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 Romane
Mr. Igle Offline




Beiträge: 127

24.07.2017 14:29
#1 Ein gerissener Kerl (1928) Zitat · Antworten

Und weiter geht's ...

EIN GERISSENER KERL, Original: The Twister, 1928, dt. Übersetzung Ein gerissener Kerl von Edith Walter für den Scherz Verlag, 1. Auflage 1985.

Inhalt:

Der wohlhabende Lebemann Anthony Baird betätigt sich mit großem Erfolg im Rennstahlgeschäft und an der Börse. Jeder Gauner, der je versuchte, ihn zu betrügen, ging bislang damit baden. Deshalb nennen ihn gewisse Kreise in London nur noch "das Schlitzohr". Baird ist ein guter Freund von Lord Frensham. Doch er weiß nicht, dass dieser durch fehlgeschlagene Finanztransaktionen am Rande des Ruins steht. Frensham ist vor allem daran gelegen, seine blutjunge Tochter Ursula finanziell abzusichern. Anthony fühlt sich zu Ursula hingezogen, doch ihr Vater hat andere Pläne für sie. Anthonys Rivale ist Lord Frenshams Neffe Julian Reef, der Ursulas finanzielle Sicherheiten verwahrt und in dubiose Aktiengeschäfte verwickelt ist. Er hasst Anthony für seine Reputation und seine innige Freundschaft mit Ursula Frensham. Doch viel mehr als die Feindschaft zu Reef beunruhigt Anthony das ungebührliche Verhalten von dessen Partner Dr. Rex Guelder. Der Niederländer gilt als Wissenschaftsgenie, ist aber eine sonderliche Figur und führt in seinem abgelegenen Haus in Greenwich merkwürdige Experimente durch. Auch Bairds Bekannter Inspektor Elk von Scotland Yard interessiert sich sehr für Guelder, weiß er doch durch seine Nachforschungen, wieso der ominöse Doktor seinerzeit aus Holland fliehen musste. Eines Tages wird Lord Frensham in seinem Londoner Büro erschossen aufgefunden. Selbstmord so scheint es. Das schriftliche Geständnis seines Bankrotts liegt vor ihm. Doch Elk ist nicht überzeugt. Der Inspektor rät Anthony gut auf Ursula Frensham zu achten, da sie in Gefahr sei. Durch einen anderen Kriminalfall kommt Elk einem abgekarteten Spiel auf die Spur. Jetzt ist er sicher: Für den Tod des Lords wird jemand hängen ...

Besprechung:

Gelegentlich wird dieser Roman auch zu den Turf-Werken von Edgar Wallace hinzugerechnet, aber im Grunde spielt das Rennmilieu in Ein gerissener Kerl keine besonders tragende Rolle und ist nur das Steckenpferd des Protagonisten Anthony Baird. Zentrales Thema des Buchs ist viel mehr die Börsenwelt mit Aktiengeschäften, Finanzmanipulationen, Kursverzerrungen und das Geschäft mit Öl und Diamanten. Dem Altmeister gelingt es den schmalen Grat zwischen Gewinn und Verlust bei den riskanten Spekulationen immer wieder geschickt als Spannungsmacher einzusetzen, sodass der Leser mühelos bei der Stange bleibt, obwohl auch in diesem Werk die Nervenkitzel-Momente vergleichbar rar gesät sind. Zwar gibt es einen mysteriösen Mord, aber es sind eher die persönlichen Verwicklungen in Kombination mit den geschäftlichen Fehden zwischen Baird und Reef, die das Buch mühelos tragen. Die frühen Tage des Finanzplatzes London werden vom King of Crime überzeugend und vielschichtig beschrieben.

Spannend ist insbesondere das doppelte Duell, das Wallace hier entwirft. Denn neben dem Widerstreit zwischen Baird und Reef, baut der Autor parallel die Konfrontation zwischen Inspektor Elk und dem skrupellosen Rex Guelder auf. Von daher sorgen die Verhaltensweisen der Charaktere und die Wendungen der Handlung für deutlich mehr situative Spannung, als eiskalter Thrill, der vereinzelt auch, aber sehr dosiert zum Einsatz kommt. Die Geschichte entwickelt sich logisch und mit angenehmem Tempo. Das Finale kommt – anders als bei den beiden zuvor rezensierten Titeln – nicht abrupt und unnötig gezwungen daher, sondern ergibt sich vollkommen harmonisch und plausibel aus dem vorangegangen Handlungsverlauf. Der Roman ist detailverliebt geschrieben und lässt sich flüssig lesen. Personen, Orte und Milieus werden sehr ausführlich visualisiert und dienen dem effektvollen Gelingen der Story. Mit seinen knapp 200 Seiten ist das Werk zwar recht umfangreich, aber das Buch ist dem Altmeister in der Zusammenschau weder zu kurz, noch zu lang geraten. Summa summarum ist Ein gerissener Kerl ein sorgfältig und aus einem Guss konzipierter Kriminalroman.

Mit den Charakteren hat der King of Crime eine sehr gute Auswahl an verschiedenen Typen bzw. Rollenmodellen getroffen und diese individuell vertieft. Mit Anthony Baird erleben wir einen steinreichen Mann voller Elan, der zwar wie die Faust aufs Auge zu dem Idealbild eines Wallace-Strahlemanns passt, zugleich aber eine präzise Charakterisierung mit Ecken und Kanten gewährt bekommt. Ihm zur Seite steht der aus anderen Romanen bekannte Inspektor Elk, der mit seinen Marotten und seiner kühlen Logik einen ganz wunderbaren Ermittler abgibt. Ein wenig fad erscheint da die weibliche Hauptfigur Ursula Frensham, die sich kaum aus der üblichen Standardrolle der verfolgten Unschuld zu lösen vermag. Immerhin stehen ihr die (Streit-)Gespräche mit Baird und Reef gut zu Gesicht. Julian Reef und Rex Guelder sind ein ebenso unterschiedliches wie vielschichtig gezeichnetes Schurkenduo. Der Eine, ein zu aller Hinterlist fähiger Verbrecher, der Andere, ein jovialer Schöngeist, der seine düstere Brutalität hinter einer bürgerlichen Maske verbirgt. Demgegenüber ist Lord Frensham ein typischer Vertreter eines alten Adeligen, der zu lange über seine Verhältnisse gelebt hat, aber trotz dieses Umstands nicht den Anstand verliert. Von den vielen Nebencharakteren ist ansonsten noch besonders der Finanzmagnat Mr. Sleser, ein wunderbar knochiger, aber gleichsam würdevoller Geschäftsmann, hervorzuheben.

Fazit:

Ein rundherum gelungener Roman aus der Feder des Altmeisters. Wertpapierspekulationen, Finanzmanipulationen, gesellschaftliche Intrigen und Mord verbindet Edgar Wallace zu einer äußerst spannenden Kriminalgeschichte. Zwar mangelt es bisweilen an eiskalten Gänsehautmomenten und hartem Thrill, aber die privaten, wie geschäftlichen Verwicklungen der präzise gezeichneten Protagonisten sorgen bei einem recht flotten Handlungstempo über fast die gesamte Länge der Geschichte für knisternde Spannung.

Meine Wertung: SEHR GUT

"Entspannen Sie sich, durch Hochspannung!"

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