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Dieses Thema hat 10 Antworten
und wurde 787 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
Prisma Offline




Beiträge: 7.591

31.01.2018 20:41
Eine Frau sucht Liebe (1969) Zitat · Antworten


EINE FRAU SUCHT LIEBE

● EINE FRAU SUCHT LIEBE / A WOMAN NEEDS LOVING (D|GB|1969)
mit Eva Renzi, Horst Janson, Barbara Rütting, Hans Schweikart, Katrin Schaake, Hans Clarin, Erna Sellmer, Paul Vasil,
Bob Cunningham, Eva Ingeborg Scholz, Michael Münzer, Frithjof Vierock, Hugo Lindinger, Axel Scholtz, Jerry Mobutu
eine Produktion der United Film Service GmbH | im Verleih der Rank-Cinerama
ein Film von Robert Azderball




Ein Liebespaar wird in einem Park von einem heftigen Sommerregen überrascht. George, der junge Mann, wird plötzlich von einem Blindenhund angefallen. Der Überfall löst bei Jane, seiner Freundin, einen Schock aus; sie kann sich nicht beruhigen. Jane glaubt, dass zu jener Zeit im Park etwas geschehen ist, was George verschuldet hat. Sie sieht Einzelheiten dieses Geschehens vor sich. Aber George will sich an nichts erinnern und tut Janes Vorwürfe als Einbildung ab. Nach einer durchwachten Nacht erscheint Jane am nächsten Morgen an ihrem Arbeitsplatz, einer antiquarischen Buchhandlung. Der Eigentümer des Ladens, Mr. Terkins, scheint eine eigenartige Kraft auf sie auszuüben. Als Jane sich aus Terkins' Bann zu befreien sucht, spielt dieser seinen ganzen Einfluss gegen Jane aus. Das steigert ihre Ratlosigkeit zur Hysterie. Hin- und hergesissen zwischen ihrer Zuneigung zu George, die durch das Erlebnis im Park stark belastet ist, und ihrem Bemühen, sich von Terkins zu lösen, geht mit Jane eine Veränderung vor, die George nicht verborgen bleibt. Jane, die in ihrem Freund den Mörder einer blinden Person und des Hundes sieht, scheint langsam in eine Welt zu versinken, in der sich Wirklichkeit und Vorstellung verbinden. Bei ihrer nächsten Verabredung bemüht sich George erneut ergebnislos um Jane. Als sie anschließend eine Party besuchen, beobachtet Jane unangenehm berührt, wie George ihre Arbeitskollegin Helen bei lesbischen Spielen überrascht. Eine Auseinandersetzung zwischen George und Helen beendet Jane, indem sie zum Aufbruch drängt. Auch ein Besuch des Oktoberfestes bringt Jane keine Zerstreuung. Im Gegenteil: die beiden geraten an eine Wahrsagerin, deren düstere Prophezeiungen Jane erneut in Angst und Schrecken versetzen. Sie flüchtet in ein Spiegelkabinett. Als George ihr dorthin folgt, wird er in eine Schlägerei verwickelt. Während sich Jane in Georges Wohnung um dessen Gesichtsverletzungen bemüht, scheinen die Depressionen mehr und mehr von ihr zu weichen. George hofft, dass sich Jane ihm in einer zärtlichen Situation offenbaren wird. Doch das Mädchen wird wieder von der quälenden Vision an das Geschehen im Park überwältigt. Sie setzt sich gegen George zur Wehr. Der missversteht ihr Verhalten und verliert jegliche Beherrschung.

