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DanielL Offline




Beiträge: 4.154

27.02.2018 00:56
Wie ein Spaziergang durchs "Stahlnetz": Das Polizeimuseum Hamburg Zitat · Antworten

Wer sich in Hamburg auf den touristischen Standardpfaden mit "Crime" berieseln lassen will, nimmt in der Regel wohl vor allem mit dem Hamburg Dungeon vorlieb oder nimmt eine sogenannte "Kiez & Crime"-Tour in Anspruch. Wer hingegen etwas authentischer an die Sache herangehen will, findet ein besonderes Angebot weiter im Norden, in Hamburg Winterhude-Nord. Hier besteht seit 2014 das Polizeimuseum Hamburg auf drei Etagen mit rund 1400 Quadratmetern. Es befindet sich auf sicherheitsüberwachtem Gelände der Polizeiakadamie und es herrscht Ausweispflicht. Am Eingangstor muss man sich kurz anmelden, bevor man im Gebäude für 8 Euro seine Museumskarte lösen kann. Ebenfalls besteht ohne gesonderte Genehmigung striktes Verbot zu fotografieren, weshalb dieser Bericht ohne Bebilderung auskommen muss (Die unten verlinkte Website verfügt über einige Pressebilder).

200 Jahre Polizeigeschichte im Schnelldurchlauf

Im Erdgeschoss kann man dann gleich in die lange und wechselhafte Geschichte der Hamburger Polizei eintauchen. Die erstreckt sich von 1814 über Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus, Nachkriegszeit bis zur modernen City-Polizei. Jede Epoche wird mit Beschreibungen aufgearbeitet, hat zeitgenössische Handwerkszeuge und Dokumente zu bieten.

Für einen kurzen aber schönen Aufenthalt sorgt der originalgetreue Nachbau eines Wachraumes einer Revierwache aus den 1960er Jahren. Hier darf man sich inmitten der Exponate bewegen und auch vor der Schreibmaschine Platz nehmen. Man fühlt sich auch sogleich, als würde Heinz Engelmann oder Karl-Heinz Gerdesmann gleich um die Ecke biegen, um zu fragen, ob eine Nachricht für sie eingegangen ist. Eine Installation erinnert an die Reeperbahn jener Zeit. Wer nach Nostalgie sucht, ist hier wesentlich besser aufgehoben, als beim Streifzug durch St. Pauli die diensthabenden Beamten der Davidwache von der Arbeit abzuhalten, weil man mal "hineinschauen" möchte. Die Flutkatastrophe 1962 wird mit einem eigenen Bereich ausführlich behandelt.

Kriminaltechnik im Detail

Das erste Obergeschoss gibt einen umfangreichen und detaillierten Einblick in die Kriminaltechnik. Von Spurensicherung über Erkennungsdienst bis DNA-Analyse kann man sich zu unterschiedlichen Fachabteilungen informieren, die jeweils mit einem kleinen, aber reichhaltig bestückten Aufbau vertreten sind. Dabei gibt es auch immer wieder Anlass, selbst aktiv zu werden und "am Beispiel zu ermitteln". Kinder, Jugendliche und sich nicht genierende Erwachsene dürfen gar Ermittlerspiele absolvieren oder Platz nehmen im Polizeifahrzeug- und Polizeihubschrauber-Simulator. Im Archivraum können Kriminalakten eingesehen werden. "So gewinnen sie beim Blättern und Schmökern einen Eindruck davon, welche Arbeitsschritte erforderlich sind, bevor eine Kriminalakte der Staatsanwaltschaft übergeben wird." verspricht das Museum - und das stimmt auch absolut. Hier ergibt sich ein umfassender Detaileinblick, wie er sonst nicht zu haben ist. Ein Geheimtipp etwa für Autoren, die Insider-Wissen für authentische Geschichten aufbauen möchten.

Spektakuläre Kriminalfälle der Hansestadt

Wem es stets unrealistisch erschien, dass Chefinspektor Smith (Wolfgang Preiss) im „Henker von London“ aus seinem Büro heraus mit wenigen Schritten ein Kriminalmuseum erreichen konnte, dass historisches Material und Asservaten vorhielt, der sei eines besseren belehrt: In Hamburg gab es bereits 1893 ein Kriminalmuseum, dass sich am Ort des ersten Hamburger Polizeipräsidiums, dem Stadthaus am Neuen Wall, befand. Es diente angehenden Kriminalbeamten zu Forschungs- und Ausbildungszwecken und zog mehrere Nachfolgeeinrichtungen nach sich. 2006 fiel die Entscheidung, auch eine öffentliche Ausstellung zu gründen.

