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Dieses Thema hat 1 Antworten
und wurde 141 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

08.06.2014 14:50
#1 Der Mann, dem man den Namen stahl (1944/45) Zitat · Antworten



Wolfgang Staudtes Der Mann, dem man den Namen stahl

Verwechslungskomödie, D 1944/45. Regie: Wolfgang Staudte. Drehbuch: Josef Maria Frank, Wolfgang Staudte. Mit: Axel von Ambesser (Fridolin Biedermann), Gretl Schörg (Madame Marlen), Elisabeth Flickenschildt (Hella), Paul Henckels (Paul Heimlich), Hans Hermann Schaufuß (Standesbeamter), Aribert Wäscher (Kommissär), Ruth Lommel (Elvira), Kurt Weitkamp (Heini Bock), Hubert von Meyerinck (Max Vieregg), Ruth Buchardt (Svea) u.a. Uraufführung: 21. Juni 1996. Eine Produktion der Tobis-Filmkunst GmbH.

Zitat von Der Mann, dem man den Namen stahl
Fridolin Biedermann heiratet die Tochter seines Chefs. Zumindest hat er das fest vor – lediglich der Standesbeamte stellt sich quer. Mehr noch: Er bringt Biedermann in ernsthafte Erklärungsnot. Gegen den unbescholtenen Bürger liegt eine Anzeige wegen Bigamie vor. Dem Polizeipräfekten macht Biedermann klar, dass ein Heiratsschwindler seine Identität gestohlen haben muss. Doch die größten Anstrengungen, den Schurken zu finden und die eigene Weste reinzuwaschen, führen nicht zum Erfolg: Im undurchdringlichen Paragrafendschungel werden Biedermann und seiner Braut immer wieder neue Hürden in den Weg gestellt ...


Wer, wenn nicht das heutige Publikum, das sich mit der Anonymität des Internets sowie deren Missbrauch durch Hacker vielleicht schon an der eigenen Person konfrontiert gesehen hat, wird eine Geschichte goutieren, in der einem Mann seine Identität geraubt wird? In Zeiten vor Passwortknackern, Kreditkartenfälschern und Trojanern funktionierte ein solches Unterfangen bereits auf analoge Weise: mit der simplen Entwendung einer Geldbörse. Opfer dieses Verbrechens wird der hoffnungslos naive Provinzler mit dem bezeichnenden Namen Fridolin Biedermann. Weil Biedermann nicht nur ein Bieder-, sondern auch ein Jedermann ist, identifizieren sich die Zuschauer mit dem Unglücksraben, der – ob fahrlässig oder unverschuldet, sei dahingestellt – auf eine wahre Odyssee geschickt wird. In zunehmendem Maße bauen sich groteske Widersprüche auf, die allein darauf basieren, dass sich Paragrafenreiter wider jeden gesunden Menschenverstands auf die Richtigkeit ihrer Akten berufen.

Zitat von Der Mann, dem man den Namen stahl. Zitty Berlin. Das Hauptstadtmagazin, 30. Dezember 2010
Identitätsdiebstahl ist kein neues Phänomen. In diesem Film hat ein Mann damit zu kämpfen, nach Aktenauskunft ein ganz anderer zu sein, zudem einiges auf dem Kerbholz zu haben – und: „Was in den Akten steht, stimmt!“. Wolfgang Staudtes Komödie ist nicht nur eine freche Satire auf überbordende Bürokratie und das Verhältnis zwischen Individuum und Obrigkeit. Man mag auch kaum glauben, wann dieser Streifen entstanden ist: In der Endphase der NS-Diktatur, welche die Macht des Staates über seine Untertanen in völlig neue Dimensionen geführt hatte.


Schon vor dem totalen Krieg hatte auch die totale Kontrolle des Staats in Nazideutschland eingesetzt. Durch die vom Führer erlassenen Gesetze waren die staatlich unberührten Lebensbereiche der Deutschen im Laufe der 1930er Jahre immer weiter dezimiert worden. Kein Wunder ist es demnach, dass sich Künstler wie der stets kritische Wolfgang Staudte über derlei Zustände mokierten. Zwar strotzt „Der Mann, dem man den Namen stahl“ vor vorgeblicher Harmlosig- und Blauäugigkeit, aber diese unschuldige Fassade täuscht keineswegs über die bissigen Persiflage-Qualitäten des Films hinweg, die sich auf die Wucherungen des NS-Staates beziehen, welche selbst geradezu absurde Formen angenommen hatten. Die Filmprüfstelle erkannte folgerichtig die gefletschten Zähne des Fridolin Biedermann und verbot im März 1945 dessen Abenteuer.



