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Dieses Thema hat 7 Antworten
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 Romane
Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 643

10.04.2018 20:40
Die Tür mit sieben Schlössern (1926) Zitat · Antworten

Die Tür mit den sieben Schlössern

Originaltitel: The door with the seven locks
Erscheinungsjahr: 1926


Hauptpersonen:

Unterinspektor Dick Martin - Kriminalbeamter von Scotland Yard
Sybil Lansdown - junge Bibliothekarin
Dr. Staletti - zweifelhafter Arzt und Schlossbesitzer
Lord Pierce Selford - verschollener Stammhalter eines Vermögens
Arthur Havelock - Rechtsanwalt der Selfords
Bertram Cody - ehemaliger Jagdverwalter mit schlechtem Ruf
Mrs. Cody - seine Frau
Tom Cawler - Neffe von Mrs. Cody und Chauffeur
Inspektor Sneed - Vorgesetzter Beamter der Kriminalpolizei
Lew Pheeny - kleiner Ganove
Lopez Silva - ehemaliger Gärtner der Selfords
Giacco - unheimliche Kreatur


Handlung:

Dick Martin, ein junger Unterinspektor bei Scotland Yard und ein Wallace'scher Held ohne Fehl und Tadel, hat seinen letzten Tag im Dienst der bekannten Polizeibehörde und will sein Leben weiterhin anders verbringen. Sein Chef Inspektor Sneed gibt ihm noch ein paar langweilige Routineaufgaben, in deren Verlauf er viele der zukünftigen Hauptfiguren des Buches kennenlernt: den diabolischen Dr. Staletti auf dem düsteren Schloss Selford Manor, den ehemaligen Dieb und jetzigen Chauffeur Tommy Cawler (ein alter Bekannter), und -vor allem- die reizende Bibliothekarin Sybil Lansdown. Natürlich fliegen hier schon ein wenig die Funken, aber tatsächlich kennt er zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal den Namen seiner Angebeteten.
An diesem Abend bekommt er noch Besuch eines ihm bekannten Einbrechers und Schlossknackers namens Lew Pheeney. Der ist total verstört und erzählt Dick eine ominöse Geschichte: Er hätte für viel Geld in einer Totengruft eine geheimnisvolle Tür öffnen sollen, hatte sich aber nicht mehr sicher gefühlt und war geflüchtet. Dick Martin lässt ihn in seiner Wohnung und trägt ihm auf, seine Erlebnisse niederzuschreiben. Als er wieder zurück kommt, ist Pheeney verschwunden, so denkt er, aber am nächsten Tag fällt ihm der kleine Ganove tot aus seinem Schlafzimmerschrank, in welchem er die ganze Zeit über versteckt war. Irgend jemand hatte ihm mit brutaler Gewalt das Genick gebrochen. Niemand kann sich erklären, warum das Ganze geschah.
Zunächst aber arbeitet Dick Martin als Privatdetektiv. Der Rechtsanwalt Havelock beauftragt ihn, den Millionenerben Pierce Selford zu suchen. Dieser ist ein rechter Lebemann, treibt sich überall auf der Welt herum, wovon zahlreiche Postkarten zeugen, und steht kurz vor seinem 25.Geburtstag. Havelock hat Befürchtungen, dass der junge Lord unter schlechten Einfluss gekommen ist oder gar irgendwo unstandesgemäß geheiratet hat. So reist denn Dick Martin dem Globetrotter hinterher, ohne ihn jemals zu erwischen. Auf der Heimreise nach England macht er wieder, wie es der arg strapazierte Zufall will, die erneute Bekanntschaft mit der hübschen Sybil Lansdown einschließlich ihrer Mutter. Die beiden Damen waren dem Aufruf eines gewissen Lopez Silva gefolgt, des ehemaligen Gärtners auf dem Selfordschen Anwesen. Dieser hat nach seinem Tod den beiden einen mysteriösen Schlüssel vermacht. Denn die beiden sind weit entfernte Verwandte der Selfords. Das alles klingt ein bisschen wirr und ist es auch. Irgendwie scheint Wallace der Einstieg in diesen Roman etwas schwer gefallen zu sein.