Im Dachgeschoss des Museums finden sich seither auch Sammlungen zu acht berüchtigten Kriminalfällen:

- Schießerei am Winterhuder Marktplatz im Kontext des RAF-Terrors (1978) {1}
- Einbrecherbande um den "Lord von Barmbeck" (-1920) {2}
- Die gefälschten Hitler-Tagebücher (1983) {3}
- Kaufhauserpressungen von Dagobert (-1994) {4}
- Leiche im Ölfass (1984) {5}
- Der St.-Pauli-Killer (-1986) {6}
- Geiselnahme Bankfiliale Steindamm (1974) {7}
- Frauenmörder Honka (-1975) {8}

Das Geschoss ist mit einem Jugendschutzhinweis versehen. Durch Rundtische kann man sich jeweils chronologisch durch Fall und entsprechend angeordnete Asservaten arbeiten, was es leicht macht, die Abläufe der Verbrechen und anschließender Ermittlungen genau nachzuvollziehen. Die Exponate sind teilweise aufwändig aufbereitet, so dass man etwa den letzten Erpresseranruf von Dagobert am Telefon nachhören kann, während man auf die von der Polizeipsychologin für den Polizisten am anderen Ende der Leitung notierten Hinweise blickt.

Schwieriger fallen einem Blicke auf Mordwerkzeuge schlimmster Kapitalverbrechen. Das Museum teilt mit: „Blutrünstige Fotos und Aufnahmen von Opfern gibt es im Polizeimuseum nicht zu sehen. Wir legen Wert auf den korrekten Umgang mit allen beteiligten Personen. Die Auswahl der Exponate und Asservate ist nach ethisch-moralischen Gesichtspunkten erfolgt. Sie entspricht den Standards des Internationalen Museumsverbandes.“ Ich denke, es liegt dennoch auch in der Verantwortung der Besucher, Exponate wie die Säge eines Serienmörders auch 40 Jahre nach ihrem unfassbaren Gebrauch nicht zum "Gruselspaß" verkommen zu lassen. Man zeige Polizeiarbeit auch „anhand ausgewählter Fälle, in denen Menschen zu Schaden kamen oder starben. Die Besucher erhalten so ein ehrliches und realistisches Bild von der Ermittlungsarbeit der Polizei und können nachvollziehen, wie schwierig und zeitaufwändig es sein kann, den Täter in einem Tötungsdelikt zu überführen.“ heißt es im Leitfaden des Museums.

Keiner der neun norddeutschen Stahlnetz-Fälle spielt im Museum eine Rolle, eine Vitrine ist allerdings regionalem, authentischem Film- und Serienwerk und beherbergt somit auch zahlreiche Referenzen an Jürgen Roland. Als Exponate sind hier leider lediglich zwei Filmplakate und handelsübliche DVD-Editionen ausgestellt.

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{1} Vgl. https://www.abendblatt.de/hamburg/articl...n-Schuesse.html
{2} Die Bande zeigt einige interessante Parallelen zu den fiktiven Ganoven von Edgar Wallace, insbesondere den "Fröschen" (Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Adolf_Petersen), Verfilmt für Constantin Film als "Der Lord von Barmbeck", u.a. mit Heinz Reincke.
{3} Von Helmut Dietl mit "Schtonk!" 1992 als satirische Filmkomödie verarbeitet.
{4} Kurz nach "Dagoberts" Verhaftung erschien ein TV-Film "Das Phantom – Die Jagd nach Dagobert" mit Dieter Pfaff. Auf DVD erschienen bei Pidax.
{5} Der Fall ist bis heute ungeklärt. Er war Teil von "Aktenzeichen xy" vom 25.10.1985. Vgl. http://www.zeit.de/2015/44/mord-rekonstr...mburg-recherche
{6} Verfilmt fürs TV - 1995 von Nico Hofmann
{7} Ging in die Polizeigeschichte ein, erster Gebrauch vom "finalen Rettungsschuss" in der BRD
{8} Keine Verfilmung, prominent ist allerdings der Tatsachenroman von Heinz Strunk ("Der goldene Handschuh")

Internetseite des Museums: http://polizeimuseum.hamburg/

Gruß,
Daniel

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