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Dieses Thema hat 11 Antworten
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 Romane
Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 644

21.03.2018 17:29
Die Bande des Schreckens (1926) Zitat · Antworten

Die Bande des Schreckens

Originaltitel: The Terrible People
Erstveröffentlichung: 1926

Hauptpersonen:

"Wetter" Arnold Long - Inspektor von Scotland Yard
Clay Shelton - Meisterfälscher und Mörder
Alicia Revelstoke - vermögende ältere Dame
Nora Sanders - Privatsekretärin bei Miss Revelstoke
Godley Long - Bankier und Vater von Arnold Long
Joshua Monkford - Bankier
Mr. Cravel - Hotelbesitzer mit zweifelhaftem Benehmen
Alicia Cravel - seine Schwester
Frederick Henry - strebsamer Rechtsanwalt
Jackson Crayley - schwächlicher Gartenbesitzer
Wachtmeister Rouch - Untergebener von Inspeltor Long
Oberst Macfarlane - Chef von Inspektor Long

Inhalt:

Englands Bankenwelt zittert vor Clay Shelton, dem meisterhaften Scheckfälscher. Scotland Yard braucht endlich einen Erfolg und setzt schließlich Inspektor Arnold Long auf den Schurken an, obwohl der noch recht junge Inspektor wegen seiner laxen Auslegung der Dienstvorschriften und rüden Ermittlungsmethoden eher berüchtigt ist. Der aufgrund einer Angewohnheit auch "der Wetter" genannte Kriminalist schafft tatsächlich auch bald das Unmögliche: Es gelingt ihm, Shelton in flagranti zu verhaften, wobei allerdings ein Polizist getötet wird. Kurz vor seiner Hinrichtung prophezeit der Verbrecher dem Inspektor Long sein baldiges Ende und auch das der anderen an seinem Tode Beteiligten. Kaum hat "der Wetter" Zeit, darüber nachzudenken, schon fliegen ihm die ersten Kugeln um die Ohren. Der Attentäter war ein ehemaliger Sträfling, der den Inspektor hasste und nach dem missglückten Mordanschlag selber erschossen wurde. Der Staatsanwalt, der Richter und der Henker von Clay Shelton sterben in der Folge an seltsamen Unglücksfällen, die Inspektor Long in akribischer kriminalistischer Polizeiarbeit als äußerst geschickt getarnte Mordanschläge entlarven kann. Bei seinen Vorgesetzten stößt er damit auf wenig Gegenliebe, sie halten die "Bande des Schreckens", die den Tod Clay Sheltons rächen will, für ein pures Hirngespinst. Daran ändern auch weitere Opfer im Umfeld von Sheltones Tod sowie mehr oder wenig komplexe Mordanschläge auf den wackeren Polizeiinspektor wenig. Immerhin bekommt er den Auftrag, den fröhlichen und beleibten Bankier Joshua Monkford zu beschützen, der maßgebend an Sheltons Verhaftung beteiligt war. Dessen Bekannte und Nachbarin, die ältliche Miss Revelstoke, hat eine junge und schöne Sekretärin. Es ist natürlich nur eine Frage der Zeit, dass die beiden jungen Menschen sich näher- und nahekommen. Miss Revelstoke ist davon gar nicht begeistert. Lieber hätte sie es gesehen, wenn Nora Sanders dem Werben von ihrem Rechtsanwalt Frederick Henry nachgegeben hätte. Doch die Ereignisse nehmen ihren verhängnisvollen Lauf. Die Beteilgten fahren in das Hotel von Mr. Cravel und seiner Schwester zum Golfspielen, ebenso wie der seltsame Mr. Crayley, auch ein Nachbar von Monkford und bei der Verhaftung von Shelton durch Zufall auch beteiligt (Ein bisschen viel Zufall...). Dabei schwebt über allen der drohende Schatten des hingerichteten Verbrechers - die "Galgenhand" sucht und findet weitere Opfer. Auch Nora Sanders wird in das undurchsichtige Spiel mit einbezogen, sie bekommt merkwürdige Geschenke verehrt und soll schließlich gar ein Millionenvermögen erben... Offenbar haben es die Bösewichter auch auf sie abgesehen, denn sie wird (nicht nur einmal) entführt und Inspektor Long hat alle Hände voll zu tun, sie zu retten, Anschläge auf sein Leben abzuwehren und das Geflecht der Beziehungen aller beteiligten Personen zu entwirren. Sogar sein eigener Vater scheint mehr zu wissen und dunkle Familiengeheimnisse zu verbergen, die den Fall in einem ganz anderen und für Inspektor Long unangenehmen Licht erscheinen lassen. Doch die Verbrecher fackeln nicht lange, und so kommt es letztendlich zum dramatischen Finale...