Nun aber, wieder daheim in London, kommt die Handlung in altbekanntes routiniertes Fahrwasser. Dick kann geradeso den Diebstahl des seltsamen Schlüssels verhindern und begibt sich auf Ermittlung. Was haben all die Geschehnisse zu bedeuten ? Dick Martin befragt Mr. und Mrs. Cody, die in der Nähe des Selford-Anwesens wohnen und früher beim alten Lord Selford in Diensten standen. Wieder läuft ihm der angeblich geläuterte Dieb Tommy Cawler über den Weg. Aber auch dem unheimlichen Dr. Staletti, dem Bewohner des Selford-Anwesens, fühlt er wieder auf den Zahn. Prompt werden einige Mordanschläge auf ihn verübt. Jedes Mal ist eine schreckliche riesige Kreatur daran beteiligt, fast nackt und von gewaltiger Körperkraft, allerdings so schnell und gewandt, dass nur ein flüchtiger Eindruck bleibt. Martins ehemaliger Chef und Freund Inspektor Sneed verdächtigt Dr. Staletti, wieder einmal grausige und ungesetzliche Experimente zu veranstalten, für die er schon in der Vergangenheit berüchtigt war. Doch auch eine Hausdurchsuchung bei dem offenbar etwas größenwahnsinnigen Wissenschaftler bringt keine Ergebnisse. Allerdings zeitigt eine Expedition zu der Selfordschen Gruft zusammen mit Sybil und dem Anwalt Havelock die Erkenntnis, dass hier eine mysteriöse Tür mit sieben Schlössern existiert, hinter der offenbar ein Geheimnis lauert, für das manche Leute töten. Der Schlüssel des ehemaligen Gärtners Silva passt hier, doch wer hat die anderen Schlüssel ? Wieder werden sie von dem riesigen Unhold bedroht. Hatte der ermordete Lew Pheeney etwa auch in dieser Gruft seinen letzten Auftrag erhalten ?
Offenbar gibt es mehrere Personen, die hier im Trüben fischen. So wird denn die unschuldige Sybil Lansdown von den Codys entführt und unter Druck gesetzt. Schließlich ist sie ja eine Verwandte der Selfords, und da gibt es noch ein Millionenvermögen... Doch wenn sie glaubte, schon schlimm in der Falle zu sitzen, so wird es jetzt erst recht eng, da sich die Verschwörer der Geschichte mittlerweile selber untereinander aus dem Weg räumen wollen und wieder die Horror-Kreatur zum Einsatz kommt, diesmal allerdings wird es recht blutig. Doch Hilfe naht von unerwarteter Seite...
Unterinspektor Dick Martin hat noch einige bange Augenblicke zu erleben, bis er seine Sybil in die Arme schließen kann. Es gilt noch viele Fragen zu klären: Wer ist für die Morde, die mittlerweile wieder geschehen sind, verantwortlich ? Was ist das Geheimnis der Tür mit den sieben Schlössern ? Was hat es mit der bzw. den unheimlichen Riesen auf sich ? Ist Dr. Staletti der Hauptbösewicht, oder zieht noch jemand im Hintergrund die Fäden ? Wo sind die restlichen Schlüssel für die siebenschlösserige Tür verblieben ? Und vor allem - wo ist der phantomhafte Pierce Selford, den schon seit Ewigkeiten niemand mehr gesehen hat ? Bis zur Auflösung der Rätsel gibt es noch einige gefahrvolle Momente zu bestehen, und es fließt wieder Blut...