Am anderen Morgen spricht Jane mit Helen. Die gibt ihr den Rat, Terkins umzubringen. Danach will Jane auf Georges Wunsch einen Psychiater aufsuchen. Eine Verwechslung stürzt Jane in neue Verwirrung. An ihrem Verstand zweifelnd, zwischen ihrer Zuneigung zu George und ihrer Abhängigkeit gegenüber Terkins schwankend, wandert sie ziellos durch sie Straßen und alarmiert schließlich in ihrer Verzweiflung die Polizei. Die Vernehmung und das anzügliche Verhalten des Polizisten verschlimmern ihren Zustand nur. Der Polizeibeamte bezweifelt Janes Aussagen. Ergeben lässt sie sich von ihm in einem Streifenwagen in die Buchhandlung fahren. Ihr Auftauchen in Polizeibegleitung führt zu neuen Verwicklungen. Der verdächtig nervöse Terkins hat eine handgreifliche Auseinandersetzung mit Jane und lässt seine angestaute Wut und sein schlechtes Gewissen auch an Helen aus, die er zwischen den Bücherregalen mit einer Freundin antrifft. Als dann auch noch George auftaucht, in dem Terkins sofort den Rivalen erkennt, zwingt er diesen, Jane in einer zweideutigen Situation zu sehen. George und Jane treffen sich nach diesem Vorfall zu einer - wie es scheint - letzten Aussprache. Jane spricht zum ersten Mal offen über ihre Konflikte, auch über ihre Beziehungen zu Terkins. Dann versucht sie, George eindringlich an ihr gemeinsames Erlebnis im Park zu erinnern. George will ihr diese, wie er meint, Halluzination ein für allemal überzeugend austreiben. Er führt sie deshalb an den Ort des vermeintlichen Geschehens. Doch in dem Park wiederholen sich die Ereignisse bis in alle Einzelheiten wieder - wie zu Anfang des Films - und sie setzen sich noch fort. Am Ende scheint Jane von ihren Traumvorstellungen befreit... Oder kann es doch Wirklichkeit gewesen sein?


Mit dieser Zusammenfassung beschreibt die "Illustrierte Film-Bühne" Robert Azderballs Erstlingswerk "Eine Frau sucht Liebe", das am 31. Januar 1969 in den bundesdeutschen Kinos mit einer Altersfreigabe ab 18 Jahren anlief. Hierbei handelt es sich um den ersten und einzigen Film des polnischen Autors und Regisseurs, über den sich nur wenige Informationen finden lassen. Über Robert Azderball lässt sich ebenso wenig sagen, außer, dass er beispielsweise Regie-Assistent bei Ugo Liberatores "Das Geschlecht der Engel", oder laut Mario Adorf zunächst als Drehbuchautor bei dem Film "Mensch und Bestie" beteiligt war. Der von Charlie Steinberger fotografierte Farbfilm in Eastman Color ist leider vollkommen in der Versenkung verschwunden, was sehr schade ist, denn dem Kinoaushang und Bildmaterial zufolge bietet er immerhin recht eigenwillige Schauwerte. Die Geschichte klingt alles andere als uninteressant und wirkt wie ein Konglomerat aus etlichen Populärthemen dieser Zeit, außerdem liest sich die Besetzungsliste für Freunde des deutschen Films sehr vielversprechend.

Wenn Azderball Eva Renzi (und sie sich darüber hinaus selbst) hier nur annähernd so bestimmend inszeniert hat, wie es in vorhergegangenen Filmen dieser Zeit mit der Fall war, darf man sich sicher auf ein besonderes Spektakel gefasst machen. Das Abarbeiten von Eva Renzis Filmografie hat sich über all die Jahre als eine Art Entdeckungsreise erwiesen, die ganz besondere Überraschungen und schöne Filmmomente hervorbringen konnte. Aufgrund ihrer wenigen Spielfilme und der spärlich vorhandenen Einsätze generell, handelt es sich bei "Eine Frau sucht Liebe" um das letzte fehlende Puzzlestück einer Karriere, das mir persönlich noch unbekannt ist, von wenigen Arbeiten fürs TV mal abgesehen. Auf die Frage, warum der Film in Vergessenheit geraten und vollkommen unbekannt ist, kann es naturgemäß viele Antworten geben. Alles in allem bleibt "Eine Frau sucht Liebe" jedenfalls einer der begehrtesten Beiträge der eigenen Filmwelt und die letzte mir noch unbekannte Hauptrolle von Eva Renzi in einem Kinofilm, der quasi das fehlende Element darstellt, um ihre Karriere ganzheitlich betrachteten zu können. Falls es so ist, dass jemand irgend welche Informationen zu Robert Azderballs Beitrag haben sollte, wäre es sehr erfreulich, etwas mehr darüber zu erfahren...