Bewertung:

Eigentlich hat die "Schreckensbande" alles, was einen guten Wallace ausmacht. Morde, Entführungen, ein schrecklicher Fluch, eine geheimnisvolle Organisation, rätselhafte Gestalten, einen beherzten Helden und eine verfolgte Unschuld, eingebettet in ein temporeiches Geschehen. Aber es gibt auch wieder die üblichen Unwahrscheinlichkeiten sowie ein zwar spannendes, aber doch sehr unwahrscheinliches Finale.
Zu Beginn des Buches und immer mal zwischendrin schildert der Autor die Flusslandschaft der Themse außerhalb Londons, an der viele Beteiligte ihr Grundstück haben. Die Naturbeschreibungen sind ihm wirklich sehr gut gelungen, man sieht, riecht und fühlt die Landschaft förmlich. Ein eigenartiger Kontrast zu der doch sonst recht düsteren Handlung. Der Autor hätte möglicherweise schon Talent zu Höherem gehabt...
Inspektor Long ist so ein richtig starker, männlicher Held, während Nora Sanders diesmal wirklich mehr die verfolgte Schönheit ist, die sich öfter mal retten lassen muss. So gut die Guten sind, so böse sind die Bösen. Der eifrige Wallace-Konsument wird schon lange festgestellt haben, dass die Anzahl der Leichen bei den Verfilmungen meist um einiges höher als in den Romanen ist. Die "Bande des Schreckens" allerdings mordet auch in der Romanvorlage tatsächlich recht unbekümmert. Dabei kommen allerlei gut durchdachte "Unfallszenarien" und technische Finessen (Mord im verschlossenen Raum) zum Einsatz, aber auch purer Meuchelmord aus dem Hinterhalt. Die Kontakte zur Unterwelt nimmt eine geheimnisvolle Gestalt mit der Bezeichnung "Der Professor" auf, dessen Identität schleierhaft ist. So nach und nach werden die Mitglieder der geheimen Rächergruppierung sowie auch ihr Motiv enttarnt (immerhin galt Clay Shelton bisher ja als Einzeltäter ohne Verbindungsleute). Aber wer ist der Chef ? Doch es gibt auch wenigstens eine eher tragische Figur, die zu den Untaten gezwungen wird und es nicht schafft, sich aus diesen Verstrickungen zu lösen. Bis zum bitteren Ende...
Inspektor Long erfährt mit der Zeit , dass er dem hingerichteten Fälscher samt seiner Gruppierung näher stand, als er es sich hätte träumen lassen. Denn auch sein Vater Godfrey Long, der reiche Bankier, hat seine Geheimnisse in der Vergangenheit. Eine typische Wendung für Edgar Wallace, die nun aber nicht unbedingt realistisch ist.
Der "Wetter", kein Frauenheld, fühlt sich nur langsam zu Nora Sanders hingezogen, wenngleich sie seine Gesellschaft sofort zu schätzen weiß. Doch die Gangster haben die Sekretärin der Miss Revelstoke in ihre Gewalt gebracht. Sie soll als Mittlerin zu einem Millionenvermögen fungieren, auch das wieder ein oft gebrauchtes Thema bei E.W. Außerdem wollen sie den armen Inspektor Long damit erpressen, dass er sozusagen zu seiner eigenen Beerdigung kommen soll. So findet denn das Finale im leerstehenden Golfhotel des Mr. Crayley statt. Und während die Schurken eifrig bemüht sind, dem armen Inspektor das Lebenslicht auszublasen, hat man das Gefühl, das halb London mal zwischendurch zu Besuch kommt. Ein einziges treppauf, treppab, hin und her. Alle Figuren schlagen irgendwann mal dort auf, werden niedergeschlagen, verstecken sich oder verschwinden einfach wieder. Das liest sich eher wie ein überkandideltes Theaterstück als ein doch ernst sein sollender Roman. Aber das ist natürlich wieder persönlicher Geschmack, vielen wird der Schlussteil, ähnlich wie im Film, besonders gut gefallen. Nachdem nun auch das Rätsel des Mordes im verschlossenen Raum geklärt wurde, was wieder mit einem Opfer einherging, gelingt dem "Professor" als Hauptübeltäter vorläufig die Flucht ins Ausland, doch auch dort ereilt ihn schließlich die Gerechtigkeit. Nach einigen dramatischen Wendungen kann Inspektor Long dann tatsächlich noch seine Nora heiraten und sich wieder mit seinem Vater aussöhnen. So ist auch bei der "Bande des Schreckens" schließlich alles gut ausgegangen...