Bewertung:

Als Edgar Wallace "Die Tür mit den sieben Schlössern" schrieb, war die Hoch-Zeit des englischen Schauerromans schon hundert Jahre vorbei. Das hinderte ihn nicht daran, alle möglichen Versatzstücke aus dieser Epoche in die Romanhandlung einzubauen: ein Wissenschaftler, der wie Frankenstein seine eigenen Kreaturen erschaffen will; die schauerlichen Wesen selber, die zwar monströs sind, aber auch mitleiderregend; natürlich wieder ein düsteres Schloss mit einer noch düstereren Totengruft; und dann die geheimnisvolle Tür mit einem dunklen Geheimnis dahinter. Fehlte nur noch ein Geist, aber so etwas soll der Autor nicht gemocht haben. Natürlich ist das ganze vollkommen unrealistisch, aber wohl kaum ein Wallace-Roman bietet so angenehmen Grusel wie der vorliegende. Einfach phantastisch die Szene in der Totengruft, wo Dick, Sybil und Mr. Havelock ein wenig ratlos vor der namensgebenden Tür stehen, derweil draußen sich langsam ein Gewitter entwickelt, außerdem der Unhold irgendwo unsichtbar im Gebüsch lauert und sich die Spannung geradezu fühlbar aufbaut. Respekt ! Die Handlung ist wirklich fast durchgehend spannend, auch wenn es hier und da mal ein kleines Logikloch gibt.
Der Unterinspektor Dick Martin ist einer der arttypischen Wallace-Sympathieträger. Noch recht jung, aber schon mit einiger Berufserfahrung, kräftig, intelligent und von geradem Charakter. Zusätzlich hat er ein besonderes Herz für kleine Diebe, wie Lew Pheeney oder Tommy Cawler. Hat er doch seine Kindkeit als Sohn eines kanadischen Gefängnisleiters mitten unter derartigen inhaftierten Straftätern verbracht und allerhand fingerfertige Praktiken von ihnen gelernt. Manchmal setzt er die sogar ein wenig gesetzwidrig ein, wenn es der Wahrheitsfindung dient.
Sybil Lansdown als weibliche Heldin hat auch wieder die gewohnten ein wenig stereotypen Attribute. Sie ist noch recht jung, arbeitet für ihren Lebensunterhalt, wenngleich diesmal nicht als Sekretärin, sondern Bibliothekarin, und ist natürlich hübsch und eine unverhoffte Millionenerbin. Im Laufe der Handlung entwickelt sie notgedrungen einiges an Tatkraft, um ihren Häschern zu entgehen.
Von den kleineren Ganoven mit Herz gibt es diesmal gleich zwei, wovon der erste, Lew Pheeney, allerdings recht rasch das Zeitliche segnet. Der andere, Tommy Cawler, macht im Verlaufe der Handlung fast ein wenig eine Läuterung durch. War er zuerst in die Ränke der Bösewichte zumindest zum Teil eingebunden, entwickelt er sich später gar zum selbstlosen Retter der bedrohten weiblichen Unschuld und später zum Rächer seines mutwillig ins Elend gestürzten Bruders. Obwohl auch er seine Hände mit Blut befleckt, schweigt Dick Martin im Dienste einer höheren Gerechtigkeit darüber.
Die eigentlichen Schurken der Geschichte sind recht unterschiedlich gezeichnet. Schon bald ist klar, dass Dr. Staletti einer der "Bösen" ist, verschlagen, hinterhältig, geschwätzig, dabei trotz seiner Intelligenz ziemlich verwahrlost. Naja, Italiener kommen bei Edgar Wallace selten gut weg. Aber auch die englischen Codies sind nicht viel besser, ein mittelmäßiges Ehepaar, dass nur aus Vernunftgründen geheiratet hat und maßlos in seiner Gier ist. Mrs. Cody ist eine unzufriedene Frau mit fast schon sadistischen Trieben, wenn es möglich ist. Mr. Cody dagegen ist ein unverbesserlicher Gauner mit mühselig aufrechterhaltener bürgerlicher Fassade. Mit beiden soll es ein schlimmes Ende nehmen...
Doch im Hintergrund gibt es dann doch noch jemanden, der in seiner Respektabilität und Bürgerlichkeit wesentlich schlechter zu durchschauen ist als die Codies, aber auch vor brutaler Gewalt nicht zurückschreckt, wenn er sich schützen will.
Daneben agieren noch einige andere Figuren, etwa Inspektor Sneed, der vom untergebenen Dick Martin nicht sonderlich respektvoll behandelt wird und aufgrund seiner sprichwörtlichen Faulheit des öfteren einen groben Scherz einstecken muss. Aber die beiden sind eher befreundet und gehen sehr kollegial miteinander um. Im Ernstfall kann man sich auf Sneed (meistens) verlassen. Er ist, ähnlich wie Mr. Havelock, der Anwalt, schon ein etwas ein älterer Herr, aber geistig durchaus rege.
Eine Sonderstellung nimmt der Helfershelfer für die "grobe" Arbeit der Kriminellen ein. Wie schon weiter oben erwähnt, ist er mehr ein Opfer als ein Täter, doch auch sein Ende ist nicht ersprießlich. Eine unmenschlich starke, aber nicht sehr kluge Kreatur, die von einem verbrecherischen Hirn von außen gesteuert wird - so was kommt im Schaffen des Autors nicht selten vor.
Zum Ende hin, nachdem sich die Zahl der Schlüsselbesitzer arg dezimiert hat, klärt sich auch das Schicksal des geisterhaften jungen Lord Selford auf. Es gilt für die Helden der Geschichte noch einige böswillige Anschläge auf Leib und Leben zu überstehen, doch dann ist auch das Mysterium der "Tür mit den sieben Schlössern" gelüftet, das Millionenvermögen hat einen dankbaren Abnehmer (bessergesagt Abnehmerin) gefunden, und endlich finden Dick und Sybil auch mal die Zeit für ein paar vertraulichere Worte. Da ist die Schauermär dann auch zu Ende.

