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 Film- und Fernsehklassiker national
Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

28.10.2018 14:42
Hass ohne Gnade (1962) Zitat · Antworten

BEWERTET: "Hass ohne Gnade" (Deutschland 1962)
mit: Maria Perschy, Horst Frank, Dorothee Parker, Dietmar Schönherr, Otto Storr, Danilo Bezlay, Dimitrij Bitenc u.a. | Drehbuch: Franz Höllering, Leo Lania | Regie: Ralph Lothar

Der exzentrische Dirigent Saran ist ein besessener Musikfanatiker, dem die Zwillingsschwestern Martina und Claudia, zwei talentierte Pianistinnen, nacheinander verfallen. Als Martina sieht, dass Saran Claudia bevorzugt, erleidet sie einen Nervenzusammenbruch und wird in einem Sanatorium untergebracht. Währenddessen probt Saran mit Claudia und der jungen Sibyl für ihr erstes großes Konzert. Als Claudia ihre Schwester Martina in der Nervenklinik besucht, gelingt es Martina, den Schlüssel zum Gartentor an sich zu nehmen und flieht. Claudia läuft ihr bis zu einem Steinbruch nach, wo es zu einem tödlichen Zwischenfall kommt. Nur eine der beiden Schwestern wird zu Saran zurückkehren....



"Sie kennen mich nicht? Seien Sie froh."

Wegen seines für die damalige Zeit gewagten Themas ("Popular-Psychologie, Künstler-Dämonie und Krüppel-Komplex", Hamburger Abendblatt vom 28. Juli 1962) erhielt der im Jahr 1961 in der slowenischen Stadt Laibach gedrehte Film eine Freigabe ab 18. Freilich finden die wirklich pikanten bzw. kriminalistisch relevanten Szenen größtenteils im Off und in der Vorstellung des Zuschauers statt, was den Film allerdings nicht weniger reizvoll macht. Die Voraussetzungen für ein verhängnisvolles Dreieckskarussell in wechselnden Varianten sind gegeben und nehmen immer wieder an Fahrt auf. Die Atmosphäre ist aufgeladen mit Emotionen unterschiedlicher Couleur und zeichnet sich durch das eiskalte Spiel Horst Franks und das diametrale Agieren seiner Kollegin Maria Perschy aus, deren Charaktere wie Feuer und Wasser sind. Ihre Hochbegabung drückt sich in übersteigertem Egoismus, demonstrativer Verachtung und überreizten Nerven aus, was die beiden gegeneinander ausspielt, jedoch nicht verhindert, dass es immer wieder zu hitzigen Konfrontationen und kühlem Abservieren des anderen kommt. Das Kräftemessen zwischen der totalen Konzentration auf die Musik und der Ablenkung durch den menschlichen Faktor, führt zu einem Verlust der Balance, was letztendlich in gefährliche Ausnahmesituationen mündet. Der Kontrollverlust ist bereits eingetreten, als der Vorspann einsetzt und so dominiert das ungute Gefühl, dass es auf diesem Weg kein Zurück in die Normalität gibt, die Vorahnung des Zuschauers. Der seltsame Kontrast zwischen dem barschen Umgangston während der Proben und der privaten Beziehung, die immer nur dann gestattet ist, wenn es Horst Frank als Saran erlaubt, macht das Dilemma sichtbar, in dem Maria Perschy in ihrer Doppelrolle als Claudia und Martina gefangen ist. Mit Dorothee Parker als zweiter Pianistin und dem hartnäckigen Dietmar Schönherr als Arzt, erhält das Trio furioso in der Verkörperung durch Frank/Perschy einen bürgerlichen Rahmen, der den Wahnsinn der Hauptfiguren betont und unterstreicht. Vom ersten Augenblick an wird der Zuschauer Zeuge eines zerstörerischen Kampfes um Vorherrschaft und Selbstbehauptung.