Alles in allem ist die "Bande des Schreckens" ein temporeicher Thriller. Für den Wallace-Freund ein Muss !


Buch:

Nach der Goldmann-Ausgabe habe ich die Heyne-Übersetzung und ganz zum Schluss die Weltbild-Ausgabe gelesen. Hier merkt man wieder mal, wie sehr Goldmann nach dem Krieg mitunter die Romane verstümmelt hat. Die "Bande" ist wohl einer der krasseren Fälle. Also auf jeden Fall die Weltbild-Version lesen !


Verfilmung:

Als dritten Beitrag der offiziellen deutschen Edgar-Wallace-Reihe drehte Harald Reinl im Jahre 1960 "Die Bande des Schreckens". Hier wird zum ersten Mal der typische bizarre Grusel zelebriert, der die besten Filme der Serie ausmacht. Kleinere und größere Änderungen zum Roman hin lassen doch stets immer noch die Vorlage durchscheinen, es ist wohl noch eine recht werkgetreue Verfilmung. Es wird zumindest am Anfang größeren Wert auf die "Galgenhand" und den "Geist" von Clay Shelton gelegt, der an den Tatorten der Morde auftritt. Leider wurde dieses Motiv dann irgendwann fallengelassen, obwohl es gerade gute Gruselstimmung verbreitete. Ansonsten ist es der erste gemeinsame Auftritt von Joachim Fuchsberger alias Inspektor Long sowie Karin Dor als Nora Sanders in einem Wallace-Film. Frau Dor agiert hier fast noch als kleines Mädchen, so rein, lieb und unschuldig ist sie, wenngleich sie recht oft mit angstverzerrtem Gesichtsaudruck in die Kamera schauen muss. "Blacky" ist mal wieder der Held ohne Fehl und Tadel, manchmal gar mit einem recht bösen Spruch auf den Lippen. Eddie Arendt gibt den Polizeifotogafen Edwards, eine hinzugedichtete Figur, der aber trotz seiner Aversion gegen Leichen sogar recht tatkräftige Hilfe gibt. Elisabeth Flickenschildt als Mrs. Revelstoke setzt in Punkto kühler aristokratischer Überheblichkeit natürlich Akzente, Fritz Rasp gibt den geheimnisvollen Vater Godley Long, während Ulrich Beiger gewohnt schmierig-unsympathisch den Rechtsanwalt Mr. Henry mimt. Zu erwähnen sind noch der überängstliche Dieter Eppler als Jackson Crayley, die etwas anzügliche Karin Kernke als seine Geliebte Alice (eine Abweichung zum Buch) und der ruppig-böse Alf Marholm als Hotelbesitzer Cravel. Karl-Georg Saebisch hat eine Doppelrolle als Zwillingsbruderpaar Monkford darzustellen, was beide Male böse endet. Zu erwähnen ist noch die Musik von Heinz Funk, die die unheimliche Atmophäre gut unterstreicht. Einige Stellen des Films bleiben durchaus im Gedächtnis hängen, etwa wenn der "Geist" Clay Shelton mit erhobener "Galgenhand" vorne auf dem Bug einer Motorbarkasse steht und das Ruderboot der armen Karin Dor bzw. Nora Sanders rammt. Mehrere der Morde sind recht brutal in Szene gesetzt, zum Beispiel das Zu-Tode-Stürzen der verräterischen Alice in einen unfertigen Fahrstuhlschacht. Daneben gibt es gleich zu Anfang eine geradezu unglaublich schlecht gemachte Rückprojektion, als Inspektor Long über ein Nagelbrett fährt und mit dem Auto ins Schleudern kommt.
Bei der Verfilmung tritt noch viel deutlicher als im Buch die Unwahrscheinlichkeit zu Tage, dass sich alle Beteiligten irgendwie kennen und dann sogar noch im selben Golfhotel Urlaub machen. Eigentlich völliger Blödsinn, aber Logik ist nun mal nicht die Stärke dieser Art Filme. So muss denn auch trotz Wissens des Polizeichefs der geschundene Inspektor Long zum Schluss alleine gegen die Schurken im verlassenen Hotel kämpfen, wobei sie ihn schon x-mal hätten umbringen können, aber ähnlich wie bei James Bond soll es eben auf besondere Art geschehen, so dass er sie alle so nach und nach außer Gefecht setzen kann. Auch hier gibt es wie im Roman ein ziemliches Hin und Her mit verschiedenen Besuchern zwischendurch. Aber irgendwann sind die Bösewichter alle tot, die Polizei kommt auch hereingestürmt wenn alles vorbei ist, und Fotograf Edwards will nur noch Tiere und schöne Dinge anstatt Leichen fotografieren. Gerade das Ende des Filmes hat so richtigen Kultwert und zeichnet Harald Reinl eben auch als ewigen Heimatfilm-Regisseur aus, als nach all den düsteren Schrecknissen das junge glückliche Paar sorglos auf einer sonnenbeschienen Wiese umherturtelt, während über ihm sogar der hohe wolkenlose Schwarzweiss-Himmel förmlich blau herunterstrahlt und die Filmmusik alle Register des Kitsches zieht. Hier ist es noch einiges "schärfer" als beim Frosch mit der Maske, der ein ähnliches heimeliges Ende aufzuweisen hat. Aber dafür lieben wir die Filme doch gerade, oder ?
Immerhin, die "Bande des Schreckens" ist einer derjenigen Edgar-Wallace-Filme, die bei mir am häufigsten ihren Platz im DVD-Player finden. Einfach gut !