Der Roman "Die Tür mit den sieben Schlössern" ist so eine richtig klassische Wallace-Story mit einigem an "Gothic Grusel". Wenn man sich durch den etwas konfusen Anfang durchgearbeitet hat, ist das Buch sehr lesenswert.


Buch

Ich habe hier die normale Goldmann-Ausgabe, dann die Weltbild-Edition (zusammen mit den "Drei Gerechten") sowie die Ausgabe von Heyne gelesen. Die Übersetzerin Marie-Luise Droop hat im Weltbild-Original auf den 200 Seiten ganze Arbeit geleistet, wirklich sprachlich sehr ansprechend. Die Goldmann-Ausgabe wurde offenbar behutsam modernisiert und eventuell hier und da leicht gekürzt, aber das fällt nicht so ins Gewicht, ist vom Sprachstil her noch besser. Die Heyne-Ausgabe fällt sprachlich ziemlich ab. Auch ist sie nicht sehr genau, z.B. aus einem "Mann mit zwei automatischen Pistolen" wird ein "Mann mit zwei Maschinenpistolen" - doch ein gewaltiger Unterschied. Es gibt eine Stelle im Roman, wo die Weltbild/Goldmann-Ausgabe offenbar gekürzt wurde, als Staletti seine Kreaturen "füttert". Ansonsten ist es wohl einer der wenigen Fälle, wo mann die Nachkriegs-Goldmann-Ausgabe zum Lesen empfehlen kann.


Verfilmung:

Der Roman wurde schon mal 1940 in England verfilmt, allerdings mit einigen Änderungen zum Buch hin. Leider verfällt der Film immer dann, wenn es gruselig wird, in irgendwelchen Klamauk, so dass der Eindruck eher zwiespältig ist.
Der deutsche Regisseur Alfred Vohrer versuchte sich dann gute zwanzig Jahre später auch noch mal an dem Stoff, mit wesentlich besseren Ergebnissen.
Traurigerweise gilt die deutsche Edgar-Wallace-Verfilmung von 1962 bei vielen als langweilig oder gar misslungen. Persönlich kann ich das überhaupt nicht teilen. Als ich sie vor vielen Jahren heimlich tief in der Nacht im elterlichen Wohnzimmer geguckt habe, da war ich hellauf begeistert. Na gut, das Gefühl habe ich jetzt nicht mehr, aber das geht mir eigentlich bei allen Filmen meiner Kindheit so. Wenn man dem Film etwas vorwerfen kann, dann ist es das mitunter völlige Fehlen einer akzeptablen Filmmusik. Da wurde echt gepfuscht. Auch das unerklärliche Wegfallenlassen der recht brutalen Eröffnungssequenz, die man im Filmtrailer teilweise noch sehen kann, ist unentschuldbar. Allerdings ist die sonstige filmische Umsetzung des Romans in Ordnung und besonders die Darstellerriege ist erste Klasse. Heinz Drache agiert als Inspektor Dick Martin gewohnt kühl und leicht überheblich, ihm zur Seite steht sein Assistent Holmes, eine hinzugedichtete Figur für den lieben Eddi Arent. Mir gefällt sein Humor hier, einzigartig die Szene, wo sich die beiden gerade so aus einem Auto retten können, das dann in einem See versinkt. Kommentar Holmes: "Schade. Ich hatte ihn eben erst vollgetankt !". Sybil Lansdown wird von Sabina Sesselmann gespielt, eine sehr hübsche und nette Blondine, die man ruhig öfter als zweimal in der Serie hätte sehen wollen. Klaus Kinski hat nur eine unbedeutende Rolle als Kleinganove Lew Pheeney, der recht bald malerisch als Leiche aus dem Schlafzimmerschrank herausfällt. Jan Hendiks hat den Part des eigentlich sympathischen Diebes und Chauffeurs Tommy Cawler. Dagegen wird der furchterregende Unhold Giacco wieder von Ady Berber verkörpert, obwohl er irgendwie nicht ganz so böse wie der "Blinde Jake" rüberkommt. Dagegen ist der Dr. Staletti , gespielt von Pinkas Brown, wirklich ein Ausbund an Bösartigkeit und Wahnsinn. Mir gefällt er in seiner Darstellung dieser Figur als gepflegter und fast schon intellektueller Arzt besser als der verschmutzte Hutzelgnom, der er eigentlich in der Romanvorlage ist. Ein besonders einprägsames Verbrecherpaar sind die Codies. Hier agiert Werner Peters als nervöser und unterwürfiger Betram Cody neben Gisela Uhlen, die eine eiskalte und herrische Frau vom Allerfeinsten mimt. Beide lauschen gerne mal den hehren Orgelklängen von Bach, was dann bei Mrs. Codies Abtritt von der Bildfläche noch einmal recht makaber zum Spielen kommt. Siegfried Schürenberg gibt seinen Einstand in die Serie als leicht vertrottelter Polizeichef. Daneben spielen noch Friedrich Joloff als angeblich stummer Hausmeister Burt (eine dazugedichtete Rolle) und Hans Nielsen als scheinbar seriöser und väterlicher Rechtsanwalt Havelock.
Die Handlung des Films ist natürlich an einigen Stellen besonders zum Ende zum Roman hin abgeändert worden, der Regisseur wollte weder eine Weltreise noch ein brennendes Schloss in seinem Budget verantworten. Dr. Staletti will hier an dem gefangenen Tommy Cawler noch den russischen Professor Pawlow übertrumpfen, was eigentlich für die Handlung wenig Sinn macht, aber besonders gruselig wirken soll. Auch der junge Lord Selford nimmt ein anderes, aber wenig besseres Ende als im Buch. Ansonsten hat man sich doch weitgehend an die Vorlage gehalten, es ist eine recht werkgetreue Verfilmung.
Besonders rührend finde ich immer ganz den Schluss des Films, als die geheimnisvolle Tür nun endlich geöffnet wurde und den Beteiligten eine nicht mehr ganz taufrische Leiche entgegenmodert. Da schickt der Inspektor Martin seine erschrockene Sybil ganz altpasternalisch nach draußen ("Das ist nichts für dich. Ich bring dich dann nach Haus".) und sie gehorcht ihm auch wohlgefällig. Ach waren das noch Zeiten - keine saucolen abgeklärten schmuddeligen Fernsehkommissarinnen, die den Kerlen erst mal zeigen müssen, wo es lang geht. Früher war vielleicht doch einiges besser...

