Aktenkoffer und Agenten: Internationale Spionagefilme
Eng mit dem klassischen Krimi verwandt ist das Spionagegenre, bei dem die normalerweise an Verbrechen beteiligten Privatparteien gegen staatliche bzw. politische Interessen und Protagonisten des Geheimdienstes ausgetauscht werden. Sonst ändert sich meist wenig: Der Ermittler stolpert reihenweise über Leichen, während er hinter einem wichtigen Macguffin oder Geheimnis her ist. Der Schurke bedroht derweil nicht nur die Bewohner eines einsamen Herrenhauses, sondern im besten Fall die ganze Welt – die Globalisierung macht eben auch vor Bösewichtern nicht halt ...
Hier im Forum haben wir einen recht umfangreichen James-Bond-Bereich und auch schon manches über mehr oder weniger billige Eurospy-Produktionen geschrieben, die im Fahrwasser der 007-Filme entstanden sind. Darüber hinaus wurden vor allem in Großbritannien und den USA in den 1960ern und 1970ern auch andere (hochwertige) Agentenkrimis gedreht, in denen es oft um Themen des Kalten Krieges geht. Hier im Thread könnt ihr eure Eindrücke zu diesen Produktionen einstellen und diskutieren.
Bisher besprochen wurden (Liste wird nachträglich ergänzt):
Funeral in Berlin (Finale in Berlin, 1966, Guy Hamilton) [1]
Ipcress File, The (Ipcress – streng geheim, 1964/65, Sidney J. Furie) [1]
Man on a String (Geheimakte M, 1960, André de Toth) [1]
Odessa File, The (Die Akte Odessa, 1974, Ronald Neame) [1]
Gubanov
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09.08.2018 23:00
#2 RE: Aktenkoffer und Agenten: Internationale Spionagefilme
Spionagekrimi, GB 1964/65. Regie: Sidney J. Furie. Drehbuch: W.H. Canaway, James Doran (Romanvorlage, 1962: Len Deighton). Mit: Michael Caine (Harry Palmer), Nigel Green (Major Dalby), Guy Doleman (Colonel H.L. Ross), Sue Lloyd (Jean Courtney), Gordon Jackson (Jock Carswell), Aubrey Richards (Dr. Radcliffe), Frank Gatliff (Bluejay), Thomas Baptiste (Barney), Oliver MacGreevy (Housemartin), Freda Bamford (Alice) u.a. Uraufführung (GB): 18. März 1965. Uraufführung (BRD): 2. Juli 1965. Eine Produktion von The Rank Organisation.
Zitat von Ipcress – streng geheimBritische Wissenschaftler werden von ausländischen Mittelsmännern entführt und einer Gehirnwäsche unterzogen, die sie ihre Forschung vergessen lässt. Der Geheimdienst zieht einen fähigen jungen Agenten namens Harry Palmer aus seiner bisherigen Stellung ab und setzt ihn unter Major Dalby auf den Fall an. Palmer spürt nicht nur den verloren gegangenen Dr. Radcliffe wieder auf, sondern auch ein Tonband mit der Aufschrift Ipcress. Was hat diese Abkürzung zu bedeuten? Ein Meisterverbrecher, der unter dem Decknamen „Bluejay“ firmiert, scheint alle Fäden des Geheimnisses in der Hand zu halten. Und er hat es auf Palmer abgesehen ...