Count Villain Offline




Beiträge: 4.616

22.03.2018 11:39
#2 RE: Die Bande des Schreckens (1926) Zitat · Antworten

Sehr schöne Rezension mal wieder.

Mit der Grundkonstellation der - mehr oder weniger - rasch erfolgenden Morde an einem bestimmten Personenkreis (und dem Motiv der Teilhabe an dem Tod einer bestimmten Person) kann der Roman meines Erachtens fast schon als Vorläufer des modernen Slashers gelten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

22.03.2018 15:28
#3 RE: Die Bande des Schreckens (1926) Zitat · Antworten

Endlich ein Review zur "Bande des Schreckens" - ein Buch, das ich auch als eines der stärksten von Edgar Wallace einschätze. Es ist sehr spannungs- und abwechslungsreich und natürlich perfekt als Filmvorlage geeignet, hätte aber z.B. auch gut in die Hörplanet-Hörspielreihe gepasst. Auch mir ist bei der "Bande des Schreckens" der Kontrast aus einer recht schonungslosen Handlung und sehr stimmigen Schauplatzbeschreibungen aufgefallen; dadurch erhält das Buch eine herrlich frische, sommerliche Atmosphäre, die den Bodycount ein bisschen abmildert.

Count Villain Offline




Beiträge: 4.616

02.12.2018 00:07
#4 RE: Die Bande des Schreckens (1926) Zitat · Antworten

Da dieser Roman-Thread beim "Wallace der Woche" schon so schön verlinkt ist, auch hier noch mal eine Reaktion.

Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #1
Bei der Verfilmung tritt noch viel deutlicher als im Buch die Unwahrscheinlichkeit zu Tage, dass sich alle Beteiligten irgendwie kennen und dann sogar noch im selben Golfhotel Urlaub machen. Eigentlich völliger Blödsinn, aber Logik ist nun mal nicht die Stärke dieser Art Filme.


Wobei gerade in diesem Film/Roman diese Unwahrscheinlichkeit am Ende sauber aufgelöst wird! Immerhin sind ein Großteil der Beteiligten auf Seiten der Verschwörer. Hier hat - im Gegensatz zu vielen anderen Zufällen in Wallaces Werken - der Zuschauer/Leser einen berechtigten Grund, um misstrauisch zu sein. Gerade das macht die Bande so hervorstechend und rund.

schwarzseher Offline



Beiträge: 626

20.05.2020 18:30
#5 RE: Die Bande des Schreckens (1926) Zitat · Antworten

Da ist nicht viel hinzuzufügen ,spannender Roman ,wobei gerade der Schluss im Hotel leider wirklich etwas zuviel hin und her ohne "Ergebnis" ist . Da ist die doch etwas gerafftere Filmversion eingänglicher.Ansonsten ist der Film sehr nah an der Vorlage .Gefällt mir gut...spannend ( und wenn man den gelungenen Film vorher gesehen hat sieht man die Figuren quasi vor sich )