"Die Tür mit den sieben Schlössern" ist ein typischer Wallace-Film mit allen Zutaten inklusive Schlössern, Geheimgängen, Nebel, Morden , Bösewichtern und smarten Helden. Lohnt sich anzuschauen.

Count Villain Offline




Beiträge: 4.616

11.04.2018 08:39
#2 RE: Die Tür mit sieben Schlössern (1926) Zitat · Antworten

Hier geht es zwar eigentlich um den Roman, aber ...

Zitat
Traurigerweise gilt die deutsche Edgar-Wallace-Verfilmung von 1962 bei vielen als langweilig oder gar misslungen. Persönlich kann ich das überhaupt nicht teilen. Als ich sie vor vielen Jahren heimlich tief in der Nacht im elterlichen Wohnzimmer geguckt habe, da war ich hellauf begeistert. Na gut, das Gefühl habe ich jetzt nicht mehr, aber das geht mir eigentlich bei allen Filmen meiner Kindheit so.



Als Kind fand ich auch die Tür von den Wallace-Filmen mit am gruseligsten (zusammen mit dem - ebenfalls von vielen als langweilig empfundenen - Rächer). Den vielleicht in der Fan-Welt klassischsten Wallace-Grusler "Tote Augen" habe ich dagegen erst später gesehen, was dann nicht mehr so den Eindruck machte wie z. B. das Ende der Codys oder kopflose Leichen in einem dunklen Gang.

Humphrey Connery Offline




Beiträge: 44

11.04.2018 12:17
#3 RE: Die Tür mit sieben Schlössern (1926) Zitat · Antworten

Für mich war "Die Tür mit den sieben Schlössern" der erste TV Wallace. Und ich war so beeindruckt davon, dass ich mir sofort den Goldmann Rote Krimi wünschte. War damals circa zwölf Jahre alt. Fand auch das Buch sehr gut und verschlang es regelrecht (hab es vor drei Jahren wieder gelesen). Pinkas Braun als wahnsinniger Arzt bzw. Scharlatan blieb mir unvergessen.

Mr. Igle Offline




Beiträge: 127

11.04.2018 22:18
#4 RE: Die Tür mit sieben Schlössern (1926) Zitat · Antworten

Ein überaus gelungene Rezension dieses Romans, den man sicherlich mit Fug und Recht als eines der gelungensten Werke des Altmeisters bezeichnen darf. Chapeau, Dr. Oberzohn! Ich finde deine ausführlichen Buchbesprechungen wirklich äußerst gelungen und muss zudem lobend hervorheben, dass du dir mit dem Vergleich zu der/den Verfilmung(en) noch so viel zusätzliche Mühe machst. Gerne mehr davon.

"Entspannen Sie sich, durch Hochspannung!"

Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 643

12.04.2018 20:09
#5 RE: Die Tür mit sieben Schlössern (1926) Zitat · Antworten

Vielen Dank für die Blumen, Mr. Igle ! So viel Lob macht ja richtig verlegen .
Aber es soll mir Ansporn sein für viele weitere Rezensionen. Da hat man ja bei Edgar Wallace noch reichlich Stoff...

Savini Offline



Beiträge: 756

15.07.2021 14:24
#6 RE: Die Tür mit sieben Schlössern (1926) Zitat · Antworten

Wirklich eine ebenso umfassende wie treffende Beschreibung des Buches!

Ein paar Anmerkungen dazu hätte ich dann doch noch.
Zuerst eine Kleinigkeit:

Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #1
Als Edgar Wallace "Die Tür mit den sieben Schlössern" schrieb, war die Hoch-Zeit des englischen Schauerromans schon hundert Jahre vorbei.