Um weiter am internationalen Markt und vor allem im Vergleich mit Hollywood’schen Promiproduktionen mithalten zu können, verlegte sich das britische Kino in den 1960er Jahren zunehmend auf ambitionierte Großfilme, die um einige Nummern spektakulärer ausfielen als vergleichbare A lister des vorangehenden Jahrzehnts. Dafür bot sich nicht zuletzt das Spionage-Genre an, das mit dem mittlerweile sicheren Abstand zum Zweiten Weltkrieg sowie mit aufregenden Geschichten des Kalten Krieges „vor der Haustür“ zunehmend an Popularität gewann und spätestens seit 1962 für Erfolge garantierte, als Agent 007 James Bond zum ersten Mal im Auftrag ihrer Majestät unterwegs war. Mit bemerkenswertem Aufwand ging man daher auch die Umsetzung des Len-Deighton-Romans „The Ipcress File“ an, der im Startjahr der Bond-Reihe die Inselbewohner im Sturm ergriffen hatte. Für den Film nannte man den namenlosen Agent des Romans Harry Palmer und gab ihm mit Michael Caine ein unverkrampftes Gesicht, das ganz anders ausfiel als das des etwas öligen Gigolo Bond. Palmer ist kein Schwiegermuttertyp, sondern lässt immer wieder subversive Bemerkungen fallen, die sein trocken sarkastisches Wesen unterstreichen. Zwar ebenso wie Bond (dem Wunschdenken nach) ein Frauentyp, sucht Palmer mangels privater Beziehung seine Ersatzbefriedigung in seiner Leidenschaft fürs Kochen; in seiner Küche ist er der Chef, während er sonst – sowohl vor seinen Vorgesetzten als auch seinen Gegnern – den sympathischen Prügelknaben mit Tendenz zum desillusionierten Anti-Helden gibt.
„Ipcress – streng geheim“ startet mit einer herrlich mysteriösen Entführungsszene am Bahnhof, die viel verspricht. Versprechungen, die letztlich nur teilweise eingehalten werden. Zwar präsentiert der Film Harry Palmers Alleingänge in griffigen, perfekt choreografierten und oft sehr atmosphärischen Szenen (in der Bibliothek des wissenschaftlichen Museums, am Musikpavillon im Park, in einer Tiefgarage oder alten Fabrikhalle); gleichwohl macht er inhaltlich selbst für sein Genre stellenweise einen weit hergeholten bzw. übermäßig simplen Eindruck. So wird der für die Entführung verantwortliche „Bluejay“ binnen Minuten überführt und in London aufgespürt und auch das reizvolle Rätsel um den Begriff Ipcress wird eher halbherzig und im Vorbeigehen gelöst. Dafür verwendet der Film einen übergroßen Anteil seiner stattlichen Spielzeit darauf, seine hohen Produktionswerte zu demonstrieren oder in Bezug auf alle anderen Charaktere als Palmer möglichst geheimnisvoll und doppeldeutig zu tun. Das stärkt einerseits die Identifikation mit Michael Caine, doch andererseits kappt es auch bitter benötigte Zeit von der finalen Zuspitzung im „albanischen Folterkerker“ ab und macht die Überraschung, wer mit „Bluejay“ im Bunde ist, einigermaßen willkürlich.
Gewissen inhaltlichen Schwächen und Längen zum Trotz macht „Ipcress – streng geheim“ dennoch großen Spaß, weil die Professionalität und der bis heute moderne Look des Films eine kaum zu ignorierende Rolle spielen. Der junge Regisseur Sidney J. Furie und sein erfahrener Kameramann Otto Heller versuchen mit ungewohnten Kameraeinstellungen unter voller Ausnutzung des Scope-Bildformats, sich offensiv von den altgewohnten Kinotraditionen abzugrenzen und durch geschickte Zerr- und Lichteffekte der gedeckten Herbst-Winter-Farbpalette unvorhergesehene Momente zu entlocken. Klassisch ließ man es dagegen bei der Besetzung angehen und wagte keine Experimente. Nigel Green, Guy Doleman und Frank Gatliff zeigen ihre undurchsichtigen, teilweise angsteinflößenden Qualitäten; in Kleinrollen überzeugen Gordon Jackson als Palmers Kumpel, Thomas Baptiste als pfeiferauchender Ami-Agent und Aubrey Richards als Physiker, dem man übel mitspielt. Sue Lloyds wenig interessanten und kaum präsenten Love Interest hätte es allerdings nicht gebraucht; ihr gelegentliches Auftauchen ist den üblichen Genrekonventionen geschuldet.
Etwas arg spekulativer Stoff im eleganten Gewand. Man freut sich mit Michael Caine über Fortschritte und durchleidet Rückschläge – sein Harry Palmer ist ein zwangloser James-Bond-Gegenentwurf mit dunkler Vergangenheit und Durchsetzungsvermögen. Sonst werden von „Ipcress“, dem ein fantastischer Ruf vorauseilt, hauptsächlich optische Meriten hängenbleiben. 3,5 von 5 Punkten.