Savini Offline



Beiträge: 756

17.03.2021 15:31
#6 RE: Die Bande des Schreckens (1926) Zitat · Antworten

Die Verfilmung war der erste Wallace-Film, den ich gesehen habe - und das Buch wenig später einer der ersten Romane (leider damals in der Goldmann-Version). die Adaption hier (verglichen mit vielen anderen) relativ eng an der Vorlage blieb (natürlich mit zahlreichen Vereinfachungen und Dramatisierungen sowie noch mehr Leichen) bot sich bei vielen Szenen und Figuren ein Vergleich geradezu an.

Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #1
Inspektor Long erfährt mit der Zeit , dass er dem hingerichteten Fälscher samt seiner Gruppierung näher stand, als er es sich hätte träumen lassen. Denn auch sein Vater Godfrey Long, der reiche Bankier, hat seine Geheimnisse in der Vergangenheit. Eine typische Wendung für Edgar Wallace, die nun aber nicht unbedingt realistisch ist.

Ob es bei diesem Autor überhaupt besonders sinnvoll ist, nach "Realismus" zu fragen?
Aber in diesem Fall erschien mir die enge Verbindung etwas zu viel, weil dadurch der Kampf gegen die "Galgenhand" (wenn man darüber nachdenkt) zu einer "innerfamiliären Angelegenheit" wird. Dass man die Sache im Film auf eine frühe und kurze Ehe reduzierte und es am Ende in wenigen Sätzen abhandelte, war eine gute Entscheidung.

Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #1
Sie soll als Mittlerin zu einem Millionenvermögen fungieren, auch das wieder ein oft gebrauchtes Thema bei E.W.

Hier allerdings immerhin mit der Variante, dass die Erbschaft (anders als im Film oder im Maritim-Hörspiel) nicht rechtmäßig ist, sondern von den Verschwörern durch einen Betrug arrangiert wurde. Diese Version hätte der Autor gerne nochmal verwenden können.

Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #1
Und während die Schurken eifrig bemüht sind, dem armen Inspektor das Lebenslicht auszublasen, hat man das Gefühl, das halb London mal zwischendurch zu Besuch kommt. Ein einziges treppauf, treppab, hin und her. Alle Figuren schlagen irgendwann mal dort auf, werden niedergeschlagen, verstecken sich oder verschwinden einfach wieder. Das liest sich eher wie ein überkandideltes Theaterstück als ein doch ernst sein sollender Roman. Aber das ist natürlich wieder persönlicher Geschmack, vielen wird der Schlussteil, ähnlich wie im Film, besonders gut gefallen.

Bei manchen Wallace-Romanen kam es vor, dass ich einzelne Kapitel separat vom Rest gelesen habe. Die Passagen im Hotel aus dem letzten Drittel waren so ein Fall, besonders weil hier ein Perspektivwechsel auffällt: Zunächst ist alles wie gehabt aus der Sicht des Helden erzählt. Aber nach dem Mordanschlag auf ihn folgen mehrere Kapitel aus Cravels Perspektive, bis sich die beiden wieder gegenüberstehen. Erst glaubt der Hoteldirektor, alles sei nach Plan abgelaufen, um dann immer mehr verunsichert zu werden: Long liegt nicht dort, wo seine Leiche sein müsste, er erfährt, dass sich anscheinend ein Spion in Hotel geschlichen hat, Nora Sanders will sich widersetzen (und wird überwältigt), die Polizei erscheint und durchsucht das Haus, Nora ist plötzlich verschwunden, schließlich wird das Haus abgeriegelt .. Man spürt von Kapitel zu Kapitel stärker, wie sich (buchstäblich) die Schlinge um seinen Hals zusammenzieht. Sicher gab es das in anderen Romanen auch, beim "schwarzen Abt" etwa wird zeitweise die Perspektive von Fabian Gilder eingenommen. Aber dieser ist im Roman kein Mörder, während Cravel als "der schrecklichste der Bande des Schreckens" und als ein völlig erbarmungsloser Mann beschrieben wird. Trotzdem finde ich es faszinierend, dass man sich einerseits klar darüber ist, dass er in irgendeiner Form bestraft werden wird (was man ihm gönnt), aber trotzdem auch mit ihm mitfiebert, was die Spannung erhöht.

