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Dieses Thema hat 1 Antworten
und wurde 255 mal aufgerufen
 Romane
horatio Offline




Beiträge: 577

21.07.2010 21:55
#1 Der Teufel von Tidal Basin (1930) Zitat · Antworten

Ich habe noch einen weiteren Wallace-Roman gelesen:

DER TEUFEL VON TIDAL BASIN

Die Dolchscheide, die man neben dem ermordeten Donald Bateman findet, gehört Louis Landor. Die Polizei ist sicher, auf der richtigen Spur zu seín. Doch dann wird Sergeant Elk überfallen. Der Unbekannte bedroht ihn mit einem Messer - es gehört wiederum Louis Landor.

Beim Lesen hatte ich Siegfried Lowitz vor Augen - als gemächlichen Sergeant Elk ...

Als Filmvorlage wäre DER TEUFEL VON TIDAL BASIN bestimmt auch toll gewesen:

Dr. Marford: Dieter Borsche
Janice Harman: Sabina Sesselmann
Chefinspektor Mason: Heinz Drache
Sergeant Elk: Siegfried Lowitz
Inspektor Bray: Werner Peters
Donald Bateman: Robert Graf
Lombard: Klaus Kinski
Louis Landor: Klausjürgen Wussow
Inez Landor: Karin Dor
Lorna Weston: Eva Ingeborg Scholz
Dr. Rudd: Dieter Eppler

horatio
"Irgendeiner muß es ja gewesen sein!"

Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 644

20.12.2019 19:46
Der Teufel von Tidal Basin (1930) Zitat · Antworten

Der Teufel von Tidal Basin


Originaltitel: White Face
Erscheinungsjahr: 1930


Hauptpersonen:

Michael Quigley - Zeitungsreporter
Janice Harman - Arztgehilfin
Donald Bateman - Heiratsschwindler und Betrüger
Dr. Thomas Marford - Armeleutearzt
Chefinspektor Mason - von Scotland Yard
Sergeant Elk - Diensthabender in Tidal Basin
Inspektor Bray - Polizeibeamter
Doktor Rudd - Polizeiarzt
Louis Landor - verdächtiger Geschäftsmann
Inez Landor - seine Ehefrau
Lorna Weston - nicht sehr ehrenwerte Frau
Gregory Wicks - Taxichauffeur
Lamborn - Gewohnheitsdieb


Handlung:


Der Reporter Mike Quigley ist in sehr schlechter Stimmung. Seine Angebetete, die schöne Miss Janice Harman, hat sich Hals über Kopf in den gutaussehenden, scheinbar vermögenden Südafrikaner Donald Bateman verliebt und will ihn heiraten. Nichts kann sie davon abhalten, das erklärt sie dem wütenden Zeitungsmann beim Essen in einem noblen Club, der dann auch noch von einem phantomhaften Banditen, „Weißgesicht“, überfallen wird, worauf ein kostbares Brillantenhalsband den Besitzer wechselt. Wenigstens hat Quigley jetzt Stoff für einen Artikel.
Doch die recht wohlhabende Janice ist auch traurig, sie arbeitet in dem Elendsviertel Tidal Basin, am Nordufer der Themse gelegen, bei dem ambitionierten Arzt Thomas Marford, dessen Selbstlosigkeit sie bewundert. Den Job muss sie nun auch aufgeben, da sie mit ihrem angehimmelten Mr. Bateman in dessen Heimat ziehen will. Wie es nun mal so ist, benötigt der hübsche Kerl für den Ankauf der gemeinsamen Farm gerade ein paar tausend Pfund, die ihm seine Freundin bereitwillig zur Verfügung stellen will. Doch da stößt sie im letzten Moment auf etwas, das die Warnungen des eifersüchtigen Quigley in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen…
In der Zwischenzeit verarztet Dr. Marford wie üblich den Bodensatz der Gesellschaft, muss sich zusammen mit Sergeant Elk um das Opfer einer Schlägerei kümmern und bekommt Besuch von einer noblen Dame, die ihm eine interessante Geschichte erzählt.
Später am Abend schleicht ein Mann an der Praxis von Marford vorbei, gerät in eine Auseinandersetzung mit einem anderen Mann und fällt kurz darauf zu Boden. Ehe Marford das Opfer erreichen kann, macht sich ein anderer Mensch, ein gewisser Lamborn, daran zu schaffen. Der ist ein notorischer Langfinger und versucht zu verschwinden, wird aber festgenommen, während Dr. Marford nur noch den Tod des Gestrauchelten feststellen kann. Der wurde erstochen, unter seiner Leiche findet sich eine Dolchscheide, die einem gewissen Louis Landor gehört. Das findet Chefinspektor Mason, ein sehr methodisch vorgehender Ermittler, bald heraus, der sich auf die Hilfe des erfahrenen Sergeant Elk und die des wenig begabten Inspektors Bray stützen kann. Die Identität des Getöteten wird ermittelt – es ist Donald Bateman, eine durch und durch verdorbene Kreatur, ein Betrüger und Schlimmeres.
Nun gerät auch Janice Harman in Verdacht, da ausgerechnet Michael Quigley einen Ring am Tatort findet, der ihr gehörte. Doch die Spur führt erst mal zu Louis Landor und seiner Frau Inez, die früher mit Bateman bekannt war und in deren Wohnung sich auch noch ein gleicher Dolch wie die verschwundene Mordwaffe anfindet. Und was ist mit dem großsprecherischem Polizeiarzt Dr. Rudd, vor dem sich Bateman kurz vor seiner Ermordung zu fürchten schien ? Was weiß die bewusstlose Zeugin Lorna Weston, die offenbar seit kurzem rauschgiftsüchtig ist ?
Wie hängt der Verbrecher „Weißgesicht“ in der ganzen Sache mit drin, zu dem es immer wieder Fingerzeige gibt ?
Letztlich gibt es da auch noch einen alten Taxichauffeur mit Namen Gregory Wicks, welcher auch ein dunkles Geheimnis zu hüten scheint… Da wird Sergeant Elk in Landors Wohnung niedergeschlagen.
Die Lage verschärft sich, nachdem nicht nur der seltsame Reden schwingende Dr. Rudd verschwunden ist, sondern auch noch Dr. Marborne von dem mysteriösen Weißgesicht entführt wird, fast unter den Augen der Polizei. Doch Chefinspektor Mason lässt sich nicht verwirren und kann durch seine beharrliche Arbeit die richtigen Schlüsse ziehen, die ihn am Ende zum Urheber des Ganzen führen und ihn ein gründliches Geständnis ablegen lassen, wobei der Täter noch einen Trick parat hat, der von der Polizei nicht geplant war. So ist denn auch der Fall der „Teufels von Tidal Basin“ zur Zufriedenheit geklärt, doch das Happyend fällt diesmal nicht so „happy“ aus wie sonst…


Bewertung:

