt formal jeden England-Fan, fordert dem Effektvolleres gewöhnten Krimifreund jedoch Geduld ab. Rosemarie Fendel ist eine ordentliche Identifikatonsfigur für eine leider etwas schwachbrüstige Symbiose aus Familiendrama und Mörderrätsel. 3 von 5 Punkten.

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