Savini Offline



Beiträge: 756

02.09.2022 12:27
#7 RE: Die Bande des Schreckens (1926) Zitat · Antworten

Neulich hatte ich mal wieder die Gelegenheit, den Roman zu lesen, diesmal erstmals in der Weltbild-Ausgabe; die Scherz- und Heyne-Versionen waren allerdings auch nicht schlecht, wenn man sie mit der gekürzten von Goldmann vergleicht (was kein Kunststück ist!).

Die detailreichen Beschreibungen der Flusslandschaften waren mir diesmal auch aufgefallen, man meint wirklich, alles in Farbe sehen zu können. Daneben war es interessant, dass der Verfasser zu Beginn etwas ausführlicher Nora Sanders´ Gedanken beschreibt, die sich um ihre Zukunft sorgt. Natürlich ist für den Leser klar, dass sie eine rosige erwartet (zumal der Wetter Sohn eines Bankiers ist), trotzdem war dieser Exkurs interessant, zumal Nora ansonsten eine recht blass gezeichnete Figur bleibt.
Ein wirkliches "Whodunit" hat der Roman nicht zu bieten, da die Fronten relativ früh klar sind; interessanterweise schafft der Autor es, dies klar zu zeigen, ohne es direkt zu schreiben. Man braucht nur auf die Art zu achten, wie sich Inspektor Long mit manchen Figuren verbal duelliert. Gerade diese Stellen waren ein Genuss, besonders die, als er den kaltblütigen und beherrschten Cravel fast zu einer Gewalttat provoziert. Abgesehen von Crayley wird aber nicht recht ersichtlich, wie genau Long dazu gekommen ist, die einzelnen Mitglieder der Verschwörung zu verdächtigen. Ob er Vorahnungen hat? Eine solche scheint ihn ja auch beim letzten Anschlag auf sein Leben zu retten. Immerhin erweist er sich nach Monksford als guter Detektiv, als er der Sache mit dem Schlüssel nachgeht.
Dadurch, dass der Film relativ nah an der Vorlage geblieben ist (auch wenn er diese teilweise kräftig dramatisiert und strafft) ist man versucht, die Romanfiguren mit ihren filmischen Pendants zu vergleichen, was neben den beiden positiven Hauptrollen bei Miss/Mrs. Revelstoke am besten funktioniert. Dieter Eppler passt zwar optisch ganz gut zu Jackson Crayley, wirkt aber etwas zu kräftig für den als trägen, verweichlichten Dandy beschriebenen Mann; ob Harry Wüstenhagen die bessere Wahl gewesen wäre? Alf Marholm passt zu dem literarischen Cravel ganz gut, während Ulrich Beigers Henry deutlich robuster und auch abstoßender als der Anwalt des Romans ist. Daneben sind die beiden Letztgenannten streng genommen älter, als ihre Pendants im Buch.
Die größten Probleme habe ich mit dem Vater des Wetters: Im Thread über den Film hieß es einmal, Fritz Rasp wäre vielleicht ein besserer Clay Shelton gewesen. Dem würde ich nicht widersprechen, zumal ich bei Sir Godley Long nie Rasp vor Augen hatte und er mir auch nicht recht zur Darstellung im Roman passen will. Ernst Fritz Fürbringer wäre für mich die Idealbesetzung gewesen, war aber im Film durch Sir Archibald schon vergeben. Ansonsten dachte ich an Walter Rilla, auch wenn dieser nicht sehr originell gewesen wäre (in "Zimmer 13" hat Sir Robert Marney ja auch einen dunklen Flecken in seiner Vergangenheit, den er verbergen möchte).
Zu anderen Punkten hatte ich in einem früheren Beitrag bereits etwas geschrieben. So fand ich auch diesmal den aus Cravels Sicht erzählten Handlungsstrang wieder besonders stark, dafür aber auch die persönliche Verbindung des Wetters und seines Vaters zur Bande überzogen; die Version aus der Verfilmung hätte völlig ausgereicht. Daneben war es erfrischend, dass der Verfasser das Motiv einer Millionenerbschaft diesmal etwas anders anging; schade, dass diese Variante im Film nicht berücksichtigt wurde!
Allerdings sind mir beim Lesen Schlampereien aufgefallen: Sheltons Hinrichtung wird im Laufe des Romans auf zwei verschiedene Tage datiert, daneben wurde ein Ring angeblich schon 1862 gekauft, was angesichts des Alters der beteiligten Personen ein offensichtlicher Fehler ist. Hier wurde wohl nachlässig lektoriert.
Aber insgesamt hat sich die Lektüre gelohnt! Da es neulich in einem anderen Thread auch um Arthur Coan Doyle ging, war es amüsant, dass mir eine Passage unterkam, die ich völlig vergessen hatte: Wetter Long geht durch die Baker Street und macht sich kurz Gedanken darüber, wie Sherlock Holmes den vorliegenden Fall wohl gelöst hätte. Man darf nicht vergessen, dass ACD 1926 noch am Leben war und etwa zu dieser Zeit auch die letzten Holmes-Geschichten entstanden.

Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 644

03.09.2022 14:46
#8 RE: Die Bande des Schreckens (1926) Zitat · Antworten

Zitat von Savini im Beitrag #7
Ein wirkliches "Whodunit" hat der Roman nicht zu bieten

Kann man vielleicht nicht ganz so sagen. Der Hauptübeltäter wird zwar mal als sinngemäß als Schatzmeister der Bande bezeichnet, doch die wahre Identität erst ganz zum Schluss gelüftet. Natürlich ist es trotzdem kaum eine Überraschung. Erinnert da ein bisschen an den "Fälscher".

Zitat von Savini im Beitrag #7
Zu anderen Punkten hatte ich in einem früheren Beitrag bereits etwas geschrieben. So fand ich auch diesmal den aus Cravels Sicht erzählten Handlungsstrang wieder besonders stark, dafür aber auch die persönliche Verbindung des Wetters und seines Vaters zur Bande überzogen; die Version aus der Verfilmung hätte völlig ausgereicht. Daneben war es erfrischend, dass der Verfasser das Motiv einer Millionenerbschaft diesmal etwas anders anging; schade, dass diese Variante im Film nicht berücksichtigt wurde!

Was ist im Film bei den beiden Punkten eigentlich so anders? Die Ex-Frau von Sir Godley und das Fake-Testament waren auch dort wie im Buch vorhanden.

Zitat von Savini im Beitrag #7
Hier wurde wohl nachlässig lektoriert.

Das ist nichts gegen die mutwillig eingefügten Datumsänderungen in manchen Versionen. Verstärkt den Effekt wohl noch.

Zitat von Savini im Beitrag #7
Wetter Long geht durch die Baker Street und macht sich kurz Gedanken darüber, wie Sherlock Holmes den vorliegenden Fall wohl gelöst hätte. Man darf nicht vergessen, dass ACD 1926 noch am Leben war und etwa zu dieser Zeit auch die letzten Holmes-Geschichten entstanden.

Sehr schön. Daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Bestimmt nur in der Weltbild-Übersetzung zu finden. Eine Querverbindung von Doyle zu Wallace bzw. umgekehrt.

Savini Offline



Beiträge: 756

03.09.2022 18:54
#9 RE: Die Bande des Schreckens (1926) Zitat · Antworten

Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #8
Was ist im Film bei den beiden Punkten eigentlich so anders? Die Ex-Frau von Sir Godley und das Fake-Testament waren auch dort wie im Buch vorhanden.

Dass Sir Godley eine kurze Ehe mit einer anderen Frau hatte und dieses Kapitel aus seinem Gedächtnis streichen wollte, nachdem ihm klar wurde, dass sie ihn betrogen hat, mag noch angehen. Aber dass zusätzlich
Clay Shelton sein Halbbruder war
und dadurch
Jackson Crayley, Frederick Henry, Cravel und Alice
nicht nur Arnold Longs Todfeinde, sondern zugleich auch noch
seine Cousins bzw. Cousinen
sind, war völlig überzogen und unnötig. Es im Film wegzulassen war eine gute Entscheidung, wobei der Grund dafür natürlich auch schlicht gewesen sein kann, dass es umfassende Erklärungen im Dialog erfordert hätte.
Das Testament ist im Film keineswegs gefälscht, da es dort eine Szene gibt, in der Monkford es sich vorlesen lässt und Henry gegenüber erwähnt, dass er Nora als Erbin einsetzen wolle. Eigentlich hätte man diese Sache ganz streichen können, da es (anders als im Roman) keine Andeutung gibt, dass die Bande über sie an das Geld kommen wolle; dort heißt es in der Szene im Bootshaus lediglich, man habe sie entführt, um Long in eine Falle zu locken.
Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #8
Bestimmt nur in der Weltbild-Übersetzung zu finden. Eine Querverbindung von Doyle zu Wallace bzw. umgekehrt.

