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 Film- und Fernsehklassiker national
Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

03.09.2013 23:18
#1 Am Abend nach der Oper (1944) Zitat · Antworten



Arthur Maria Rabenalts Am Abend nach der Oper

Kriminalmelodram, D 1944. Regie: Arthur Maria Rabenalt. Drehbuch: Johanna Sibelius (Buchvorlage „Der Fund“: Franz Nabl). Mit: Gusti Huber (Julia Angerer), Siegfried Breuer (Peter Manders), Robert Lindner (Johannes Merk), Erich Ponto (Stephan Schneider), Albert Florath (Zuchthausdirektor), Klaus Pohl (Hotelportier), Gerhard Dammann (Kapitän), Anton Pointer (Wilhelmy), Alfred Maack (Bauer) u.a. Uraufführung: 31. August 1945. Eine Produktion der Terra-Filmkunst GmbH.

Zitat von Am Abend nach der Oper
Die Ehe von Peter Manders mit der unkonventionellen Julia Angerer wird von einem düsteren Geheimnis überschattet. Manders hat seiner Frau vorenthalten, dass er wegen der Ermordung seiner ersten Gattin sechs Jahre im Zuchthaus gesessen hat. Als er ein wichtiges Dokument, das ihn als vorbestraft ausweist, verliert und es in die Hände eines skrupellosen Erpressers gerät, sieht sich Manders mit einer vertrackten Situation konfrontiert: Der Nutznießer gibt sich mit einem hohen Posten in Manders‘ Unternehmen nicht zufrieden. Er will auch die Frau seines Chefs ...


Es ist fast schon ironisch, dass ausgerechnet ein Film aus der Zeit des Dritten Reiches von der Vorbelastung durch Verbrechen in der Vergangenheit handelt. Durch seine Rolle in den beiden Weltkriegen ist es heute Deutschland, das in die Fußstapfen von Peter Manders tritt und förmlich schon Muffensausen bekommt, wenn sich nur irgendwo vorwurfsvolle Blicke andeuten. Als Kernthematik kristallisiert sich der Schuldbegriff heraus; unterschwellig wird die Frage gestellt, ob das Abbüßen einer Strafe ausreicht, um Schuld zu relativieren. Ist Manders noch immer ein Verbrecher, nachdem er aus dem Gefängnis entlassen wurde – ist Deutschland noch immer schuldbeladen, nachdem es den Nationalsozialismus überwunden hat?

Manders hat mit Vorurteilen zu kämpfen, die sich in den herausfordernden Anmerkungen des Zuchthausdirektors, in der Abklassifizierung seiner Person durch den Hotelburschen als Mörder und in der dramatisch überhöhten Reaktion seiner zweiten Frau zeigen. Gleichsam gelingt es ihm nach längerem Untertauchen, ein unbehelligtes Leben aufzubauen, in dem er als neuer Mensch gewürdigt und geschätzt wird. Natürlich ist sein Renommee auf einem wackeligen Fundament aufgebaut und beruht in erster Linie auf Geheimhaltung von Tatsachen. Auch hier zeigen sich die weitreichenden Ausläufer von Schuld: sowohl in der komplexgetriebenen Haltung Manders‘ als auch in der nicht von der Hand zu weisenden Annahme, dass jeder, der die Wahrheit wüsste, ihm Vorhaltungen machen würde.

In den Augen des Zuschauers gerät Manders dennoch zur Sympathiefigur, was vor allem in der abstoßenden Kaltblütigkeit des Erpressers, dem er in die Hände fällt, begründet liegt. Dennoch offenbart sich in der ambivalenten Idee, einen verurteilten Mörder als Held der Geschichte aufzubauen, ein Stück nationalsozialistischer Philosophie, in der der Affektmord sein grauenhaftes Antlitz in Betracht viel größerer Grausamkeiten bereits verloren hatte.



„Am Abend nach der Oper“ geriert sich trotz aller Spitzfindigkeiten in erster Linie als ein Unterhaltungsfilm, der halbwegs zwischen Krimi und romantischem Melodram ansetzt. In dieser Mischung gleicht er einigen ähnlichen Nachkriegskrimis der späten 1940er und der 1950er beträchtlich, was zudem auch dadurch unterstrichen wird, dass der Film durch die durch den Endkampf bedingten Verzögerungen erst nach Kriegsende zur öffentlichen Aufführung gebracht wurde. Im Astor in Berlin lief der 5-Akter am 31. August 1945 erstmals über die Leinwand. Wohl auch diesem Umstand ist zu verdanken, dass der Film unzensiert erhalten blieb, denn eine verwunderliche Dialogpassage kommt dem Erpresser Merk über die Lippen, als er von etwas, was man in einer NS-Produktion kaum erwarten würde, spricht: der bedingungslosen Kapitulation (noch dazu der des Mannes vor den Reizen einer Frau).

1947 war der Film dann auch bis Hamburg vorgedrungen, wo von kritischen Publikumsreaktionen berichtet wird. Die Zeit möchte in einem Artikel von A. Nowakowski folgende Konversation überhört haben:

Zitat von A. Nowakowski: „Am Abend nach der Oper“ – Eine norddeutsche Erstaufführung. Die Zeit 37/1947, 11. September 1947
Als der Film […] zu Ende gegangen war, fragte ein Besucher seine Dame: „Nun, wie hat er Ihnen gefallen?“ Sie hob die Schultern. „Kino“, sagte sie und suchte, damit ihre Enttäuschung zu umschreiben.


Vom heutigen Standpunkt verrät die Einschätzung der Zuschauerin durchaus eine Qualität des Films. Er bietet wohlgeratene und wohlige Kinokost aus alten Zeiten, mit Pferdekutschen, Bahnhöfen, Bediensteten, einer feinen Gesellschaft und einem Hauch verkitschter Exotik. Für die Hauptrollen wurden mit ausgesprochener Treffsicherheit Siegfried Breuer und Gusti Huber ausgewählt, wobei Breuer eine richtiggehend greifbare Düsternis und gleichsam bestechende Respektsnatur besitzt. Hubers Auftritt mutet ein wenig anstrengend an, weil Drehbuchautorin Johanna Sibelius der zweiten Frau eine sonderbare, stellenweise kindliche und unberechenbare Natur verlieh. In dieser ungewöhnlichen Charakterzeichnung liegt indes auch die Saat für die Unsicherheit über den Fortbestand der Ehe, von der der Film maßgeblich vorangetrieben wird.

Für Jungschauspieler Robert Lindner stellte „Am Abend nach der Oper“ erst den zweiten Film seiner Karriere dar, weshalb er wohl als einer der wenigen filmisch relativ unbelasteten Darsteller der Produktion durchgeht. Ihm wurde als Ausgleich die Rolle des Erpressers zugedacht, mit der er im Gegensatz zum väterlich-freundlichen Erich Ponto die Rücksichtslosigkeit und Verkommenheit der jungen Generation verkörpert. Ob die Verantwortlichen von „Am Abend nach der Oper“ hierin die Gefahr der in der Hitlerjugend zu ruchlosen Soldaten erzogenen Nachkömmlinge der braunen Ära widerspiegeln wollten oder ob doch alles nur „Kino“ war?

Emotionale Schilderungen dramatischer Personen zählen zum Grundstock traditionellen Filmschaffens. In „Am Abend nach der Oper“ wird die Liebesgeschichte mit interessanten Versatzstücken aus Mord, Erpressung und Schuldkomplexen vermischt, die gemeinsam mit der als große Rückblende aufgezäumten Handlung einen bis zur letzten Minute spannenden Erzählfluss garantieren. 4,5 von 5 Punkten.

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