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

31.01.2018 21:00
#2 RE: Eine Frau sucht Liebe (1969) Zitat · Antworten

Es gibt sie noch - filmische Erzählungen, die sich als cineastische Rätsel im Zeitalter der digitalen Kommunikation entpuppen. Kinoproduktionen, deren Reiz sich aus dem Mysterium nährt, aus der unbändigen Lust, den Film sehen und entdecken zu können. Wie ein Forscher macht man sich auf die Suche nach Informationen und sortiert das Wenige, das man - trotz weltweiter Vernetzung durch das Internet - findet. Filmprogramme, Plakate, Lobby Cards, Zeitungsartikel, Online-Enzyklopädie-Einträge und ein paar Daten: "Eine Frau sucht die Liebe" macht sich rar und steigert so die Vorfreude auf den Film, der heute vor genau neunundvierzig Jahren, also am 31. Januar 1969 in Westdeutschland uraufgeführt wurde. In Frankreich lief der Film unter dem Titel "La chair en feu" und wurde fast genau ein Jahr später, am 4. Februar 1970 zum ersten Mal gezeigt. Weitere Verleihtitel waren "A Woman needs Loving" (Großbritannien) und "Face to face" (weltweite Auswertung). Minimale Abweichungen gibt es bei der Laufzeit; während die deutsche Fassung 82 Minuten lang sein soll, wird für die französische 85 Minuten angegeben. Die Besetzung lässt den Filmfreund aufhorchen, handelt es sich doch durchwegs um bekannte und populäre Mimen, die hier vor eine neue Herausforderung gestellt werden, die ihnen neue Facetten entlockt und ihr schauspielerisches Spektrum ausreizt. Beim Lesen der Inhaltsangabe offenbart sich ein Handlungsstrang, der in verschiedenen Genres zuhause ist und mit den Möglichkeiten spielt, die das Medium Film bereit stellt. Sofort schießen einem Bilder von ähnlichen Produktionen in den Kopf und man strickt sich ein großes Ganzes, bei dem natürlich die Fantasie einen breiten Raum einnimmt. Man denkt an Momente, in denen man die Mitwirkenden anderweitig gesehen hat und stellt sich vor, um wie viel aufregender der rasante Plot sie in "Eine Frau sucht Liebe" agieren lassen wird. Augenblicke aus "Das Geheimnis der grünen Stecknadel", "Blutspur im Park" oder "Der Killer von Wien" kommen einem in den Kopf. Man spürt die Stimmung eines Mystery-Thrillers und weiß, dass diese Schublade allein den Film nicht beherbergen können wird, weil er ganz offensichtlich mehr sein will. In Abwandlung eines beliebten Slogans sage ich deshalb: "Hoffentlich bald mehr - hier in diesem Thread!"

Giacco Offline



Beiträge: 2.519

01.02.2018 13:41
#3 RE: Eine Frau sucht Liebe (1969) Zitat · Antworten

Hier mal die Film-Echo-Kritik von 1969:

"Dieser Film wurde auf dem Missverständnis aufgebaut, das Manuskript von Dean C. Finnie sei ein gutes Drehbuch. Der Irrtum ist folgenschwer. An ihm scheiterte der polnische Regie-Debütant Robert Azderball und stürzte vom gehobenen Niveau desto tiefer. Durch diesen Irrtum lässt sich der ambitionierte inszenatorische und fotografische Aufwand erklären, durch den ein konfuser, stlistisch völlig unausgeglichener Psycho-Thriller mit musikalischem Seufzer-Akzent zu künstlerischer Bedeutung gelangen sollte. Und dieser Irrtum ist wohl auch schuld daran, dass einige sehr profilierte Schauspieler mit bedingungsloser Hingabe sich auf ein im Endeffekt recht obskures Abenteuer eingelassen haben.
Der Film schildert seelische und sexuelle Dispositionen: lesbische Liebe, Masochismus, Verfolgungswahn, Narzissmus, Aberglaube und Freude am Voyeurismus. Motivationen, Entwicklungen, psychologische Analysen, Aktionen oder Befreiungen bleiben aus. Allenfalls verbal werden gegen Ende einige Unklarheiten ausgeräumt. Zugleich aber werden durch schwarz-weiße Einblendungen ins bunte Bild konkrete Vorgänge sofort wieder einer Mystifikation unterworfen. Peinlich und lähmend wirken sich Grotesk-Einfälle aus, wenn der Psychiater sich als Tierpräparator entpuppt. Oder wenn der Ober eines Terrassen-Restaurants die Gäste hintergründig provoziert. Azderball hat sich offensichtlich sehr viel bei diesem Werk gedacht. Doch die Wirkung seiner ausgefallenen Ideen ist zwiespältig und lässt eine Konzeption vermissen."

