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Dieses Thema hat 1 Antworten
und wurde 319 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

21.12.2017 10:15
Dorothea Angermann (1958/59) Zitat · Antworten



Dorothea Angermann

Melodram, BRD 1958/59. Regie: Robert Siodmak. Drehbuch: Herbert Reinecker (Vorlage, 1926: Gerhart Hauptmann). Mit: Ruth Leuwerik (Dorothea Angermann), Bert Sotlar (Michael Sever), Alfred Schieske (Pastor Angermann), Kurt Meisel (Mario Malloneck), Edith Schultze-Westrum (Frau Lüders), Alfred Balthoff (Herr Weiß), Monika John (Rosa), Ursula Herwig (Irene), Ernst Konstantin (Gerichtsvorsitzender), Holger Hagen (Verteidiger) u.a. Uraufführung: 22. Januar 1959. Eine Produktion der KG Divina-Film München im Gloria-Filmverleih München.

Zitat von Dorothea Angermann
Pfarrerstochter Dorothea Angermann ist die Enge des väterlichen Hauses leid. Der strenge Gottesmann schickt sie für drei Monate nach Hamburg, um in einer Pension zu arbeiten, wo sie zwei sehr unterschiedliche Männer kennenlernt. Zu gern würde sie nach ihrer Rückkehr den zuvorkommenden Michael ehelichen, doch sie ist vom Hallodri Mario, der sie vergewaltigt hat, schwanger. Auf Geheiß ihres Vaters müssen Dorothea und Mario heiraten – eine Qual für die Frau, die bald darauf ihr ungeborenes Kind verliert. Stoisch erträgt sie die Ehehölle von Tag zu Tag, bis sie wieder auf Michael trifft und die Ereignisse sich überschlagen ...


Selbst für die Verhältnisse der heute als besonders verknöchert-moralinsauren geltenden Adenauer-Ära trumpft „Dorothea Angermann“ mit einer schwindelerregenden Problem- und Schicksalsdichte auf, die sowohl die Charakteristika der dramatischen Bühnenvorlage als auch die Handschrift des von Konflikten magisch angezogenen Drehbuchautors Herbert Reinecker verrät. In seiner Plakativität (Frauenschicksal der Pfarrerstochter, die in sexuell-romantische Abgründe gerät) wandelt der Film auf einem schmalen Grat zwischen traditioneller Schmonzette und zeittypischem Kolportagereißer. So verdichtet, wie die Lebensprüfungen auf Dorothea Angermann einregnen, verlieren einzelne Erlebnisse allerdings drastisch an Wirkung – statt sie in die Tiefe gehend auszuloten, werden sie vielmehr in dem Versuch, besonders unerhört zu wirken, übereinandergestapelt und enthüllen dadurch lediglich, wie lapidar man seinerzeit über ein Delikt wie etwa eine Vergewaltigung hinwegging.

Inmitten dieses Melodrams steht Ruth Leuwerik als Titelfigur. Dem immer edlen und damenhaften Fünfzigerjahrestar kann nur ein teilweiser Erfolg in dieser Rolle attestiert werden. Einerseits passt Leuweriks vornehme Art zu spielen zu der moralischen Überlegenheit, die sie als Figur trotz der Schändung in den Augen des Publikums bewahren muss, um Wut über die Ungerechtigkeiten, die ihr im Folgenden widerfahren, zu erzeugen. Andererseits geht mit einem Spiel zwangsläufig auch eine eindeutige Charakterfestigkeit einher, die dem beeinflussbaren, bemitleidenswerten, weltfremden Pfarrerstöchterlein, das sie da trotz ihres Alters von 34 Jahren spielen muss, diametral entgegensteht. Gerade die schmonzettigen Momente gestalten sich daher unglaubwürdig – ein Umstand, der von dem geradezu hanebüchenen Auftritt ihres angeblichen Idealpartners Bert Sotlar noch einmal hervorgehoben wird.