Tatsächlich? Waren "Dr. Jekyll und Mr. Hyde" (1886) und "Dracula" (1897) nicht auch noch Klassiker dieses Genres?
Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #1
Inspektor Sneed, der vom untergebenen Dick Martin nicht sonderlich respektvoll behandelt wird und aufgrund seiner sprichwörtlichen Faulheit des öfteren einen groben Scherz einstecken muss. Aber die beiden sind eher befreundet und gehen sehr kollegial miteinander um. Im Ernstfall kann man sich auf Sneed (meistens) verlassen. Er ist, ähnlich wie Mr. Havelock, der Anwalt, schon ein etwas ein älterer Herr, aber geistig durchaus rege.

Im Thread über den Roman "Gangster in London" wurde vermutet, dass der dortige Polizeichef Sir Jonathan Goussie ein Vorbild für Siegfried Schürenbergs Sir John gewesen sein könnte.
Bei Inspektor Sneed hatte ich diesen Verdacht schon länger, eben weil dieser anders als andere Vorgesetzte bei Scotland Yard (soweit es diese in den Romanen gibt) komische Ansätze hat. In der Verfilmung der "Tür" hatte Siegfried Schürenberg bekanntlich seinen ersten Auftritt; Sir John hatte dort zwar einen kurzen humorvollen Moment, war aber (ebenso wie beim "Gasthaus" noch in erster Linie Respektperson. Ob bei diesem Drehbuch noch Sneed Pate stand? Denn die früheren Vorgesetzten waren in den Filmen stets ernsthaft geblieben (abgesehen vielleicht von den kurzen verbalen Scharmützeln zwischen Haggett und Sir Archibald im "roten Kreis").


Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #1
Ich habe hier die normale Goldmann-Ausgabe, dann die Weltbild-Edition (zusammen mit den "Drei Gerechten") sowie die Ausgabe von Heyne gelesen. Die Übersetzerin Marie-Luise Droop hat im Weltbild-Original auf den 200 Seiten ganze Arbeit geleistet, wirklich sprachlich sehr ansprechend. Die Goldmann-Ausgabe wurde offenbar behutsam modernisiert und eventuell hier und da leicht gekürzt, aber das fällt nicht so ins Gewicht, ist vom Sprachstil her noch besser. Die Heyne-Ausgabe fällt sprachlich ziemlich ab. Auch ist sie nicht sehr genau, z.B. aus einem "Mann mit zwei automatischen Pistolen" wird ein "Mann mit zwei Maschinenpistolen" - doch ein gewaltiger Unterschied. Es gibt eine Stelle im Roman, wo die Weltbild/Goldmann-Ausgabe offenbar gekürzt wurde, als Staletti seine Kreaturen "füttert". Ansonsten ist es wohl einer der wenigen Fälle, wo mann die Nachkriegs-Goldmann-Ausgabe zum Lesen empfehlen kann.

Beim Vergleich von Marie-Luise Droops Übersetzung mit der von Heyne sind mir allerdings gegen Ende einige gravierende Abweichungen aufgefallen:
Die Szene, nachdem Stalettis Wagen in den See gestürzt ist, ist bei Frau Droop deutlich länger und ausführlicher; so beschreibt Cawler, woran er seinen Bruder erkannt habe und dass die andere Kreatur Lord Selford gewesen sei, was Martin erschüttert. Nachdem Havelock überführt wurde und er die Schlüssel nicht mehr hat, gibt er sich geschlagen, während er bei Heyne wieder ohnmächtig wird. Auch konfrontiert Martin ihn hier bereits damit, dass er an den Finger des Anwalts grüne Flecken gesehen habe, nachdem dieser ihm einen mit grüner Tinte geschriebenen Brief gezeigt hatte; diese Aussage erfolgt bei Heyne erst in einem Dialog mit Sneed, nachdem das Geständnis gelesen wurde. Bei dieser Gelegenheit erwähnt er auch erst, dass Cawler seinen Bruder erkannt habe, was in der Droops-Übersetzung wie gesagt schon früher kam.
Dafür sind Martins anklagende Worte, mit denen er Haverlock niederdonnert, bei Goldmann/Weltbild knapper gehalten und enthalten keine so genaue Aufzählung der Schandtaten des Anwalts wie bei Heyne.
Wie sich online herausstellte, entspricht die Heyne-Version inhaltlich der englischen, die bei Gutenberg abrufbar ist. Siehe beispielhaft hier das 30. Kapitel:http://gutenberg.net.au/ebooks02/0200981h.html#ch30
Entweder hat die Übersetzerin hier das Original ergänzt bzw. umgestellt, oder es gab eine abweichende Textversion von Wallace, die ihr vorlag.