Zu den deutschen Erstaufführungstheatern gehörte das "Luitpold" in München. Dort lief der Film in der ersten Woche mit der Note 4, in der zweiten mit der Note 5. Weil insgesamt nicht einmal 10 Meldungen eingingen, taucht er in der Film-Echo-Erfolgsrangliste nicht auf.
Beim Start in Paris waren es in der ersten Woche 18.720 Besucher in 3 Kinos.

Der Arbeitstitel lautete übrigens "Frauen brauchen Liebe" und in ersten Ankündigungen wird der Film als "Kriminal-Thriller" bezeichnet.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

04.02.2018 20:15
#4 RE: Eine Frau sucht Liebe (1969) Zitat · Antworten

Vielen Dank an Giacco für die fundierten Informationen! Das freut mich sehr und zeigt, dass es doch noch einiges gibt, das man mit Beharrlichkeit zu Tage fördern kann.


Das Rauschen im Wald der zeitgenössischen Blätter

"Eine Frau sucht Liebe" kam bei der Filmkritik der christlichen Konfessionen nicht gut an. Der Film war am 20. Dezember 1968 von der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) geprüft worden und erhielt eine Freigabe ab 18 Jahren. Der "Evangelische Presseverband München" zog in seiner Kritik Nr. 57 aus dem Jahr 1969 das Fazit "spekulative Produktion mit viel auf die Dauer langweilendem Sex in allen Arten und Abarten und ein bisschen Crime. Abzulehnen", während das "Handbuch VIII der katholischen Filmkritik. Band 1, 1971" urteilte: "....entgleitet (...) in peinliches Sexualverhalten, das von der Thematik nicht gedeckt wird. Wir raten ab." Im Hochsommer 1969, als sich die Aufregung um den Film vermutlich gelegt hatte, berichtet der "Stern" in seiner Ausgabe vom 10. August folgendes über Hauptdarstellerin Renzi: "Das ehemalige Playgirl (...) will jetzt statt in Hollywood, wo ihr Typ nicht mehr gefragt ist, in Rom baldigen Film-Ruhm suchen. Eva Renzi ist überzeugt: "Die ganze Welt wird wieder von mir hören!" In der Abhandlung "Film Fatales: Women in Espionage Films and Television 1962 - 1973" von Tom Lisanti und Louis Paul findet sich auf Seite 252 ein Bericht darüber, dass "Unfortunately, the choice to refuse the Bond movie meant that Renzi appeared in a number of mediocre films..." Nachfolgend werden u.a. "Die Zeit der Kirschen ist vorbei" und "Pink Jungle" genannt. "Taste of Excitement" wird als "....welcome change of pace" gesehen, weil die Schauspielerin in dieser Rolle in ein Mordkomplott "with bizarre results" verwickelt wird. Wie hätten die Autoren wohl über die (Mord-)Phantasie der Buchhändlerin Jane im Park geurteilt? Traum oder Wahnsinn? Oder doch handfeste Realität?

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

05.02.2018 17:36
#5 RE: Eine Frau sucht Liebe (1969) Zitat · Antworten

Super, ein paar zeitgenössische Kritiken. Danke, Giacco und Percy Lister, dass ihr euch die Mühe gemacht habt, sie abzutippen. Das macht die ganze Sache schon ein wenig runder und die Geschichte hört sich trotz der Verrisse, beziehungsweise Kritik nicht minder interessant an!


Zitat von Evangelischer Presseverband München
"Abzulehnen"

Zitat von Handbuch der katholischen Filmkritik
"Wir raten ab"


    Immer wieder gut! 

Georg Online




Beiträge: 3.263

05.02.2018 17:59
#6 RE: Eine Frau sucht Liebe (1969) Zitat · Antworten

Ergänzend schreibt das Hamburger Abendblatt (19.07.1969) dazu: "Eine Frau sucht Liebe: Sie (Eva Renzi) muß nicht lange suchen, denn in den starken Armen Horst Jansons findet sie alles, was sie braucht. Leider ist die schöne Eva in die Abhängigkeit eines perversen und brutalen Tattergreises geraten. Der Vollständigkeit halber werden dem Sex-Cocktail noch lesbische Ein- und Zweideutigkeiten zugefügt. Fazit: Trotz guter Besetzung nichts Neues von der Sex-Front."