Diese Stelle war auch in der mir vorliegenden Goldmann-Ausgabe enthalten. Bei Scherz und Heyne vermutlich auch, aber da müsste ich nachsehen.

Hast du dir hier auch schon Gedanken darüber gemacht, inwiefern die Darstellungen mancher Figuren im Roman mit der Besetzung im Film vereinbar ist?
Joachim Kramp nannte mal Henry ein "labiles Muttersöhnchen". Dass sehe ich allenfalls bei seiner letzten "richtigen" Szene im Roman so, die man zum Glück im Film nicht übernommen hat; es hätte zu lächerlich gewirkt.
Übrigens musste ich bei der Art, wie Monkford im Buch beschrieben wird (dicklich, mit Glatze und sich für witzig haltend) an Werner Peters´ Rolle in den "1000 Augen des Doktor Mabuse" denken; das wäre eine schöne Abweichung von seinem Unsympathen-Klischee gewesen.

Savini Offline



Beiträge: 756

04.09.2022 08:35
#10 RE: Die Bande des Schreckens (1926) Zitat · Antworten

Eine kleine Selbstkorrektur: Vorgelesen wird das Testament nicht, aber Monkford erklärt gegenüber Henry ausdrücklich, dass er sein Vermögen Nora Sanders hinterlassen wolle.
Dass man das nicht gestrichen hat, hing wohl damit zusammen, dass man die Sache mit dem Ring unbedingt einbauen wollte.

Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 644

06.09.2022 08:11
#11 RE: Die Bande des Schreckens (1926) Zitat · Antworten

Zitat von Savini im Beitrag #9
Dass Sir Godley eine kurze Ehe mit einer anderen Frau hatte und dieses Kapitel aus seinem Gedächtnis streichen wollte, nachdem ihm klar wurde, dass sie ihn betrogen hat, mag noch angehen. Aber dass zusätzlich... Es im Film wegzulassen war eine gute Entscheidung, wobei der Grund dafür natürlich auch schlicht gewesen sein kann, dass es umfassende Erklärungen im Dialog erfordert hätte.

Ich muss zugeben, dass das im Film bei mir auch immer so rüberkam.

Zitat von Savini im Beitrag #9
Hast du dir hier auch schon Gedanken darüber gemacht, inwiefern die Darstellungen mancher Figuren im Roman mit der Besetzung im Film vereinbar ist?
Joachim Kramp nannte mal Henry ein "labiles Muttersöhnchen". Dass sehe ich allenfalls bei seiner letzten "richtigen" Szene im Roman so, die man zum Glück im Film nicht übernommen hat; es hätte zu lächerlich gewirkt.

Ich finde die Schauspieler so in Ordnung, wie sie sind. Henry war nach meiner Erinnerung im Buch tatsächlich der besondere Augapfel seiner Mutter, den sie allen anderen vorzog.

Savini Offline



Beiträge: 756

06.09.2022 08:32
#12 RE: Die Bande des Schreckens (1926) Zitat · Antworten

Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #11
Ich muss zugeben, dass das im Film bei mir auch immer so rüberkam.

Klar. Ich meinte ja auch nur, dass dieser Punkt völlig ausgereicht hätte und die zusätzliche familiäre Verstrickung etwas war, dass Edgar Wallace sich besser verkniffen hätte.
Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #11
Ich finde die Schauspieler so in Ordnung, wie sie sind. Henry war nach meiner Erinnerung im Buch tatsächlich der besondere Augapfel seiner Mutter, den sie allen anderen vorzog.

Wenn man das Buch mit diesem Hintergrundwissen erneut liest, ist es natürlich sehr deutlich, gerade auch in ihrem Bemühen, Henry mit Nora Sanders zu verkuppeln.

Ein kleines Problem ist noch die fehlende Familienähnlichkeit; allenfalls bei
Collin und Marholm
könnte man davon sprechen, während ansonsten die Brüder untereinander sich gar nicht ähneln. Aber wenn man das hätte einbeziehen wollen, wäre die Besetzung sehr erschwer worden.

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