Wer Maria Perschy vornehmlich als kühle Blondine in "Der Henker von London" (1963) kennt, wird überrascht sein, wie entfesselt sie in "Hass ohne Gnade" agiert. In der anspruchsvollen Rolle der braven Claudia und der sanguinischen Martina ficht sie eine Partie gegen alles und jeden und vor allem auch gegen sich selbst. Anfangs noch um die Wahrung eines förmlich-korrekten Erscheinungsbildes bemüht, bricht das mühsam konstruierte Gerüst nach und nach zusammen und die Fassade kann schon bald nicht mehr aufrecht erhalten werden. Obwohl nie ausgesprochen wird, was außerhalb der Sanatoriumsmauern geschah, kombiniert der Zuschauer den wahren Sachverhalt anhand der untrüglichen Beweise, die das von Hektik, Ungeduld und Bosheit dominierte Spiel Perschys liefert. Leider gibt es kaum Großaufnahmen ihres Gesichts, was man Kameramann Georg Krause anlasten muss. Dramaturgisch hätte es die Intensität von Perschys Aktionen um ein Vielfaches gesteigert, hätte Krause die Schauspielerin öfter exklusiv in den Fokus gerückt und ihr damit die Möglichkeit gegeben, die Nuancen ihrer Mimik nachhaltiger zu inszenieren. Im allgemeinen muss man also feststellen, dass der Schwerpunkt auf ihren Aktionen liegt und weniger auf ihrem Fühlen. Die "Hölle der Erfahrungen" zu vermitteln, wie es z.B. Kollegin Romy Schneider mit einem Ausdruck in ihren Augen oder einem Zucken um ihren Mund gelingt, bleibt Maria Perschy durch die ungünstigen Kamerapositionen teilweise verwehrt und man fragt sich, wer dafür verantwortlich ist. Lag es an Vorgaben des Produzenten Wolf C. Hartwig, der seine Lebensgefährtin Dorothee Parker gern prominent und gefällig in Szene setzen wollte (Parker hat in der Tat sehr viele Nahaufnahmen)? Oder lag es an Regisseur Lothar, der den Wahnsinn der Martina durch die Spiegelung in Saran bändigen und ihm seine Alleinstellung nehmen wollte? Maria Perschy reduziert ihre Rolle nicht auf hysterische Ausbrüche, sondern lenkt ihre bohrenden Gedanken und abgewürgten Emotionen in Taten, die ihr helfen, einen Ausweg zu finden und sich dabei an jenen Personen zu rächen, die sie für ihre Situation verantwortlich macht.

Allen voran der Egomane Saran, dessen Beweggründe Horst Frank mit eleganter Gleichgültigkeit verschleiert, welche jedoch durch Dr. Elmer aufgedeckt und offen angesprochen werden. Während sich Frank leidenschaftlich für seine Passion, die Musik, engagiert, liegen dem Humanisten Schönherr die Probleme der Menschen näher und er avanciert zu einem entschiedenen Gegner der Lebenseinstellung Sarans. Saran kultiviert eine distinguierte Aura der Unnahbarkeit, obwohl er die Grenzen zu anderen immer dann überschreitet, wenn dies unerwünscht ist und nur seinem eigenen Bedarf an Machtausübung dient. Horst Frank agiert mit präziser Distanz und passgenauem Einsatz, während sich Dietmar Schönherr unermüdlich um Menschlichkeit bemüht und emotionale Schadensbegrenzung bei den weiblichen Figuren betreibt. Dorothee Parker bleibt streckenweise unbeteiligt und taut erst im Verlauf der Handlung langsam auf, steht sie doch im Schatten des exaltierten Duos Frank/Perschy und müht sich, Akzente zu setzen und sich mit eigener Duftnote profilieren zu können. Die Karriere der Darstellerin erfuhr nach der Trennung von Hartwig eine neue Wendung, als sie sich vom Filmgeschäft abwendete und in Hamburg eine renommierte Modelagentur aufbaute. Zuvor hatte sie u.a. in den Filmen "Der Satan lockt mit Liebe", "Endstation Rote Laterne" und "Das Mädchen mit den schmalen Hüften" mitgewirkt. Durch die Konzentration auf eine Handvoll Darsteller erhält die Produktion atmosphärische Dichte, die durch die Musik von Tschaikowsky und Chopin intensiviert wird. Ein Ausbrechen aus der klaustrophobisch anmutenden Lage ist unmöglich, weil es den Sturz in ein Vakuum bereithält, weswegen letztendlich nur eine radikale Lösung ein Minimum an Befreiung bedeuten kann. Freilich täuscht sich der Betreffende damit selbst, weil die Verzweiflung bereits so weit vorangeschritten ist, dass sie nur durch Sedierung kurzzeitig eingedämmt werden kann. Am Ende schließt sich der Kreis, wobei die Kamera in der Umklammerung der Restriktion verharrt und nur jene aus ihrem Blickfeld entlässt, die sich nichts zuschulden kommen lassen haben.

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