Im Gegensatz zu anderen Verbotsfilmen erblickte der Film jedoch auch nach der Kapitulation nicht das Licht der Filmprojektoren. Vielleicht um ihn vor einer Zerstörung noch zu Reichszeiten zu bewahren, war „Der Mann, dem man den Namen stahl“ unter falscher Kennzeichnung in die Archive gekommen und galt fortan als verschollen. Erst in den 1990er Jahren entdeckte man aus Zufall bei der Restauration des Harry-Piel-Pferdeabenteuers „Der Mann im Sattel“ an die 80 Bild- und Tonrollen, die Szenen aus der Staudte-Produktion enthielten. Dank einer aufwändigen Restaurationsarbeit der Murnau-Stiftung feierte der weitgehend wieder zusammengesetzte Film (zu zwei Szenen fehlt das Bildmaterial, der Ton wird hier durch Standbilder begleitet) im Berliner Zeughauskino im Juni 1996 seine Uraufführung.

Über die komödiantischen Qualitäten des Stoffes können keine Zweifel bestehen. Doch es handelt sich nicht allein um kopflose Albernheiten, die er zum Zeitvertreib seiner Zuschauer feilbietet. In einem Spannungsdreieck zwischen absurder Satire, Anleihen an den Expressionismus des frühen deutschen Films sowie romantischer Versatzstücke einer Kriminalposse erfüllt er die Wünsche einer breitgefächerten Zielgruppe: Er stört, denn er hinterfragt, er befriedet aber auch wieder durch die Tatsache, dass sich am Ende ungeahnt alles zum Guten wendet. Zwischen Hauptdarsteller Axel von Ambesser, der Mut zum Selbstwitz unter Beweis stellt, und der verhältnismäßig spät in die episodisch entwickelte Handlung eingeführten Gretl Schörg entwickelt sich eine derartig prickelnde Chemie, dass sogar mit Fug und Recht behauptet werden kann, dass die Umwege zum Glück sogar ihren Nutzen hatten.

In Nebenrollen als Heiratsschwindler mit Verkleidungsbegabung sowie als zuerst ruchlose und dann selbst hintergangene Dame von Welt brillieren Hubert von Meyerinck und Elisabeth Flickenschildt, deren exzentrische Auftritte dem Film zusätzliches Gusto verleihen. Überhaupt lebt das Amüsement durch die sprühenden Leistungen seiner Nebendarsteller auf, zu denen unter anderem Aribert Wäscher als walrossbärtiger Kommissär und Hans Hermann Schaufuß als Standesbeamter mit Brillengläsern so dick wie seine Register zählen. Sie verdeutlichen, mit welcher Detailverliebtheit Staudte an die Realisierung seiner Parodie ging, die sich ebenfalls durch streckenweise direkt melodisch aufgearbeitete Dialoge auszeichnet. Ihrem düsteren Zeitgeist traten die Macher – vielleicht in einer selbstschützenden Ohnmacht – mit einem bewundernswert frohen Mut entgegen.

Herzhaft lachen kann man bei diesem Experiment, bei dem die erprobten Stilmittel der Verwechslungskomödie auf bissige Staatskritik treffen, mit Sicherheit. Axel von Ambesser stellt den Fridolin Biedermann mit jenem wechselvollen Temperament dar, das ihn sich über seine Rückschläge ordentlich ärgern und gleichzeitig Sympathie für ihn aufkommen lässt. Warum die Deutschen als korrektes Völkchen gelten, sollte diesen Irrweg durch Paragrafen, Register und Formulare auf keinen Fall verpassen. 5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

10.06.2014 00:35
#2 RE: Der Mann, dem man den Namen stahl (1944/45) Zitat · Antworten



Wolfgang Staudtes Die seltsamen Abenteuer des Herrn Fridolin B.

Verwechslungskomödie, D-Ost 1947/48. Regie und Drehbuch: Wolfgang Staudte (Idee: Josef Maria Frank). Mit: Axel von Ambesser (Fridolin Biedermann), Ilse Petri (Marlen Weber, Malerin), Hubert von Meyerinck (der falsche Biedermann), Ursula Krieg (seine Geliebte), Ruth Lommel (Elvira Sauer), Joachim Teege (Heini Bock), Franz Stein (Standesbeamter), Otto Matthies (ein weiterer Standesbeamter), Paul Henckels (Scheidungsbeamter), Arno Paulsen (Gefängnisdirektor) u.a. Uraufführung: 9. März 1948. Eine Produktion der DEFA Deutsche Film-AG.

Zitat von Die seltsamen Abenteuer des Herrn Fridolin B.
Paradoxe Paragrafenwelt! Weil ihm seine Papiere in einer unbedachten Nacht abhanden kamen, sieht sich der Schneider Fridolin Biedermann mit Anschuldigungen konfrontiert, die er sich in seinen kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können: Mehrere Ehen soll er führen und fünf Kinder haben. Sein Versuch, auf dem Standesamt Elvira Sauer zu heiraten, bleibt folglich nicht nur vergebens, sondern bringt ihm sogar eine Verhaftung ein. Es gelingt ihm mit aller Mühe nicht, die Situation restlos aufzuklären ...