Schöne Idee, einen derartigen Thread zu eröffnen, da gibt es sicher reichlich Material. Habe "Ipcress - streng geheim" anlässlich der Arte-Ausstrahlung auch gesehen und bin für mich zu einem ähnlichen Resümee gekommen wie du, hätte aber insgesamt einen halben Punkt mehr gegeben. Atmosphärisch und kameratechnisch war das schon stark. Wäre schön, wenn die anderen Harry Palmer-Filme demnächst auch mal wieder ausgestrahlt werden würden.
"Ipcress" war einer von drei britischen Wettbewerbsfilmen beim Festival in Cannes 1965. Der bekannte Filmkritiker/Filmhistoriker Edmund Luft schrieb damals:
"Nach einem Roman von Len Deighton hat Sidney J. Furie diesen spannenden Spionage-Knüller nach besten Rezepten englischer Krimi-Zubereitung inszeniert. Neben trockenen witzigen Dialogen und effektvollen szenischen Wendungen vermerkt man mit Vergnügen einige besondere optische Einfälle, etwa die Unschärfe des Bildes, sobald die Hauptfigur die Hornbrille absetzt oder die auf das Opfer einstürzenden farbigen Wände im Gruselzentrum der Gehirnwaschmaschine. Michael Caine spielt den Helden wider Willen kühl, glatt und mitunter fast unbeteiligt, so dass ein interessanter Kontrast zur Aktion besteht. Sue Lloyd ist ihm eine freundlich-liebreiche Spionage-Partnerin, die anderen Mitwirkenden, vor allem Nigel Green und Guy Doleman, geben vorzügliche britische Geheimdienst-Originale. - Ein Krimi mit besten Geschäftschancen."
Spanien: 1.019.595 Besucher Frankreich: 941.633 Besucher Italien: Platz 55 der 100 erfolgreichsten Filme der Saison Film-Echo-Note: 3,9 (37 Meldungen) / Unter Einbeziehung der guten bis sehr guten Startnoten: 3,7 (42)
Gubanov
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14.08.2018 18:45
#5 RE: Aktenkoffer und Agenten: Internationale Spionagefilme
@Ray: Ich hatte auch zwischen 3,5 und 4 Punkten geschwankt, aber die Abstriche beim Inhalt als wichtigstem Punkt auf meiner Checkliste gaben dann letztlich doch den Ausschlag zur niedrigeren Wertung. Und letztlich habe ich auch gut daran getan: Der Harry-Palmer-Nachfolger "Finale in Berlin" hat mir nämlich nochmal wesentlich besser gefallen.
@Giacco: Danke für die interessanten Einblicke und Zahlen. Vielleicht hast du die auch zu "Finale in Berlin"?
Finale in Berlin (Funeral in Berlin)
Spionagekrimi, GB 1966. Regie: Guy Hamilton. Drehbuch: Evan Jones (Romanvorlage, 1964: Len Deighton). Mit: Michael Caine (Harry Palmer), Paul Hubschmid (Johnny Vulkan), Oskar Homolka (Colonel Stok), Eva Renzi (Samantha Steel), Guy Doleman (Ross), Hugh Burden (Hallam), Heinz Schubert (Aaron Levine), Wolfgang Völz (Werner), Thomas Holtzmann (Reinhardt), Günter Meisner (Kreutzman) u.a. Uraufführung (GB): 23. Februar 1967. Uraufführung (BRD): 17. März 1967. Eine Produktion von Lowndes Productions für Paramount British Pictures.
Zitat von Finale in BerlinAls Vermittler wird Harry Palmer nach Berlin geschickt. Der ranghohe russische Oberst Stok, der als Strippenzieher des Mauerbaus gilt, will nun selbst in den Westen überlaufen, steht aber unter staatlicher Aufsicht, weshalb sich das Unterfangen als einigermaßen schwierig herausstellt. Bei seinen Versuchen, erst einmal abzuklopfen, wie ernst der bekennende Kommunist seinen Umsiedlungswunsch wirklich nimmt, wird Palmer von der reizenden Samantha Steel abgelenkt, die sich ebenfalls als Agentin entpuppt. Welche Gefahr droht Palmer und wie wird es ihm gelingen, Stok in den Westen zu bringen? Er bedient sich der Ratschläge seines alten Kumpanen Johnny Vulkan und des professionellen Fluchthelfers Kreutzman und erlebt dabei so manche Überraschung ...