Die Qualität der Übersetzung (und das Lob dafür, dass diese nicht nachträglich verhunzt wurde) schmälert das natürlich nicht; es war mir nur aufgefallen.

Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 643

16.07.2021 16:37
#7 RE: Die Tür mit sieben Schlössern (1926) Zitat · Antworten

Zitat von Savini im Beitrag #6
Tatsächlich? Waren "Dr. Jekyll und Mr. Hyde" (1886) und "Dracula" (1897) nicht auch noch Klassiker dieses Genres?

Soweit mir bekannt ist, gilt die Zeit bis maximal in die zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts als Periode des klassischen (englischen) Schauerromans, der zu der Zeit auch in deutschen Landen populär gewesen sein muss. Sozusagen in Reinkultur. Ist nicht mein Spezialgebiet… Edgar Allan Poe, R.L. Stephenson, Bram Stoker, selbstverständlich auch Edgar Wallace (nicht nur bei der „Tür“) und viele andere haben Versatzstücke daraus verwendet, aber im Zusammenhang mit Kriminalistik, Sozialkritik, Psychologisierung , Thrill usw., auch moderne Horrorliteratur wie Stephen King u.a. bedienen die ewige Lust am Schaurigen, wenn auch in expliziterer Form.

Die genaue Grenze hat da die trockene Literaturgeschichte festgelegt.

Zitat von Savini im Beitrag #6
Beim Vergleich von Marie-Luise Droops Übersetzung mit der von Heyne sind mir allerdings gegen Ende einige gravierende Abweichungen aufgefallen:

Das stimmt schon. Mir ist nur aufgefallen, dass die Episode mit der Fütterung der beiden Kreaturen bei Frau Droop komplett entfallen ist.

Savini Offline



Beiträge: 756

16.07.2021 17:24
#8 RE: Die Tür mit sieben Schlössern (1926) Zitat · Antworten

Die beiden Geschichten von Stevenson und Stoker haben natürlich in der Populärkultur viel größere Spuren hinterlassen als frühere Werke, obwohl sie natürlich ihrerseits durch diese geprägt wurden.

Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #7
Mir ist nur aufgefallen, dass die Episode mit der Fütterung der beiden Kreaturen bei Frau Droop komplett entfallen ist.

Ist es nicht umgekehrt? Vielleicht sprechen wir aber auch in diesem Fall von verschiedenen Stellen.
In der Droop-Übersetzung (S. 493, Weltbild) gibt es eine Passage, wo er ihnen "süße Milch und saftiges Fleisch" anbietet, was bei Heyne und in der Gutenberg-Version so nicht vorkommt. Dort übrigens erscheint er mit einer Hundepeitsche und nennt die zweite Kreatur (also Lord Chelford) Beppo".
Oder meinst du die Passage, nachdem Sneed den "Galgenhof" durchsucht hat? Dort ist tatsächlich bei Heyne von "Milch und Fleisch" die Rede.
Kommt es dir auch komisch vor, dass die Übersetzerin die Szene mit Cawlers Geständnis anscheinend stark ausschmückte (inhaltlich und emotional) und danach einige inhaltliche Aussagen an anderen Stellen unterbrachte?

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