Mit diesem Buch hat Edgar Wallace ein wenig Pionierarbeit geliefert, im Prinzip greift er dem später bekannt gewordenen police procedural schon vorweg. Abgesehen von ein wenig Vorgeplänkel erstreckt sich die Handlung über wenige Stunden, meist in der Nacht handelnd, im Prinzip können wir spätestens nach dem Dahinscheiden des charakterlosen Bateman die Polizei sowie auch andere Personen in Echtzeit bei ihren Ermittlungen und Handlungen beobachten.
Chefinspektor Mason ist ein sehr professionell wirkender Kriminalbeamter, zielstrebig und überlegt, mit deutlichem Führungsanspruch an Untergebene, ohne bösartig zu sein, freundlich zu Verdächtigen, Zeugen und Opfern, auch voll Mitgefühl, doch nie ohne berufliche Distanz. Daneben forscht auch noch der schon aus verschiedenen anderen Büchern bekannte beförderungsresistente Elk, hier noch Sergeant, das heißt wohl, dass die Handlung noch vor den Aufregungen um die Froschbande mit ihrem schrecklichen Chef spielt. Auch er ein sehr guter, eigensinniger Polizist. Das ganze Gegenteil ist der als sehr beschränkt und „karrieregeil“ dargestellte Inspektor Bray, der ab und zu auch mal was Nützliches macht, ansonsten aber eher die Nerven seiner Kollegen strapaziert. Auch der Polizeiarzt Dr. Rudd wird als eine voreingenommene überhebliche Person mit recht anrüchigen Freizeitaktivitäten hingestellt. Dagegen ist Dr. Marford, der nette Armenarzt, wohl ein tatsächlicher Idealist.
Die Ermittlungen der Polizisten erscheinen auch für die damalige Zeit schon sehr souverän und gut organisiert, sie können sich auf moderne Nachrichtenübermittlung, gut und akribisch geführte Akten sowie auch auf jede Menge Erfahrungen in der Polizeiarbeit, bei Verhören, Spurensicherung usw. stützen.
Tatsächlich kann man dem Roman auch eine regelrechte Noir-Atmosphäre bescheinigen. Alle Personen, auch die „Guten“, haben Geheimnisse und Verschwiegenheiten, die der Polizei die Arbeit schwer machen, die Heldin des Stückes schmeißt sich lieber an einen betörenden Hochstapler ran, als ihren bodenständigeren Verehrer zu beglücken, und ungetreue Ehemänner werden auffallend häufig erwähnt. Und vor allem – die Umgebung der Figuren, der elende Fleck Tidal Basin, ein Stück Welt voller Armut, Gewalt und Rechtlosigkeit, die bei Wallace eher selten so drastisch gezeigt wird. Die Bewohner, sofern sie nicht einen schlecht bezahlten Job ergattert haben oder im Gefängnis sitzen, haben nicht viel mehr zu tun, als sich gegenseitig wegen Nichtigkeiten halb- oder gänzlich tot zu prügeln, zu saufen, auf die Polizei zu schimpfen und jede Menge Kinder in die Welt zu setzen. Manche Gegenden, etwa die im Roman erwähnte Gallow Alley (ein vielversprechender Name…) werden nicht mal von Polizisten betreten, so übel sind sie. Der abgeklärte Sergeant Elk ist der Überzeugung, dass ein Großteil der Kinder später mit ihm Bekanntschaft machen wird, für einen Mann wie Dr. Marford hat er wohl Bewunderung, aber auch Unverständnis übrig. Wie kann sich jemand freiwillig in eine solche Hölle begeben ?
Für die Bewohner dieser üblen Gegend ist Weißgesicht ein Held, der Räuber mit der weißen Maske und dem langen Mantel, der irgendwie in den Mord an Bateman verwickelt ist und sonst wie ein Phantom erscheint.
Masons Ermittlungen sind mühselig, viele Lügen müssen richtiggestellt werden, sei es die Aussage einer verzweifelten Frau, die ihren Mann wegen verbotenen Alkoholgenuss auf seiner Arbeit schützen will, seien es die falschen Angaben eines Diebes, der die eigene Haut retten will, oder auch die Aussagen des Ehepaares Landor, die nur nach und nach zur Wahrheit finden. Die Kriminalisten sind abgeklärt, man erfährt auch, warum sie beim Betreten der Wohnung eines Verdächtigen nie die Hüte abnehmen.
So gibt es eine unübliche Menge Haupt- und Nebenfiguren, Zeugen, Polizisten und Verdächtige, die der Autor einen bemerkenswert sauber geknüpften Handlungsfaden entlangführt. Natürlich, bei näherer Sicht sind auch hier wieder die üblichen Zufälle, Unwahrscheinlichkeiten und schlichtweg Fehler zu bemängeln, die das Schaffen von Edgar Wallace nun mal ausmachen, doch trotzdem bleibt der Eindruck, dass er das Ganze wohl auch in „Echtzeit“ niedergeschrieben hat. Zum Schluss hat der Autor nicht ungeschickt noch ein wenig Verwirrung gestiftet, bevor der Mörder gestellt wird.
Das Ende ist auch bei weitem nicht so schnulzig wie sonst, der Täter erscheint eher als pazifistischer und gerechtigkeitsliebender Mann, der fast eine tragische Figur ist, ganz im Gegenteil zum Mordopfer Bateman, der wohl sein Ende wirklich verdient hat. Und ob die reumütige Janice nun in die Arme ihres Verehrers Michael zurückkehrt, wird offen gelassen.
Der Teufel von Tidal Basin ist ein eher ungewöhnliches, sehr düsteres Werk von Edgar Wallace, man fragt sich, ob er hier Zustände beschrieb, die er als armes verstoßenes Kind erlebte und vor denen er immer noch Furcht hatte. Im Grunde hätte die Geschichte auch ohne Weißgesicht funktioniert, doch der gibt dem ganzen Fall die übliche Wallace-Note.

Ein durchaus empfehlenswerter Krimi, bei dem neben einem guten Maß der üblichen reißerischen Zutaten auch Wert auf gute Kriminalarbeit gelegt wird.


Buch:

Gelesen habe ich die Goldmann-Jubiläums-Ausgabe von 1990 mit gut 160 Seiten. Die ist bestimmt gekürzt, da die Ausgabe von 1958 noch wenigstens 15 Seiten mehr hatte. Die Übersetzung ist aber in Ordnung.


Film:

Verfilmt wurde die Story nur mal für die 90’er-Jahre-Streifen im TV, nicht für die klassische Wallace-Serie. Wäre auch schlechter gegangen, die komplexe Handlung wäre ohne größere Änderungen nicht bearbeitbar gewesen, die sich mehr auf den Schurken Weißgesicht und seine Überfälle hätte konzentrieren müssen. Vielleicht besser so.

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