Sowohl die Filmliteratur als auch Regisseur Wolfgang Staudte selbst sprechen über „Die seltsamen Abenteuer des Herrn Fridolin B.“ als eine Vervollständigung des Films „Der Mann, dem man den Namen stahl“ und kategorisieren den 1948 aufgeführten Nachfolger als einen Überläufer zwischen NS- und Nachkriegszeit. Das ist insofern inkorrekt, als „Der Mann, dem man den Namen stahl“ vor dem Krieg vollständig fertig gedreht worden war und folglich keiner Komplettierung bedurfte. Auch bestätigte sich weder die Vermutung, Teile des alten Filmmaterials seien verloren oder zerstört worden, noch machen die „seltsamen Abenteuer“ überhaupt großen Gebrauch von Szenen aus dem Vorgängerfilm. Lediglich zwei Sequenzen – am markantesten das Lied, das Axel von Ambesser gemeinsam mit seinen Kollegen über den Rechts- und Bürokratiedschungel singt – stammen aus der Kriegsproduktion; sie machen nicht einmal fünf Minuten der letztlichen Laufzeit auf. Staudtes Äußerung, er habe nachträglich nur noch „einige Szenen nachgedreht“ entpuppen sich bei Vergleich der zwei Filme dementsprechend als fachlich verfälschende Untertreibung. Vielleicht versuchte er damit, Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen:

Zitat von Ralf Schenk: Brüche und Kontinuitäten. film-dienst 16/2010, Booklet zur DVD-Veröffentlichung, S. 4
Als seinen [zweiten] DEFA-Film legte [Wolfgang] Staudte 1948 ein Remake von „Der Mann, dem man den Namen stahl“ vor, nunmehr unter dem Titel „Die seltsamen Abenteuer des Herrn Fridolin B.“, und wurde dafür von der Kritik heftig gescholten: Von diesem Regisseur erwartete man kein Kabarettstück im luftleeren Raum, sondern kritische Arbeiten zu Gegenwart und Geschichte, die zwar kabarettistische Elemente enthalten konnten (auch in „Die Mörder sind unter uns“ sind sie bei der Zeichnung der Hausbewohner und des Kriegsverbrechers Brückner vorhanden), aber von ihnen nicht dominiert sein sollten.




Auch wenn eine Zusammenfassung der Handlung von „Die seltsamen Abenteuer des Herrn Fridolin B.“ weitgehend identisch mit der von „Der Mann, dem man den Namen stahl“ ist, stellt man dennoch mehrere Unterschiede zwischen den beiden Filmversionen fest, die allerdings in der Mehrzahl zu Ungunsten der Nachkriegskomödie ausfallen. Sie bewahrt sich zwar ihren hinterfragend-kabarettistischen Unterton, den auch Zweifler der Verfilmung anerkannten, verwässert ihn jedoch durch eine Aura der Lustspielseligkeit und einen latenten Hang zum Klamauk. In ihrer humoresken Intensität schießen die „seltsamen Abenteuer“ stellenweise über das Ziel hinaus und bestätigen erneut den Vorbehalt, dass ein Remake es selten mit der Originalfassung aufnehmen kann.

Konkret wurden für die Umsetzung unter anderem der Privatdetektiv Dr. Heimlich und das Gangsterliebchen Svea gestrichen, was für weniger Kriminalkomödienflair im Endresultat sorgt. Schade ist es auch um gewisse Personalien der Besetzung. Während Staudte mehrere Schauspieler aus der 1944er-Fassung erneut gewinnen konnte – Axel von Ambesser, Hubert von Meyerinck, Aribert Wäscher, Ruth Lommel, Paul Henckels (letzterer in einer anderen Rolle) –, so fehlt der Charme von Gretl Schörg und Elisabeth Flickenschildt ebenso deutlich wie die charismatische Verkörperung des Standesbeamten durch Hans Hermann Schaufuß, in dessen Fußstapfen Franz Stein sich nur in geringerem Maße zu profilieren wusste.

Häufig machte Staudte Gebrauch von Dialog-Parallelschnitten, die die einmütig routinierte und selbstüberzeugte Dienstauffassung in deutschen Beamtenstuben karikieren sollen. Während man zwar völlig unterschiedlichen Typen von Staatsdienern vom aggressiven Mahner bis hin zum desinteressierten Eigenbrödler begegnet, so laufen doch Erkundigungen und amtliche Auskünfte auf Standes-, Scheidungs-, Einwohnermelde- und sonstigen Ämtern nach immer wieder gleichen Mustern ab, aus denen sich ein großes Potenzial für Verballhornungen aller Art ergibt. Trotz aller Kritikpunkte nutzen die „seltsamen Abenteuer“ diese vergnüglichen Möglichkeiten in einem so befriedigenden Maße, dass der Unterhaltungswert des Lustspiels zu jedem Moment gegeben ist. Viel mehr kann man von einer Komödie kaum erwarten, doch genau darauf limitiert sich dieser Film eben auch: eine Komödie, die sich von der genretechnischen Vielfalt ihrer Vorlage leider gelöst hat.

Der weniger gehaltvolle kleine Bruder des „Mannes, dem man den Namen stahl“ unterhält durch Grundidee und die engagierten Leistungen von Ambessers und von Meyerincks, bleibt aber im Schatten des gelungeneren Vorgängers. Zeitkritik und Satire lösen sich hier in einer süßen Melange aus harmloser Heiterkeit auf. 3,5 von 5 Punkten.

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