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 Film- und Fernsehklassiker national
Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

06.08.2017 14:50
... und sowas nennt sich Leben (1960/61) Zitat · Antworten



... und sowas nennt sich Leben (Zornige Jugend)

Jugenddrama, BRD 1960/61. Regie: Géza von Radvanyi. Drehbuch: Willy Clever. Mit: Karin Baal (Irene Dirks), Michael Hinz (Martin Berger), Elke Sommer (Britta), Wolfgang Lukschy (Herr Berger), Heli Finkenzeller (Frau Berger), Claus Wilcke (Mario), Peter Nestler (Victor), Karl Otto Alberty (Bob), Klaus Dahlen (Wim), Hans-Dieter Frankenberg (René) u.a. Uraufführung: 10. Januar 1961. Eine Produktion der Alfa-Film Berlin im Prisma-Filmverleih Frankfurt / Main.

Zitat von ... und sowas nennt sich Leben
Irene Dirks’ liebste Freizeitbeschäftigung ist es, die Halbstarken und Männer in ihrem Bekanntenkreis reihum um den Verstand zu bringen. Dazu gehört es auch, regelmäßig mit ihren Verehrern in die Kiste zu steigen. Der empfindsame Martin, der Irene sehr gern hat, will sich das Verhalten des leichtfertigen Mädchens gern schönmalen, wird aber mehrfach von ihr benutzt und enttäuscht. Ein letztes Mal geht er noch auf ihre Avancen ein – bis er erfährt, dass sie nur einen Heiratswilligen sucht, weil sie schwanger ist ... vermutlich von Martins eigenem Vater!


In Problemfilmen nicht unerfahren („Aus dem Tagebuch eines Frauenarztes“, „Am Tag als der Regen kam“, „Zu jung für die Liebe“), ließ Artur Brauners Zweitfirma Alfa-Film auch dieser Produktion eine saftige Portion Pessimismus in Bezug auf den Stand der Jugend in den frühen Sechzigerjahren angedeihen. Vom „Schicksalsbild einer Hemmungslosen“ sprach der Prisma-Filmverleih, unter „Zornige Jugend“ sollte der Streifen eigentlich in die Kinos kommen. Wirklich „zornig“ sind die jungen Leute, die der Film zeigt, dabei gar nicht – Attribute wie „desillusioniert“, „lasterhaft“ oder „durchtrieben“ treffen ihre Verhaltensweisen eher. Fast schon ermüdend lang werden unsensible, aber letztlich eher läppische Tricks und Täuschungsmanöver beleuchtet, die die Verkommenheit von Irene Dirks und ihrem Freundeskreis verdeutlichen sollen – eine Halbstarkenbrut, die kurzzeitiges Renommieren und Benachteiligung der Anderen zur obersten Devise eines ziellosen Alltags auserkoren hat. Fokus erlangt der Film erst spät, als Irenes Schwangerschaft die Protagonisten zu ernsthafteren Entscheidungen zwingt. Die ewig Ungebundene ist plötzlich dazu gezwungen, ihre gespaltene Zunge dazu zu nutzen, jemanden in eine Ehe zu locken, um das Kind – der damaligen Zeit entsprechend – zu legitimieren. Die vernunftbefreite Präpotenz der jungen Frau weicht in dem Maße, in dem sich ihre Beziehungen als Schall und Rauch und „ihre“ Männer als entsprechend rückgratlos entpuppen, der zunehmenden Erkenntnis, nun nach einem rettenden Strohhalm greifen zu müssen.



Karin Baals Darstellung befeuert den negativen Blick der Produktion und der Gesellschaft im Ganzen auf sexuell umtriebige Frauen sehr effektiv. Lässt man sich auf den Duktus des Films ein, so gönnt man ihrem hinterlistigen „Luder“ Irene durchaus, dass sie die selbst eingebrockte und durch Intrigen verdickte Suppe letztlich schmerzvoll auslöffeln muss. Mit Baal stellt sich „... und sowas nennt sich Leben“ zudem sehr deutlich in die unmittelbare Genrenähe von „Die Halbstarken“, wobei die lange Vorarbeit, die die hier vorliegende Produktion nutzt, um die Figuren plastischer auszugestalten, die Schlusskonflikte substanzieller und nachvollziehbarer erscheinen lässt. Die Rolle des sich obercool gebenden Horst Buchholz hält hier Claus Wilcke mit hipstereskem Bartputz inne, während Michael Hinz eher auf Pfaden wandelt, die ein Typ wie Christian Wolff in anderen Filmen ähnlicher Machart beschritt. Von seinem Vater, den Wolfgang Lukschy sehr überzeugend als selbstbewussten, die Grenzen des guten Geschmacks überschreitenden Utilitaristen gibt, als Schwächling angesehen, scheitert er an der Diskrepanz zwischen klassischen Moralvorstellungen und dem in dunklen Farben gemalten Jugendzeitbild – eine Thematik, in Bezug auf die das Drehbuch des Altvorderen Willy Clever fast schon wie ein Herbert-Reinecker-Stoff anmutet.

Während kleinere Rollen wie die von Heli Finkenzeller, Elke Sommer und Alfred Balthoff durchaus echtes Herz in den Film bringen, wirkt er doch sowohl in Handlungsaufbau als auch Dialogen ein wenig zu zugespitzt und affektiert, um wirklich zu überzeugen. Hinzu kommt, dass die Alfa-Film die Authentizität des Endprodukts mit der Behauptung, die Ereignisse würden sich in Frankfurt am Main abwickeln, obwohl doch offenkundig in Berlin gedreht wurde, ein Stückweit verschenkte. Martin Böttchers Musik wirkt ähnlich antiquarisch wie mancher kesse Spruch, den ein wahres Gruselkabinett von Dampfplauderern in der Halbstarkenkneipe „Rabennest“ ablässt.

Zweifelsohne gelang Géza von Radvanyi ein aufrüttelnder Problemfilm mit starken Charaktermomenten und mutigem Finale. Dass der Streifen dennoch nicht zu den großen Klassikern der Halbstarkenwelle zählt, dürfte der stellenweise unausgewogenen und konstruierten Erzähltaktik zuzuschreiben sein, die nicht immer so überzeugend ausfällt wie die Leistungen der Darsteller. 3,5 von 5 Punkten.

PS: Nicht uninteressant sind verschiedene ausländische Vermarktungstitel, die sich sinngemäß als „Wenn die Eltern schlafen“ übersetzen lassen. Sie betonen deutlicher eine Anklage der Elterngeneration, die Verantwortung für das Fehlverhalten der Jugend trägt – ein typisches, wiederkehrendes Motiv in dieser Art Problemfilme.

[ Eine weitere Besprechung des Films findet sich in diesem Thread. ]

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