Obwohl „Ipcress – streng geheim“ als großer Erfolg galt, trennte sich Produzent Harry Saltzman vom angeblich schwierigen Regisseur Sidney J. Furie und griff auf den „Goldfinger“-erfahrenen Guy Hamilton zurück. Fans finden oft „Ipcress“ besser gelungen (weil düsterer und künstlerisch anspruchsvoller) als „Finale“, doch wer beide Filme auf eine stringente und spannende Handlung hin abklopft, wird in „Finale in Berlin“ eine handfestere Ausbeute vorfinden. Hamilton verschwenkt die Action schnell vom britischen Unkrautgarten des Colonel Ross zum sauber geharkten, minentellergespickten Todesstreifen der Berliner Mauer und siedelt vor dieser Kulisse ein raffiniert eingefädeltes Agentenspiel an, bei dem man sich über Motive der Hauptfiguren und die das Publikum in der aktuellen oder nächsten Szene erwartenden Knalleffekte nie sicher sein kann. Wie viele doppelte Böden haben die Aussagen des gehässigen Oberst Stok? Ist Samantha Steel wirklich so unschuldig wie ihre immens starke Indizienbelastung vermuten lässt? Welche Tricks hat Kreutzman in den Fluchtplan eingearbeitet? Oder sind es etwa andere Interessenten, die hier ein Ass aus dem Ärmel ziehen wollen? Und immer schwingen die Gewalt eines damals zeitaktuellen diktatorischen Regimes sowie Andeutungen auf die düstere deutsche Vergangenheit im Hintergrund mit – da kommt einiges an Beklommenheit herüber ...
Michael Caine hat die Rolle des Harry Palmer mittlerweile völlig verinnerlicht. Er wirkt als widerspenstiger, aber williger Mitarbeiter des Geheimdienstes so kaltschnäuzig und keck, dass man ihm mittlerweile die Bewältigung schwierigster Zwickmühlen zutraut. Auch bildet er mit Eva Renzi ein ausgesprochen attraktives Paar, obwohl die gebürtige Berlinerin nur ein Last-Minute-Ersatz für die krankheitsbedingt ausgefallene Anjanette Comer war. Die Rollenverteilung zwischen dem Helden und seiner „Kontrahentin“ ist diesmal merklich ausgewogener als in „Ipcress“, wobei auch Renzi letztlich nur in der zweiten Reihe operiert und die Aufmerksamkeit nach wie vor hauptsächlich auf den männlichen Drahtziehern der Berlin-Verwicklungen ruht. Für diese verpflichtete man ebenfalls hauptsächlich deutschsprachige Schauspieler, unter ihnen z.B. Günter Meisner als verschlagener Menschenschmuggler Kreutzman, Thomas Holtzmann als aufgeregter Polizist, der sich an Harry Palmers zurückliegende Berliner Schwarzmarktgeschäfte erinnert, und Paul Hubschmid als Johnny Vulkan, eine zweischneidige Figur von zentraler Bedeutung.
Ebenso wie man mit dieser Besetzung die Authentizität zu betonen versuchte, spricht auch aus den Außenaufnahmen in Berlin großer Aufwand. Die Mauer wird mehrfach im Original gezeigt; zudem gibt es eine nachgestellte Fluchtszene an einem gedoubelten Abschnitt. In einer Szene überquert Michael Caine den echten Checkpoint Charlie – ein Moment, der dem Zuschauer (mit dem Wissen, dass Caine eine Filmcrew im Rücken hatte) Schauer den Rücken herunterlaufen lässt. Schmückend und attraktiv werden die städtebauerischen Errungenschaften des Westens ins Licht gerückt, wobei vor allem die Verlockungen des Konsums ständig im Fokus sind (Mercedessterne, wohin das Auge blickt, einschließlich des drehbaren Modells auf dem Dach des im Jahr zuvor eingeweihten Europa-Centers). Im filmischen Osten dominieren dagegen Ruinen und Brachflächen das Bild; nicht zuletzt in diesem Kontrast wird ganz klar, dass Spionagethemen auch bei den Alliierten im Kalten Krieg nicht nur unterhaltsame Mode, sondern auch ein gutes Stück Indoktrination waren.