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

07.02.2018 14:05
#7 RE: Eine Frau sucht Liebe (1969) Zitat · Antworten

Eva Renzi: Sex mit Prädikat

Eva Renzi (23), Filmstar ("Playgirl") und Paul-Hubschmid-Ehefrau, gibt sich selbst die Erlaubnis für Nacktfilme. Nach ihrem jüngsten freizügigen Streifen "Eine Frau sucht Liebe", legten ihr Hollywood-Filmleute ein neues Drehbuch vor. Eva: "Ich ziehe mich nur aus, wenn der Film künstlerisch wertvoll ist." Die Filmleute: "Aber woher wissen Sie vorher das Filmprädikat?" Eva: "Das entscheide ich."

(aus: Zeitschrift "Praline", Nr. 6 vom 15. April 1969, Seite 55)

Über dem Artikel sieht man die Fotografie einer Filmszene, in der Eva Renzi und ihr Filmpartner Horst Janson schallend lachen.

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

19.02.2018 15:32
#8 RE: Eine Frau sucht Liebe (1969) Zitat · Antworten

Auch hier nochmals Danke für die Ergänzungen. Auch wenn die Kritik (vielleicht sogar naturgemäß) durchwachsen ausgefallen ist, steigt die Neugierde auf diesen Film doch sehr. Schön wäre es natürlich, wenn dieser Streifen - der ja wirklich alles Mögliche hervorbringen könnte - einmal aus der Versenkung gehoben würde, da alleine die Besetzung schon einen Unterhaltungswert verspricht. Ich persönlich finde Erstlingswerke ja immer interessant. Noch spannender wird es sogar, wenn es sich um den einzigen Film eines Regiesseurs handelt, da meistens eine deutliche Unbefangenheit oder möglicherweise auch Chaos wahrzunehmen ist. Vielleicht auch hier - wer weiß das schon?

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

25.10.2018 13:55
#9 RE: Eine Frau sucht Liebe (1969) Zitat · Antworten

Anbei die komplette Kritik aus dem "Filmdienst" Band 22 / Jahrgang 1969:

"Eine Frau sucht Liebe" - Meinung der Kritikerin mit der Signatur "PL"

Eine Szene des Films spielt in einem Spiegelkabinett, in dem sich die Zu- und Ausgänge in einen Irrgarten verwandeln. George, die einzige Figur in der Geschichte des Films, die mit normalem Sinn und Sinnesgenuß neben verquerten Typen vorkommt, wird dort von zwei Unbekannten ohne ersichtlichen Grund angefallen und aufs Kreuz gelegt. Zweifellos lag es in der Absicht der Hersteller, Leinwandverwirrung zu stiften. Denn Jane, eine hübsche junge Angestellte im Buchantiquariat von Mr. Terkins, kann Wirklichkeit und Wahn nicht unterscheiden. Sie räkelt sich durch erlebte und geträumte Sexuallust oder quält sich ebenso ergiebig zwischen Angstsituation und Zwangsvorstellungen (Eva Renzi, wie immer, ausdrucksstark). Das Mißverständnis des Films beruht darauf, daß auch der Zuschauer in diesem konfusen Labyrinth von Täuschungen und teils unappetitlichen, teils makabren Bildern, 115 lange Minuten vergeblich herumirren muß, ohne sich ganz zurechtzufinden. Stattdessen darf er sich wundern, daß mit einem so ansehnlichen Aufgebot von Namen (Regie, Besetzung, Kamera, Schnitt) ein solcher Qualitätsreinfall zu bewerkstelligen ist. Der Film verweist im einleitenden Rolltext auf den hohen Prozentsatz seelisch Kranker, und der Besucher stellt sich auf innere Konfliktsituationen ein, die durchleuchtet werden. Aber er wird vornehmlich mit exaltiertem oder zelebriertem Sex konfrontiert, der eine Schlagseite Crime hat. Hier liegt sicher kein Mißverständnis, sondern spekulative Absicht vor. Janes offenkundige Zwangsneurose entwickelt sich aus einem "Zwischenfall" während einer heftigen Liebesbegegnung mit George. Aber weil sie nicht auf der gesuchten Psychiater-Couch landet, sondern irrtümlich bei einem Tierpräparator (Hans Clarins komisches Talent wird dabei auf ein als Kleiderständer benütztes menschliches Skelett abgedrängt!), bleibt ihr Schock ungeheilt. Dagegen gibt es für ihren abartigen Arbeitgeber Terkins eine "Endlösung". Ehe ihn Jane ersticht, spukt er als Unhold durch Wände von Büchern, übt sich als Messerwerfer und wehrt lästige Rivalen ab, die die sexuelle Hörigkeit von Jane stören könnten oder zur Eifersucht gegenüber ihrer Kollegin Helen aufreizen. Helens Neigungen sind lesbischer Natur. Sie kann das Verhältnis mit ihrer Partnerin mehrmals so eingehend demonstrieren, als gälte es, daraus eine Aufklärungsstunde zu machen! Als photogene Entspannungsübung führt George seine Freundin Jane auf das Münchener Oktoberfest. Doch der Besuch bei einer Wahrsagerin verdüstert Jane in neue Orakel. Auch ein Hilferuf an die Polizei zur Aufklärung des Zwischenfalls bringt nichts ein als die zweideutige Auslegung des Slogans "Die Polizei - dein Freund und Helfer". Am Schluß des Films wird die Ausgangssituation am Tatort rekonstruiert, aber es wiederholen sich die gleichen Bilder. Die psychologische und kriminalistische Preisfrage - Einbildung oder Wirklichkeit - bleibt offen. Kein Anlaß also, den Film bis zum Ende durchzustehen, wozu sich eine Reihe von Kinobesuchern auch gar nicht erst entschließen.

