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 Romane
Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 644

24.01.2019 08:02
Der Joker (1926) Zitat · Antworten

Der Joker


Erscheinungsjahr: 1926
Originaltitel: The Joker


Hauptpersonen:

Stratford Harlow - Millionär mit zweifelhaften Ambitionen ("Der Joker")
James Carlton - Inspektor bei Scotland Yard
Aileen Rivers - Stenotypistin und Rechtsanwaltsgehilfin
Arthur Ingle - vorbestrafter Schauspieler
Mr. Ellenbury - Rechtsanwalt mit dunklem Punkt in seiner Vergangenheit
Inspektor Elk - altgedienter Kriminalbeamter
Joseph Layton - Außenminister von Großbritannien
Saul Marling - ehemaliger Hauslehrer von Harlow
Mrs. Edwins - Hausdame bei Harlow
Annie Gibbins - Putzfrau
Mr. Stebbings - Rechtsanwalt


Handlung:

In der Londoner Geschäftswelt ist Stratford Harlow als sehr zwielichtiger Mann bekannt. Der mehrfache Millionär hat den Vorsitz über ein von Strohmännern geleitetes Syndikat namens "Rata". Dieses ist immer mal wieder in den Ruf gekommen, an Spekulationen verdient zu haben, die man nur als gesetzwidrig bezeichnen kann. Mr. Harlow bezeichnet sich selbst als "Spaßmacher", ein Ausdruck, den er der Ganovensprache entlehnt hat. So treibt er gerne seine "Späße" an der Börse und im Handel, wobei seine Opfer das gar nicht lustig finden. Sein Reichtum wird immer größer, er selber hat wenig Mitgefühl mit seinen Mitbürgern, obwohl er manchmal für karitative Zwecke spendet und sogar der Stadt eine funkelnagelneue Polizeistation schenkt, mit welcher es im Endeffekt noch eine besondere Bewandnis haben soll. Für seine Aktionen nutzt er auch immer wieder Handlanger, etwa den ältlichen Rechtsanwalt Ellenbury, den er durch eine dunkle Geschichte seiner Anwaltskarriere erpresst, aber auch gut bezahlt. Neuerdings hat er offenbar auch den gerade wegen Diebstahls bestraften aus dem Gefängnis entlassenen Schauspieler Arthur Ingle, einen Berufsrevoluzzer, in seine Dienste gestellt. Das vermutet jedenfalls Inspektor James Carlton, der unentbehrliche jugendhafte Wallace-Held. Ihm zur Seite steht der stets zigarrenschnorrende und etwas sauertöpfische Inspektor Elk, dem Leser schon aus anderen Romanen, etwa dem Frosch mit der Maske (auf den er sich auch direkt bezieht) bekannt. Sein Schicksal ist es offenbar, der ewige Sidekick für die jüngeren Männer des Gesetzes zu sein, welche am Schluss die Dame ihres Herzens zum Traualtar führen können. Denn auch James Carlton hat natürlich eine in die Handlung eingewobene Angebetete mit Namen Aileen Rivers. Diese arbeitet bei dem Anwalt Mr. Stebbings, welcher Harlow auch schon von früher kennt, und sie ist zufällig weitläufig mit Arthur Ingle verwandt. Wie man sieht, wieder eine Menge Zufälle, aber es geht noch weiter.
Es treten noch eine Putzfrau Mrs. Gibbins, eine Mrs. Edwins als Haushälterin sowie ein gewisser Mr. Marling auf, der der ehemalige Hauslehrer des jungen Harlow gewesen war. Alle standen oder stehen sie irgendwie in Beziehung zu dem reichen Mann. Den Mr. Marling verbirgt Harlow in seinem Hause in einem geheimen Zimmer, scheint ihm aber als einzigen Menschen auf der Welt tatsächliche Sympathie entgegenzubringen.
Inspektor Carlton hegt ein tiefes Misstrauen gegenüber dem exzentischen Millionär und beobachtet sein Tun sehr kritisch, wobei freilich sein Antrieb nebulös bleibt. Tatsächlich bereitet Mr. Harlow seines neuestes, größtes Betrugsmanöver vor. Währenddessen gibt es in seinem Umfeld einen mysteriösen Todesfall, auf Inspektor Carlton wird ein Anschlag unternommen, doch die Ereignisse bleiben weiterhin verworren. Der Schauspieler und Onkel von Aileen, Mr. Ingle, scheint auf einmal der Filmleidenschaft verfallen. Plötzlich verschwindet nach einer seltsamen Rede im Parlament der Außenminister Sir Layton, und es scheint Krieg in der Luft zu hängen... James Carlton und sein Vertrauer Inspektor Elk mühen sich redlich ab, die Ereignisse zu entschlüsseln, währenddessen Aileen Rivers in tödliche Gefahr gerät. Doch letzten Endes geht alles gut aus, es gilt, wie meist, ein paar Identitäten zu tauschen, und auch der Joker treibt seinen letzten Spaß in England...