Umgekehrt liefert Kurt Meisel den vielleicht stärksten Part des Films ab. Seine menschgewordene Bestie erscheint zwar hoffnungslos überzeichnet, der Schauspieler füllt die Stereotype des prinzipienlosen, notgeilen, spielenden und trinkenden Halunken allerdings mit diebischer Freude aus. In dieser Beziehung rekurriert das Drama auf frühere Einträge in Meisels Filmografie, als er zum Beispiel bereits in Veit Harlans „Die goldene Stadt“ einen ähnlich lasterhaften Charakter verkörperte. Obwohl der Film von US-Remigrant Robert Siodmak gedreht wurde, enden die Parallelen zu Propagandafilmen des Dritten Reiches übrigens nicht bei Meisels Rolle. Auch die anfängliche Szene, in der Vater Angermann seine Tochter dazu zwingt, das Kirchenlied an der Orgel zu spielen und mitzusingen, erinnert frappierend an den Moment in „Hitlerjunge Quex“, in dem Heinrich George seinen Filmsohn ohrfeigend dazu anhält, gegen seinen Willen die kommunistische Internationale anzustimmen. Wie auch „Quex“ zeichnet sich „Dorothea Angermann“ durch eine völlig dysfunktionale Beziehung zwischen Vater und „Kind“ aus; Alfred Schieske bringt den Jähzorn des Hausherrn ähnlich einschüchternd zur Geltung wie damals George senior.

Und dennoch zeigt sich Siodmaks Einwirken auf das Projekt: Die rahmende Struktur mit Gerichtsprozess und Rückblenden stimmt mit den typischen Erzählmustern von Hollywoods schwarzer Serie praktisch 1:1 überein, wenngleich das Frauenschicksal tausendmal mehr im Mittelpunkt steht als der Todesfall, der den Anlass für den Prozess gibt. Dies ist nur logisch, denn von einem nachvollziehbaren Grund für eine drohende Verurteilung Dorotheas kann nicht die Rede sein (Stichwort Notwehr). So trifft es sich gut, dass Reinecker und Siodmak den fatalistischen Schluss des Hauptmann-Originals verwarfen und den Film auch in diesem Punkt insofern amerikanisierten, als nur diejenigen, die es verdient haben, bestraft werden, während das unschuldige Opferlamm nach ihrer bedrohlichen Situation in eine saftig-grüne Zukunft entlassen wird. Leuwerik trägt diese Chance auf einen Neuanfang dann auch souverän und versteckt im letzten Dialog mit ihrem Vater Botschaften von Verständigung und Milde – also von Aspekten, die dem gesamten restlichen Streifen abgehen.

Einem heutigen Publikum ist dieser altbackene Problemfilm kaum noch guten Gewissens zuzumuten, weil seine Abläufe plakativ und vorhersehbar sind. Während es für die Titelrolle sicher auch eine stimmigere Besetzung gegeben hätte, darf man sich immerhin ausgiebig an den überzeugenden Gegenspielern reiben. Unterm Strich bringt aber ein Übermaß an Liebesleid den lediglich pflichtschuldigen Gerichtsteil deutlich aus dem Gleichgewicht. 2,5 von 5 Punkten.

PS: Das Bild der Filmjuwelen-DVD ist leider unrestauriert und deutlich zu dunkel. Dafür weist das Booklet diesmal eine überdurchschnittliche Qualität auf und geht in einem sehr umfangreichen Essay über die Wiedergabe von Wikipedia-Fakten deutlich hinaus. Sehr lesenswert!

Ray Offline



Beiträge: 1.930

29.10.2018 20:53
#2 RE: Dorothea Angermann (1958/59) Zitat · Antworten

Habe den Film inzwischen auch gesichtet und muss sagen, dass er nicht das hält, was die Namen Siodmak/Leuwerik versprechen. Siodmaks inszenatorische Stärken kommen kaum zum Vorschein, die Story ist extrem altbacken und voller Klischees. Schließlich ist Leuwerik mit ihren damals 34 Jahren sicher keine Iealbesetzung für die unstete Pfarrerstochter. Da haben die 1950er-Jahre weitaus überzeugendere Kriminaldramen hervorgebracht. Würde 3 von 5 Punkten geben.

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