Logischer und atemloser, aber vielleicht inszenatorisch etwas glattgebügelt wird dem Zuschauer eine veritable Schauergeschichte aus der geteilten Stadt nahegebracht. Welcher andere Schauplatz würde sich besser für ein Agentendrama mit Nervenkitzel anbieten als West-Berlin, die berüchtigte „Insel im roten Meer“? Schauspielerisch stark und mit vielen kleinen Seitensträngen, um auch Kenner gespannt bei der Stange zu halten. 4,5 von 5 Punkten.
"Guy Hamilton inszenierte die Geschichte des sachlichen Helden perfekt bis ins Detail. Er vermeidet in der ersten Hälfte, in der nicht allzuviel geschieht, Längen und in der zweiten Hälfte, dem Kapitel der Verwicklungen und Leichen, auch den Hauch von Peinlichkeit. Berlin, die geteilte Stadt, liefert eine pittoreske Staffage. Die Mauer ist zwar handlungsnotwendiges Requisit, aber gerade bei der Einbeziehung dieser traurigen Attraktion wahrt Hamilton taktvoll Distanz. Neben Michael Caine, dem brillanten ehrbaren Engländer, sehen wir Oscar Homolka komödiantisch als russischen Oberst, der augenzwinkernd den Westen blufft. Thomas Holtzmann prägnant als Kripochef, den "Wilden Reiter" Herbert Fux rasiert als Mauergauner und -last not least - Eva Renzi und Paul Hubschmid, ein Paar, das dem Film zumindest in Deutschland zu einer zusätzlichen Publicity verhilft."
Es kursieren übrigens unterschiedliche Gerüchte zum Thema, ob Anjanette Comer wirklich krankheitsbedingt ausfiel. Das Film-Echo meldete im Mai 1966: "Eva Renzi wurde überraschend von Harry Saltzman für die Hauptrolle von "Finale in Berlin" verpflichtet. Die ursprüngliche Hauptdarstellerin Anjanette Comer wurde aus ihrem Vertrag entlassen." Fakt ist, dass Paul Hubschmid dem Produzenten Eva Renzi vorgestellt hatte und dass Saltzman von ihr sehr beeindruckt war. Er bot ihr auch die Rolle der "Helga Brandt" im Bond-Film "Man lebt nur zweimal" an, die sie aber ablehnte.
"Finale in Berlin" Spanien: 1.092.241 Besucher Frankreich: 688.063 Besucher Italien: Platz 85 der 100 erfolgreichsten Filme der Saison. Film-Echo-Note: 4,3 (18) - Note in den Großstädten: 3,6 / in den Klein- und Mittelstädten: 5,7
Zitat von Giacco im Beitrag #6Fakt ist, dass Paul Hubschmid dem Produzenten Eva Renzi vorgestellt hatte und dass Saltzman von ihr sehr beeindruckt war. Er bot ihr auch die Rolle der "Helga Brandt" im Bond-Film "Man lebt nur zweimal" an, die sie aber ablehnte.
Zum Glück für unsere Miss Krimi muss man da wohl sagen.
Gubanov
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16.08.2018 19:52
#8 RE: Aktenkoffer und Agenten: Internationale Spionagefilme
Danke für die spannenden Hintergründe. Die Info mit Anjanette Comer hatte ich von TCM. Die sind für gewöhnlich ziemlich vertrauenswürdig und gut recherchiert.
Zitat von Giacco im Beitrag #6Es kursieren übrigens unterschiedliche Gerüchte zum Thema, ob Anjanette Comer wirklich krankheitsbedingt ausfiel. [...] Fakt ist, dass Paul Hubschmid dem Produzenten Eva Renzi vorgestellt hatte und dass Saltzman von ihr sehr beeindruckt war.