Abschließend steht als Fazit:

Gutachten der Kommission: Erlebnisse eines jungen Mädchens, bei dem sich eine sexuelle Zwangsneurose entwickelt. Das Geflecht von Wirklichkeit und Einbildung bleibt bis zum Ende konfus und entgleitet besonders im Umfeld in peinliches Sexualverhalten, das von der Thematik nicht gedeckt wird. - Wir raten ab.

Auffallend ist der Widerspruch über die Laufzeit. Während der Film in den einleitenden Stabangaben zur Kritik mit 82 Minuten angegeben wird, berichtet Frau PL von 115 Minuten und man fragt sich, wie sie zu dieser Behauptung kommt. Interessant ist auch die Feststellung, dass mehrere Kinobesucher die Vorstellung vorzeitig verließen.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

03.11.2018 20:41
#10 RE: Eine Frau sucht Liebe (1969) Zitat · Antworten

Die Bauten für den Film stammten vom Filmarchitekten Robert Stratil (1919-1976), der seine berufliche Laufbahn bei der Bavaria begonnen hatte und sein Betätigungsfeld in den späten Sechziger Jahren vom Film zum Fernsehen verlagerte. Er arbeitete dort u.a. für die Kriminalserien "Kommissar Freytag", "Pater Brown" und "Der Kommissar". Vor seinem Engagement für "Eine Frau sucht Liebe" hatte er die Set-Dekorationen für namhafte Unterhaltungsfilme wie z.B. "Der Arzt von Stalingrad", "Das schwarze Schaf" oder "Eins, zwei, drei" entworfen.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

13.11.2018 14:03
#11 RE: Eine Frau sucht Liebe (1969) Zitat · Antworten

Meine Anfrage bei der ehemaligen Agentur des Schauspielers Frithjof Vierock, der ebenfalls in "Eine Frau sucht Liebe" mitspielte, führte zu einem Telefongespräch, bei dem mir Herr Vierock erzählte, dass er nur 1 Drehtag hatte und in seinen Szenen zusammen mit Horst Janson agierte. Am Set herrschte eine normale, positive Atmosphäre, aber da er nur einen Arbeitstag hatte, konnte er sonst wenig sagen. Er selbst hat den Film nicht gesehen und fragte mich, ob dieser denn überhaupt gezeigt worden ist. Die Werbekampagne bzw. die Resonanz auf die Kinovorführungen muss also nicht sehr groß gewesen sein, wenn die Produktion selbst an einem Mitwirkenden unbeachtet vorbeiging.

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