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 Film- und Fernsehklassiker international
Blap Offline




Beiträge: 1.128

29.11.2010 00:06
#1 Teufelskreis Y (1968) Zitat · Antworten

Twisted Nerve (Großbritannien 1968, Originaltitel: Twisted Nerve, deutscher Titel: Teufelskreis Y)

Menschliche Abgründe

Martin Durnley (Hywel Bennett) wird von seiner überfürsorglichen Mutter Enid (Phyllis Calvert) fast erdrückt, da deren anderer Sohn mit dem Down-Syndrom geboren wurde, und man diesen in ein vornehmes Heim abgeschoben hat. Zu seinem Stiefvater Henry Durnley (Frank Finlay) hat Martin kein gutes Verhältnis, die beiden Männer verachten sich gegenseitig aus tiefster Seele. Eines Tages erblickt Martin die hübsche Susan Harper (Hayley Mills). Er flüchtet sich in die Identität des hilflosen und zurückgebliebenen Georgie, erregt damit die Aufmerksamkeit der jungen Frau, die umgehend Mitgefühl für "Georgie" empfindet. In Martin reift ein teuflischer Plan, er will den verhassten Stiefvater endgültig loswerden, gleichzeitig in der Nähe von Susan verweilen. Mit List und Tücke gelingt es Martin/Georgie sich bei Susans Familie einzuschleichen, man lässt den vermeintlich geistig beschränkten Jungen im Hause Harper wohnen. Mit seinem kindlichen Charme, wickelt Georgie bald Susans Mutter Joan (Billie Whitelaw) um den Finger. Als sich Georgie in der Nacht aus dem Haus der Harpers schleicht, hat sein Stiefvater wenig später ein tödliches Zusammentreffen mit dem ungeliebten Stiefsohn. Familie Harper ahnt noch nichts von der Gefahr, der sie ihre Türen und Herzen geöffnet hat. Georgie zeigt erste Anzeichen von Eifersucht, seine Besessenheit bezüglich Susan wird jedoch nicht erkannt. Joan und ihr Partner Gerry Henderson (Barry Foster) sind mit sich selbst beschäftigt, denn eine Beziehungskrise nimmt ihren Lauf. Kann der Medizinstudent Shashie Kadir (Salmaan Peerzada) Georgie enttarnen. Shashie wohnt zur Miete im Haus der Harpers, läuft Georgie daher täglich über den Weg. Wird man im Hause Harper/Henderson rechtzeitig hinter die Fassade von Georgie blicken, oder ist das Unheil nicht mehr aufzuhalten?

Regisseur Roy Boulting tischt uns mit "Twisted Nerve" einen überwiegend ruhigen, aber dafür umso intensiveren Film auf. Die Story funktioniert vortrefflich als Kriminalfilm, darüber hinaus als Schilderung des tragischen Daseins eines psychisch schwer gestörten Menschen. Hinzu kommt noch das Element Familiendrama, gewissermaßen ist "Twisted Nerve" gar ein "doppeltes Familiendrama", welches gleich zwei Sippen in den Abgrund zieht. Der Streifen ist handwerklich auf sehr hohem Niveau inszeniert, die Kamera fängt die stimmigen Kulissen ansprechend ein, das Drehbuch leistet sich keine Hänger, der Score ist äusserst einprägsam geraten. Ich verabscheue es zwar, wenn ständig die "Tarantino-Keule" geschwungen wird, doch hier muss ich einfach den Hinweis loswerden, dass Herr Tarantino die Titelmusik von "Twisted Nerve" in "Kill Bill" verwendete. Die gepfiffene Melodie geht in der Tat sofort ins Ohr, leider wird sie auch häufig als Klingelton für Mobiltelefone mißbraucht, grrrrr.

Freilich würde "Twisted Nerve" nicht so vortrefflich zünden, wenn das Ensemble vor der Kamera nicht ebenfalls durchweg hochklassig agieren würde. Hywel Bennett passt perfekt in die Rolle des eher unscheinbaren Bürschleins, das mit debilem Kuhblick die Herzen der ihm Überlegenen für sich einnimmt. Tatsächlich lauert hinter dieser harmlosen Fassade, auch ein eiskalter und völlig gestörter Charakter. Hywel Bennett meistert seine sicher nicht leicht zu spielende(n) Rolle(n) mit Bravour. Hayley Mills ist eine nicht minder gelungene Wahl für den Part des unschuldigen, warmherzigen Mädchens. Noch besser als Hayley Mills gefällt mir Billie Whitelaw, die als ihre Filmmutter zu sehen ist. Bei ihr verbirgt sich hinter dem fürsoglichen Hausmütterchen viel mehr, als man zunächst annehmen mag, letztlich offenbart sie nahezu abstossende Eigenschaften. Barry Foster ist mir aus Alfred Hitchcocks "Frenzy" (1972) in bester Erinnerung. In "Twisted Nerve" wird er von den Hauptaktueren ein wenig in den Hintergrund gedrängt, doch er kämpft mit bissigem Humor tapfer dagegen an. Frank Finlay sehen wir als reichen Schnösel, dem die Geringschätzung für den ungeliebten Stiefsohn aus jeder Pore dringt. Phyllis Calvert hadert mit ihrem Schicksal, entzieht sich durch Schwäche der Verantwortung. All diese Charaktere faszinieren durch ihre mehr oder weniger stark ausgeprägte Doppelbödigkeit, die sie durch die Bank mit Tiefe und Glaubwürdigkeit ausstattet. Selbst die engelsgleiche Hayley Mills kann ihre Krallen ausfahren, mit spitzer Zunge feines Gift versprühen, Barry Foster ist in diesem Fall das "Opfer". Lediglich Salmaan Peerzada kommt nahezu frei von charakterlichen Schwächen daher, sein Part fällt aber vergleichsweise gering ins Gewicht.

Obwohl sich "Twisted Nerve" ein gemäßigtes Erzähltempo gönnt, vergehen die rund 112 Minuten Spielzeit wie im Fluge. Stets ist Spannung vorhanden, stets kann man sich an den Leistungen der Mitwirkenden erfreuen. Ab und zu wird an der Spannungsschraube gedreht, ganz selten kommt es zu kurzen Ausbrüchen von Gewalt, die aber nicht grafisch ausgewalzt werden. Brtisches Kino in bester Verfassung, eine klare Empfehlung für Freunde gepflegter Thriller-Unterhaltung!

Leider liegt in Deutschland keine DVD-Auswertung des Titels vor. Die britische DVD von Optimum glänzt mit sehr schöner Bildqualität. Lediglich das Bildformat scheint nicht ganz korrekt zu sein. Laut meiner Information wurde der Film in 1,66:1 produziert, die DVD präsentiert ihn aber in 1,33:1. Das liest sich dramatischer als es tatsächlich ist, denn die Bildkomposition wirkt zu keiner Zeit unstimmig. Leider gibt es keinerlei Extras, ein paar Hintergrundinformationen zum Film wären sehr angenehm. Auf englische Untertitel muss man ebenso verzichten, also bitte die Ohren spitzen (Die Dialoge sind glücklicherweise gut verständlich). Man kann mit der DVD aus dem Hause Optimum gut leben, eine Veröffentlichung für den deutschen Markt wäre trotzdem sehr wünschenswert.

Gut bis sehr gut = 7,5/10

Lieblingszitat:

"I saw it. The Bastard did it on purpose."

***

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