Das eine widerspricht auch in keinster Weise dem anderen. Schließlich muss Renzi ja auch irgendwie ihren Job als Ersatzbesetzung aus einem vermutlich großen Darstellerpool heraus bekommen haben. Im Gegensatz zu den diversen Rollen für "Einheimische" hätte die weibliche Hauptrolle ja nicht einmal unbedingt an eine Deutsche gehen müssen.
Gubanov
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03.10.2018 16:30
#9 RE: Aktenkoffer und Agenten: Internationale Spionagefilme
Dieser Thread hat mich nun auch dazu angehalten, endlich einmal den Filmtipp eines Forumsmitglieds zu sehen, den ich schon (zu) lange auf dem Schirm hatte. Es hat sich gelohnt:
Die Akte Odessa (The Odessa File)
Spionagethriller, GB / BRD 1974. Regie: Ronald Neame. Drehbuch: Kenneth Ross, George Markstein (Romanvorlage, 1972: Frederick Forsyth). Mit: Jon Voight (Peter Miller), Mary Tamm (Sigi), Maximilian Schell (Eduard Roschmann), Derek Jacobi (Klaus Winzer), Klaus Löwitsch (Gustav Mackensen), Hannes Messemer (General Glücks), Shmuel Rodensky (Simon Wiesenthal), Maria Schell (Frau Miller), Peter Jeffrey (David Porath), Ernst Schröder (Werner Deilmann) u.a. Uraufführung (GB): 17. Oktober 1974. Uraufführung (BRD): 7. Februar 1975. Eine Produktion von Domino Productions und Oceanic-Filmproduktion für Columbia Pictures.
Zitat von Die Akte OdessaAus Zufall wird der freie Reporter Peter Miller auf den Selbstmord eines alten Mannes aufmerksam – augenscheinlich nicht mehr als eine Zwei-Zeilen-Story. Ein befreundeter Polizist überlässt Miller das Tagebuch des Toten, das den Suizid in anderem Licht erscheinen lässt: Darin schildert der Jude die schrecklichen Ereignisse im Konzentrationslager von Riga und die Untaten des Lagerleiters und „Schlächters“ Eduard Roschmann. Die Zeilen bewegen Miller dazu, Jagd auf Roschmann zu machen. Seine Motivation geht soweit, sich vom israelischen Geheimdienst anwerben zu lassen, um Roschmann und die ihn umgebende Organisation „Odessa“ auszuheben. Damit macht sich Miller, der unter dem Decknamen Kolb operiert, Todfeinde ...
Die Verfilmung des gleichnamigen Romanerfolgs von Frederick Forsyth stellt ein spannendes Konglomerat aus Vergangenheitsdrama, düsterem Thriller und Spionagefilm dar, dessen Ausgangslage – eine Bedrohung Israels durch von Ägypten beauftragte, aber von Altnazis entwickelte Bomben – eine interessante zusätzliche Motivation zur in offenen Bildern umgesetzten Leidensgeschichte des alten Juden Salomon Tauber darstellt. Die Untaten im Konzentrationslager schienen dem deutschen Verleiher offenbar auch 1974 noch zu sensibel gewesen zu sein, sodass für die deutsche Schnittfassung einige Szenen herausgenommen wurden, die die genauen Vorgehensweisen Roschmanns illustrieren. Derart aufgerüttelt, bleibt der Zuschauer bei den folgenden Ereignissen ebenso beharrlich am Ball wie der Journalist Peter Miller, der durch seine Nachforschungen schnell ins Fadenkreuz der „Odessa“ gerät. Die „Organisation der ehemaligen SS-Angehörigen“ erweist sich ähnlich wie in kritischen deutschen Aufarbeitungsfilmen als eine Vereinigung von Männern, die es durch mangelnde Entnazifizierung, strenge Disziplin und Beutevermögen aus dem Krieg auch in der bundesrepublikanischen Gesellschaft wieder in zentrale Positionen (u.a. in Polizei, Staatsanwaltschaften und Unternehmertum) geschafft haben und die daher einigermaßen ungefährdet agieren können.