Bewertung:

Der Joker ist keiner der Wallace-Thriller mit maskiertem Schurken an der Spitze einer Verbrecherorganisation, sondern fällt mehr so in die Richtung von Ein gerissener Kerl oder Kerry kauft London. Das kann man mögen, oder auch nicht.
Was ist der Joker nun eigentlich, ein Kriminalreißer, ein Unterhaltungsroman, eine Groteske ? Im Prinzip geht es nur darum, die Handlung auf den neuesten "Spaß" des Jokers zuzutreiben, der ihm wieder märchenhafte Gewinne an der Börse sichern soll. Da das, obwohl ungesetzlich, für einen Krimi nicht ausreicht, garniert es der Autor etwas aufgesetzt mit den üblichen Zutaten: ein Überfall auf den Inspektor, den er zudem nicht nur einmal in halsbrecherischer Aktion auf Häusern herumturnen lässt, es gibt eine offenbar gewaltsam zu Tode gekommene Putzfrau, deren Leiche in einem Kanal versenkt wurde, des weiteren allerlei Schriftstücke mit geheimnisvollen Botschaften, viele Unklarheiten in der Vergangenheit der Hauptpersonen usw. usw. Gegen Ende zu lässt Wallace noch einmal seiner Vorliebe für "geheimnisvolle" Häuser und Geheimgängen freien Lauf.
Trotz allem, ein richtiger Thriller, bei dem man die Fingernägel kaut, ist das Buch nicht. Es erstaunt, dass der Inspektor dem Millionär monatelang einfach mal so hinterherspionieren kann, als hätte er nichts anderes zu tun. Tatsächlich lässt ihn auch Harlow gewähren, obwohl er ihm das Leben schwermachen könnte, wie er sagt. Er will ihn sogar bestechen, doch ein edler Scotland-Yard-Held ist darüber natürlich erhaben. Harlows Gesellschaft Rata ist in der City wegen ihrer Betrugsmanöver berüchtigt, es scheint so, als hätte es damals mehr Moral in der Bankenwelt gegeben, was man auch anzweifeln kann. Doch was treibt Harlow eigentlich an, dem der Autor sichtlich auch Sympathie entgegenbringt ? Ist er so eine Art Soros oder Buffett der wilden Zwanziger ? Doch weder politische noch wirtschaftliche Einflussnahme stehen auf seinem Programm, wie die Polizisten einmal konsterniert feststellen. Es geht ihm nur um das Geldverdienen als puren Selbstzweck. Die Tatsache, dass er, der reiche Kapitalist, sich des anarchistischen Ingle für seine Pläne bedient, rückt das Ganze, ob gewollt oder ungewollt, in die Nähe auch moderner Verschwörungstheorien.
Man kann ebenfalls durchaus vermuten, dass die häufig kolportierte Geschichte, mit der Nathan Rothschild an der Londoner Börse im Zusammenhang mit Napoleons Waterloo ein Millionenvermögen verdiente, für den Joker-Plan Pate gestanden hat. Die von Laytons Rede ausgelösten Kriegsgerüchte mit Frankreich führen zu einer Panik an den Börsen und stark fallenden Kursen, sogar in der Wallstreet wird ein Chaos verursacht und Selbstmorde verübt. Das klingt doch schon sehr nach "Schwarzem Freitag", der aber erst drei Jahre später kam. Letzten Endes hat auch Harlow hier sein Schäfchen ins Trockene gebracht. Leider ist die Beschreibung der Auswirkungen seines Coups dann doch nur sehr kurz geraten. Sein unterdrückter, nervenschwacher Mitarbeiter Ellenbury plant seine eigene Flucht mit den Gewinnen, dabei kommt ihm die hübsche Aileen in die Quere, es gibt hier noch einige Aufregung zu meistern. Zwischendurch findet sich auch der verschwundene Außenminister an. Letztlich heftet sich jetzt auch die Polizei an Harlows Fersen, er begeht seine ersten schweren Fehler und landet sogar hinter Gittern. Einige der Rätsel im Dunstkreis des Millionärs werden überraschend aufgeklärt, der geheimnisvolle Marling aus seiner Wohnung kommt frei, doch der Joker wäre nicht der Joker, wenn er nicht noch einen letzten "Spaß" auf Lager hätte... Da ist Inspektor Carlton dann schon längst an der Seite seiner lieben Aileen einer rosigen Zukunft entgegengeschritten, denn auch hier setzt sich natürlich wieder die Liebe durch.

Für einen richtigen Krimi-Liebhaber wird der Joker wohl eher enttäuschend sein, das Buch ist eher ein Kuriosum unter seinen Werken, allerdings liest es sich recht unterhaltsam und hat auch einige typische Wallace-Attribute.


Buch:

Vor langer Zeit habe ich mal die Goldmann-Taschenkrimi-Ausgabe gelesen, jetzt die Version des Scherz-Verlages mit knapp 200 Seiten und angenehmer Übersetzung.


Verfilmung:


Einen deutschen Wallace-Film der berühmten Reihe gibt es nicht. Es wurde mal in den neunziger Jahren ein Film unter diesem Titel gedreht, ebenso ein Hörspiel kreiert, doch beide haben mit dem Buch keine Gemeinsamkeiten.

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