Der Film schildert die Suche nach Roschmann, dem man in der Rückblende bereits in der beeindruckenden Gestalt Maximilian Schells begegnet, mit kleinteiliger Genauigkeit. Für jeden Vorstoß, der Miller gelingt, schlägt ihm die „Odessa“ wiederum ein Schnippchen – nach dem Motto „zwei Schritte vor und einer zurück“ ergibt sich auf diese Weise ein spannender Kampf eines Einzelnen gegen ein perfides Netzwerk, das die Produktion mit großteils deutschen Mimen besetzte. Als Odessa-Vertreter hinterlassen z.B. Hannes Messemer, Günter Meisner, Ernst Schröder, Hans Caninenberg und Klaus Löwitsch angemessen verschlagene Eindrücke. Gerade im Spiel von Günter Meisner, der nicht selten in internationalen Produktionen als Nazi zu sehen war, funkelt echte Begeisterung für die alte Sache durch und macht seinen Ein-Szenen-Auftritt damit zu einem beunruhigenden Höhepunkt im frühen Verlauf des Films. Ein weiteres Highlight besteht in jener Szene, in der auf Miller ein Anschlag in der Hamburger U-Bahn verübt und er vor einen in eine Station einfahrenden Wagen gestoßen wird. Der Stunt sieht eindrucksvoll und brandgefährlich aus.
Der Kampf Davids gegen Goliath bleibt bis zum Ende hin faszinierend, was einerseits der dauerhaften Präsenz des charismatischen Jon Voight als Peter Miller zuzuschreiben ist; andererseits auch der Einführung der Figur des Passfälschers Klaus Winzer, der eine Akte über alle Zweitidentitäten der Odessa-Mitglieder angelegt hat. Derek Jacobi ist eine der sympathischen Randfiguren, um die man sich ebenso große Sorgen macht wie über den Protagonisten und die belastenden Beweisstücke. Auch Millers Freundin wird gut in die Handlung integriert und schwebt immer wieder in Gefahr (u.a. in einer beeindruckenden Szene im alten Elbtunnel). Und während viele Spannungsmomente sich allein auf die stille Wirkung ihrer Bilder verlassen, tönt hin und wieder ein selbstbewusster Soundtrack von Andrew Lloyd Webber durch die Boxen.
Da „Die Akte Odessa“ so zielstrebig auf eine Konfrontation zwischen Miller und Roschmann hinarbeitet, hätte die finale Auseinandersetzung der zwei Gegner leicht die aufgebaute Spannung verpuffen lassen und das Publikum enttäuschen können. Tatsächlich aber kreierten die Macher ein überzeugendes, wortreiches Duell zwischen den beiden Antagonisten, in dem beide – mehr oder weniger überraschend – ihre Masken fallen lassen. Schell läuft hier noch einmal zur Hochform auf und zeigt sich als wortgewandter Opportunist, der mehrere Strategien ausprobiert, um sich heil aus der bedrohlichen Lage herauszuwinden. Für Voight alias Miller behielt sich Forsyth indes eine clevere Wendung vor, die seinem Charakter auf den letzten Metern eine spannende Facette hinzufügt. Ob diese allerdings ausreicht, um Roschmann legitim aus dem Weg räumen zu dürfen? In einem Punkt bringt dieser schließlich die sinnvollere Argumentation vor, während sich Miller in seiner Antwort als ebenso eigenmächtiger Richter über Menschen besserer und schlechterer Qualität entpuppt:
Zitat von Maximilian Schell und Jon Voight in „Die Akte Odessa“„Sie haben mich einen Mörder genannt. Wenn Sie jetzt mich umbringen, sind Sie ebenfalls ein Mörder. Wo ist der Unterschied?“ – „Ich würde keinen Menschen umbringen.“
Trotz überbordender Länge entwickelt sich aus dem trostlosen Einstieg eine von Anfang bis Ende hochspannende Jagd nach einem Kriegsverbrecher. Jon Voight zeigt sich engagiert und wandlungsfähig und trägt die meisten Szenen im natürlichen Zusammenspiel mit einem abwechslungsreichen und authentischen Nebendarsteller-Cast. 5 von 5 Punkten – dass sich „Die Akte Odessa“ zu einer Art Kultfilm entwickelt hat, ist leicht nachvollziehbar.
Habe den Film auch vor etwa drei Jahren gesehen und er hat mir ebenfalls sehr gut gefalen. Wollte mir ihn ohnehin demnächst nochmal vornehmen. Nach deiner Rezension dürfte es schneller gehen als geplant.
Zitat von Gubanov im Beitrag #9Dieser Thread hat mich nun auch dazu angehalten, endlich einmal den Filmtipp eines Forumsmitglieds zu sehen, den ich schon (zu) lange auf dem Schirm hatte.
Freut mich, dass dir der Film so zugesagt hat. Ich habe mir kürzlich die DVD besorgt und werde "Die Akte Odessa" demnächst auch mal wieder sichten. Aber ich bin immer noch nicht darüber hinweggekommen, dass der Münchner Stachus hier in einer Szene als Teil der Hamburger Innenstadt ausgegeben wird.
USA (1960) - Regie: Andre de Toth - FSK 12 - Verleih: Columbia Deutsche Erstaufführung: 25.3.1960 Darsteller: Ernest Borgnine, Kerwin Matthews, Glenn Corbett, Friedrich Joloff, Eva Pflug, Colleen Dewhurst, Holger Hagen
Der in Russland geborene Boris Mitrov hat sich in den USA einen Namen als Filmproduzent gemacht. Als die Russen seinen Vater nach Amerika ausreisen lassen, erwarten sie als Gegenleistung von Mitrov, dass er mit ihnen zusammenarbeitet. Doch die US-Abwehr hat ihn längst im Visier und setzt ihn unter Druck, um über ihn an geheime Informationen zu kommen. Nach Mitrovs Kontaktaufnahme mit den Sowjets in Ost-Berlin, geht es weiter nach Moskau, wo es ihm gelingt, das Vertrauen eines leitenden KGB-Mitarbeiters zu gewinnen. Doch ein amerikanischer Altkommunist lässt ihn auffliegen. Zum Glück wurde Mitrov vorgewarnt und sitzt zu diesem Zeitpunkt bereits im Flugzeug nach Ost-Berlin. Doch er ist längst noch nicht in Sicherheit.
"A Double Agent Means Double Danger"
Der Film ist ein Relikt aus dem Kalten Krieg und orientiert sich grob an der wahren Lebensgeschichte des Doppelspions Boris Morros. Regisseur de Toth gab seiner Inszenierung durch zusammenfassende und erklärende Off-Kommentare einen halbdokumentarischen Anstrich. Vieles, was für das damalige Publikum vielleicht noch neu und interessant war, wird den heutigen Zuschauer kaum fesseln. Erst im letzten Filmdrittel verdichten sich mit Mitrovs überstürzter Flucht die Ereignisse und es kommt endlich Spannung auf. Oscar-Preisträger Ernest Borgnine überzeugt in der Rolle des Doppelagenten. Sein junger Partner, der ihm von den Amis zur Seite gestellt wird und ihn nach Berlin begleitet, ist Kerwin Mathews, der später als Held einiger Eurospy-Produktionen zu sehen war. Da der Film zu einem großen Teil in und um Berlin gedreht wurde - damals gab es die Mauer noch nicht - verpflichtete man auch ein paar deutsche Darsteller. So spielt Friedrich Joloff einen leitenden KGB-Mann in Moskau während Holger Hagen als deutscher Kommunist in Erscheinung tritt. Zum Führungspersonal der Sowjets gehört ferner Eva Pflug, die Mitrov in Ost-Berlin in Empfang nimmt. Mit den späteren actionbetonten Spionagethrillern und deren kaltschnäuzigen Helden hat "Geheimakte M" nicht viel gemeinsam.
Film-Echo-Note: 3,9 (bei gerade mal 10 Meldungen).
Oja, spannender Film, danke für den Tipp. Hatte ihn tatsächlich im Archiv als alte Aufnahme (mit deutschem Vorspann) und eben gesehen. Wäre sonst weiter vergessen und ungesehen geblieben.
Interessant übrigens, dass man die CCC-Studios von außen sieht und diese auch Handlungsort sind (ein Attentat passiert dort).